Kitabı oku: «Heathens Ink: Meine Herzensbrecher», sayfa 2
Liam
Mein Magen überschlägt sich und flattert aufgeregt, als ich die vertrauten Türen des Heathens Ink öffne. In den vergangenen fünf Jahren habe ich viel Zeit hier verbracht und war zufrieden damit, stundenlang nur rumzuhängen, Fotos zu machen und mit Dani und Gage am Computer zu spielen. Abgesehen von Royals Haus ist dieser Ort hier das, was einem Zuhause am nächsten kommt.
»Hey, Kumpel«, begrüßt mich Nox vom Tresen aus. »Willst du für mich unsere Social-Media-Seiten auf den neuesten Stand bringen?«, fragt er und zieht einen Schmollmund.
»Würde ich machen, aber ich hab einen Termin mit Owen für ein neues Tattoo.«
»Oh-oh, Royal wird rummotzen, dass du dich nicht von ihm tätowieren lässt.«
»Ja, ja.« Ich winke ab.
Wenn ich es rein und wieder raus schaffe, ohne Royal über den Weg zu laufen, wird er wahrscheinlich nie von diesem Tattoo erfahren. Nach meinem ersten Tattoo, einer Eule, die Owen gestochen hat, hat Royal mir den kompletten Arm tätowiert, von Nash habe ich ein Knuckles-Tattoo auf der Schulter bekommen (passend zu Sonic, Tails und Doktor Robotnik, die er, Royal und Zade auf der Haut tragen) und Nox durfte mir einen Zentauren auf den Rücken verpassen. Ganz zu schweigen von Danis Augenbrauenpiercing. Sie alle durften sich auf mir austoben, also habe ich mir wohl eine zweite Session mit Owen verdient.
Obwohl die Nervosität, die mich überrollt, mich infrage stellen lässt, ob es eine kluge Entscheidung war, Owen als denjenigen auszuwählen, vor dem ich die Hosen runterlasse. Natürlich nicht vollständig, aber ich muss sie ziemlich weit runterziehen, damit er mich wie gewollt tief auf der Hüfte tätowieren kann.
»Liam, komm nach hinten«, ruft Owen den Flur hinunter und ich schenke Nox ein kurzes Lächeln, bevor ich zu Owens Arbeitsbereich husche.
»Hey«, begrüße ich ihn, als ich durch die Tür gehe. Grinsend bleibe ich stehen, als ich etwa ein Dutzend meiner Fotografien in seinem Bereich hängen sehe.
»Hey. Du siehst nach gestern Abend gar nicht so schlecht aus. 21 zu sein, hat seine Vorteile, hm?«
»Ich denke schon«, erwidere ich und lache so unbehaglich auf, dass ich innerlich zusammenzucke. Wo ist der coole, lustige Typ, der gerade mit Wyatt zu Mittag gegessen hat? Warum benehme ich mich immer so blöd, sobald Owen in der Nähe ist?
»Das ist ein ziemlich einfaches Design heute, also denke ich, es sollte recht schnell gehen.« Owen zeigt mir die fertige Skizze. Er hat der Flagge eine Falte und Schatten hinzugefügt, sodass sie aussieht, als würde sie im Wind flattern.
»Sieht gut aus.«
»Cool. Sie soll auf deine Hüfte?«
Ich nicke und beiße mir auf die Unterlippe, während Owen Küchentücher abreißt und sie fein säuberlich neben den Rest seiner Utensilien legt.
»Ich schätze, ich sollte, ähm…«
»Ja, schieb die Hose einfach so weit wie nötig runter und setz dich dann auf den Stuhl«, sagt Owen leichthin, als er die pastellpinke und blaue Farbe in kleine Plastikbecher drückt.
Meine Hose ein Stück runterschieben, kinderleicht. Mit zitternden Fingern knöpfe ich meine Jeans auf, schiebe die Finger unter meine schwarze Unterhose, und schiebe beides nur auf einer Seite hinunter. Mein Packer bewegt sich ein wenig, bleibt aber wie er sollte an Ort und Stelle. Dann setze ich mich auf den Stuhl, stolz darauf, den ersten Teil überstanden zu haben. Jetzt muss ich es nur noch durchstehen, Owens Hände auf mir zu spüren, während er arbeitet. Vielleicht ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um meinen Plan durchzuziehen. Operation: Owen verführen, wie Kyle es nennt. Ich glaube, dass das viel zu offiziell klingt, da mein Plan im Grunde daraus besteht, Owen dazu zu bringen, in mir mehr als nur Royals kleinen Bruder zu sehen. Na ja… Ich hab ein bisschen mehr Plan als das, aber ich bin ziemlich sicher, dass ich einen Rückzieher mache.
»Bereit?«, fragt Owen, als er seine blauen Handschuhe anzieht und mit dem Stuhl nach vorn rollt.
»Bereit«, stimme ich zu und atme tief ein. »Wird es an dieser Stelle wehtun?«
Owen mustert meine Hüfte. »Wenn du ein bisschen Speck auf den Hüften hättest, wäre es in Ordnung, aber du bist nur Haut und Knochen, Kleiner, also könnte es etwas unangenehm werden.«
Erneut atme ich tief ein, halte die Luft an und atme dann langsam wieder aus.
»Alles klar. Ich bin bereit.«
Owen legt eine Hand auf meine Hüfte und ich zucke zusammen.
»Ganz ruhig. Du hast Glück, dass ich nicht mit der Nadel angefangen habe.«
»Entschuldige.«
»Alles in Ordnung? Ich dachte, du wärst mittlerweile ein alter Hase, nachdem sich jeder hier auf dir verewigen durfte.«
»Ja.« Ich lache leise. »Bin heute wohl nur überdreht. Ich hab einen ganzen Eimer Kaffee getrunken, als ich aufgestanden bin.«
»Darauf wette ich.« Owen schüttelt lächelnd den Kopf. Schnell rasiert er die Stelle und verteilt anschließend das nach Minze riechende Antiseptikum auf meiner Haut. »Okay, dieses Mal kommt die Nadel, also nicht zucken.«
Ich lehne den Kopf zurück und schließe die Augen. Vielleicht wird es einfacher, wenn ich nicht sehe, wie Owen mich berührt. Ich kann mich noch immer erinnern, wie er ausgesehen hat, als er mir die Eule tätowierte: Haarsträhnen hingen ihm im Gesicht, die Augenbrauen hatte er konzentriert zusammengezogen und seine Zunge blitzte zwischen seinen Zähnen hervor.
Das Summen der Nadel an meiner Haut hat einen beruhigenden Effekt. Ich bin eingeschlafen, als Nox meinen Rücken tätowiert hat; ich glaube, dass ich jetzt auch einschlafen könnte, wenn Owen nicht wäre. Jedes Mal, wenn er ausatmet, kitzelt es auf meiner Haut und es zieht in meinem Schritt. Ich weiß, dass es nur ein Wunschtraum ist, Owens Aufmerksamkeit in dieser Hinsicht zu erregen. In den fünf Jahren, die ich ihn kenne, ist er mit zahllosen Männern und Frauen ausgegangen und niemand davon konnte sein Interesse lange fesseln, warum sollte ich also anders sein? Aber das hält mich nicht vom Träumen ab.
»Okay?«, fragt Owen nach.
»Mir geht's prima«, antworte ich verträumt.
»Ich nehme an, dass es nicht wehtut?«
»Vielleicht ein bisschen.« Ich zucke mit den Schultern und öffne die Augen und mein Herz zieht sich zusammen, als ich Owen genauso sehe, wie ich ihn mir vorgestellt habe: konzentriert, das Gesicht verzogen. Er wischt etwas Tinte und ein paar Blutstropfen weg und ich zucke leicht zusammen. »Das Wischen ist immer schlimmer als die Nadel«, sage ich und er lacht zustimmend.
Erneut schließe ich die Augen und lasse mich von dem Summen und Brennen beruhigen.
»Diesen seligen Ausdruck kenne ich. Du wirst noch von Kopf bis Fuß tätowiert sein, bevor du genug hast.«
»Gut möglich«, stimme ich zu. »Zumindest passe ich dann hier rein.«
Owen zuckt mit den Schultern und sieht zu mir auf. Seine dunkelblauen Augen sind ein Ozean, in dem ich ertrinken könnte.
»Dazu zu passen wird überbewertet. Tu immer, was dich glücklich macht.«
»Mach ich«, stimme ich mit einem feierlichen Nicken zu, das sich nach ein paar Sekunden in ein Grinsen verwandelt. Angenehmes Schweigen senkt sich über uns und wie Owen vorausgesagt hat, ist das Ganze in weniger als einer Stunde erledigt.
»Brauchst du eine Creme, oder hast du noch welche von deinem letzten Tattoo?«, fragt Owen, nachdem er mich gesäubert und das Pflaster aufgeklebt hat.
»Ich glaub, ich brauch welche. Ich weiß nicht mehr, wohin ich die Tube gelegt habe. Sie könnte auch beim Umzug verloren gegangen sein.«
»Dann besorgen wir dir mal welche.«
Owen dreht mir den Rücken zu, während ich vom Stuhl hüpfe und meine Hose wieder anziehe. Keine leichte Aufgabe, denn ich versuche, das locker angebrachte Pflaster nicht abzulösen. Dann geht er mit mir nach vorn.
Er bückt sich, wühlt unter dem Tresen herum, und mein Blick gleitet schamlos über seinen Hintern. Ich frage mich, wie er nackt aussieht… Gott, ich wette, dass er unglaublich ist. Er hat bunte Tinte auf beiden Armen und ich habe auch einen Blick auf seine Brust erhascht. Wie viel seines Körpers ist mit Kunst bedeckt? Eine meiner Lieblingsfantasien ist, Owen langsam auszuziehen und jedes seiner Tattoos mit der Zunge nachzufahren. Ich werde hart und es hilft auch nicht, dass meine empfindlichen Stellen gegen den Packer reiben.
»Na also.« Owen findet die Creme, hält sie triumphierend hoch und ich bin zur Abwechslung froh, dass meine Erektionen von niemandem gesehen werden können.
»Danke.« Ich stopfe mir die Tube in die Hosentasche. »Also, hey, ich hab mich gefragt…«
»Bekomme ich dein neues Tattoo zu sehen?«, unterbricht mich Dani, als sie aus ihrem Arbeitsbereich im vorderen Teil des Studios kommt.
»Oh, also… ja. Aber lass uns in dein Zimmer gehen; ich will hier vorn nicht die Hosen runterlassen.«
»Du wärst nicht der Erste«, scherzt Dani.
»Wenn du sonst nichts brauchst, sehen wir uns später?«, will Owen wissen. Er sieht mich fragend an, während er darauf wartet, dass ich den Satz beende, den Dani unterbrochen hat.
»Das war's.« Ich bin so ein Feigling. »Danke noch mal. Wir sehen uns.«
»Cool, bis dann.«
Ich folge Dani in ihren Bereich und zeige ihr mein neues Tattoo, ehe ich bei ihr bezahle und gehe.
Royal, Nash und Zade wollten mich heute Abend zu einem Geburtstagsessen einladen, also habe ich noch ein paar Stunden, um an ein paar Bildern zu arbeiten, bevor ich mich fertig machen muss. Wenn ich Glück habe, bleibt sogar noch Zeit für ein kurzes Nickerchen.
Kapitel 3
Owen
Nachdem Liam gegangen ist, bleibt mein Blick länger an der Tür hängen, als er sollte. Aus irgendeinem Grund kann ich diesen seltsamen, elektrisierenden Moment von gestern Abend nicht abschütteln. Wenn ich getrunken hätte, würde ich es auf den Alkohol schieben. Und es ist gut fünf Jahre her, seit ich etwas Härteres genommen habe, also scheidet das auch aus.
Es ist wahrscheinlicher, dass meine Einsamkeit mich durchei-nanderbringt. Was auch immer es war, es hat dafür gesorgt, dass meine normalen Albträume von einem unangenehm erregenden Traum ersetzt wurden, in dem Liam und Wyatt rumgemacht und sich gegenseitig ausgezogen haben, während ich zusah.
Mein Schwanz wird bei der Erinnerung hart und ich zwinge mich, den Blick von der Tür loszureißen und in mein Zimmer zurückzugehen, bevor jemand sehen kann, wie ich Liam mit einem wachsenden Ständer nachsehe und daraus Schlüsse zieht. Zum Glück sind Royal und Nash heute nicht da; wenn einer der beiden das gesehen hätte, könnte ich mich glücklich schätzen, wenn ich meine Eier behalten darf.
Der Traum war wohl eher meiner andauernden Abstinenz als irgendetwas anderem geschuldet. Es ist nicht so, dass ich Wyatt kenne – auch wenn er süß ist – und Liam ist nur ein Kind, also niemand, den ich so ansehen müsste.
Zurück in meinem Arbeitsbereich spüle ich die Tintenbecher aus und werfe die Küchentücher weg, während ich versuche, nicht an die niedliche Röte zu denken, die sich auf Liams Gesicht und seinem Hals ausgebreitet hat, als er seine Hose heruntergezogen hat. Ich frage mich, wie weit die Röte unter seinen Klamotten gereicht hat. Nein, tue ich nicht; er ist ein Kind und noch dazu Royals kleiner Bruder, ermahne ich mich selbst.
Sobald mein Bereich wieder sauber ist, werfe ich einen Blick auf den Plan und stelle fest, dass mein nächster Kunde jede Minute hier sein müsste. Gott sei Dank; das Letzte, was ich brauche, ist Zeit allein mit meinen Gedanken, wenn ich in einer so seltsamen Stimmung bin.
***
Ich ziehe mir in meiner dunklen Wohnung die Schuhe aus, ohne mir die Mühe zu machen, das Licht einzuschalten. Die Stille ist abschreckender, als sie sein dürfte. Ich habe fünf Jahre allein gelebt – die wenigen Monate, die mein Freund Finn hier gewohnt hat, nicht mitgezählt – also sollte mich die Stille nicht mehr stören.
Ein Schauer rinnt über meinen Rücken, als ungebetene Erinnerungen drohen, an die Oberfläche zu steigen. Scheiße, ich wünschte, ich würde immer noch Tabletten einwerfen. Dieser Mist ließ sich einfacher begraben, wenn ich high war.
Entschlossen, meinen Gedanken zu entkommen, gehe ich ins Schlafzimmer und tausche meine Arbeitsklamotten gegen eine Basketballhose und ein frisches T-Shirt, ehe ich nach draußen gehe. Alles ist besser, als in dieser verstörenden Stille zu bleiben, alles ist besser, als die Erinnerungen zuzulassen, alles ist besser, als in die dunkelsten Winkel meines Kopfs vorzudringen.
Meine Füße finden einen Rhythmus und mein Puls schlägt gleichmäßig in meinen Ohren. Ich laufe, bis mir das schweißnasse T-Shirt am Rücken klebt und meine Lungen brennen. Erst, als ich kurz davor bin, auf der Stelle zusammenzubrechen, drehe ich um und laufe zu meiner Wohnung zurück.
Dieses Mal höre ich die Stille nicht, als ich eintrete, weil mein Herz zu laut schlägt und meine Atmung zu rau ist. Ich gehe direkt ins Badezimmer, ziehe meine verschwitzten Klamotten aus und lasse sie auf einen Haufen auf dem Boden liegen. Ich vermeide einen Blick in den Spiegel; wenn meine Dämonen so nah unter der Oberfläche sind, kann ich mein Spiegelbild nicht ertragen. Ich kann mir nicht in die Augen sehen und wissen, dass ich sie so enttäuscht habe. Ich kann nicht in den Spiegel sehen und riskieren, einen Blick auf meinen Vater zu erhaschen oder den verängstigten kleinen Jungen zu sehen, der noch immer hinter meinen Augen lauert.
Mein Magen verkrampft sich, als meine Gedanken diesem dunklen Ort gefährlich nahe kommen. Ich balle die Fäuste, und meine Muskeln zucken, um etwas zu tun, das diese Gedanken vertreibt. In den Wänden gibt es genug reparierte Löcher aus den Nächten, in denen ich nicht anders konnte. Ein weiteres macht mich nicht noch weiter zum Versager.
Mein Handy klingelt auf dem Boden zwischen meinen Klamotten. Die Ablenkung vertreibt den Nebel aus Wut und Selbsthass. Es ist eine Nachricht von Madden, einem der anderen Tattookünstler im Studio. Er hat mir ein Foto von seinen und Thanes Mädchen geschickt, den dreijährigen Zwillingen Bella und Brooklyn. Sie sehen hinreißend aus, von Kopf bis Fuß mit Farbe beschmiert. Unter dem Foto steht: angehende Künstlerinnen.
Dank der Nachricht löst sich ein Teil der Enge in meiner Brust. Ich betrachte das Bild noch ein paar Sekunden, ehe ich mein Handy weglege und mich in der Dusche unter den lauwarmen Wasserstrahl stelle.
Jahrelang war ich sicher, dass mein Seelenverwandter ganz in der Nähe war – jemand, der mit seinem Licht die Dunkelheit vertreiben konnte, jemand, der meine Seele beruhigen und mich von meinen Sünden befreien konnte. Ich hatte Zeit zu erkennen, dass das zu viel ist, um es einer Person aufzubürden. Falls mein Seelenverwandter irgendwo da draußen ist, hoffe ich für ihn, dass er niemals das Pech hat, mir über den Weg zu laufen.
Gott, ich bin heute Abend in einer schrecklich düsteren Stimmung. Normalerweise treibt es mich in dieser Stimmung in eine Bar, wo ich nach einem Mann oder einer Frau suche, um mich für ein paar Stunden abzulenken, mich im Hier und Jetzt zu verankern, anstatt mich von meinen Gedanken in die Vergangenheit ziehen zu lassen. Aus irgendeinem Grund hat diese Art der Bewältigung im letzten Jahr ihren Reiz verloren.
Hier bin ich also – kein Seelenverwandter, kein Aufriss, nur ich und meine Dämonen.
Als ich aus der Dusche komme, schreibe ich meinem Kumpel Finn eine Nachricht. Er ist einer der wenigen Menschen, die meine ganze Geschichte kennen. Wir haben uns im Gefängnis kennengelernt und wenn man etwas Derartiges zusammen erlebt hat, gibt es kaum etwas, das man nicht teilt.
Owen: Ich muss auf was einschlagen, kommst du ins Fitnessstudio?
Finn: Ich hoffe, du meinst einen Sandsack; ich bin von unserem letzten Training immer noch wund lol
Owen: Alles andere als meine Wand ist in Ordnung.
Finn: Bin gleich da, Kumpel.
Liam
Ich streiche mit den Fingern durch das weiche Fell meines Schäferhunds Fritz, der neben mir auf der Couch liegt. Ich lege den Kopf schräg und lächle darüber, wie das Foto auf meinem Bildschirm geworden ist. Vor ein paar Monaten hatte ich die Idee zu dieser leicht gewagten Serie und habe seitdem hart daran gearbeitet sie zusammenzustellen. Leider ist es schwieriger, als man glauben könnte, einen Haufen tätowierter Männer zu finden, die sich größtenteils nackt fotografieren lassen.
Die Hälfte der tätowierten Männer, die ich kenne, sind meine Brüder, also scheiden die zweifellos aus. Durch Freunde habe ich ein paar Models gefunden und wieder andere durch eine Anzeige auf dem schwarzen Brett am College. Aber das Model, das ich wirklich will, ist Owen. Und nicht nur, weil ich ihn nackt in meinem Bett haben will. Okay, das ist vielleicht zu vierzig Prozent der Grund. Hauptsächlich liegt es aber daran, dass seine Tattoos Perfektion sind. Genau ihn hatte ich im Sinn, als ich das erste Mal an diese Serie gedacht habe. Ich muss einfach nur den Mut aufbringen, ihn zu fragen.
»Oh mein Gott, du wirst nicht glauben, wie mein Tag war«, sagt Kyle, als er unsere Wohnung betritt und sich die Schuhe auszieht. Fritz klopft zur Begrüßung träge mit dem Schwanz auf die Couch.
»Hey, Kumpel.« Kyle streichelt Fritz über den Kopf und drückt ihm einen Kuss auf die Schnauze.
»Erzähl.« Ich klopfe auf die freie Stelle neben mir.
»Oooh, sexy Foto. Wer ist der heiße Typ?«, fragt er und mustert das Foto auf meinem Bildschirm.
»Er heißt Tony. Du kennst Becks Freund Clay?«, frage ich und Kyle nickt. »Das ist der Bruder von Clays Mann Max. Er hat diese schöne, olivfarbene Haut der Italiener, die seine Tattoos auf den Fotos unglaublich aussehen lässt.«
»Hast du zufällig seine Nummer behalten, nachdem du ihn bezahlt und weggeschickt hast?«, fragt er, den Blick noch immer auf den Bildschirm gerichtet.
»Ich hab seine Nummer, aber er ist durch und durch hetero. Vertrau mir, bei dem bist du an der falschen Adresse.«
»Schade.« Kyle seufzt und reißt seinen Blick schließlich von dem Foto los.
»Du wolltest von deinem Tag erzählen?«
»Oh ja. Ich denke darüber nach zu kündigen. Ich halte es mit meinem homophoben Boss nicht mehr aus. Es ist ihm egal, dass mein Marketingplan seinen Umsatz verdoppelt hat; er ist zu beschäftigt damit, sich auf die Tatsache einzuschießen, dass ich gern Make-up trage.«
»Dann kündige. Scheiß auf ihn, wenn er so ist. Genau wegen diesem Mist bin ich selbstständig. Nicht, dass ich noch oft für das falsche Geschlecht gehalten werde, aber ich gehe lieber auf Nummer sicher.«
»Verständlich.« Kyle tätschelt mein Bein und seufzt dann. »Ich mache mich am Wochenende wohl besser auf Jobsuche.«
»Warum arbeitest du in der Zwischenzeit nicht ein bisschen als freiberuflicher Marketingberater? Du könntest einigen kleineren Betrieben deine Dienste anbieten, um ihre Geschäfte anzukurbeln. Dein Marketing hat mir viele Aufträge verschafft; ich empfehle dich liebend gern weiter.«
Kyles Augen leuchten auf. »Das ist vielleicht keine schlechte Idee. Ich denk darüber nach.«
»Falls du so was wie Bilder für eine Website brauchst, sag Bescheid.«
»Mach ich.« Er drückt mir schnell einen Kuss auf die Wange und dank seines Lipgloss' ist meine Haut nun ein wenig klebrig. Dann steht er auf und geht in sein Schlafzimmer.
Ich schüttle den Kopf und klappe den Laptop zu. Man sollte meinen, dass die Leute mittlerweile ihre bigotte Engstirnigkeit hinter sich gelassen hätten. Vielleicht eines Tages.
Ich habe mehr Zeit mit der Bildbearbeitung verbracht als geplant. Jetzt muss ich einen Zahn zulegen, um mich fertig zu machen, bevor meine Brüder kommen. Der Rest meines Katers ist über den Tag hinweg verschwunden, wofür ich dankbar bin, denn ich bin sicher, dass sie mich damit aufziehen werden, wie betrunken ich gestern Abend war und dafür möchte ich lieber nicht verkatert sein.
Im Badezimmer stelle ich die Dusche an und ziehe mich aus, ehe ich die Klamotten in den Wäschekorb werfe. Ich lege meinen Packer auf den Schrank und genieße es einen Augenblick, Kyle als Mitbewohner zu haben. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie nervös ich wäre, wenn ich der Person, mit der ich zusammenlebe, nicht so vertrauen würde wie ich Kyle vertraue.
Während ich darauf warte, dass das Wasser warm wird, streiche ich mit den Händen durch die Haare auf meiner Brust und lächle. Es hat eine Weile gedauert, bis sie wirklich gewachsen sind, und eine gefühlte Ewigkeit waren es nur ein paar vereinzelte Härchen, aber jetzt sind sie ansehnlich dicht. Die Narben von meiner Oberkörperoperation vor drei Jahren sind fast vollständig verblasst und zwischen den Haaren kaum mehr zu erkennen. Mein Körper ist nicht ganz so, wie ich ihn mir gewünscht habe, aber mein Therapeut hat mir geholfen, mich auf die Teile zu konzentrieren, die ich mag, anstatt mir darüber den Kopf zu zerbrechen, was noch nicht ganz so gut ist. Niemand ist zu 100 Prozent mit seinem Körper zufrieden, richtig?
Ich löse das Pflaster von meinem neuen Tattoo und spüle die Blutstropfen vorsichtig mit kaltem Wasser aus dem Waschbecken ab. Ich zische mit zusammengebissenen Zähnen, als es ein wenig brennt. Aber das war es auf jeden Fall wert.
Als der Spiegel vom Dampf beschlägt, stelle ich mich unter die Dusche und seufze, als das heiße Wasser über meinen Körper läuft. Ich drehe mich ein wenig, damit mein neues Tattoo so wenig Wasser wie möglich abbekommt, aber jeder Tropfen brennt auf der empfindlichen Stelle. Zumindest ist es besser als bei dem Tattoo, das meinen gesamten Rücken bedeckt. Ich konnte eine Woche lang nicht duschen.
Ich schnappe mir das Duschgel und lache leise über den Werbespruch auf der Flasche, der verspricht, dass mich dieses Produkt wie ein Mann riechen lässt. Ich bin ziemlich sicher, dass ich das meinen Testosteronspritzen zu verdanken habe, aber egal.
Sobald ich sauber bin, hopse ich aus der Dusche und schlinge mir ein Handtuch um die Taille. Mit meinem Packer in der Hand linse ich aus der Tür, um mich zu vergewissern, dass Kyle nicht direkt davorsteht oder so. Kyle ist in Ordnung, aber es wäre trotzdem irgendwie seltsam, mit meinem Schwanz in der Hand an ihm vorbeizugehen.
Kyle hat mir heute Vormittag sein Auto geborgt, damit ich mich mit Wyatt treffen und ins Heathens fahren konnte und Royal hat gesagt, dass er mein Auto vorbeibringt, wenn sie mich zum Essen abholen. Ich entdecke eine Nachricht von Nash, dass sie auf dem Weg sind, also trockne ich mich schnell ab und ziehe aufs Geratewohl an, was ich in die Finger bekomme. Kyle würde wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, wenn er sehen würde, wie ich einfach Klamotten anziehe, ohne auch nur hinzusehen, was ich aus dem Schrank nehme. Wir können nicht alle so fantastisch und stylisch sein wie er.
Sobald ich meine rote Unterhose anhabe, setze ich den Packer ein und streiche dann gedankenverloren über die Beule. Ich erschaudere entzückt bei dem Gefühl, von dem ich nie genug bekomme.
Als ich höre, wie die Haustür geöffnet wird, ziehe ich schnell meine Hose an.
»Ich bin ein bisschen spät dran, Leute, macht es euch bequem«, rufe ich.
»Pass auf, was du dir wünschst«, ruft Zade zurück. Ich lache leise und schüttle den Kopf.
Ich schwöre, dass ich mit diesen Jungs den Jackpot geknackt habe. Nachdem mein Dad herausgefunden hat, dass ich trans bin, fand ich mich mit 16 Jahren auf der Straße wieder und hatte niemanden, an den ich mich wenden konnte. Dann habe ich mich an den Bruder aus der ersten Ehe meines Vaters erinnert, den ich nie kennengelernt hatte. Ohne eine andere Möglichkeit und mit nur zwanzig Dollar in der Tasche, bin ich zu dem einzigen Ort gegangen, an dem ich dachte, ihn finden zu können – Rainbow House. Ich habe auf Royals Facebook-Seite ganz viele Bilder und Informationen darüber entdeckt, als ich aus Neugier nach ihm gesucht habe und zum Glück war dieser Ort leicht zu finden gewesen. Als ich durch die Türen der Anlaufstelle für LGBT-Jugendliche kam, wurde ich von Nash begrüßt. Sobald ich Royal erwähnte, hat Nash mich mit nach Hause genommen, damit ich meinen Bruder kennenlernen konnte. Ich war verblüfft, dass es so leicht war, denn ein großer Teil von mir dachte, dass ich wenig Aussicht auf Erfolg hatte, ihn zu finden. Royal hat nicht eine Sekunde gezögert, mich aufzunehmen und das Verfahren auf sich genommen, die Vormundschaft für mich zu bekommen. Ich dachte immer, dass sich das Schicksal so dafür entschuldigen wollte, dass ich bis dahin kein Glück hatte. Ich weiß nicht, wo ich ohne meine Brüder wäre, aber sicher an keinem guten Ort.
Ich fahre mit der Hand über die Stoppeln auf meinem Kinn und dann durch meine feuchten Haare. Es wird gleich trocknen, also treibe ich damit jetzt keinen Aufwand.
»Hey, Leute«, begrüße ich sie, als ich ins Wohnzimmer komme, wo sie auf der Couch sitzen, Netflix gucken und sich mit Kyle unterhalten. Fritz sitzt vor Royal, holt sich Liebe und Streicheleinheiten ab und wedelt wie verrückt mit dem Schwanz. Ich hab mich ein wenig schlecht gefühlt, als ich Fritz bei meinem Auszug mitgenommen habe, da Royal genauso sehr einen Hund gewollt hat wie ich. Aber Nash hat mich davon überzeugt, dass Fritz eine stärkere Verbindung zu mir hat und es nicht fair wäre ihn zurückzulassen. Außerdem hat er versprochen, Royal einen neuen Hund zu besorgen.
»Hey, kleiner Bruder, wie fühlst du dich nach gestern Abend?«, fragt Royal und Belustigung blitzt in seinen Augen auf.
»Das sollte ich dich fragen. Du bist derjenige, den Zade über der Schulter tragen musste«, kontere ich.
»Das war nur ein Trick, damit Zade mich trägt.«
»Klaaar.« Ich pruste und Royal zeigt mir den Mittelfinger.
»Kinder, benehmt euch«, schimpft Nash, kämpft aber gegen ein Lächeln an.
»Entschuldige, Dad«, erwidere ich, mache große Augen und setze meinen besten, unschuldigen Gesichtsausdruck auf.
Zade legt seinen Arm um Nashs Schulter und flüstert ihm etwas ins Ohr, das ihn erröten lässt. Mein Herz zieht sich vor Sehnsucht zusammen, als ich die drei zusammen sehe. Ich weiß, dass es verrückt ist, zwei Männer haben zu wollen, wenn ich noch nicht mal den Mut habe einen anzusprechen, aber es gibt nur wenige Dinge, nach denen ich mich in meinem Leben mehr gesehnt habe.
»Willst du mit zum Essen kommen, Kyle?«, bietet Royal an.
»Nein, danke. Ich bin schlecht drauf. Ich werde mir eine Pizza bestellen und für den Rest des Abends vor dem Fernseher abhängen.«
»Sicher?«
»Ja, aber danke für die Einladung.«
»Jederzeit. Du gehörst auch zur Familie.«
Das kleine Lächeln, das Kyles Lippen umspielt, wärmt mich. Genau wie alle Kids aus dem Rainbow House, wurde Kyle rausgeschmissen, als seine Eltern gesehen haben, wer er wirklich war. Ich habe Kyle schon seit einer Weile zur Familie gezählt und zu hören, dass mein Bruder dasselbe sagt, könnte mich nicht glücklicher machen.
»Lasst uns gehen, ich verhungere«, verkündet Zade, steht von der Couch auf und zieht Nash und Royal dann ebenfalls hoch.
Als wir rausgehen, legt mir Royal einen Arm um die Schultern. Ich bin wirklich der glücklichste Kerl der Welt, diese Familie gefunden zu haben.