Kitabı oku: «Ragnarök», sayfa 4
Das Ebenbild der Götter
ᛗᚨᚦᚱ
Odin besuchte oft Lokis Kinder und wurde herzlich von ihnen Willkommen. Der Wolf Fenrir bellte oder heulte immer, wenn Odin in Helheim auftauchte, und legte sich auf den Rücken, damit der Ase ihn den Bauch streicheln konnte. Loki beichtete Odin, dass er seiner Tochter Hel Magie und Runen beigebracht hatte. Der Ase wollte sich selbst ansehen, wie ein Kind Magie nutzen könnte. Obwohl niemand außer ihr und ihrem Bruder in der Höhlenwelt lebten, trug Hel weiterhin einen schwarzen Schleier auf ihrem Haupt, um ihr abscheuliches Gesicht zu verstecken. „Ich–Ich zeig dir den neuesten Za–Zauber, den ich gelernt habe, Onkel O–Odin“, stotterte sie. Sie krempelte die viel zu langen Ärmel hoch, halb schwarz verbrannte Haut, halb sichtbar weiße Knochen zeigten sich darunter. Sie legte ihre Hände auf den Boden. Die Luft im Raum wurde kalt. Der Atem gefror. Es glühte um Hels Hände herum. Langsam hob sie diese und unter ihnen wuchs etwas. Quack. Hel fing den Frosch, bevor dieser davonhüpfen konnte. Die Luft wurde wieder wärmer.
„Du hast einen Frosch erschaffen? (Das Mädchen nickte) Wie hast du das geschafft?“
Das Mädchen lief zum Asen und nahm ihn bei der Hand mit ihrer weißen, knochigen. „Es ist…es ist leichter, wenn wir dort hingehen“, sagte sie und lief mit dem Allvater aus dem Haus. „Fenri‘, komm“, rief sie nach ihrem Wolfsbruder. Fenrir tapste zu ihnen und legte sich vor seiner Schwester auf die Pfoten. Er war in den wenigen Monaten ihrer Flucht aus Asgard so groß gewachsen, dass nicht nur die kleine Hel auf seinem Rücken reiten konnte, sondern Odin ebenfalls. Er jedoch setzte sich auf den Halbbruder der Monsterkinder, Sleipnir, dem achtbeinigem Pferd. Fenrir hatte bei seiner ersten Begegnung mit Sleipnir gemerkt, dass er zu seiner Familie gehörte und war deshalb abgeneigt, es zu fressen. „Los, Fenri‘!“ Der Wolf bellte, bevor er losrannte.
Odin auf seinem Pferd blieb noch ein Weilchen stehen. „Los, Sleipnir. Zeig deinen Geschwistern wie man eilt!“ Der pechschwarze Hengst wieherte, vier Hufen schlugen vom Boden, vier weitere schlugen auf. Geschwind galoppierten sie dem Wolf hinterher und holten sie nach wenigen Wimpernschlägen ein. Als sie nebeneinander herliefen, zügelte sich Sleipnirs Schritt, jeweils zwei Hufen schlugen zur selben Zeit auf den Boden auf. Odin bemerkte, dass sie sich dem Stamm Yggdrasils näherten. „Wohin gehen wir?“ fragte er Hel. Ihr schwarzverbrannter Zeigefinger zeigte auf den Boden. „Niflheim?“ Der verwehte Schleier nickte. Am Rande Helheims sprangen sie durch den verbergenden Wasserfall Gjöll ab und landeten auf dem Ast, der diese Welt stützte. Durchnässt klammerte Hel sich fest an den dunklen Pelz ihres Bruders, als dieser vom Ast sprang und den Stamm hinunterrannte. Auch Odin hielt sich fest am Hals Sleipnirs, als dieser seinem Halbbruder in den Abgrund hinunterfolgte, jedoch nicht am Stamm hinunter, sondern hinab durch die Luft. Der Wind peitschte im Gesicht. Odin schloss sein Auge und vertraute seinem Pferd blind, ihn unbeschadet hinunterzubringen. Je länger sie stürzten, umso kälter wurde die Luft, die ihnen entgegenpeitschte. Wie Messer schnitt der Wind durch Haut und Knochen.
Sleipnir wieherte und stellte sich auf vier Hufen. Sie waren angekommen. Odin ließ mit Seidr die Spitze Gungnirs so hell aufleuchten, dass er die Kinder erkennen konnte. „Hel, warum warst du hier?“ fragte der Ase, während er vom Pferd abstieg. Fenrir legte sich auf seine Pfoten und Hel kletterte hinab. Sie streichelte ihn hinterm Ohr. „Hel!“
Das Mädchen drehte sich zum Asen, ihr Kopf geneigt zum Boden. Sie stellte sich schützend vor den Wolf, bevor sie sagte: „Bitte sei nicht böse auf Fenri‘. Ich wollte etwas neues Essen und er brachte mich zur Welt der Tiere, nach Midgard.“
„Ihr habt nichts in Midgard verloren!“ sprach Odin mit einem befehlenden Ton.
„Ich w–weiß. Es tut mir L–Leid“, schluchzte sie
Odin ging zum Mädchen und legte seine Hand auf ihr Haupt, fühlte ihre Knochen und verbrannte Haut darunter. „Schon gut. Ich verstehe, dass dieselbe Kost irgendwann fad schmeckt. Bei meinem Bart, ich wollte ich müsste nicht Iduns Früchte essen. Warum kamt ihr denn nach Niflheim?“
Das Mädchen blickte hoch, doch wegen dem Schleier war nicht zu erkennen, ob sie getröstet war oder weiter Tränen ihre Wangen hinunterflossen. „Nach Midgard war ich neugierig, wie die anderen Welten aussahen. Es ist alleine meine Schuld. Fenri‘ trug mich nur. Erst nach Jotunheim, wo Vater geboren wurde…und dann hierhin.“
„Solange Fenrir dich beschützt, ist alles gut“, tröstete er sie erneut und der Wolf heulte auf. „Du wolltest mir was zeigen“, sagte er und reichte ihr seine Hand. Sie nickte, nahm ihn bei der Hand und sie liefen ein Stück entlang der Wurzeln Yggdrasils, die in Niflheim mündeten.
Die Luft war eisig. Mit jedem Ausatmen verließ ein Teil ihrer Wärme, ihre Lebenskraft, in weißem Rauch. Er blickte auf das Mädchen und auf ihre Hand, die seine umschloss, und die andere, die entlang der Wurzel glitt. Wärme strahlte von Hel wie ein Feuer. „Hier“, sie nahm Odins Hand und legte es auf eine Stelle der Wurzel.
Er verspürte wie Energie ihn überkam, ähnlich wie an dem Tag, als er zu den Nornen lief. Das Gefühl verließ ihn, als er seine Hand von der Wurzel nahm.
„Die Wurzeln?“ Er legte beide Hände auf.
„Es fühlt sich so an wie Seidr“, sagte das Mädchen und legte ebenfalls ihre Hände—schwarz und weiß—auf die Wurzel. „Als wir hier zum ersten Mal waren, habe ich an unsere Schwester gedacht; ich wollte, dass Fenri‘ sie kennenlernt. Ich habe auch meine Hände hier aufgelegt. Dann…dann brannten meine Hände und unter ihnen entstand eine Schlange. Aber es war nicht Jörmungand. Es hatte scheußliche grüne Schuppen. Es hatte Angst vor uns. Fenri‘ wollte es fressen, aber ich hielt ihn davon ab (Der Wolf bellte auf). Die Schlange kroch davon, dann gingen wir wieder nach Hause.“ Hel löste sich von der Wurzel und streichelte Fenrir. Odin konzentrierte sich auf das Bild Jörmungands; er wollte wie Hel ein Lebewesen kreieren. Das Bild der Schlange wurde klarer im Kopf, seine Hände brannten unerträglich heiß und er zuckte von der Wurzel zurück. „Ich zeig es dir mal.“ Hel legte ihre Hände auf die Wurzel, sie glühte hell auf und unter ihr kroch eine Schlange hervor. Sie kroch nicht weit, da biss Fenrir sie diesmal tot.
Odin versuchte es erneut. Er legte seine Hände auf und konzentrierte sich auf das Bild der Schlange. Abermals brannten seine Hände schmerzhaft, doch sie glühten nicht wie bei Hel auf. Er schlug auf die Wurzel und schrie verärgert.
„O–O–Onkel Odin…können wir wieder nach Hause gehen?“ fragte sie schüchtern.
Er drehte sich zum kleinen Mädchen, ihre Knie zitterten—vor Angst und Kälte. „Natürlich. Hel, komm zu mir“, er drückte sie zu sich. „Fenrir, Sleipnir, ihr lauft zurück, ja?“ Das Pferd wieherte und der Wolf bellte. Sie waren wohl froh, ein Rennen bestreiten zu können. Odin warf seinen Mantel um Hel und sich und im nächsten Augenblick waren sie wieder in Helheim bei der Hütte, die er gemeinsam mit Loki für sie errichtet hatte. „Hel, ich muss zurück nach Asgard. Ich komme morgen wieder. Magst du mir dann mehr von deinem Zauber zeigen?“ Das Mädchen nickte euphorisch. Odin warf sich den Mantel wieder um und fand sich in seiner Schlafkammer wieder.
„Wo warst du?“ fragte seine Frau Freya eifersüchtig.
„In Niflheim.“ Odin setzte sich auf das Bett und löste die Schnallen seiner Stiefel. Freya kniete sich vor ihn und half ihn aus den Stiefeln. „Die Wurzeln Yggdrasils sind gefüllt mit Seidr.“ Freya stand auf und schmiss die Stiefel beiseite. Sie lehnte sich an das Fenster und lachte. „Was ist so komisch?“ fragte er, doch sie lachte weiter ohne ihm Antwort zu geben. Er packte sie und drehte sie, sodass sie ihm in sein Gesicht sehen musste. „Ist es nicht so?“
Die Wanin grinste und schüttelte ihren Kopf langsam. „Wie, Gott aller Götter, denkst du, hast du die der Macht der Runen erlernt?“ Odin ließ seine Frau los und blickte an die Wand, wo Gungnir hing. „Sei kein Narr, Odin! Du hast dich nicht an dich selbst geopfert. Du spießtest dich an deinem Speer auf, und der Speer steckte…“
„…In Yggdrasil. Der Baum?“
„Alles Leben ist mit dem Baum verknüpft. Iduns Beeren sind direkte Früchte Yggdrasils, weshalb wir so jung bleiben“, erklärte Freya ihrem Mann.
„Und aus den Wurzeln nimmt der Baum seine Kraft…“
„Exakt! Aber…“, sie lief zum Nachttisch und schüttete Met in einen Becher, „das ist nicht alles. Lass mich dir verraten, was Seidr ist.“ Sie gab Odin den Becher voll Met und setzte sich aufs Bett. „Niflheim und Müspelheim. Zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eins liegt tief bei den Wurzeln, das andere ragt hoch über der Krone. Eins kalt und tot, das andere heiß und sprießend mit Leben—zu viel sogar, wenn man den Legenden deines Vaters glaubt. Wie auch immer. Tot ist Kälte, Leben ist Wärme. Leben, das von der Erde verschlungen wurde, sinkt hinab nach Niflheim. Dort entziehen die Wurzeln des Weltbaums das Leben, die Wärme, Niflheims. Das Leben sprießt hoch, über den Stamm, über die Äste, Zweige und Blätter, hoch hinaus bis zur Krone nach Müspelheim. Wärme und folglich Leben ist dort jedoch nicht geordnet, es ist nicht kontrolliert. Die Unmenge an Wärme ist nicht zu bändigen, und somit regiert Chaos als Erste. Etwas der Wärme aus Müspelheim fällt aber hinab auf die unteren Welten. Seidr nutzt diese Wärme. Deshalb ist es stärker, je höher man steht, je näher man an Müspelheim kommt.“
Odin leerte seinen Becher und schüttete sich nochmal voll. „Also ist es schwieriger, Seidr tiefer an Yggdrasils Wurzeln zu nutzen?“
„Es ist unmöglich! Das Leben in den Wurzeln ist zu sehr von Yggdrasil kontrolliert. Seidr funktioniert, weil die Wärme im Überschuss ist und keine Verknüpfung zur Esche hat.“
Odin leerte seinen Becher. „Du irrst dich. Es ist möglich.“
„Woher weißt du das?“ fragte Freya geschockt. „Hast du es etwa geschafft?“
„Nein. Aber Lokis Tochter Hel.“
Das grässliche Mädchen warf einen Stock, den ihr Wolfsbruder fing und zurückbrachte. Beim nächsten Wurf fing er den Stock jedoch nicht. Fenrir fletschte die Zähne und blickte grimmig auf die teleportierte Freya. „Ganz ruhig, Fenrir“, sprach Odin, der an Freyas Seite stand. Der Wolf leckte seine Nase und setzte sich dann auf die Hinterbeine. „Guter Junge.“ Odin streichelte ihm hinterm Ohr, was der Wolf mit einem Abschlecken der Hand bedankte. „Hel, ich habe Freya von deinen Zaubern erzählt. Sie glaubt mir nicht wie gut du doch darin bist.“
Hel lächelte und blickte auf die Wanin. Diese blickte entsetzt auf sie. Das Mädchen merkte dann, dass sie ihren Schleier nicht aufgesetzt hatte und wandte ihr Gesicht von den Göttern, bis sie es überzog. „T–t–tut mir Leid, dass ihr mich sehen musstet.“ Fenrir tapste zu seiner Schwester und leckte ihre verbrannte Hand, worauf sie kichern musste. Hel mit dem Schleier übergezogen drehte sich wieder zu den Göttern. „K–K–Kommt mit rein“, stotterte das Mädchen und ging mit gesenktem Haupt zu ihrem Haus.
„Ich dachte eher, wieder zu den Wurzeln zu gehen“, entgegnete Odin. Er reichte ihr die Hand.
„Wir sind gleich wieder zurück, Fenri‘.“ Sie nahm Odins Hand und er warf seinen Mantel um sie.
Die Luft fror in den Lungen. Freya zitterte und klammerte sich an Odin. Er nahm ihre kalte Hand und legte sie auf Hels Schulter. Die Wanin zuckte zurück, als sie dem heiß–glühenden Körper nahe kam. „Wie ist das möglich?“ flüsterte Freya fragend. Hel legte ihre schwarze und weiße Hand auf die Wurzel Yggdrasils und schon bald glühten diese hell auf. Eine Schlange kroch aus der berührten Stelle heraus. „Unmöglich!“ rief Freya entsetzt, „Unmöglich!“ Hel ließ ihre Hände fallen und blickte auf ihre Füße, schwarz verbrannt und weiß von Knochen wie ihre Hände. Freya ballte ihre Faust und wollte das Kind vernichten, doch sie vermochte kein Seidr nutzen. Es fehlte ihr an Kraft, an Wärme. „Wie kann dieses…dieses MONSTER hier Magie nutzen?“ schrie Freya und schmerzte Hel zu Tränen.
„Nicht weinen, Hel“, sagte Odin und legte seine Hände auf die Schultern des Mädchens. Sie verbarg ihre Hände hinter ihrem Schleier und wischte sich die Tränen ab. „Freya ist eifersüchtig. Sie ist wütend, dass sie es nicht kann. Magst du es ihr erklären, damit sie nicht mehr böse ist?“
Hel schluchzte nickend. Sie legte ihre Hände wieder auf die Wurzel, aus dem Glühen kroch abermals eine Schlange heraus. „Ich…Ich kann auch andere Tiere erschaffen“, sagte das Mädchen. „Ich denke an das, was ich machen will, und dann mach ich es einfach“, und sie kreierte ein Eichhörnchen, welches umgehend hochkletterte.
„Tiere…ist das alles? Kannst du Götter schaffen? Kannst du einen Gott kreieren?“ sagte Freya mit erhobener Nase herabblickend. Hel schaute auf Odin, der mit einem Nicken sein Einverständnis gab. Das Mädchen legte ihre Hände auf die Wurzel. Lange glühten sie, sie strich über die Wurzeln entlang. Sie hob ihre Hände und ein Mann rollte von der Wurzel herab. „Un—“, verstummte die Wanin, bevor sie vor dem nackten Mann kniete, der auf dem Boden kauerte. Sie strich über seine Brust und Arme.
„Vili, mein Bruder“, sagte Odin, der ebenfalls auf die Knie fiel. Er strich die braunen Haare des Mannes zur Seite und blickte in dessen blaue Augen. „Nein, es ist Ve.“ Der Ase hob ihn hoch und drückte ihn tränengerührt fest an sich.
„Ich–Ich habe an dich gedacht, O–O–Odin“, stotterte Hel.
„Es war nicht dein Bruder, Odin“, sagte Freya, während sie auf dem Bett in ihrer Schlafkammer lag. Odin lief nervös auf und ab. „Vili und Ve sind im Krieg für dich gestorben. Was immer sie kreiert hat, ist kein Gott, geschweige denn dein Bruder.“
„Du fürchtest dich vor ihr. Du hast Angst, dass sie tatsächlich Götter erschaffen hat.“
„Nur Götter können Götter machen!“ fauchte sie und strich sich über den Bauch. „Sie kann nur Tiere kreieren. Es sind auch nur Tiere, hörst du: Nur Tiere…Tiere, die unser Aussehen haben! Mehr nicht!“
„Neunmal hat sie es geschafft. Und du zweifelst immer noch an ihrer Fähigkeit! Fünf Männer und vier Frauen.“
„Sie können nicht in Asgard bleiben!“
„Sie sind Unseresgleichen. Sie gehören hierher.“
„Du hast Asgard genug Chaos beschaffen. Erst die Joten, dann ihre Monsterkinder, jetzt die Monster der Monster. Denke nicht, dass die anderen Götter dies noch lange dulden werden.“
Was Freund war, wird Feind. „Freya, ich denke immer an alle!“ Odin setzte sich zu seiner Frau aufs Bett und strich über ihre Wange. „Wir können sie für uns Nutzen, die neuen Götter.“
„Die Tiere!“ fauchte sie.
„Die Tiere, von mir aus. Wir werden sie im Kämpfen lehren. Ich bringe sie nach Midgard (Freya grinste). Unter einer Bedingung (Freyas Freude verschwand). Wir müssen die Magie von Hel erlernen.“
„Ich habe dir doch gesagt, es ist unmöglich!“
„Schweig! Wir werden diese Magie erlernen!“
„Wie kannst du mir, deiner Frau, der Mutter deiner Kinder, sowas nur antun: Von einem Kind belehrt zu werden?“
„Lerne diese Magie und wir werden das Alter, den Tod nicht mehr fürchten müssen. Iduns Beeren werden obsolet, wenn wir wiederauferstehen können.“
Freya lachte: „Ich kann es doch bereits. Der Tod wird mich so früh nicht finden!“
„Du weißt ganz genau, dass aber ich diesen Zauber nicht erlernen konnte! Ich kann mich selbst nicht verwandeln—nicht in Asche, nicht in einen Falken, gar nichts…“
Freya klammerte sich um den Hals ihres Mannes und flüsterte in sein Ohr: „Ich verstehe deine Angst. Aber es bist nur du, der das Ende fürchtet, Gott aller Götter.“
Was sein wird, wird sein. Odin legte verzweifelt seinen Kopf in die Hände. „Ich muss diese Magie erlernen. Ich muss es…“
Joten und Asen
ᛃᛟᛏᚢᚾ
Thor saß in einem Boot und überquerte das Meer Midgards nach Jotunheim. Jörmungand schwamm irgendwo tief in diesen Wassern, aber traute sich nicht dem Asen zu stellen. Sie hatte Angst, er würde sie für den Angriff auf seine Tochter immer noch zu Tode hassen. Thor war aber nicht wegen der Schlange in Midgard unterwegs. Seit sein Vater die Menschen erschaffen hatte und ihnen Midgard als Heim zuwies, war Jotunheims Anteil der Erde nochmals geschrumpft. Die Joten fanden sich ungerecht behandelt, aber Odins Wort galt über ihres. Schließlich war es er und seine Brüder, die aus Ymirs Fleisch die Erde Midgards und Jotunheims geschaffen hatten und darüber richten durften. Ohnehin fand Thor die Menschen, die nach dem Ebenbild der Asen kreiert waren, sympathischer als die Eiswanderer. Sein Vater wies ihm an, sie zu schützen; er hatte einen Plan für sie, er wollte sie als seine Armee nutzen. Eins musste Thor ihnen lassen: Sie waren begeistert vom Wettstreit und Kampf.
Thor schob sein Boot an den Strand. Der Kies knirschte unter den Füßen. Die Luft war kalt, salzig. Schwarzer Rauch hob sich am Horizont. Er zog Mjöllnir und lief dorthin. Um ein Lagerfeuer saßen fünf Joten—zwei Männer, zwei Frauen und ein Kind—und brieten sich Fische auf Stöcke gezogen an. „Ich bin Thor, Sohn Odins. Ihr seid in Midgard. Kehrt sofort nach Jotunheim und ich werde euch dieses Mal verschonen.“
Eine der Jotunfrauen nahm das Kind und lief sofort mit ihm fort. Einer der Joten sprach: „Die Väter meiner Väter haben bereits hier gelebt. Dies ist Jotunheim!“
Thor hob sein Hammer: „Testet nicht meine Geduld! Dies ist nun Teil Midgards.“
„Wohin sollen wir hin? Weiter im Land ist der Boden Eis, die Tiere mager. Dort lebt so viel wie in Niflheim.“
Thor warf Mjöllnir gegen den Schädel des widersprechenden Joten und tötete ihn auf der Stelle. „Wollt ihr ihm nach Niflheim folgen?“ fragte er, während sein Hammer zurück in seine Hand flog. Die zwei Joten nahmen ihre Speere, doch bevor sie aufstehen und sich wehren konnten, war der nächste Schädel bereits zerquetscht. Nur eine Jotunfrau blieb übrig. Sie hielt ihren Speer gegen den Asen, doch er schlug die Steinspitze einfach beiseite und zog Mjöllnir mit derselben Hand zurück.
Thor nahm einen der gebratenen Fische und ließ die drei toten Joten zurück am Feuer. Das neue Midgard erstreckte sich noch um weitere hundert Meilen.
Odin erschien auf dem Turm von Himinbjörg, wo er Heimdall traf. „Du wolltest mich sprechen, Wächter?“
Heimdalls linke Auge fixierte sich auf Odin, während das Rechte umherkreiste. „Allvater, du weißt, ich habe nichts übrig für Joten. In der Tat, es wärmt mir das Herz zu sehen, dass ihr Land genommen wird. Wie sehr wir es verdrängen wollen, wir stammen von ihnen ab, ich stamme von ihnen ab. Einer der neun Schwestern, die mich erschaffen hatten, kam zu mir: Jarnsaxa.“
„Sie möchte nach Asgard“, deutete Odin.
„Ja.“
Odin legte seine Hand auf des Wächters Schulter und versicherte ihm, dass seine Mutter in Asgard leben dürfte. Dies wäre aber eine Ausnahme. Ihre acht Schwestern müssten zusehen, dass sie woanders Unterkunft fanden.
Thor kam von seiner Reise von Neu–Midgard zurück und in Gladsheim feierten sie seine Rückkehr und seine stetig wachsende Sammlung an Waffen. Thor teilte seine letzte Ausbeute mit den Asen, als er überraschend eine wunderschöne Frau an Heimdalls Seite sah. „Wer ist sie, Vater? Seine neue Frau?“
„Hahaha. Nein. Es ist seine Mutter Jarnsaxa.“
Thor ließ seine Augen nicht von ihr. Er hatte auf seinen Reisen viele Jotenfrauen gesehen: Sie waren dreckig, barbarisch und manche hässlicher noch als Hel. Er setzte sich neben Kvasir, dem Botschafter zwischen Wanenheim und Asgard. Dieser hob sein Glas und sagte: „Thor, willkommen zurück. (Kvasir folgte den Augen Thors, die zu Jarnsaxa schauten) Ah, ich sehe, du bist auch fasziniert von der neuesten Schönheits Blick. Ja, wie kann eine Jotin so schön sein? Die Haut so weiß sein wie Milch, die Haare so golden wie Honig? Die Haut so zart sein wie Seide, die Lippen so rot sein wie Glut? Die Augen so rot sein wie die Beeren Iduns, die Brüste so voll wie die Körbe Iduns?“
Thor schnappte sich den Becher von Kvasirs Hand und leerte den Met darin. Dann schlug er den Becher auf den Tisch, stand auf und lief zu Jarnsaxa. Dabei dichtete er laut in den Raum: „Wie kann eine Jotin so schön sein? Die Haut so zart wie die Glut, die Haare so voll wie die Körbe Iduns und die Brüste so weiß wie Milch? („Hihihoh, wann hast du ihre Brüste gesehen?“) Wie können die Lippen so rot sein wie die Beeren Iduns, die Haut so golden wie Honig?“ Thor stand vor ihr, der Saal verstummt. Jarnsaxa blickte hoch auf den Asen, seine Haare so rot wie ihre Wangen sich färbten. „Ich habe hunderte Joten gesehen, aber niemand war so schön wie du. Sogar Freys Frau Gerda sieht hässlich aus in deiner Gegenwart. Du musst meine Frau werden.“ Er reichte ihr die Hand. Sie blickte sich im Saal um. Heimdall wirkte missfällig, ebenfalls Freya und Sif, aber dem Allvater zierte stets ein Lächeln, wenn eines seiner Kinder glücklich war. Jarnsaxa nahm Thors Hand und stand auf. Ein kindliches Grinsen sprießte ihm im Gesicht. Er hob die Jotin hoch und trug sie durch den Raum, der größte Schatz, den er den Joten je geraubt hatte. „Sif, ich hab dich natürlich nicht vergessen“, sagte Thor und ging zu seiner grimmig blickenden Frau und warf sie mit einem Arm auf seine Schulter, welche dabei ihre Perücke festhalten musste. Dann ging er mit seinen beiden Frauen auf den Schultern nach Hause nach Bilskirnir.
Die versammelten lachten herzlich über Thors Spektakel. Am meisten freute sich Loki. Er hatte seit langer Zeit nicht so sehr gelacht. Er war wieder gelaunt Witze zu erzählen und Späße zu machen—weiterhin meist auf Kosten anderer. Heidruns Met floss schier endlos an diesem Abend. Thor war nicht der Einzige, der mit einer neuen Frau den nächsten Morgen erleben sollte. Die Asin Sigyn gestand Loki beim Festmahl, dass sie ihn schon seit ihrer Kindheit liebte. Sie liebte seine Späße, seine humorvolle Ader, die Liebe, die er seinen Kindern schenkte, obwohl sie Monster für alle anderen waren. Sigyn wollte auch so lieben, sie wollte auch so geliebt werden. Loki sah zum ersten Mal die Frau in ihr: Schwarze Augen lächelten ihm entgegen; schwarze Strähnen wirbelten auf ihre Brust hinab; ein schwarzes Kleid verziert mit weißen Blüten schmiegte sich an ihre satten Kurven. Er berührte Sigyns Hand und flüsterte ihr ins Ohr: „Weißt du, Thor hatte Recht: Jarnsaxa ist die Schönste…die schönste Jotin. Und du, Sigyn, die schönste Asin.“