Kitabı oku: «Fußball! Vorfälle von 1996-2007», sayfa 3

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Mit Hammer und Stöckchen

Madrid, Stadion Bernabéu, 1. April 1998, ein Tor bricht zusammen.

90.000 Zuschauer warten gespannt auf den Anpfiff des Champions-League-Halbfinalhinspiels zwischen Real und Borussia Dortmund. Doch das Tor wackelt, sinkt, stürzt.

4 blaugewandete, 3 graubraune Herren eilen herzu und ein metallicblauer Herr. Reporter Reif redet. Schon steht es wieder, indes auf wacklig’ Beinen nur.

Ein Schwenk, ein Rund. Unerhörte Stille, 21 Uhr, eine Viertelstunde nach vorgesehenem Spielbeginn. Im kurzen, satten Grase liegt er majestätisch unbeeindruckt, der Hammer, der helfende, »du Instrument / des Aufbaus / und des Abbaus« (F. W. Bernstein), der Hammer, du häßlich’ und auch hoffnungsspendend stählern’ Ding, du rabiater und ruhender Knecht der Verantwortlichennatur.

Schlaff und stumm hängt das Netz, Kanthölzer versprechen Rettung als an Bruchstellen eingeführte Notstandbeine, matt das Netz gesunken zu etwas abendfeuchtem Boden, reifbestreutem Rasen hinab.

»Jetzt das Ganze noch ins Lot gebracht!« frohlockt M. Reif, nein, das sieht man, das geht ja nicht! Abbruch droht wie weiland (3. April 1971) nach Herbert Laumens Borussentorbeschädigung gegen die Werderaner, nein, der Anpfiff schon dräut vereitelt zu werden durch den Fall des Tores.

»Das sah wie eine relativ saubere Schnittstelle aus. Könnte es theoretisch auch Sabotage gewesen sein?« fragt im UEFA-himmelblauen Studio Herr Jauch den Dortmundborussen und gelernten Kupferschmied Toni Schumacher. – »Nein, ich glaube nicht Sabotage.«

Helfen »Streichhölzchen« bei etwaigen späteren vielleicht ja »Lattenkrachern«? 3 Blaue und 1 Grauer knuddeln am noch immer sehr schamvoll trauertragend laschen und fast traurigen Netz herum, das Tor, es steht, provisorisch bloß. »Da herrscht schon jede Menge Hektik und Nervosität in den Katakomben, man spürt das körperlich«, berichtet Potofski live »in Color« (Reif), Teddy de Beer beruhigt die etwas nachdrücklicher aufgewühlte Stimmung: »Wir wollen uns mal auf die Spanier verlassen, daß die hier in der Lage sind, ’n Tor zu reparieren und da vielleicht ’nen Nagel reinzuhauen.«

Der Nagel tät’ ja nichts. Rein nichts! »Im Moment sieht’s ziemlich bitter aus«, sagt Teddy, das Tor klappt abermals und nun, scheint’s, endgültig und entkräftet zusammen, platt liegt es da, 3 Blaue und 1 Olivgrauer zurren wieder etwas und tupfen oder tippen, 6 Schwarze stehen, gut im Raum verteilt, sinnend, praktisch grübelnd herum.

»Also, schweißen wär’ jetzt groß angesagt«, rät der alte Kupferschmied. Eine Spachtel sehen wir, verzagtes Picken, eine Gummizange, man klopft ein wenig. Schutzlos nacktes Gestänge, gebrochen, tragen 5 Männer plötzlich weg.

»Jetzt müssen spanische Heimwerker schnell ein neues Tor schnitzen«, empfiehlt Herr Jauch. Wir müssen beinah’ weinen schon. Dunkel klafft das Pfostenloch, das Netz verweilt, allein.

21.18 Uhr, »das große Buch der Fußballgeschichte muß um ein neues Kapitel erweitert werden« (Jauch), der Hammer, jetzt von links und eher leicht von oben schräg das Bilde füllend, schläft. »Also, reinhauen wird nicht gehen.« (Reif) Was dann? »Jetzt fummeln die«, sagt Reif, »an dem Netz herum, das ist so wie Fischer«, »genau«, jauchzt Jauch, »spanische Fischer.« – »Ja.« (Reif) Das neue Tor kommt nicht.

Es lacht die deutsche Runde kugelpfundig herzlich frisch, sie haben solche Schwierigkeiten nicht. Wieder fällt da replaymäßig elendig das Tor von rechts, knickt ein, zieht linke Seite zügig nach und patscht ganz unsympathisch hin. »Das ist wirklich wie ein Dorfverein.« (Jauch)

Es ist zu Madrid aber vieles stark »marode und verrottet« (Schumacher), kein Leben mehr jetzt auf dem bläßlich grünen Felde, weit dehnet sich die fahle Fläche unbespielt, das Netz ruht still. Milchig schwimmt diffuses Licht. »Achtung, er nimmt den Hammer weg! Aus!« ruft Reif.

Nun gehe man ein neues holen, ein Standtor wohl, und lasse das alte im Stich und in den Katakomben. »Achtung, die Blauen sind wieder da!« schreit Reif, er sieht am besten, von oben laut herab, das Netz, man knödelt, faltet es zusammen, schleppet es hinfort. »Holzbeine sollten das werden«, deutet Reif die Szene, »aber das war dann nix.«

»Ich habe gerade gesehen«, schaltet Potofski flink sich dazwischen, »daß man gerade ein Tor zusammenhaut, aber niemand darf photographieren, ein geheimes Tor«, und nun wird es ja schon hereingetragen, es verhakt sich a bißerl im Sicherheitszaun, das Standtor, 18 tapfere Mannen hängen dran und zieh’n und zerren für die Wende der Ereignisse. Hölzer, Heringe. Und Haken auch. Und der Schiri zweifelt erst, hebt dann den Daumen doch, sagt ja zum »Trainingstor«, zum Hilfs-, zum Nottor aus den Höhlen Bernabéus, zum Ersatz- und Rettungstor.

»Da ist wieder unser Mann mit dem Hämmerchen, unser Berufsfischer«, quiekt Reif, die Spanaken aber und die blöden Funktionäre schaffen frisch erstrahlend festen Blikkes am Netz und spannen es, das Netz, das müde, legen Steine auf die neuen Toresfüße, noch wird geflickt, damit es ein Gesicht auch hat, »wie die messen!« jodelt Jauch, »mein lieber Schwan, Bezirksliga!« prustet Reif, es geht ihm einer ab: »Ooohhh Gottt!«

Die Sache wird ein »Nachspiel« haben.

Die drei Fragezeichen

1

Und es sprach im kicker-Sonderheft WM 1998

Der Chef, und er sprach:

»Lothar Matthäus geisterte zum Zauberwort

Für eine Fußball-Nation mit fast fanatischen Befürwortern

Und strikten Gegnern.«

Und wir verstanden nicht, denn es war

Holzschuh. Es war Holzschuh, welcher

Da auch sprach: »Vogts hat um die Auswahl

Seiner 22 Kandidaten

Hart gerungen.«

Und es war das Editorial.

2

Und wir blätterten weiter, und wir sahen

Karlheinz Wild, und er schrieb: »Matthias Sammers lang- und Olaf Thons kurzfristige

Verletzung (Knie bzw. Bänderriß) haben das unwahrscheinlichste und deshalb spektakulärste

Comeback der deutschen Nationalelf-Geschichte allseits bestaunte Wirklichkeit werden lassen.«

Und wir verstanden, und wir waren froh.

3

Und wir blätterten wieder retour, und unsre

Gewißheit, es werde mit Lothar unser Team den

Lorbeerkranz so grün und den 5 kg wiegenden Achtzehnkarätercup so gülden

Davontragen, ward zerstört. Ward gedämpft durch

Eine Überschrift, Und die lautete:

»Aus Erfahrung gut?«

Jetzt schon die Flinte ins Korn werfen?

»Am 10. Juni, wenn der

Anpfiff zur WM ertönt,

Wird’s ernst«, stand gleich darunter, und

Wir faßten neuen Mut. Und wir glaubten etwas

Fester nun daran, das Endspiel zu erreichen.

Vielleicht würden wir das Endspiel ja gewinnen gar. Gegen

Argentinien vielleicht. Vielleicht gegen England. Und wir

Würden alle Spiele verfolgen, bis das Endspiel stattfände, alle

Begegnungen, auch die Spiele der Wüstensöhne und des

Muselmanen. Denn »auch der Welt-Fußball

Liegt voll im Trend der Zeit: Immer mehr, Immer länger.«

Und wir lasen: Es »sind nur vier wirkliche Neulinge: Südafrika,

Jamaika, Japan und Kroatien«. Und wir lasen, der Weltfußball werde

Auch getreten von der Politik. »Bei letzteren beschränkt sich

Das ›Neu‹ lediglich auf den Namen«, und die Arbeitermacht,

Das wußten wir, lag lange schon schlimm darnieder: »Die

In 15 Länder zerfallene Sowjetunion ist bei der WM 98

Überhaupt nicht dabei …«

Und wir dachten an Jaschins Flüge

1966, an Rudi Michels Rede und an den

Halbfinalsieg, ein schönes Spiel. Und »die

Südamerikaner gewannen vier WM-Turniere, mehr

Als irgendeine andere Mannschaft«, aber sie taten sich auf europäischen Gründen

Stets sehr schwer, sie könnten bald ausscheiden und Heimfliegen. Doch haben sie, wußten wir da, einen, den

Nennen sie Ronaldo, »es sind«, erklärte uns

Der kicker, »seine überraschenden Einfälle,

Mit denen er Spiele wieder flottmachen kann. Der Eindruck, er würde nicht viel tun während

Des Spiels, stimmt ja nicht.«

Und wir nickten, und wir ärgerten uns und sorgten uns, Ronaldo könnte

Zu oft, allzuoft treffen, und Lothar hätte das Nachsehen, der

Fünffache gepriesene Teilnehmer, dessen Schuß gewaltig und

Dessen Antritt noch immer feurig.

Und wir lasen mehr. Wir lasen eine Spalte, wir lasen eine zweite Spalte, wir lasen die dritte,

Wir lasen: Er, Ronaldo, »vor allem nährt die Hoffnungen«, er nähre Siegessehnsüchte

Seines Trainers und seines Verbandes, aber man solle

Die anderen nicht vergessen. Das war klar.

»Die Mannschaft des Veranstalterlandes«, lasen wir, »wächst meist,

Angefeuert von den heimischen Zuschauern,

Über ihr gewohntes Leistungsvermögen

Hinaus«, und wir lasen: »Italien

Wird in allen Diskussionen

Genannt«, und wir lasen:

»Südamerikas Qualifikationssieger

Argentinien kann sich

Großer Aufmerksamkeit erfreuen.«

Und wir lasen:

»Allerdings muß es auch

Bei einer Weltmeisterschaft

Nicht immer so sein,

Wie es war.«

Und wir hofften, und wir blätterten um.

Und da sahen wir, wie er

Geschrieben und wie sein Wort

Gestalt hatte und wie er meinte:

»Wir haben wahrscheinlich

Die älteste Mannschaft des Turniers.«

Und wir verzagten erneut. Und »doch«,

Bedachte er, »das hat auch etwas Positives an sich:

Wir verfügen über einen großen Kreis

Erfahrener Spieler, generell und auch speziell

Bei WM-Turnieren«, und das Stimmte.

Und wahr war sein Wort: »Unsere Mannschaft […] hat das Zeug, im Konzert der Weltbesten

Eine tonangebende Rolle zu spielen.« Und

Wahr war und wahr ist: »Sie ist verpflichtet, ihre Ziele hoch zu stecken.«

Und aber wir wußten auch, da er sann: »Aber niemand kann eine Garantie abgeben.«

Denn, das wußten wir so gut wie er, »zunächst

Einmal muß sie in ihrer Gruppe bestehen.«

Denn »die ganze Konzentration

Darf immer nur dem nächsten Schritt

Gelten.« Denn

»Wer schon vom übernächsten Schritt redet,

Wird beim nächsten schon auf die Schnauze fallen.«

Das schrieb er, und es stimmte.

»Siehe unsere Erfahrungen bei der

WM 1994 in den USA«, siehe den Halunken

Stoitch- und siehe den Lumpen HSVkov, und siehe,

Er gab uns recht: »Ergebnis

Noch in aller Erinnerung …«

Und also rüsteten wir uns und

Gingen wir in uns, und wir lasen noch ein

Stück, und wir stimmten ihm zu. Denn

Er hatte geschrieben: »In jedem Spiel

Trifft man auf einen Gegner, Der sich ebenfalls darauf vorbereitet

Und sich etwas vorgenommen hat.«

Und wir priesen still seinen Namen

Und dankten ihm, daß er seinen Scheinwerfer

Geworfen hatte und sich und auch

Uns wünschte: »Hauptsache, es wird Fußball gespielt.«

Und es werde gespielt bis zum Schluß, denn

»Abgerechnet wird erst am Schluß, der

Neue Weltmeister steht frühestens

Am Sonntag, 12. Juli, 22.45 Uhr fest. Es kann

Aber auch noch um einiges

Später werden: Wenn es eine Verlängerung

Gibt, ein ›Golden Goal‹ oder gar erst ein

Elfmeterschießen

Entscheidet.«

Und es stand ein Kasten unten drunter,

Und der Kasten zeigte

Die Weltmeister seit neunzehnsechsundsechzig

Und fragte: »Steht der Weltmeister 1998 schon fest?«

Und es stand aber bloß

Geschrieben neben der

Zahl 1998:

»???«

Der Langpaß-Odysseus

Die aufgeregte Gegenwart kannte bis vor kurzem keinen verhaßteren und gröber geschmähten Fußballer als den Münchner Lothar M. Kein anderer mußte sich derart ausdauernd beleidigen, veräppeln, in den »Schlamm der schmierigsten Halbweltanschauung« (Karl Kraus) hinabzerren und mit allerlei eilfertig dämlichem Spruchwerk belästigen lassen. Gewiß, er, der geniale Langpaßschläger und weitblickende, unbekannte Horizonte des Fußballs abschreitende und die Räume des Rasens gewandt und geschwind durchmessende Stratege von odysseischen Gnaden, er, der Bubenparvenü, er, der später aus Pumas Obhut gen Mönchengladbach entlassene Bolzer und Renner und Grätscher und flinke Läufer, er, der Übersicht wahrende Lothar M., zwischenzeitlich Italiens geliebter Sohn und, Gott sei hoch gepriesen, zurückgekehrter Bayernlibero, er lieferte schon den einen oder anderen Anlaß, um sich über ihn zu echauffieren. Zu affig und affektiert hantierte er vor aller Welt mit geschätzten zwanzig Handys herum, und seine riefenstahlaffine Ablichtung zugunsten der Kreditkartenfirma American Express hätte wirklich nicht sein müssen. Das tat weh, das schmerzte.

Freilich, wenig dürfte leichter sein, als Fußballer zu imitieren und ihren Dialekt zum psychischen Defekt zu erklären. Was W. Boning und die neudeutsche Comedyblase bzgl. Lothar M. wider Willen dokumentierten, war nichts anderes als die schäbige Einfallslosigkeit eines Kabarettistenschmus, der inferiorer ist als jeder zusammengestotterte Satz eines Fußballers, der Fußball spielen und nicht klug daherreden können muß. Daß Lothar M. durch seinen Auftritt gegen die brillanten Jugoslawen just ihnen die kärglichen Darstellungsmittel entzog, freut uns.

Seltsames ist gleichwohl geschehen. Einer, den sie zum Prototypen des Dummklumpens erkoren hatten, wird plötzlich allenthalben gehätschelt, gepriesen und gelobt. Vergessen scheint, woran sich die Claque jahrelang delektierte: an Lothar M.s zuweilen narrischer Posierlust, seiner röhrenden rhetorischen Rastlosigkeit, seinem rauschhaften Geschnatter. Immer dann, wenn er die vom Bundesligabetrieb erzwungene Selbstkontrolle verlor und herumkrabölkte, bis die Kameralinsen beschlugen, kreischten sich die Schmöcke ins Fäustchen und hauten sich die Schenkel blau: Seht her, welch wunderbaren Tölpel er uns gibt!

Eigentlich wäre es gerechtfertigt, akkurat jetzt jenen Lothar M. zu schmähen, dessen Anhänger ich immer war; jetzt, da ihn alle liebgewonnen haben, weil er dem waghalsigen Projekt Weltmeisterschaft als wahrscheinlich vom HErrn persönlich gesandter Retter doch noch Perspektiven zu geben vermag. Nein, nun wär’s eigentlich zu spät, einen zu loben, der ganz und gar nicht ist, was sie aus ihm machten, auch wenn ich lediglich erahne, daß er »ein Guter«, wie die Mittelfranken sagen, sein muß.

Der geschätzte Fachkollege Fritz Eckenga, Bayern-Verächter und Borussen-Addict, erzählt, im Umfeld der Münchner Bayern redeten die Leut’ hinter vorgehaltener Hand über Lothar M. äußerst respektvoll. Paradox: Der, der angeblich die Boulevardpresse mit »Internas« (Matthäus) füttert und seine Kollegen anschwärzt, darf nur unter strengster Geheimhaltung geachtet werden. Womöglich zehren seine Kritiker von solcher Schizophrenie. Thomas Helmer hätte Lothar M. nach Veröffentlichung des Tagebuchs nicht despektierlich einen »Kranken« rufen können, hätte Lothar M. Lobbies, die ihn schätzten für das, was er wohl verkörpert, nämlich vor allem »keinen Linkmichel« (Andy Brehme). »Ja, das tut einem weh«, sagt Lothar M. heute, »weil man ja weiß, wie man eigentlich ist.«

Ich kann für mich in Anspruch nehmen, bereits Fan von Lothar M. gewesen zu sein, als meine Altersgenossen störrisch auf Hubert Kah oder Christiane F. schielten und aus ihrer merkwürdigen Zuneigung ein gerüttelt Maß an Prestigemehrwert schöpften. Dieser Tage trüge kaum Neues zur Diskussion bei, wer Lothar M.s mitunter beinahe rührende Offenherzigkeit priese, seinen sich nach Anerkennung verzehrenden Mitteilungscharakter, der stets Gefahr läuft, tapsig zu wirken. So angepaßt Lothar M. einem dünkt, so unangepaßt dürfte er tatsächlich sein, »lauter wie kein zweiter« (Günther Koch). Und daß er nun die Klappe hält und jedermann scheinheilig seine neuen »Tugenden« rühmt – »über alle Diskussionen erhaben« nennt ihn plötzlich das ZDF-WM-Studio –, ist, das ganze Klinsmann-Gedengel beiseite, der echte Skandal – für welchen allerdings der Blick eines Thomas Helmer entschädigte, als Bundestrainer Vogts im Jugoslawienspiel nicht ihn, sondern die Nummer acht auf ihren Einsatz vorbereitete und Jugendspielerhändler Helmer darob wie verkniffen-knieselig dreinschaute. Doch, das hat mir gefallen.

Vom PLAYBOY (7/1998) über sein Verhältnis zu Berti Vogts befragt, mit dem er 1979 bei Borussia Mönchengladbach trainiert hatte, antwortete Lothar M.: »Ich hab’ ihn gleich umgetreten. Deswegen habe ich einen Vertrag bekommen.«

Eben – »seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.« (Matthäus 10,16)

Wontorra II

Er läßt nicht locker. Da hatten wir ihn endlich aus unserem Gedächtnis gestrichen, schon reicht er die Scheidung ein und streckt uns beinahe täglich aus der Zeitung sein bumsfideles Face entgegen. Also gut, Wontorra, dann schauen wir in Deine Autobiographie Halbzeit mit Helden – Geschichten, die der Fußball schreibt (Düsseldorf/München 1997) hinein, doch, tun wir glatt, wir haben wirklich nichts Besseres zu schaffen, und was lesen wir?

Franz Beckenbauer »ist halt in der Zusammenarbeit mit uns Journalisten ein absoluter Profiund einfach auch ein netter Mensch. Er hat in dem Moment erkannt, daß ich etwas riskiere, einen unkonventionellen Weg gehe.« Yeah, Wonti! Du arbeitest echt unkonventionell, risikofreudig und journalistisch! Daß das nie zusammenpaßt, dämmert Dir freilich nicht. Du bist nämlich damit beschäftigt, Deine erbärmliche »Laufbahn« zu heroisieren, Deinen mutigen Kampf gegen Vorgesetzte, »kantige« Spieler und Funktionäre (»Rummenigge, der seine Denkanstöße so gleichmäßig verteilt wie weiland die Flanken«; »schon so manchem Verein hat Hoeneß das Herz herausgerissen«).

Es war schwer, denn »ich galt bei meinem Eintritt in seine [Fritz Kleins] Redaktion als ausgewiesener Linker«, der es schließlich fertigbrachte, den Kaiser anzusprechen, ohne gefeuert zu werden: »Damals habe ich eine ganze Menge erfahren über den Menschen Franz Beckenbauer. Daß er einer ist, der es am liebsten wirklich jedem recht machen will, manchmal sogar gegen seine Überzeugung.«

Wir haben das Buch von Mister »Mittlerweile duze ich auch Franz Beckenbauer. Aber dahin führte ein langer Weg« sogar wegen unserer Überzeugung einfach weggeworfen. Was Du, Wontorra, mit Deiner »Karriere« genauso machen könntest, oder? – Wutsch!

Na bitte.

Und das Dorf klagte einmal mehr

Natürlich, sagte der ältere Mann, müsse man sonntags, am Nachmittag, hinaus zum Fußballplatz gehen, wolle man richtigen Fußball sehen, Fußball, der mit Einsatz, mit dem dieser Sportart eignenden Biß, mit Leidenschaft betrieben werde. Wenn die Leidenschaft fehle, brauche er sich ja gar keinen Fußball anzusehen, da könne er sonntags auch gleich zu Hause bleiben und einen Sonntagnachmittagsfilm schauen, erklärte mir der Mann.

Am Rande des Dorfes lag der Platz des TSC. Hinter ihm erstreckten sich Äcker und Wiesen. Man blickte, über den gepflegten Rasen hinweg, gelehnt an ein rotes Geländer, auf vereinzelte Kiefernwälder. Hundert, manchmal zweihundert Zuschauer säumten das Feld. Vor der Turnhalle des Sportkomplexes konnte man Bier kaufen. Man grüßte, man plauderte, und man kannte die Aufstellung, weil sie der Trainer am Abend zuvor im Wirtshaus verraten hatte.

Das würde wohl wieder nichts werden, war die verbreitete Meinung, der Abstieg sei schon zur Saisonmitte praktisch besiegelt. Selbst die Bruckdorfer hätten mehr Elan, mehr Pfiff. Wohin das führen solle. Seit ewigen Zeiten in der vierten Liga, und jetzt gehe es noch weiter hinab. Das werde nie mehr was, das könne man eigentlich vergessen und vor dem Anpfiff abhaken.

Diese Wurst schmecke besonders gut, sagte der Mann neben mir, die habe er gestern, am Samstag, kurz vor eins noch schnell beim Metzger Neukam geholt und dann daheim in den Kühlschrank gelegt, und seine Frau, sagte der Mann, die immer nach dem Geld schaue, habe ihm kurz vor dem Spiel die noch ganz frische Wurst hier zu diesem Weck in die Tüte gesteckt und mitgegeben, denn er könne zwar hier, auf dem Fußballplatz, freilich auch sich eine Wurst kaufen und einen Weck und beides während des Spiels, während der ersten Halbzeit genaugenommen, verspeisen, und wahrscheinlich stamme diese Fußballplatzwurst hier wahrscheinlich auch vom Neukam oder sogar vom Konkurrenten Ströbel und schmecke daher so oder so nicht schlecht, aber ob diese Wurst vom Neukam geliefert worden sei oder eben, was er sich kaum vorstellen könne, vom Ströbel, das mache ihm, der sich seine Wurst von daheim mitbringe hierher zum Fußball, nichts aus, denn den Aufschlag von fünfzig Pfennigen müsse er weder dem Neukam noch dem Ströbel, wem und wie auch immer, in den Rachen schieben. Es sei doch ein leichtes, sich seine eigene Wurst, schön eingepackt in ein sauberes Butterbrotpapier und eine braune Papiertüte vom Bäcker Hammon, der sicherlich die wohl besten Wekken des ganzes Dorfes führe, Mohn, Sesam oder ohne alles, sich diese für die erste Halbzeit vorgesehene Wurst selber mitzubringen, zur Stärkung, verstehe sich.

Denn erwartungsgemäß beginne die Heimmannschaft immer recht stürmisch, komme gut über beide Flügel, mit anfänglich, etwa in den ersten zwanzig Minuten, präzisen Flanken, erarbeite sich etliche Chancen, auch wenn es mit dem Abschluß meist durchaus nicht klappen wolle, und die Offensive entlaste so den traditionell anfälligen, ja schwachen Viererabwehrblock, aber spätestens nach Wiederanpfiff gerate die ganze Mannschaft ins Schwimmen und wakkele bedenklich, und dann müsse er, sagte der Mann, sich schon gestärkt haben, um das nervlich überhaupt durchzustehen. So eine Wurst, bis die ihre stärkende Wirkung entfalte, so eine Wurst müsse ja erst mal den angestammten Weg nehmen und verdaut werden, bis die wertvollen Inhaltsstoffe dieser sehr guten Wurst hier vom Neukam wirkten und er die Strapazen der zweiten Hälfte dann auch ertragen könne.

Nun rannte sich der Neumeister Bernd bei einem der wenigen Angriffe des TSC wieder fest, und die Schwabacher drückten. Die grätschenden, heftig schnaubenden Spieler wirkten vollkommen irreal, überwirklich greifbar. Sie riefen Kommandos, und jeder konnte sie hören. Auch riefen Zuschauer Ratschläge auf den Platz herein, und bisweilen blickte einer der TSC-Männer in die Richtung besonders lauter Hereinrufer.

Keeper Weiland rettete in höchster Not. Das Dorf schrie, klagte, jammerte und schimpfte, die Männer in meiner näheren Umgebung schwitzten, fluchten und winkten ab. Viel Bier wurde schon jetzt, kurz nach vier, getrunken, zur Kühlung der erhitzten Gemüter, und der Zapfer mit der grünen Lederschürze machte einen zufriedenen Eindruck und gab jedem, der sein helles Bier kaufte, ein paar aufmunternde, tröstende Worte mit auf den Weg, noch sei das Spiel ja nicht zu Ende, und in zwei Wochen, die Hersbrucker, die werde man sicher wegputzen und dann wieder ein wenig hinaufklettern in der Tabelle. So der Bierzapfer am Rande des Fußballplatzes.

Wenn es denn beim Nullnull bliebe, könne und müsse man zufrieden sein, sagte der Mann neben mir. Jetzt wolle er sich eine zweite Wurst gönnen und diese rasch verdrücken, ausnahmsweise, sagte der Mann und ging hinüber zur mobilen Wurstbraterei, die auch kalte Bratwurst feilbot.

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