Kitabı oku: «Thomas More und seine Utopie», sayfa 5
Weniger diplomatisch als diese offizielle Beschwerde lautete die Anklage, die Hutten in seinem 1520 erschienenen Dialog »Vadiscus« dem Papsttum entgegenschleuderte; sie gehört zu den glänzendsten Erzeugnissen der agitatorischen Literatur der neueren Zeit. Kann es etwas Zündenderes geben, als den Schluß, der uns deutlich erkennen läßt, wie das Papsttum der Reformationszeit den Deutschen erschien? Er lautet: »Sehet da die große Scheune des Erdkreises (Rom), in welcher zusammengeschleppt wird, was in allen Landen geraubt und genommen worden; in deren Mitte jener unersättliche Kornwurm sitzt, der ungeheure Haufen Frucht verschlingt, umgeben von seinen zahlreichen Mitfressern, die uns zuerst das Blut ausgesogen, dann das Fleisch abgenagt haben, jetzt aber an das Mark gekommen sind, uns die innersten Gebeine zu zerbrechen und alles, was noch übrig ist, zu zermalmen. Werden da die Deutschen nicht zu den Waffen greifen, nicht mit Feuer und Schwert anstürmen? Das sind die Plünderer unseres Vaterlandes, die vormals mit Gier, jetzt mit Frechheit und Wut die weltbeherrschende Nation berauben, vom Blut und Schweiße des deutschen Volkes schwelgen, aus den Eingeweiden der Armen ihren Wanst füllen und ihre Wollust nähren. Ihnen geben wir Gold; sie halten auf unsere Kosten Pferde, Hunde, Maultiere, Lustdirnen und Lustknaben. Mit unserem Gelde pflegen sie ihre Bosheit, machen sich gute Tage, kleiden sich in Purpur, zäumen ihre Pferde und Maultiere mit Gold, bauen Paläste von lauter Marmor. Als Pfleger der Frömmigkeit versäumen sie diese nicht allein, ja sie verachten sie sogar, beflecken und schänden sie. Und während sie früher durch Schöntun uns köderten und durch Lügen, Dichten und Trügen uns Geld abzulocken wußten, greifen sie jetzt zu Schrecken, Drohungen und Gewalt, um uns zu berauben, wie hungrige Wölfe tun. Und wir müssen sie noch liebkosen, dürfen sie nicht stechen oder rupfen, ja nicht einmal berühren oder antasten. Wann werden wir einmal klug werden und uns rächen? Hat uns früher davor die vermeintliche Religion zurückgehalten, jetzt treibt und zwingt uns dazu die Not.«
Wir haben diesen beiden Zeugnissen so ausführlichen Raum gewidmet, um deutlich zu zeigen, was für das Verständnis der Reformation unumgänglich, daß diese, die Empörung gegen das Papsttum, im wesentlichen ein Kampf zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten war, nicht ein Kampf um bloße Mönchsdogmen oder vage Schlagworte, etwa ein Kampf zwischen »Autorität« und »Individualismus«.
Wie beim feudalen Grundbesitz, so finden wir beim Papsttum, nur bei diesem viel früher als bei jenem, daß es die Ausbeutung der Massen in demselben Maß immer höher schraubte, in dem es entbehrlicher, ja schädlich wurde. Daß da schließlich der Moment kommen mußte, wo den Völkern die Geduld riß und sie den Ausbeutern die Tür wiesen, ist klar.
Die Päpste beschleunigten ihr Verderben dadurch, daß sie immer verächtlicher wurden. Es ist dies das Schicksal jeder herrschenden Klasse, die sich überlebt hat und zum Untergang reif ist. Während ihr Reichtum wächst, verschwinden ihre Funktionen, es bleibt ihr nichts anderes mehr zu tun übrig, als zu verschlemmen, was sie von den ausgebeuteten Klassen erpreßt. Sie verkommt intellektuell und moralisch, oft auch physisch. In demselben Maße, in dem ihre unsinnige Verschwendung die darbenden Volksmassen empört, verliert sie an Kraft, ihre Herrschaft zu behaupten. So wird früher oder später jede Klasse beseitigt, die für die Gesellschaft schädlich geworden ist.
Das Papsttum gab seit den Kreuzzügen den Gläubigen besonderen Anstoß, moralischen wie intellektuellen.
Italien war, wie wir bereits wissen, das reichste Land des europäischen Westens während des Mittelalters; es bewahrte die meisten Überlieferungen der römischen Produktionsweise; es war der Vermittler des Handels zwischen Orient und Okzident; in Italien entwickelte sich zuerst die Warenproduktion, zuerst der Kapitalismus. Damit kam dort zuerst eine neue, der feudalen, kirchlichen entgegengesetzte Anschauungsweise auf. In tollem, jugendlichem Übermut setzte sich das Bürgertum über alle herkömmlichen Schranken hinweg; Frömmigkeit, herkömmliche Zucht und Sitte, alles wurde lachend beiseite geworfen. Die Päpste konnten sich dem Einfluß ihrer Umgebung nicht entziehen. Ja, als weltliche Fürsten Italiens marschierten sie an der Spitze der neuen, revolutionären geistigen Richtung. Als solche verfolgten sie dieselbe, von uns oben gekennzeichnete Politik, wie alle anderen Fürsten ihrer Zeit: Förderung der Bourgeoisie, der Warenproduktion, des Handels, der nationalen Größe. Als Oberhäupter der Kirche sollten sie dagegen international sein und an der Grundlage der kirchlichen Macht, der feudalen Produktionsweise festhalten. Als weltliche Fürsten waren sie ein revolutionäres Element, als Kirchenfürsten ein reaktionäres. In den Päpsten des fünfzehnten und anfangs des sechzehnten Jahrhunderts finden wir daher eine sonderbare Mischung zweier sehr verschiedener Elemente, jugendlicher Keckheit und greisenhafter Lüsternheit. Die revolutionäre Verachtung des Herkömmlichen, die einer aufstrebenden Klasse eigen ist, mengte sich mit der unnatürlichen Genußsucht einer dem Untergang entgegeneilenden Ausbeuterklasse. Diese sonderbare Mischung, die wir noch im nächsten Kapitel näher zu betrachten haben, findet ihren Ausdruck im ganzen geistigen Leben der italienischen Renaissance. Die Mischung revolutionärer und reaktionärer Elemente war eine Eigentümlichkeit des Humanismus, auch des Humanisten Thomas More.
Ob revolutionär, ob reaktionär, das Ergebnis war ein Leben, das allen feudalen Anschauungen von Anstand und Sitte schnurstraks zuwiderlief. Und dieses lockere Leben gelangte zu voller Blüte, als Deutschland noch unter dem Banne des Feudalismus stand. Rom spielte die Rolle, die später bis noch vor wenigen Jahrzehnten Paris gespielt hat. So wie alle Welt nach Paris, pilgerte bis zur Reformation jedermann nach Rom, der es erschwingen konnte, und mancher gute Deutsche hatte dort dasselbe Schicksal, das drei bis vier Jahrhunderte später viele seiner Nachkommen in Paris haben sollten; er versuchte die welsche »Unsittlichkeit« mitzumachen, aber es bekam ihm schlecht und voll Katzenjammers und moralischer Entrüstung über das Babel am Tiber kehrte er über die Alpen zurück. Drei Dinge, sagt Hutten, bringen die Pilger aus Rom heim: böse Gewissen, schlechte Mägen, leere Beutel. Wäre es ihm nicht um die Dreizahl zu tun gewesen, hätte er als viertes die Syphilis nennen können.
Daß das Bild, welches solche »Pilger« vom »heiligen Vater« entwarfen, zu den mittelalterlichen Begriffen von Heiligkeit wenig stimmte, läßt sich denken. Am empörendsten war wohl für die frommen Seelen der Unglaube, der in Rom herrschte, und den die Päpste kaum verhüllten.
Von Leo X., dem Papst, unter dem die Reformation begann, wird erzählt, er habe erklärt, er wolle das Märchen von Christus gelten lassen, weil es ihm viel genützt habe. Ganz derselbe Ausspruch wird aber bereits Bonifaz VIII. in den Mund gelegt, der zwei Jahrhunderte vor Leo lebte. Er war entweder ein stehendes Witzwort am päpstlichen Hofe oder wurde einer erfundenen Anekdote entnommen, die man allgemein annahm, weil sie die Päpste sehr gut kennzeichnete. Sicher ist es, daß Leo X. dem Volke lachend den Segen erteilte und seinen Kaplänen aufs strengste befahl, vor ihm nicht länger als eine Viertelstunde zu predigen. Daß die Päpste das Gelübde der Keuschheit nicht allzu ernsthaft nahmen, ist naheliegend. Sannazaro (1458 bis 1530) sagte spottend vom Papst Innozenz VIII., er habe Rom, nachdem er es durch seine Bedrückungen verödet, mit seinen Kindern wieder bevölkert. (Ludwig Geiger, Renaissance und Humanismus in Italien und Deutschland. Berlin 1881. S. 261.)
Indes, so ungläubig die Päpste und ihre Höflinge sein mochten, sie hielten den Glauben für die Grundlage ihrer Macht, und er war es auch. Nachdem die materiellen Verhältnisse geschwunden waren, die den Papst zum Herrn der Christenheit gemacht, blieben als seine einzige Stütze die diesen Verhältnissen entsprossenen Anschauungen, Anschauungen, welche von Tag zu Tag mehr in Widerspruch mit den gesellschaftlichen Tatsachen gerieten. Nur dadurch war die Macht der päpstlichen Kirche noch haltbar, daß sie das Volk in Unwissenheit über diese Tatsachen erhielt, daß sie es betrog, verdummte, seine Entwicklung in jeder Weise hemmte. Mochte dies Motiv nur wenigen Weiterblickenden in der Kirche klar werden, so lag es den Pfaffen allerorten, sobald sie ungläubig geworden waren, vor allem also den römischen, nahe, die Dummheit des Volkes zu pflegen, um Geld aus ihr zu schlagen. Ein schwindelhaftes Treiben mit wundertätigen Bildern, Reliquien und dergleichen begann. Der Wetteifer der verschiedenen Kirchen und Klöster untereinander, ihren Reliquien usw. die größten Wundertaten anzulügen, war eine der ersten Äußerungen der freien Konkurrenz, die sich mit der Warenproduktion entwickelte.
Mit der Konkurrenz entwickelte sich auch die Herrschaft der wechselnden Mode. Die Pfaffen mußten alle Augenblicke neue Heilige erfinden, deren Renommee noch nicht abgenutzt war, und die durch den Reiz der Neuheit die Volksmassen anzogen. Notabene, die Dummen, die damals den Reliquien auf den Leim gingen, waren auch nicht dümmer als die unzähligen Kunden der modernen Quacksalber mit ihren Universalheilmitteln. Wie wenig die alten Heiligen der Konkurrenz der neuaufkommenden gewachsen waren, zeigt folgendes. In der Kathedrale von Canterbury in England waren drei Kapellen, zu denen Wallfahrten stattfanden, die eine Christo, die andere der heiligen Jungfrau, die dritte dem heiligen Thomas Becket geweiht. Der letztere war erst 1172 heilig gesprochen, seine Gebeine 1221 in die erwähnte Kapelle gebracht worden. Um wie viel profitabler für die Kirche der neue Heilige wurde als die alten, zeigt uns folgende Rechnung, die wir Burnets history of the reformation entnehmen. Er gibt leider das Datum der Rechnung nicht an. Nach ihr wurden geopfert in einem Jahre Christo 3 Pfd. 2 Sch. 6 P., der hl. Jungfrau 63 Pfd. 5 Sch. 6 P., dem hl. Thomas 832 Pfd. 12 Sch. 3 P., im nächsten Jahre Christo nichts, der hl. Jungfrau 4 Pfd. 1 Sch. 8 P., dem hl. Thomas 954 Pfd. 6 Sch. 3 P. Wir sehen, daß der neuengagierte Heilige sich als eine famose Zugkraft erwies.
Von den Einnahmen aus dem heiligen Thomas bekam auch der Papst seinen gehörigen Anteil. Der Märtyrertod des Heiligen war mitten im Winter passiert, einer höchst ungelegenen Zeit für Pilgerfahrten, und die Mönche von Canterbury ersuchten daher den Papst um die Erlaubnis, den Gedenktag in den Sommer zu verlegen. Der »heilige Vater«, damals Honorius III., wollte die Bewilligung nur dann erteilen, wenn ihm ein gebührender Anteil an dem Profit gewährt würde, den die Verlegung des Gedenktages der Kathedrale von Canterbury verschaffen mußte. Darüber entspann sich ein langes Feilschen. Der Papst verlangte die Hälfte der Bruttoeinnahme; die Mönche erklärten, unter solchen Bedingungen das Heiligengeschäft nicht fortführen zu können, da sie nicht auf die Kosten kämen. Endlich gab der Papst nach und begnügte sich mit der Hälfte des Reingewinns. (S. E. Thorold Rogers, Die Geschichte der englischen Arbeit, S. 284.)
Je höher der Unglaube des Papsttums stieg, desto eifriger förderte es den Aberglauben. Erbitterte es die Frommen durch ersteren, so die Freidenkenden durch letzteren.
Die moralische Entrüstung über Unsittlichkeit, Unglauben und Aberglauben wäre indes kaum von durchschlagender Wirkung gewesen, wenn nicht, wie schon erwähnt, das Papsttum eine, noch dazu sehr überflüssige, bloße Ausbeutungsmaschine geworden wäre. Es befand sich schon in einem bedenklichen moralischen Stadium, ehe es den Gipfel seiner Macht erreichte (wir erinnern an das »Metzenregiment« der Marozia und ihrer Töchter im zehnten Jahrhundert, die den päpstlichen Stuhl mit ihren Liebhabern und Söhnen besetzten). Es waren die seitdem eingetretenen ökonomischen und politischen, nicht aber moralische Veränderungen, welche die Völker antrieben, sich vom Papsttum loszureißen.
Ja manchen Ländern, namentlich in Deutschland, hatten alle Klassen ein Interesse daran, die Verbindung mit dem Papsttum zu lösen; nicht bloß das ausgebeutete Volk, sondern auch die »nationalen« das heißt im Lande befindlichen Ausbeuter, welche es sehr ärgerte, so viel Geld aus dem Lande wandern zu sehen, das sie lieber selbst eingesteckt hätten. Auch der nationale Klerus hatte ein Interesse an der Kirchentrennung. In der Tat war er nur noch der Steuereinnehmer des römischen Stuhles; von allem, was er vom Volke einnahm, mußte er den Löwenanteil nach Rom abliefern, die fettesten Pfründen hatte er den Günstlingen Roms zu überlassen, indes ihm die schlecht besoldeten und Arbeit erfordernden niederen Pfarrstellen zufielen. Gerade der Teil der Geistlichkeit, der im Staatsleben noch gewisse Funktionen zu verrichten hatte, die Weltgeistlichkeit, die sich noch eines gewissen Ansehens beim Volke erfreute, gerade sie wurde durch ihre Interessen bewogen, dem römischen Stuhl am energischsten Opposition zu machen.
Die Zentralisation der Kirche war den Päpsten keineswegs leicht geworden, sondern hatte in heftigen Kämpfen den kirchlichen Organisationen der einzelnen Länder aufgezwungen werden müssen. Als wirksamstes Werkzeug zur Unterjochung der Weltgeistlichkeit hatten sich die verschiedenen Mönchsorden erwiesen. Noch im elften Jahrhundert standen sich der Papst und die deutschen Bischöfe feindlich gegenüber. Diese waren auf Heinrich IV. Seite, indes der hohe Adel für die päpstliche Sache eintrat. Auch die französische und die englische Kirche konnten nur nach schweren Kämpfen unter die päpstliche Oberhoheit gebeugt werden. Der Kampf zwischen Rom und den verschiedenen nationalen Kirchen hörte jedoch nie völlig auf, und er nahm nach den Kreuzzügen in dem Maße heftigere Formen an, in dem die Ausbeutung durch das Papsttum wuchs, bis er schließlich bei verschiedenen Nationen zum völligen Bruch mit dem römischen Stuhl führte. Die Geistlichkeit, namentlich die niedere, übernahm die Führung im Kampfe gegen Rom, die Reformatoren waren Geistliche – Luther, Zwingli, Calvin usw. –, der Klerus gab die Denkformen an, in denen sich die Reformationskämpfe bewegen sollten.
Aber die Kirche zur Zeit der Reformation war eine andere als die des frühen Mittelalters. Diese war die Organisation gewesen, die Staat und Gesellschaft zusammenhielt, jene bildete ein bloßes Werkzeug der Staatsverwaltung; die Grundlagen des Staates waren andere geworden. Mit der Trennung der Kirche von Rom verschwand der letzte Faktor, der ihre Herrschaft im Staate noch bis zu einem gewissen Grade hatte fortdauern lassen, die traditionelle Illusion; die Geistlichen der reformierten Kirchen wurden daher überall zu Dienern der Staatsgewalt – wo diese in den Händen von Monarchen lag, zu Beamten des Absolutismus. Die Kirche bestimmte nicht mehr, was die Menschen glauben, wie sie handeln sollten; die Staatsgewalt bestimmte, was die Kirche zu lehren habe.
Nicht alle Völker und nicht alle Klassen aller Völker der Christenheit hatten ein Interesse an der Losreißung vom Papsttum. Vor allem niemand in Italien. Je mehr die Warenproduktion sich entwickelte, je mehr der nationale Gedanke erstarkte, desto päpstlicher wurden die Italiener: die Herrschaft des Papsttums bedeutete die Herrschaft Italiens über die Christenheit, bedeutete deren Ausbeutung durch Italien. Der Herr der habsburgischen Länder, der Kaiser, hatte auch kein Interesse an der Reformation. Seine Macht in Deutschland war ebensowenig mehr eine reelle als die des Papstes; die eine wie die andere beruhte zum Teil auf denselben Illusionen und mußte mit deren Aufhören schwinden. Vom Kaiser erwarten, er solle sich vom Papst lossagen, hieß den Selbstmord von ihm verlangen. Ebensowenig Interesse hatte er an der Reformation als Herr des bunten Gemisches der habsburgischen Länder.
Der Katholizismus war ein mächtiges Element ihres Zusammenhaltens, und nur unter dessen Herrschaft durfte man einen Kreuzzug der ganzen Christenheit gegen die Türken erwarten, der vor allem das Haus Habsburg befestigt hätte. Mit der Reformation war jede Hoffnung auf einen solchen Kreuzzug vorbei.
Ebensowenig Ursache, sich vom Papsttum loszureißen, hatten die Beherrscher Frankreichs und Spaniens, in welchen Ländern damals die königliche Macht die entscheidende wurde. In beiden Ländern entwickelten sich Handel und Warenproduktion frühzeitig. Am frühzeitigsten im südlichen Frankreich, wo auch die erste Empörung gegen die päpstliche Gewalt ausbrach, die »Ketzerei« der Albigenser, die im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts in einem blutigen Kriege ausgerottet wurde. Was den Städterepubliken des südlichen Frankreich mißlungen, gelang aber später den Königen von Frankreich. Bereits 1269 erließ Ludwig »der Heilige« eine pragmatische Sanktion, die 1438 von Karl VI. erneuert und erweitert wurde. Diese machte die französische Geistlichkeit in einem hohen Grade von Rom unabhängig und unterwarf sie dem König, bewirkte also im wesentlichen dasselbe, was fast hundert Jahre später die deutschen Fürsten in der Reformation erreichten. Der König erhielt ein entscheidendes Wort bei der Besetzung der höheren geistlichen Stellen; Gelderhebungen für den Papst ohne Zustimmung des Königs wurden verboten.
Ähnlich in Spanien. Seit 1480 war daselbst die Inquisition ein Polizeiwerkzeug der königlichen Gewalt, welche die Inquisitoren ernannte und die Institution ihren politischen Zwecken dienstbar machte. Aus Spanien ebensowenig wie aus Frankreich durfte der Papst Gelder ohne königliche Erlaubnis beziehen.
Die Erlaubnis zu dem Ablaßverkauf, der den Anstoß zur Reformation gab, mußte Leo X. Frankreich und Spanien teuer bezahlen. Karl V. erhielt ein Darlehen von 175000 Dukaten; Franz I. von Frankreich nahm einen hübschen Anteil des Erlöses aus dem Ablaß. Von den deutschen Fürsten war nur der Fürstprimas von Mainz als geistlicher und weltlicher Fürst mächtig genug, um einen Anteil an der Beute zu verlangen und zu erhalten. Die anderen deutschen Fürsten erhielten nichts, was sie sehr entrüstete und der Reformation geneigt machte.
Die Könige und der Klerus von Frankreich und Spanien hatten aber nicht nur infolge der höheren ökonomischen Entwicklung dieser Länder bereits vor der Reformation im wesentlichen das erreicht, was Fürsten und Klerus in Deutschland noch in schwerem Kampfe zu erringen hatten; sie waren so stark geworden, daß sie daran denken konnten, den Papst selbst zu ihrem Werkzeug zu machen, seinen Einfluß und seine Macht für sich auszubeuten. Sie hatten also nicht nur kein Interesse, sich vom Papst loszusagen, sondern vielmehr ein sehr starkes Interesse, seine Herrschaft über die Christenheit aufrecht zu halten, welche in Wahrheit ihre Herrschaft war.
Schon im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts waren die französischen Könige stark genug geworden, um die römischen Päpste sich unterwürfig zu machen, die von 1308 bis 1377 auf französischem Boden, in Avignon, ihren Wohnsitz aufschlugen. Nicht der Einfluß der Kirche, sondern die Erstarkung Italiens und des nationalen und monarchischen Gedankens daselbst, welche die ökonomische Entwicklung mit sich brachte, ermöglichte es schließlich den Päpsten, sich von Frankreich loszureißen und wieder in Rom einzuziehen. Aber nun begannen die Franzosen ihre Versuche, sich Italien samt dem Papste botmäßig zu machen. Den gleichen Versuch machte Spanien, dessen Position am günstigsten am Beginn der Reformation war, als Karl die deutsche Kaiserkrone mit der spanischen Krone vereinigte.
Gerade damals, als die deutschen Fürsten nur vorsichtig und tastend den Versuch machten, das Joch des Papsttums abzuschütteln, kämpften die beiden großen katholischen Mächte Frankreich und Spanien einen erbitterten Kampf um die Herrschaft über das Papsttum. 1521 unterwarf sich der Papst Leo X. dem Kaiser Karl V., und dieser erklärte in dem gleichen Jahre Luther in die Reichsacht. Hadrian VI., Leos Nachfolger, war »eine Kreatur seiner Kaiserlichen Majestät«. Und als Klemens VII., der Hadrian folgte, sich vom Kaiser selbständig zu machen suchte, da sandte dieser Verteidiger des katholischen Glaubens seine Landsknechte gegen den »heiligen Vater«, ließ Rom im Sturm nehmen (1527) und furchtbar verwüsten.
Wenn Italien, Frankreich, Spanien katholisch blieben, so ist dies nicht, wie man in der Regel tut, ihrer geistigen Rückständigkeit zuzuschreiben, sondern vielmehr ihrer höheren ökonomischen Entwicklung. Sie waren die Herren des Papstes, sie beuteten durch ihn die germanische Christenheit aus. Diese war gezwungen, sich vom Papsttum loszureißen, um der Ausbeutung zu entgehen, aber sie konnte dies nur, indem sie die Verbindung mit den reichsten und höchstentwickelten Ländern Europas zerriß. Insofern war die Reformation ein Kampf der Barbarei gegen die Kultur. Es ist nicht zufällig, daß der Vorkampf der Reformation an zwei der rückständigsten Nationen Europas überging: Schweden und Schottland.
Damit soll natürlich keine Verurteilung der Reformation ausgesprochen werden. Wir haben die obige Tatsache konstatiert, weil sie erklärt, warum gerade die gebildetsten Geister in Deutschland wie in England von der Reformation nichts wissen wollten, eine Erscheinung, die unbegreiflich ist, wenn man in der herkömmlichen Weise annimmt, die Reformation sei wesentlich geistiger Natur, ein Kampf der höheren protestantischen Geistesbildung gegen die tieferstehende katholische gewesen.
Im Gegenteil. Der Humanismus stand im vollsten Gegensatz zur Reformation.
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