Kitabı oku: «Das Herzinfarkt-Sutra», sayfa 3

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Das flammende Schwert Prajñās – scharfe, erhellende und mitfühlende Wissbegierde

Prajñā, die grundlegende Wissbegierde und Neugierde unseres Geistes, ist zugleich präzise und spielerisch. Ikonographisch wird Prajñā oft als ein doppelschneidiges, flammendes Schwert, das äußerst scharf ist, abgebildet. Ein solches Schwert muss natürlich mit großer Vorsicht gehandhabt werden und mag sogar etwas bedrohlich erscheinen. Prajñā ist in der Tat bedrohlich für unser Ego und unsere wohlgehegten Glaubenssysteme, da es unseren Realitätsbegriff und die Bezugspunkte, auf die wir unsere Welt aufbauen, unterminiert. Prajñā hinterfragt, wer wir sind und was wir wahrnehmen. Da dieses Schwert in beide Richtungen schneidet, dient es nicht nur dazu, unsere sehr gefestigt wirkende objektive Wirklichkeit in Scheibchen zu schneiden, sondern es durchschneidet auch den subjektiv Erfahrenden einer solchen Wirklichkeit. Daher bringt es uns auch dazu, unsere Ego-Trips und unsere Aufgeblasenheit zu durchschauen. Es braucht ein gewisses Maß an Anstrengung, um uns ständig etwas über uns selbst vorzumachen. Prajñā bedeutet, uns selbst zu entlarven, und das erfordert vor allem, dass wir einen ehrlichen Blick auf die Spiele werfen, die wir spielen.

Daher wird Prajñā immer wichtiger, während wir auf dem Pfad fortschreiten, denn unsere Ego-Trips werden nur noch ausgeklügelter. Zuerst, wenn wir nicht spirituell sind, denkt unser Ego nur: »Ich bin ziemlich gut.« Aber dann, wenn wir spirituelle Interessen entwickeln, denkt unser Ego: »Jetzt bin ich auch spirituell! Jetzt bin ich auf dem Pfad! Jetzt bin ich ein Buddhist! Jetzt kann ich die Leerheit erkennen und großes Mitgefühl und all diese Buddha-Qualitäten entwickeln!« Ganz offensichtlich muss man dem entgegentreten, und das ist die Aufgabe von Prajñā. Es hat die Eigenschaft der Selbstüberprüfung. Wann immer wir vom Weg abkommen, immer dann, wenn die Luftballone unserer Ego-Aufgeblasenheit zu groß werden, lässt Prajñā diese Luftballone einfach platzen und bringt uns dahin zurück, wo wir sind. Wir könnten sagen, dass Prajñā ein Mittel ist, um wieder nüchtern zu werden. Aus diesem Grund ist es auch nicht so populär, weil wir es normalerweise genießen, auf unseren Ego-Trips in Saṃsāra zugedröhnt zu sein. Prajñā unterminiert alle unsere Versuche, es uns als Verdienst anrechnen zu lassen, dass wir gute Buddhisten sind, dass wir auf dem Pfad sind oder dass wir etwas erlangt haben. Die Prajñāpāramitā-Sūtren beschreiben unterschiedliche Situationen auf dem Pfad, in denen Bodhisattvas vom Weg abkommen können. Immer wieder weisen die Sūtren darauf hin: »Auch daran kannst du dich nicht wirklich festhalten. Egal für wie gut du es hältst, egal für wie großartig du dich hältst, egal wie faszinierend eine Einsicht auch sein mag, lass los und geh weiter.«

Prajñā beinhaltet natürlich auch Mitgefühl, aber es ist eine etwas gnadenlose Art des Mitgefühls, die überall da eingreift und etwas durchschneidet, wo es nötig ist. Es ist nicht die Art von »idiotischem Mitgefühl«, bei dem es lediglich darum geht, dass wir uns besser fühlen, sondern es schneidet durch das, was aufgedeckt werden muss oder was wir loslassen müssen. Kurzum, Prajñā hinterfragt alles, was wir sind, alles, was wir denken, alles, was wir wahrnehmen, und alles, was wir wertschätzen. Prajñā ist der endgültige Zerstörer unserer Wertesysteme, und das ist ein anderer Grund dafür, dass es nicht so populär ist. Somit durchschneidet Prajñā nicht nur unsere Verblendung, sondern auch alle raffinierten Versuche unseres Egos, es sich als Verdienst anrechnen zu lassen, auf dem Pfad eines Bodhisattva zu sein oder dergleichen. Die Prajñāpāramitā-Sūtren werden nie müde zu betonen, dass jede noch so verlockende Fantasie über persönlichkeitsbetonte spirituelle Errungenschaften durchschaut werden muss und wir erkennen sollten, dass sie genauso ohne Grund und Boden ist wie alles andere auch. Diese »Scheinwerfer-Qualität« von Prajñā wird durch die Flammen auf dem Schwert, die unsere blinden Flecken ausleuchten, symbolisiert.

Somit funktioniert Prajñā wie ein Bühnenscheinwerfer, der ein Schlaglicht auf den Hauptdarsteller wirft. In unseren persönlichen Dramen ist der Hauptdarsteller oder die Hauptdarstellerin natürlich immer »Ich«, und dann gibt es da noch diverse Nebendarsteller, die wir »andere« nennen. Prajñā dient dazu, diesen Hauptdarsteller »Ich« auszumachen und ein Schlaglicht auf sie oder ihn zu werfen, aber das Problem ist natürlich, dass der Hauptdarsteller selbst der blinde Fleck in dieser Inszenierung ist. Selbstverständlich erkennt er oder sie das nicht (und will es meist auch gar nicht erkennen), aber durch Prajñā wird sich diese Schauspielerin »Ich« ein bisschen mehr ihrer selbst bewusst, weil der Scheinwerfer sie die ganze Zeit anstrahlt. Es entsteht ein Gefühl, dass es keine Fluchtmöglichkeit gibt. Wir können uns nicht länger vor uns selbst verstecken oder vorgeben, dass wir uns nicht darüber bewusst sind, was in unserem Geist vor sich geht.

Allgemein gesprochen gibt es zwei Arten von Unwissenheit. Passive Unwissenheit besteht darin, etwas nicht zu wissen und es dann zu googeln, aber es gibt auch einen aktiven Teil, bei dem es darum geht, dass wir nicht sehen oder wissen wollen, selbst wenn wir es könnten. Insbesondere wollen wir oft nicht wissen, was in unserem eigenen Geist los ist oder was er so alles auf Lager hat. Wie neulich jemand zu mir sagte: »Mein Geist ist wie eine üble Gegend, ich vermeide es normalerweise, alleine dort hinzugehen.« Das ist unsere Unwissenheit, die aktiv unseren eigenen Geist, andere Menschen, schwierige Situationen usw. meidet. Prajñā fungiert als das direkte Gegenmittel gegen diese aktiveren Tendenzen unserer Unwissenheit, die nicht wollen, dass wir uns selbst und das, was wir tun, zu genau betrachten. In diesem Sinne beinhaltet Prajñā sowohl die Eigenschaft des Ausleuchtens als auch ein Gefühl des Mutes, sich dem zu stellen, was auch immer in unserem eigenen Geist los sein mag bzw. in einer bestimmten Situation passiert. Daher brauchen wir etwas Mut, um das Schwert Prajñā wirklich zu halten und geschickt zu schwingen.

Oft denken wir, Wissen oder Einsicht bedeute, immer mit den richtigen Antworten aufzuwarten, doch Prajñā bedeutet eher, dass wir die richtigen Fragen stellen. Oft ist die Frage die Antwort oder sogar viel besser als jede Antwort. Oft erzeugt eine Antwort nur zehn neue Fragen, und der Versuch, die richtigen Antworten zu geben, schafft vielleicht noch mehr Bezugspunkte in unserem Geist und damit mehr Starrheit und Probleme. Wir mögen denken: »Jetzt verstehe ich das wirklich gut«, aber das bedeutet oft nur, dass wir das Territorium unseres Planeten Ego ausdehnen, weil »Ich weiß« und »Ich es kapiert habe«. Wir fügen einfach unserer Sammlung von Dingen, die wir »wissen«, ein weiteres Exemplar hinzu. Deswegen spricht Zen vom »Geist des Nicht-Wissens«. Natürlich bedeutet das nicht, einfach dumm zu sein, sondern loszulassen von dem Versuch, irgendetwas zu besitzen, loszulassen von »unserem« Wissen und »unseren« Errungenschaften. Wenn wir wirklich bestimmte Einsichten und Errungenschaften haben, werden wir sie sowieso nicht verlieren, aber wenn wir an ihnen festhalten und uns aufplustern, werden sie zu einem Problem.

Prajñā in einer natürlichen Weise entfalten zu lassen bedeutet, unserer grundlegenden Wissbegierde mehr Raum für ihre natürliche, scharfsinnige Frische zu geben und dafür, sie ihren eigenen Prozess des Erforschens beginnen zu lassen, anstatt ausgetretenen Wegen zu folgen. Die Lehren über Prajñāpāramitā sind eine klare Botschaft, Prajñā nicht darauf zu beschränken, unser Netzwerk dualistischer Kategorien lediglich umzuarrangieren oder auszuweiten. Daher sagen die Prajñāpāramitā-Sūtren:

Wenn du denkst: »Ich kultiviere Prajñā«, »Prajñā ist dies« oder »Es ist um dieses oder jenes willen«, so mag das wohl Prajñā sein, aber es ist nicht Prajñāpāramitā.

Da Prajñāpāramitā dafür steht, der letztendlichen Wirklichkeit direkt zu begegnen, ist es der zentrale Weg, der zur Befreiung und Allwissenheit führt. Daher heißt es, dass die Versenkung in Prajñā die hervorragendste aller Praktiken und Erkenntnisse ist. Das ist der Grund, warum seine Qualitäten und seine tiefgehende und weitreichende Auswirkung auf unseren Geist nicht überschätzt werden können und dies in den Schriften immer wieder gepriesen wird. Auch nur einen kurzen Moment in Prajñāpāramitā zu ruhen, heißt es dort, ist von weit größerem Verdienst als alle anderen pāramitās, wie etwa Freigebigkeit, die es natürlich zugleich mit einschließt. Das Brahmaviśeṣacintiparipṛcchāsūtra sagt:

Nicht nachzudenken ist Freigebigkeit.

Nicht in irgendwelchen Unterschieden zu verharren ist Ethik.

Keinerlei Unterschiede zu machen ist Geduld.

Nichts anzunehmen oder zurückzuweisen ist Elan.

Nicht verhaftet zu sein ist Samādhi.

Nicht begrifflich zu denken ist Prajñā.

Dies unterscheidet sich ziemlich von den üblichen Erläuterungen über die sechs Pāramitās. Hier werden sie aus ihrer Verbindung zu Prajñāpāramitā beschrieben oder wie sie sich als Prajñāpāramitā manifestieren. Freigebigkeit ist, nicht nachzudenken; das heißt, spontan und ohne Vorbedacht oder Voreingenommenheit zum Nutzen anderer zu handeln. Ethik bedeutet, nicht in irgendwelchen Unterschieden in Bezug darauf, was schickliches oder unschickliches Benehmen ist, zu verharren. Wenn wir solche Unterscheidungen treffen, sind wir immer noch voreingenommen; es handelt sich dann um keine einwandfreie buddhistische Ethik oder Disziplin, weil wir immer noch an dem, was man tun und lassen sollte, anhaften. Aus der Perspektive von Prajñā sitzen wir immer noch im Dualismus fest. Wahre Geduld bedeutet, keinerlei Unterschiede zu machen zwischen dem, was uns schadet, und dem, was uns nutzt, oder zwischen günstigen und ungünstigen Umständen, sondern in der Gleichheit aller Phänomene zu ruhen. Elan oder freudige Anstrengung bedeutet, nicht darin steckenzubleiben, das anzunehmen, was als tugendhaft gilt, und das zurückzuweisen, was als nicht tugendhaft angesehen wird, sondern aus der Erkenntnis der Leerheit, Gleichheit und uranfänglichen Reinheit zum Nutzen anderer aktiv zu werden. Samādhi ist meditative Ausgeglichenheit, in der der Geist frei in sich selbst ruht, ohne irgendetwas, an dem er festhält, ohne sich von irgendetwas angezogen oder abgestoßen zu fühlen und ohne irgendetwas erlangen oder davor wegrennen zu müssen. Prajñā bedeutet, sich die »drei Sphären« von Handelndem, Objekt und Interaktion (wie etwa einen Geber, einen Empfänger und den Akt des Gebens) nicht in Bezug auf irgendetwas vorzustellen. Somit ist Prajñā vollkommen frei von irgendeiner Art von Bezugspunkt und Gedankenvielfalt. Beschäftigen wir uns mit den Pāramitās auf diese Weise, vereinen wir die zwei Wirklichkeiten – die letztendliche und die scheinbare oder relative Wirklichkeit.

Es heißt auch, dass in Prajñāpāramitā zu verweilen hervorragender ist als alle Studien, Reflektionen oder andere Meditationen über den Dharma, selbst wenn wir uns diesen viele Äonen lang widmen. Prajñāpāramitā ist auch die hervorragendste Art und Weise, Opfergaben darzubringen, Zuflucht zu den drei Juwelen zu nehmen, Bodhicitta zu entwickeln und uns von allem Negativen zu reinigen. Sowohl die Sūtren als auch ihre Kommentare beschreiben viele Anzeichen, die auf eine zunehmende Vertrautheit und Leichtigkeit im Umgang mit Prajñāpāramitā hindeuten. Kurz, wir sind dann in der Lage, in jeder Situation viel klarer zu sehen und sowohl mit uns selbst als auch mit anderen in einer sorgfältigeren und mitfühlenderen Art und Weise umzugehen. Wir widmen uns achtsam tugendhaften Handlungen, die Geistesplagen werden schwächer, der Dharma wird von ganzem Herzen praktiziert und Ablenkungen werden aufgegeben. Unser Anhaften wird generell reduziert, insbesondere die Anhaftung an diesem Leben.

Positiv gesehen geht es bei Prajñā, bei dem alles, was wir kennen, zerstört oder unterminiert und uns abverlangt wird, alle unsere Vorstellungen aufzugeben, darum, in einen Geisteszustand zu gelangen, in dem wir nicht anhaften. Vielleicht ist es nur für den Bruchteil einer Sekunde, dass wir nicht mehr versuchen, irgendetwas zu erreichen oder irgendetwas zu vermeiden. In diesem Moment denken wir nicht: »Und was jetzt?« Wir müssen genau diesen Geisteszustand betrachten, in dem wir an nichts festhalten, in dem wir überhaupt keine Tagesordnung mehr haben, und uns anschauen, wie er beschaffen ist. Bei der Leerheit geht es nicht um irgendein Ding namens »Leerheit«, das wir erkennen müssen, sondern es geht darum, alles loszulassen, was uns daran hindert, die wahre Natur unseres Geistes wirklich zu erkennen. Die Natur des Geistes ist etwas äußerst Simples und uns ganz nah. Aber das ist auch das Problem, denn wir mögen keine simplen Dinge. Wir mögen lieber ausgeklügelte Dinge, je ausgeklügelter, desto besser. Das ist der Grund, warum wir alle unsere vorgefertigten Ideen und Bezugspunkte, unsere Werte und unsere Glaubenssysteme erschaffen. Früher oder später aber verlaufen wir uns und kennen noch nicht einmal mehr unseren eigenen Geist. Die Lehren über die Leerheit (und Prajñāpāramitā als das, was Leerheit erkennt) versuchen, uns dazu zu bringen, zum natürlichen Zustand unseres Geistes jenseits aller künstlichen Konstrukte zurückzukehren. Wir brauchen uns die Natur des Geistes nicht auszudenken oder sie in irgendeiner Weise zu verändern. Das Einzige, was es zu tun gibt, ist, unsere Konstrukte auseinanderzunehmen oder sie loszulassen, das heißt, unsere geistigen Luftschlösser einzureißen und nicht an ihnen zu hängen.

Die Dame Prajñāpāramitā – Intuition umarmt Intellekt

Ikonographisch wird Prajñāpāramitā als eine weibliche Gottheit dargestellt. Sie ist von gelber Farbe, sitzt mit verschränkten Beinen und hat vier Arme, wobei ihre obere linke Hand einen Text hält, ihre obere rechte Hand ein flammendes Schwert erhebt und die beiden unteren Arme in der Meditationshaltung ruhen. In dieser Reihenfolge repräsentiert dies die drei Arten von Prajñā: Wissen durch Studieren, Durchschneiden und Erhellen der Verblendung und direkte Einsicht in die wahre Natur aller Phänomene. Man nennt sie auch die Prajñās, die aus Studium, Reflektion und Meditation resultieren, welche ein stufenweises Fortschreiten von den gedanklichen und groben Formen von Prajñā zu seinen subtilsten und nichtgedanklichen Formen darstellen.

Frage: Wenn im Herz-Sūtra von »keine Unwissenheit, kein Enden der Unwissenheit bis hin zu keinem Altern und Tod und keinem Enden von Altern und Tod« usw. die Rede ist, ist dies dazu gedacht, unser dualistisches Denken aufzubrechen und uns aus ihm herauszutricksen? Wenn ich diese Worte sage, hilft es mir und es führt mich zu diesem unbeschreibbaren oder mysteriösen Ort, der irgendwie beruhigend ist. Können Sie dazu etwas sagen?

KB: Magical Mystery Tours? Ja, das ist definitiv ein Anliegen des Herz-Sūtra – unsere gewöhnlichen Vorstellungen zu durchbrechen. Tatsächlich funktioniert das auf vielen verschiedenen Ebenen, weil es gröbere und subtilere Vorstellungen gibt. Aber selbst auf einer sehr groben Ebene von Vorstellungen ist das bloße Aussprechen von »kein Auge, kein Ohr, keine Nase« bereits sehr gegensätzlich zu dem, was wir normalerweise denken. Wir denken nicht »kein Auge, kein Ohr, keine Nase«. Wir denken: »Es gibt ein Auge, es gibt ein Ohr, es gibt eine Nase.« Selbst auf dieser oberflächlichen Ebene gehen uns die Worte des Sūtra gegen den Strich; sie erschüttern unsere Gewohnheitstendenzen und somit auch unsere Weltsicht. Damit ist ein Anfang gemacht; Löcher werden in unseren ansonsten so soliden und dichtgewebten Kokon der Verblendung gestoßen. Selbst ein winziges Loch lässt ein bisschen frische Luft und Licht in unseren muffigen und düsteren Kokon herein, was der erste Schritt in Richtung Freiheit ist. Je weiter wir das betreiben, desto tiefgründiger wird es; wir können das dann mit tiefer gehenden Kontemplationen und Analysen verbinden und schließlich begreifen, was »kein Auge, kein Ohr, keine Nase« tatsächlich bedeutet und wie es sich zu unseren tief etablierten Gewohnheitstendenzen, die Dinge für wirklich existierende Subjekte und Objekte zu halten, verhält. Gleichzeitig kann die Rezitation dieser Worte eine direkte Meditation sein, denn wir können unseren Geist betrachten, während wir sie aufsagen. Wie reagiert unser Geist, wenn wir »kein Auge, kein Ohr, keine Nase« sagen? Flippt er aus? Zeigt er Widerstand? Wird ihm einfach nur langweilig? Alle buddhistischen Unterweisungen, und das Herz-Sūtra ist keine Ausnahme, sind nicht als bloße Studienobjekte gedacht, sondern als Spiegel, die unseren Geist reflektieren. Daher, wann immer wir etwas studieren, rezitieren oder darüber reflektieren, ist der wichtigste Punkt zu beobachten, wie unser Geist reagiert, während wir es tun.

Frage: Ich frage mich, warum das Sūtra im Englischen, (Deutschen) oder Japanischen oft in einem monotonen Tonfall rezitiert oder gesungen wird.

KB: Es gibt verschiedene Traditionen. Ich kann nicht wirklich viel über die Zen-Tradition sagen, aber die englische (deutsche) Version scheint der Art und Weise zu folgen, in der das Sūtra in dieser Tradition meist im Sprechgesang rezitiert wird. Aber selbst wenn der Tonfall monoton ist, hat dies, wenn wir es in der richtigen Weise tun, mit dem richtigen Rhythmus sozusagen, in der Tat eine große Kraft. Es kann völlig langweilig sein oder es kann sehr kraftvoll sein, wie ein Trommelrhythmus, selbst ohne Trommel. Es hängt von uns ab, ob es ein elektrisierender Weckruf wird oder bloß etwas, das uns zum Einschlafen bringt.

Frage: Indem wir immer denselben Tonfall beibehalten, geben wir dem Sūtra meiner Ansicht nach keinerlei andere Bedeutung als die, von der in ihm essentiell die Rede ist.

KB: Das ist wahr; Sie könnten den monotonen Tonfall nicht nur als ein Symbol für die Leerheit und die Gleichheit aller Phänomene betrachten, sondern als ein Tor, um tatsächlich ein gewisses Gefühl von Gleichheit und dem »Klang der Leerheit«, der die essentielle Botschaft des Sūtra ist, zu erfahren. Nochmals, es ist wichtig, Ihren Geist zu betrachten, während Sie es auf diese Weise rezitieren, und zu sehen, wie Ihr Geist mit dem Klang, dem Rhythmus, den Worten und ihrer Bedeutung mitschwingt (sowohl in einem wörtlichen als auch in einem metaphorischen Sinn).

Frage: Wenn die Buddhas kein Wort sprechen, wie kommunizieren sie dann mit den Lebewesen?

KB: Es hängt von Ihrer Sichtweise ab, aber aus der Perspektive des Mahāyāna gibt es verschiedene Ebenen der Kommunikation zwischen einem Buddha und den Lebewesen. Die oberflächlichste Ebene ist die der Sprache oder der körperlichen Gesten, aber die grundlegende Ebene ist zwischen einer Buddha-Natur und einer anderen, das heißt, dass die Buddha-Natur eines Buddha mit unserer Buddha-Natur kommuniziert. Genau dort spielt die Musik. Alles andere, was auf der konventionelleren Ebene im Rahmen von Sprache, Wörtern, Buchstaben usw. zu geschehen scheint, ist wie ein Spiegel. Für gewöhnliche Wesen ist es offensichtlich sehr schwierig (obwohl nicht völlig unmöglich), eine bewusste, direkte Kommunikation zwischen der Buddha-Natur eines Buddha und ihrer eigenen Buddha-Natur zu haben, also muss es eine Art »Spiegel« dafür geben. Somit gleichen alle Unterweisungen, wie wir sie kennen, Spiegeln für unsere eigene Buddha-Natur. Welche Texte auch immer wir betrachten, welche Unterweisungen auch immer wir hören und welche Lehrer auch immer wir treffen, sie sind wie Spiegel. Wir sollten also nicht darin steckenbleiben, sie einfach nur anzuschauen, sondern vielmehr unseren eigenen Geist in seiner Interaktion mit den Unterweisungen und den Lehrern betrachten.

Die Art und Weise, in der gewöhnliche Lebewesen mit Buddhas oder der Buddha-Natur interagieren, besteht auf dem Pfad lange Zeit darin, dass der Geist des Schülers, der Schülerin die Form der Unterweisungen annimmt. Wenn wir dies bedenken, ist so etwas wie diese Buchseite mit ihren Buchstaben nicht wirklich etwas Äußeres oder Materielles, sondern sie ist unser eigener Geist, der in der Form dessen, was wir »Papier« nennen, erscheint. Wenn wir dieses Papier, auf dem buddhistische Unterweisungen stehen, betrachten, versucht es uns zu sagen, dass wir auf unseren eigenen Geist schauen sollten. Das Gleiche gilt für Meditation. Wenn wir zum Beispiel eine Gottheit visualisieren, so ist dies ebenfalls ein Spiegel für die Natur unseres Geistes. Wenn wir schließlich keinen Spiegel mehr brauchen, sondern unseren Geist oder unsere Buddha-Natur so sehen, wie sie sind, dann sind wir ein Buddha.

Wenn wir in einen Spiegel schauen, sind wir im Allgemeinen nicht so sehr am Spiegel selbst interessiert, sondern an dem, was wir in diesem Spiegel sehen wollen, üblicherweise unser Gesicht. So ist es auch mit Lehren oder einem Lehrer: Am wichtigsten ist es, was wir in uns selbst sehen, und nicht so sehr, was wir »da draußen« wahrnehmen. Das ist der springende Punkt der buddhistischen Lehre, nämlich, dass sie immer auf unseren Geist anzuwenden ist. Daher ist sie nicht wirklich eine Philosophie oder irgendeine Theorie. Egal worin die Unterweisung besteht, sie ist etwas, was in unseren eigenen Geist einfließen sollte und darin funktionieren muss. Letzten Endes war genau dies das Projekt des Buddha – anderen Menschen die Natur ihres Geistes durch ihre eigene Erfahrung und ihr eigenes Engagement zu zeigen.

Frage: Dies ist eine Frage in Bezug darauf, wie die Balance zwischen dem Relativen und dem Absoluten gefunden werden kann. Manchmal finde ich, dass ich kein Bodhicitta habe, es mir an Hingabe fehlt oder ich mich gemäß den Verhaltensanweisungen des Buddhismus einfach schlecht benehme. Dann fühle ich mich sehr frustriert, merke aber manchmal, dass ich mich plötzlich entspannen kann, wenn ich über die Lehren der Leerheit nachdenke. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das der richtige Ansatz ist. Angenommen ich habe kein Bodhicitta und ich bemühe und bemühe mich, aber es kommt nichts dabei heraus. Und dann denke ich: »Also gut, vergiss es, alles ist ja bloß Leerheit, warum sollte ich mir solche Mühe geben?« Dann fühle ich mich entspannt, aber es gibt auch eine gewisse Unsicherheit, ob diese Herangehensweise mir tatsächlich hilft oder mir eher schadet.

KB: Grundsätzlich ist es nie falsch, sich zu entspannen, besonders auf dem buddhistischen Pfad. In der Mahāmudrā-Tradition heißt es, dass diejenigen, die sich am tiefsten entspannen, die beste Meditation haben werden, dass diejenigen, die sich mittelmäßig entspannen, eine mittelmäßige Meditation haben werden, und Sie können sich sicher vorstellen, was mit den übrigen passiert. Ob Sie es glauben oder nicht, Entspannung ist wirklich das, wofür Leerheit da ist. Die Erfahrung der Leerheit ist der entspannteste Geisteszustand, den wir überhaupt haben können. Wenn wir also diesen Zustand anzapfen oder uns mit ihm in Verbindung setzen, ist das ganz und gar nicht falsch, denn es ist genau das, was die Natur unseres Geistes ausmacht – grundlegende Offenheit, Leichtigkeit und Flexibilität. In dieser Natur des Geistes gibt es nichts, was wir tun müssen oder was wir nicht tun sollten. Offensichtlich ist das sehr verschieden davon, Leerheit als einen bloßen Zustand von Gleichgültigkeit, in dem wir uns um gar nichts kümmern, misszuverstehen. Außerdem: Bis wir in der Lage sind, diesen letztendlichen Zustand zu erkennen, sind alle relativen buddhistischen Praktiken Hilfsmittel, die darauf abzielen, uns zu helfen, uns in dieser grundlegenden Art und Weise zu entspannen.

Wenn wir die letztendliche Sichtweise oder den Leerheitsaspekt in die relativen Praktiken hineintragen, bedeutet das praktisch gesehen nicht unbedingt, diese Praktiken in Bezug auf das Fehlen einer ihnen innewohnenden Natur zu analysieren, sondern uns im Hinblick auf das, was wir tun, zu entspannen und nicht so verkniffen, arbeitsversessen und erfolgsorientiert zu sein. Wir müssen auch herausfinden, ob diese Praktiken uns tatsächlich helfen, uns zu entspannen, oder ob unser Geist nur noch paranoider und angespannter wird. Wenn das der Fall ist oder wir nur noch frustrierter werden, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass es Zeit ist, uns zu entspannen. Solange wir auf dem Pfad sind, ist es natürlich sehr schwer, die zwei Ebenen der Wirklichkeit (letztendliche und scheinbare oder relative) die ganze Zeit über zu vereinen. Typischerweise springen wir zwischen beiden hin und her, wobei wir manchmal das Relative und manchmal das Letztendliche betonen. Auf dem Pfad ist das in Ordnung, weil sie sich dadurch, dass wir das tun, gegenseitig fördern. Wenn wir müde oder frustriert sind, entspannen wir uns und hören damit auf, uns so furchtbar große Mühe zu geben. Sobald wir uns entspannt haben, können wir es erneut mit unseren relativen Praktiken versuchen und idealerweise etwas von unserer Entspannung in unseren nächsten Versuch, welcher Praxis wir uns auch immer dann widmen, hineintragen. In dieser Weise bringen wir Sichtweise und Verhalten oder die zwei Wirklichkeiten zusammen. Üben wir all diese Praktiken, ohne wenigstens zu einem gewissen Grad entspannt zu sein, funktionieren sie nicht sehr gut. Der buddhistische Pfad ist kein Zwölf-Schritte-Programm, wie es das für Suchtkranke gibt. Er ist dafür gedacht, unserem Geist zu helfen, sich mit sich selbst anzufreunden. Wir müssen auch nicht jede einzelne der vielen Methoden des Buddhismus praktizieren. Wenn eine Praxis wirklich nicht für uns funktioniert und unser Geist immer nur noch angespannter wird, kann es sein, dass wir vielleicht eine andere Methode brauchen.

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