Kitabı oku: «Die Mobilitätswende», sayfa 2

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Autopioniere setzen die Trends

In Europa waren es die Porsches, Daimlers, Peugeots, Citroëns oder Agnellis, um nur einige unter den prominenten Namen anzuführen, die all ihr Tun und Denken dem Automobil und damit den völlig neuen Möglichkeiten individueller Mobilität widmeten. Ohne eine Bertha Benz und ihre erste Fernfahrt im August 1888 wäre die Autonation Deutschland um einiges ärmer. Indem sie ihren Mann überraschte, absolvierte die bemerkenswerte Frau hinter der mobilen Revolution 180 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim und retour im Benz-Patent-Motorwagen. Ihre beiden Söhne halfen beim Schieben des Gefährts, wenn es bergauf ging. Sie improvisierte mit dem Strumpfband und der Hutnadel eine Reparatur. So gelang ungeplant die erste Probefahrt der Welt mit einem Automobil dank einer praktisch denkenden Frau. Bei ihrer Rückkehr soll sie ihrem Mann Carl, einem begnadeten Ingenieur, folgende Ratschläge gegeben haben: Ein dritter Gang und vor allem ein Rückwärtsgang wären unbedingt noch einzubauen.

Frauen, die sich hinters Steuer und damit neue Maßstäbe setzten, waren in Europa und in den USA gleichermaßen unterwegs. Und dennoch war die Frau am Steuer in den ersten Jahrzehnten eher die Ausnahme. Dass auch Mädchen den Führerschein machen, musste sich gesellschaftlich erst durchsetzen, ebenso wie Frauen als Taxilenkerinnen oder am Steuer eines Autobusses. Zuvor hatten Frauen durch Jahrhunderte ihre Mühe, das Recht zu erlangen, ein Pferd zu besteigen.


Bertha und Carl Benz

Die Meinung einiger Skeptiker zu Beginn, dass das Automobil keine Zukunft habe, weil es nicht ausreichend Chauffeure gebe, war bald widerlegt. Frauen mussten sich zwar vielerorts noch in ihrer Rolle als Autolenkerinnen durchsetzen, in Saudi-Arabien bekanntlich auch im Jahre 2020. Denn das wahhabitische Königreich war bislang de jure der einzige Staat weltweit, der Frauen das Autofahren bei Strafe untersagte. Die Wirtschaftskrise in der Petromonarchie sowie die Kosten für Fahrer zwangen aber auch hier zum Umdenken. Es sind immer öfter gut ausgebildete Frauen und nicht die Männer, die für den Broterwerb sorgen, sie müssen also zu ihrer Arbeitsstätte fahren. Der Mittelstand kann sich die Lohnkosten für den Chauffeur kaum mehr leisten. Auch wenn Frauen theoretisch nun selbst Auto fahren dürfen, ein Recht, wofür viele Aktivistinnen drakonisch bestraft wurden, so ist die männliche Vormundschaft für saudische Frauen weiterhin aufrecht. Das Recht auf Mobilität muss man sich auch im 21. Jahrhundert erkämpfen. Für die Frauen in Saudi-Arabien ist die Möglichkeit, ein Auto selbst lenken zu dürfen, jedenfalls eine Errungenschaft, deren Wert für jene nur schwer nachvollziehbar ist, für die das Auto in unserer Zeit zur Angriffsfläche schlechthin geworden ist. Dabei verkörperte das Auto gerade in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts symbolhaft den Anstieg der Lebensqualität.

Hinter diesem Aufbruch stand der Autopionier Henry Ford, dem es nach vielen Rückschlägen gelang, ein neues Konzept zu erstellen. Vorrangig waren der Herstellungsprozess und eine sichere Lieferkette. Anders als den europäischen Autopionieren ging es ihm nicht um das ganz besondere Modell, ob für die Rennstrecke oder den finanzkräftigen Käufer. Henry Ford baute in seinem Heimatstaat Michigan, in Detroit ein Autoimperium auf, das industrielle und gesellschaftspolitische Maßstäbe setzte. Während Autos in Europa in den ersten Jahrzehnten teure Luxusobjekte einiger weniger waren, verfolgte Henry Ford das Ziel, ein robustes und leistbares Auto für den alltäglichen Gebrauch zu erzeugen. Diese neue Mobilität sollte die Erfüllung des „American Dreams“ sein, den auch die Biographie des Autopioniers Ford widerspiegelt. Das Modell Ford T war das 1911 weltweit am meisten verkaufte Fahrzeug. 60 Prozent des Automarkts deckte eben dieses Modell ab.

Der pragmatische und damit auch völlig neue Zugang zum Automobil des Henry Ford lässt sich an folgenden zwei Zitaten gut ablesen: „Jeder Kunde kann sein Auto in einer beliebigen Farbe lackiert bekommen, solange die Farbe, die er will, schwarz ist.“ Die Ford-Modelle, die den „American Dream“ auf Jahre hinaus begleiten würden, waren aus dem einen Guss, den die Arbeiter auf den fahrenden Fließbändern von Detroit herstellten. Fords Credo blieb: „Ein vernünftiges Auto soll seinen Besitzer überallhin transportieren – außer auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten.“ Auch wenn wir in der historischen Betrachtung Ford mit dem kapitalistischen Zeitalter unmittelbar verbinden, so entsprach Ford vielmehr dem verantwortungsvollen Unternehmer. Er erhöhte Löhne, organisierte eine ordentliche Lehre und Berufsschule – ein völliges Novum in jener Zeit – und sorgte für Standards in seinen Betrieben – das stand im Gegensatz zum Zeitgeist und der Weltanschauung vieler Geldgeber. Als jemand, der sich hart hochgearbeitet hatte, von der Mühsal täglicher Arbeit auf dem Acker bis zum Chefingenieur bei Thomas A. Edison, glaubte er fest an die Verbesserung menschlicher Lebensqualität durch die Mechanisierung und den damit verbundenen Fortschritt. Sein Ford-T-Modell war ein zuverlässiges Auto, dessen hohe Qualität das Verkaufsargument schlechthin war. Und dennoch verstand sich Ford zudem auf kluges Marketing, denn die Werbespots der Firma Ford von 1911 sollten in der kommerziellen Werbung Maßstäbe setzen. Detroit war Ford und Ford war Detroit. Es war eine ganz besondere Unternehmensgeschichte, die im Henry-Ford-Museum für den Besucher mit historischen Exponaten aufbereitet ist. Ähnlich wie in der einstigen Autostadt Turin wurde auch in Detroit ein ehemaliges Fabriksgelände für museale Zwecke umgewidmet.

Das erschwingliche Familienauto prägte im „Hydrocarbon Age“ des billigen Treibstoffs nach 1945 den Lebensstil, die Urbanisierung und damit die gesellschaftliche Entwicklung. Die USA standen für die permanente Automobilität. Das Lebensmodell „Suburbia“ trat seit den 1950er-Jahren einen Siegeszug um die Welt an. „Man“ zog in die Vorstädte, ins Haus mit Garten, pendelte zum Arbeitsplatz wie man bereit war, mit dem Auto und nicht mehr zu Fuß sämtliche Wege, ob zur Schule oder zum Einkaufen, zu machen. Je teurer der innerstädtische Wohnraum wurde, umso mehr wurde auch in vielen europäischen und anderen Städten der sogenannte „Speckgürtel“, die Peripherie jenseits der Außenringautobahnen, als relativ günstiger Wohnraum erschlossen. Diese Entwicklung stellte die Urbanisierung der letzten Jahrhunderte auf den Kopf. Lebte und arbeitete man einst in einem bestimmten Viertel, konnte man nun dank individueller Automobilisierung täglich weite Distanzen pendeln. Was einst US-Amerikaner in Kalifornien auf sich nahmen, wurde im Großraum Paris genauso en vogue. Und auch der aufstrebende Mittelstand in China oder Indien war offenbar bereit, im neuen Statussymbol, dem eigenen Geländeauto, dank Luftkühlung täglich mehrere Stunden im Stau zu verbringen. Der Coronapandemiestillstand des Frühjahrs 2020 ließ manche Autobahnen so leer erscheinen, wie meine Generation der 50 plus sie noch aus den Zeiten des Erdölschocks von 1973 in Erinnerung hatte. Damals vervierfachte sich der Preis binnen Wochenfrist, was die Menschen zwang, ihre Autos stehen zu lassen. Das Arbeits- und Wohnmodell „Suburbia“ ist mit den Zielen des Klimaschutzes schwer in Einklang zu bringen. Der Digitalisierungsschub und die Verpflichtung zum Homeoffice, infolge der Pandemie, könnten langfristige Spuren hinterlassen. Die Mobilitätswende hat viele Ursachen und eine davon wird eine veränderte Praxis des täglichen Pendelns sein, wo es möglich ist. Dass dies nicht nur mit der Verfügbarkeit von öffentlichem Verkehr, sondern auch mit verlässlichem Internet und Stromversorgung zu tun hat, wurde Anfang 2020 weltweit deutlich.

Doch zurück zu den Glanzzeiten der US-Automobilindustrie, die auch vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs und des Wettlaufs der Ideologien ihre Rolle hatte. Denn während es in der DDR oder in anderen Staaten des Ostblocks, bis zum Fall des Kommunismus 1989, ein nur schwer erfüllbarer Lebenstraum war, auf einen fahrbaren Untersatz wie einen Trabi hinzusparen, konnte sich in den USA wie auch in vielen Teilen Westeuropas bald jeder junge Mensch sein eigenes Auto leisten. Die Ente, der 2CV, wurde zum Auto der Hippiebewegung und revolutionsbegeisterter Altsemestriger, mit dem Käfer fuhren im deutschen Wirtschaftswunder Familien mit Kind und Kegel ans Meer. Jenseits des Eisernen Vorhangs war die automobile Fortbewegung ein Traum, den sich viele oft erst über Kredite in den 1990er-Jahren zu erfüllen begannen. Detroit aber wurde vor 70 Jahren zur Heimat der amerikanischen Autoindustrie, weil sie als „Motor City“ der gemeinsame Standort von Ford, General Motors und Chrysler war. Nicht umsonst nennt man die slowakische Hauptstadt Bratislava manchmal das Detroit von Mitteleuropa, denn auch hier entstand – ähnlich wie in Ungarn und Rumänien – ein Autocluster.

Es war aber der Aufstieg der japanischen Hersteller, v. a. von Toyota und Honda, der der US-Automobilindustrie schwer zu schaffen machte. Die Erdölkrise von 1973 versetzte der Automobilwirtschaft wie auch der Luftfahrt einen schweren Schlag. Im Oktober 1973 vervierfachte sich der Rohölpreis innerhalb von drei Wochen. Auslöser war ein Krieg im Nahen Osten, die Intervention der USA zugunsten Israels und ein Boykott der arabischen Förderländer der OPEC, der Organisation Erdöl exportierender Länder, gegenüber bestimmten, v. a. westlichen Staaten.

Der Preisanstieg führte zu einer Erschütterung der damaligen Weltwirtschaft, die noch längst keine globale war. Aber der schwere Preisschock, der auf eine bereits vom Zermürbungskrieg der USA in Vietnam erschöpfte Volkswirtschaft traf, führte in Nordamerika und gleichermaßen in Westeuropa zu großen Verwerfungen. Wer damals schon Autofahrer war oder die langen Gesichter der Eltern bei der Tankstelle in Erinnerung hat, der fürchtet seither hohe Erdölpreise mit ihren vielen Auswirkungen. Von Arbeitsloslosigkeit hörte ich damals zum ersten Mal, als mein Vater als Pilot seine Arbeit verlor. Die Wirtschaft und auch die Gesellschaften konnten sich von dieser Krise ein wenig erholen, bis die Erdölpreise dann Anfang 1979 infolge der Revolution im Iran, einem der wichtigsten Erdöllieferanten jener Ära, erneut in die Höhe schnellten. Mobilität, ob im Auto oder per Flieger, die Sommercharterflüge kamen gerade auf, wurde wieder ein Luxus. Das würde sich rund 30 Jahre später infolge der Intervalle mit niedrigem Erdölpreis, dem Aufkommen der Billigfluglinien sowie der sogenannten „Shared Economy“ im Beherbergungsbetrieb, wie „Airbnb“, und Reservierungsplattformen für eine gewisse Dauer wieder ändern.

Vom Erfinderreichtum zum Stillstand unter den „Großen“ und dem Aufstieg Asiens

Einige Jahrzehnte hatten sich Menschen von den Vororten in den USA bis hin zu den Generationen, die vom Wirtschaftswunder in Deutschland oder Italien profitierten, an das Auto als täglichen Gebrauchsgegenstand gewöhnt. Ob es der Familien-Ford oder der Käfer war, sie alle waren Spritschlucker. Denn auch ein kleiner VW Käfer mit 28 PS verbrauchte um 1975 herum noch sechs Liter Treibstoff pro 100 Kilometer. Als die ersten japanischen Autos auf den europäischen Automarkt kamen, waren die Hondas und Toyotas jener Tage weder Markennamen noch Statussymbole. Sie waren die absoluten Unbekannten, die aber rasch die Gunst ihrer neuen Eigentümer und Lenker erwarben, denn ihre Motoren waren um vieles effizienter als jene der damals etablierten Automarken. Der viel geringere Treibstoffverbrauch schlug sich vorteilhaft auf das Budget der Privathaushalte wie auch Firmen, die Fuhrparks unterhalten, nieder. Die Stunde der Asiaten hatte zweifellos geschlagen und sie begann in der Autowirtschaft. Japanische Firmen gingen auf Einkaufstour. Erstmals schrieben Historiker den Untergang des Westens herbei und erklärten den Beginn eines asiatischen Zeitalters. So der US-Historiker Paul Kennedy mit seinem Klassiker „The Rise and Fall of the Great Powers“. Auf dem Cover sinkt die Flagge der USA abwärts, während jene Japans beim Aufstieg zu sehen ist.

War die Autoindustrie neben dem US-Dollar gleichsam das Symbol für die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA nach dem Zweiten Weltkrieg, so musste sie wie viele andere Branchen die Konkurrenz aus Fernost erst langsam verkraften. Die ach so kapitalistische freie Marktwirtschaft setzte bereits vor über 40 Jahren auf staatliche Intervention, um den US-amerikanischen Markt vor der neuen Konkurrenz aus Asien zu „schützen“. Weil es den US-Firmen nicht gelang, sich an die neue Wettbewerbslage anzupassen, gingen in den 1980er-Jahren rund 1,7 Millionen Arbeitsplätze verloren. Marktanteile veränderten sich in vielen Branchen zugunsten der japanischen Hersteller. Dies galt für den Computerbau wie für den Verkauf von TV Geräten, Telefonen und auch Möbeln. Das Feindbild Japan war entstanden. Die Angst vor japanischen Übernahmen würde in jenen Jahren in fast allen Branchen spürbar wachsen. Das galt für die beschriebenen Bereiche ebenso wie für die Unterhaltungsindustrie von Hollywood, wo plötzlich ein Konzern namens Sony einzog und fortan mehr Zeichentrickfilme in Japan als in den Studios von Walt Disney entstehen würden.

Die Autoindustrie war aber jener Sektor, wo die Wunden am tiefsten saßen, vielleicht auch wegen der Symbolik, für die das amerikanische Auto stand. Die „Big Three“ von Detroit, also Ford, GM und Chrysler, verloren zunehmend Marktanteile an die japanischen Autos, die immer populärer wurden. Mit dem Niedergang dieser drei großen Firmen war auch der Untergang von Detroit und einer Ära der USA eingeläutet.

Die Japaner wurden zunächst unterschätzt, um danach umso mehr gefürchtet bzw. für hohe Qualität geschätzt zu werden. Mit einigen Jahrzehnten Verspätung, noch von den Wirren des Zweiten Weltkriegs gezeichnet, der im Abwurf zweier Atombomben durch die USA auf die Städte Hiroshima und Nagasaki gipfelte, erreichte japanische Technologie westliche Interessenten. Weil die Zahlen für sich sprechen, sei hier auszugsweise ein hilfreicher historischer Überblick einer Fachzeitschrift zitiert: „1950 stellen japanische Hersteller nur 900 Autos her, von denen sieben außer Landes verkauft werden. Zehn Jahre später liegt das Produktionsvolumen schon bei 150.000 Einheiten. 1961 werden 11.000 Autos exportiert. Ab 1963 ist die Vertriebspolitik zunehmend expansionistisch, zumal eine Rezession den Boom auf dem heimischen Markt einbremst. Nach Anfangserfolgen im asiatischen Raum sowie in Mittel- und Südamerika wagen sich die Japaner nach Amerika und Europa. Die Folge: 1975 verkaufen sie fast drei Millionen Autos im Ausland, aber nur 50.000 werden importiert. 1967 wagt Honda mit dem S800 als erster japanischer Hersteller den Sprung nach Deutschland. Hatten die japanischen Autofirmen zwischen 1950 und 1980 noch an die 30.000 Lizenzabkommen mit ausländischen Konkurrenten getroffen, werden sie spätestens ab Ende der 1970er-Jahre selbst zu Vorreitern. Kurze Produktzyklen und die handstreichartige Besetzung von Märkten vor der Konkurrenz aus anderen Ländern sind dabei typisch für japanische Marken. Vom Hochdrehzahlmotor über den Kompakt-Van bis zur Vierradlenkung und der Hybridtechnologie, der Erfindungsreichtum der japanischen Ingenieure scheint grenzenlos zu sein. Dass Honda-Motoren in den 1980er-Jahren zu den erfolgreichsten Triebwerken in der Formel 1 zählen, ist nur einer von vielen Meilensteinen.“1

Wie global der Erfolg der japanischen Autos dann bald wurde, zeigt sich u. a. an ihrer Präsenz im Nahen Osten. Galt der Mercedes, ob als Taxi in den Straßen von Kairo und Beirut mit einem Tachostand von oft über 500.000 km und verbeulter Karosserie oder in der Luxusvariante als Statussymbol der Potentaten in den Golfstaaten, lange als das „Auto der Araber“, veränderte sich in den 1990ern das Straßenbild. Der Mittelstand fuhr japanische Mittelklasse von Subaru bis Nissan und die japanischen Geländeautos eroberten bald alle Käuferschichten. Zu makaberem Ruhm würden die Toyota-Pickups kommen, als diese Autos bald auf sämtlichen Kriegsschauplätzen zu sehen waren. Terroristen des Islamischen Staats oder vermeintliche Rebellen im Namen welcher Sache auch immer, sie alle haben scheinbar ein Faible für diese Marke, die oft für Kampfeinsätze in den endlosen Städtekriegen umfunktioniert wird. Vom Irak bis nach Libyen ist dieser robuste Toyota im Einsatz. Die UNO und andere internationale Organisationen leisten sich die gepanzerte Version der japanischen Geländewägen für ihre Mitarbeiter.

Was vorgestern noch den Japanern zugetraut wurde, das begann man sehr bald den Chinesen anzuvertrauen: nämlich die Neuerfindung der Mobilität für das 21. Jahrhundert. Chinesische Ingenieure arbeiten mit Kollegen aus dem asiatischen Raum zeitgleich an mehreren Modellen. Wenngleich der Elektroantrieb Forschung und laufende Produktion dominiert, so wird doch ergebnisoffen recherchiert. Bereits seit Beginn der Nullerjahre arbeiten Autofirmen in Korea an Modellen der Brennstoffzelle. Japanische Firmen haben immer wieder die Latte vorgegeben und neue Maßstäbe gesetzt. Korea zog mit seinen Autofirmen zunehmend nach. Weltweit begannen Konsumenten, asiatische Autos zu schätzen: als zuverlässig, innovativ und zunehmend als Statussymbol. Noch ist der chinesische Automarkt weit von einem Expansionskurs entfernt, aber dank des aktuellen Vorsprungs im Bereich „Robotik und Künstliche Intelligenz“ ist China auf dem Weg, auch in der Automobilindustrie zu einem der Weltmarktführer zu werden.

Die Werkbank, der Absatzmarkt und der Technologieführer China

Erst 1949 wurde die Volksrepublik China nach einem blutigen Bürgerkrieg und langen militärischen Auseinandersetzung mit der japanischen Besatzungsmacht wieder ein souveräner Staat. Jahrhunderte kolonialer Einmischung hatten die wirtschaftliche Entwicklung und die Ausdehnung des Staatsgebiets mitbestimmt. Der nationale Zerfall infolge der Opiumkriege der Europäer nimmt in der nationalen Selbstwahrnehmung einen gewichtigen und emotionalen Stellenwert ein. Diese europäischen Einmischungen wirken bis heute nach. So manche zeitgenössische Denkschule des neuen/alten chinesischen Nationalismus sinnt auf eine späte Retourkutsche. Letztere könnte sich über die chinesische Infrastruktur in Europa und damit die nächste Generation der Mobilität anbahnen. Denn die harte Konkurrenz für die europäische Industrie ist in China entstanden. Die Sorge deutscher Autokonzerne, von China noch an die Wand gefahren zu werden, geht seit geraumer Zeit um. Verschlafen wurde in Europa allerhand. Als ich Ende 2017 das Amt der österreichischen Außenministerin antrat, setzte ich drei Prioritäten, eine davon war ein Asien-Schwerpunkt. Sich mit der Region zu befassen, ihr Augenmerk zu widmen, war bedauerlicherweise viele Jahrzehnte vernachlässigt worden. Die Entwicklung der Automobilindustrie nahm ich in viele Gesprächstermine mit, da es mich einfach interessierte, wie dieser wichtige Wirtschaftszweig in unsere politischen Beziehungen hineinspielte und umgekehrt.

Das einstige Reich der Mitte, feudal und abgeschottet, erfand sich neu im Namen des Kommunismus ab 1949. Die Kulturrevolution brachte die Menschen, im Kollektiv und jeden Einzelnen, mit vielen Rückschlägen an den Rand der Existenz. Doch China arbeitete sich zurück in die Weltwirtschaft. Mit der Öffnung des Landes ab 1979 begann ein völlig neues Kapitel, das zwar 1989 mit der Niederschlagung der Studentenproteste einen Bruch erlebte, aber danach doch weiterging. China würde einige Jahrzehnte für Imitation, Billigproduktion und „Absatzmarkt für Rohstoffe“ stehen.

Doch fast unbemerkt wurde China zum globalen Investor, der nach Plan vorgeht, wenn er sich auch oft genug mit Versuch und Irrtum sehr pragmatisch in einem Sektor ein- und hocharbeitet. Die international angelegten Investitionen, ob auf dem afrikanischen Kontinent oder in Mitteleuropa, erfolgten zunehmend mit geopolitischen Ambitionen. Anders als Japan, oft Vorbild und historisch gehasster Nachbar, ist China nicht nur geschäftlich, sondern mit politischer Kraft tätig. Der chinesische Traum, den Xi Jinping, seit 2017 Präsident auf Lebenszeit, dem chinesischen Volk verheißt, bedeutet die Rückkehr Chinas als Führungsmacht. Dass die nächste Ära der Globalisierung eine unter chinesischer Ägide werden würde, verkündete Xi Jinping bereits in Davos im Jänner 2017. Dass sich damit auch die Arbeitsweise in wichtigen Industriebetrieben deutlich an chinesischen Vorgaben orientieren würde, spürten u. a. deutsche Automobilkonzerne immer mehr. Von einem fairen Zugang zu gleichen Bedingungen war immer weniger zu spüren. Was Diplomaten in den Handelsgesprächen als „fair level playing field“ bezeichnen, war kaum vorhanden. Denn während chinesische Investoren zu 100 Prozent westliche und andere Firmen aufkauften, sind nichtchinesische Käufer bei ihren Bemühungen in China mit Joint Ventures unter 50 Prozent, vielen politischen Beschränkungen und Kontrollen durch entsandte Regierungsvertreter in den Betrieben konfrontiert. Beim BOAO-Forum, dem „asiatischen Davos“ in Hainan, im April 2018 versprach Xi Jinping umfassende Lockerungen bei Beteiligungen ausländischer Firmen, insbesondere in der Autoindustrie. Die erste Reaktion der Autobauer war voller Jubel, doch de facto wurde die chinesische Dominanz gerade in dieser Branche immer heftiger.

Als Außenministerin begleitete ich damals Bundespräsident Alexander Van der Bellen und unsere große Delegation quer durch China; es war ein Staatsbesuch der Superlative mit einem mulmigen Gefühl. Bereits einige Monate zuvor hatte ich in meinem Buch „Die Wachablöse“ den Ausverkauf europäischer Betriebe an China kritisch gesehen, so bestätigte jene intensive Besuchswoche meine Skepsis an der heftigen chinesischen Umarmung. An einem „Memorandum of Understanding“, wie es bereits zuvor schon einige europäische Staaten im Rahmen der „16+1“-Kooperation mit China formalisiert hatten, hatte ich als außenpolitische Ressortchefin kein Interesse. Wir behielten diesen Kurs dann auch als Regierung bei, wenngleich es nicht einfach war, dies mit allen Regierungsmitgliedern in dieser Form zu handhaben.

Die Malaise auf europäischer Seite hat sich indes verschärft. So dürfen deutsche Autokonzerne in China beim Bau der scheinbar zukunftsträchtigen Elektroautos oftmals nur mehr die Karosserie verantworten. Das Kernstück, die Batterie, fertigen die chinesischen Partner. Sie verfügen mittlerweile nicht nur über die weltgrößten Betriebsstätten dieser Art, sondern haben die wesentlichen Konzessionen für strategische Rohstoffe wie Lithium erworben. Europäische Autobauer hinken gerade beim Zugang zu diesen Rohstoffen nach. Doch darüber hinaus bahnt sich ein grundsätzlicher Konflikt an: China ist angetreten, auch in der Autobranche zur Nummer eins aufzusteigen. In den chinesischen Führungsetagen hat man zu einem viel früheren Zeitpunkt als in Europa begriffen, dass es um Mobilität in ihrer Gesamtheit geht. In den „Smart Cities“, die der chinesische Wirtschaftsboom im letzten Jahrzehnt schuf, als China die Lokomotive der Weltwirtschaft war, wird Mobilität von Grund auf neu gedacht. Wer einmal dazu von chinesischer Seite mit eindrucksvollen Zahlen gebrieft wurde, verspürt, wie groß bereits der Abstand zwischen dem Technologieführer China und dem Rest der Welt ist. Hinzu kommt eine gesellschaftspolitische Dimension, die derartige Reißbrettentscheidungen ermöglicht, denn hier steht das Kollektiv über dem Individuum. Die Mobilität wird vom Kollektiv für das Kollektiv gemacht. Denn die Staus auf den Stadtautobahnen in den chinesischen Megastädten kosten Prozentpunkte der Volkswirtschaft. Noch wirkt manches anarchisch in China, aber die Ausweitung der totalen Kontrolle war bereits vor der Pandemie im Gange und hat sich über einen technischen Sprung im Namen von Gesundheit und Sicherheit zur digitalen Diktatur verdichtet. Das Konzept findet auch Akzeptanz in vielen anderen Staaten, wo kritisches Denken auf dem Rückzug ist. Diese Entwicklung reduziert sich nicht auf die Volksrepublik China, denn auch in unseren Gesellschaften werden Stimmen laut, im Namen der Gesundheit sehr viel Privatsphäre aufzugeben. Was mit dem „War on Terror“ im Jahr 2001 in den USA begann, findet nun so manche bedenkliche Fortsetzung.

Vieles wurde in unseren Breiten verschlafen, manches wider besseren Wissens verabsäumt. Aber nicht alles war absehbar, vor allem nicht die Geschwindigkeit, mit der China den Rest der Welt industriell überrollen würde. Die Auslagerung von Produktion nach Asien hat im Zuge der Covid-Pandemie die massive Abhängigkeit Europas u. a. in der Pharmabranche offengelegt. Wenn 60 Prozent der weltweit verfügbaren Antibiotika in China erzeugt werden, dann sollte Risikostreuung kein Schlagwort mehr sein.

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