Читайте только на Литрес

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 10

Yazı tipi:

»Ich weiß sogar, weshalb er diesmal kommt,« fuhr er fort. »Er will mit dem Ustad sprechen, und weil dieser nicht hier ist, mit dem fremden Effendi, da es nicht aufzuschieben ist. Ich ahnte nichts von der Anwesenheit dieses Stellvertreters, und es hat sich erst zu zeigen, ob sie gut oder nicht gut für uns ist. Dein Aschyk muß unbedingt als Gast im Hause des Ustad aufgenommen werden. Es war bezweckt, er solle in den Räumen wohnen, welche euer Herr sein »Grab« zu nennen pflegt. Leider habe ich von diesem Tifl erfahren, daß dort der Fremde aufgenommen worden ist. Dafür sind aber nun die eigenen Stuben des Ustad frei geworden, und es würde uns genügen, wenn dein Aschyk nun wenigstens doch diese bekäme. Du bist die Herrin dieses Hauses, Pekala. Das weiß ich ganz genau. Und deiner Freundlichkeit kann Niemand widerstehen. Dein Aschyk wird den Effendi unbedingt bewegen, ihn bei sich aufzunehmen, aber wo! Ich hörte, daß du diesen Mann durch deine Holdseligkeit ganz für dich gewonnen habest. Nun sag: Glaubst du, ihn bewegen zu können, den Beglücker deines edlen Frauenherzens in den Räumen des Ustad wohnen zu lassen?«

»Sogleich, sogleich wird er es mir erlauben!« jubelte sie so unvorsichtig auf, daß er ihr in schnellem Zorne befahl:

»Schweig, unvorsichtige Katze! Dein falsches Maul hat schon genug verraten; mich aber soll es nicht – – —«

Er hielt mitten im Satze inne und fuhr mit vollständig verändertem Ausdrucke fort:

»Mein Herz begreift die Größe deines Glückes, den Aschyk als geliebten Gast hier bei dir zu haben, du treue, schöne Blume seines Lebens, aber ich bitte dich, dieses Glück tief und schweigsam in dich zu verschließen, bis die ersehnte Zeit gekommen ist, in welcher du es nicht mehr zu verheimlichen brauchst! Du weißt ja, daß das Leben des Aschyk von deiner Verschwiegenheit abhängt, und das deinige wahrscheinlich auch!«

»Chodeh! Auch mein Leben? Mein eigenes?« fragte sie erschrocken.

»Ja. Seine Feinde sind auch die deinigen, und wenn sie ihn töten, können sie dich nicht leben lassen!«

»Wer aber sind sie denn? Er hat sie mir noch nie genannt.«

»Um den Blick deiner strahlenden Augen nicht zu trüben, der ihm über alles Andere geht. Darum schweige auch ich. Dein Herz soll rein und unbefangen bleiben. Den Ustad kenne ich, doch den Effendi nicht. Was ist er für ein Mann? Welcher ist der klügere von beiden?«

»Kein Mann ist klug. Man hat sie alle zu erziehen. Ich habe da eine ganze Menge von Geheimnissen, die ich den meisten Menschen nicht sage, denn ich denke, daß sie es verraten. Zu dir aber habe ich Vertrauen. Darum will ich dir eines davon mitteilen: Der Ustad ist mir lieber als der Effendi.«

»Aus welchem Grunde?«

»Weil der Effendi mich fortjagen will.«

»Warum?«

»Wenn ich es Jemandem verrate, daß er mit meinem Aschyk sprechen wird.«

»Oh Allah, welche Dummheit sondergleichen! Und so ein Weib will Männer erziehen und – – —«

Wieder brach er mitten im Satze ab, um sie nicht zu beleidigen. Dieser Mann verstand es nicht, sein Temperament zu beherrschen. Oder nahm er sich nur deshalb nicht besser in acht, weil er wußte, es mit einer »leeren Null« zu tun zu haben ? Wie freundlich und gelassen klang es dagegen, als er fortfuhr:

»Fühlst du denn nicht, daß dieser Effendi dafür nicht zu tadeln, sondern zu loben ist? Ich weiß, daß du einen scharfen Verstand besitzest. Du wirst also einsehen, daß er nur in der besten Absicht Verschwiegenheit gefordert haben kann. Auch ich bitte dich, nichts zu verraten. Er konnte dir nur drohen, dich fortzujagen; ich aber weiß, daß es dein sicherer Tod ist, wenn du plauderst. Die Feinde deines Aschyk sind erbarmungslos, besonders gegen dich. Darum hüte dich, und schweig! Ich habe von diesem Effendi schon oft gehört, werde ihn aber heut zum erstenmale sehen. Ist er gutmütig?«

»Sehr!«

»Scharfsinnig?«

»Ganz und gar nicht! Er glaubt Alles, was man sagt!«

»Kennt er die hiesigen Verhältnisse?«

»Nein. Da ist mein Tifl hundertmal gescheiter!«

»Wie steht es mit seiner Religion?«

»Der hat gar keine. Es gibt hier gewiß Niemand, der ihn schon einmal beten sah.«

»Ist er ein schöner Mann?«

Sie schwieg, wahrscheinlich um über diese Frage nachzudenken. Der sie aussprach, war ganz gewiß kein schlechter Menschenkenner, und die Köchin ahnte nicht, was er mit dieser höchst überflüssig erscheinenden Erkundigung eigentlich bezweckte. Dann antwortete sie:

»Er ist nicht schön und auch nicht häßlich. Er hat ein ganz gewöhnliches Gesicht. Ich glaube, wenn er kein Fremder wäre, würde man ihn gar nicht beachten.«

»Maschallah! Das klingt nicht gut! Mir wäre es lieber, du hättest ihn schön genannt. Doch antworte mir weiter: Hat er Eigentümlichkeiten? In der Stimme, in der Sprache, in der Haltung, im Gange oder sonst irgendwie?«

»Nein, gar nicht. Er ist ein Mann wie alle andern Männer. Du brauchst dich ganz und gar nicht vor ihm zu fürchten. Er ist nicht halb so vornehm wie du!«

»Woher weißt du das?«

»Ich sehe es dir an. Du brauchst nur andere Kleider anzulegen, so ist der Pascha fertig!«

»Meinst du, meine liebe Pekala?«

Das klang geschmeichelt. Der Mann war also eitel! Das bestätigte sich durch seine folgenden Worte:

»Ich muß jetzt fort und sage dir, daß du mir gefallen hast. Ich möchte dir das durch ein Geschenk beweisen, welches ich dir durch deinen Aschyk sende. Ich weiß, du liebst den Schmuck und schöne Kleider, die du einstweilen in den Ruinen aufbewahrst, bis bessere Tage kommen. Wünsche dir Etwas!«

»Sehr gern! Aber was?« fragte sie da schnell.

»Was du willst!«

»Ja, bist du arm oder reich?«

»Wünsche nur! Dann sage ich dir, ob du es bekommst oder nicht!«

Das klang wieder so kalt, so gebieterisch, als ob er sie nicht soeben seine »liebe Pekala« genannt hätte. Dieser Mann wurde mir immer interessanter.

»Schicke mir eine goldene Naddara29!« bat sie in ihrem süßesten Diskante.

»Eine Naddara? Wozu?« fragte er erstaunt.

»Es sieht so vornehm aus und so gelehrt. Ich sah in Isphahan sehr oft eine Madama aus Rußland. Die hatte stets zwei Gläser vor den Augen, wenn sie aus der Sänfte stieg. Das war so stolz. Man konnte sie für die Kaiserin von Rußland halten. Darum will ich auch eine Naddara. Aber von Gold muß sie sein, sonst nicht!«

»Weib, du bist verrückt! Es wohnt ein böser und dabei ungeheuer lächerlicher Geist in dir, den ich zerdrücken werde, sobald – – —«

Er wurde in diesem Ausbruche des Zornes, der zugleich verächtlich klang, unterbrochen. Tifl kam und meldete:

»Der Scheik ul Islam sendet mich. Er läßt dich bitten, zu kommen. Ich führe dich.«

»Sogleich!« gab der Andere streng zurück. Und ebenso streng oder noch strenger klang es weiter: »Du sollst die Naddara haben, Pekala, und zwar eine so scharfe, daß dir die Augen übergehen! Der Effendi hat Recht gehabt mit der Verschwiegenheit. Auch ich fordere sie von dir, von Euch. Für den Verrat gibt es weiter nichts als nur den Tod. Das merke, Tifl, du auch dir! Und nun führe mich zu meinen Leu – – – zum Scheik ul Islam, doch ohne daß man merkt, wo ich jetzt war!«

Er ging mit Tifl fort. Dann hörte ich, daß auch Pekala sich entfernte. Wer er war, das wußte ich nun. Er hatte es selbst verraten, und zwar durch das nur halb ausgesprochene Wort: »Führe mich zu meinen Leu – – —.« Leuten hatte es heißen sollen. Er war der Scheik ul Islam selbst, und der Andere, der nach ihm geschickt hatte, sollte diese Rolle mimen.

Ich wartete nur ganz kurze Zeit, dann verließ ich meinen Platz, schob mich zwischen den Tamarisken wieder hinaus, und als ich sah, daß Niemand hier war, ging ich nach dem Garten und durch diesen auf den Hof. Da standen die Pferde der Perser, die Diener dabei. Auf den Stufen lehnte Tifl an einer der Säulen; an einer andern der kurdisch gekleidete Reiter des Hellbraunen mit den weißen Vorderstiefeln. Beide sprachen miteinander und sahen nicht, woher ich kam. Ich grüßte die Reiterknechte freundlich und blieb bei den Pferden stehen, um sie zu betrachten. Ich wünschte aber nicht, für einen Kenner gehalten zu werden, und verhielt mich also dementsprechend. Da sah mich Tifl und machte den Kurden auf mich aufmerksam. Dieser schaute zu mir her und betrachtete mich scharf.

Er war von hoher, schön gebauter Gestalt. Sein lang herabwallender, grauer Vollbart war sehr, sehr dünn, als ob die Natur nicht genug guten Willen vorgefunden habe, das auszuführen, was sie wollte. Er sah, daß ich bei den minderwertigen Pferden länger verweilte, als bei den guten und an dem Stiefelbraunen so gleichgültig vorüberging, als ob er ein ganz gewöhnlicher Gaul sei. Da machte er eine Bemerkung gegen Tifl, die jedenfalls keine hochachtungsvolle war, denn er warf dabei den Kopf verächtlich nach hinten auf die Seite. Auch die Diener lächelten über mich, wenn auch nicht so auffallend, daß ich es hätte bemerken müssen, wenn ich nicht besonders aufgepaßt hätte. Mir war das recht. Je weniger man uns zutraute, umsomehr hatte man dann zu bereuen.

Als ich nun langsam auf die Stufen zuschritt, stand Kara Ben Halef auf, der oben auf dem Dache der Halle gesessen hatte. Er rief mir seinen Morgengruß herab.

»Komm herunter, Kara!« forderte ich ihn auf. »Ich höre, daß der Scheik ul Islam gekommen ist. Auch du sollst ihn begrüßen.«

Ich sagte das so laut, daß man es in der Halle hören mußte. Meine Absicht war, der Pedehr möge kommen. Sie wurde erreicht. Er erschien sogleich, kam sämtliche Stufen zu mir herunter und meldete mir den Besuch in ganz der Weise, als ob ich nichts davon gewußt habe.

»Du kennst den Scheik ul Islam also nicht persönlich?« fragte ich ihn halblaut, und wendete mich dabei so ab, daß Tifl und der Kurde meine Worte nicht verstehen konnten.

»Nein,« antwortete er.

»Welcher Dschamiki hat ihn schon gesehen?«

»Ich weiß keinen. Der Scheik ul Islam war früher in Feraghan und wurde erst vor noch nicht einem Jahre in die Nähe seines Stammes versetzt. Nur der Ustad kennt ihn genau. Er ist nicht so bescheiden, wie ich dachte, aber höflich. Daß der Ustad verreist ist, hat er erst in unserem Grenzduar erfahren.«

Während er das sagte, deutete er mit der Hand nach dem Tempelberge hinüber, um glauben zu machen, wir redeten von etwas vollständig Unverfänglichem.

»Wer ist der Kurde, welcher bei Tifl steht?« erkundigte ich mich noch.

»Der Katib30 des Scheik ul Islam. Er hat bei ihm an seiner Seite zu sitzen, doch blieb sein Platz bisher leer.«

»So komm!«

Wir gingen die Stufen hinauf. Da kreuzte der Katib die Arme und verbeugte sich höflich lächelnd vor mir. »Der Morgen sei dir gesegnet!« grüßte ich, indem ich ihm freundlich zunickte.

»Und dir der ganze Tag!« antwortete er.

Ah, diese Stimme! Und dieses uvulare Schnarren! Er war es, der mit Pekala gesprochen hatte, also der Scheik ul Islam! Er kam gleich hinter uns her und begab sich nach seinem Platze. Die Perser standen auf, als ich erschien, verbeugten sich sehr höflich und blieben hierauf stehen, um meine Anrede zu erwarten. Ich ging bis auf die von der Sitte vorgeschriebene Entfernung auf sie zu, breitete die Arme aus, verbeugte mich, verschlang sie auf der Brust, verbeugte mich wieder, breitete sie mit einer dritten Verbeugung abermals aus, ließ sie hierauf sinken und erhob nur die rechte Hand, um eine verbindliche Geste zu machen und dabei zu sagen:

»Der Mensch kennt nie das Glück des nächsten Tages. Allah allein weiß, was er senden will. Ist er es, der uns mit euch überrascht, so habe ich ihm zuerst und dann auch euch zu danken. Vor dem Scheik ul Islam gibt es nie verschlossene Türen, denn Allah will, daß sein Priester überall nur Freude bringe. Setzt Euch, und weilt, so lange es Euch beliebt!«

Sie verbeugten sich, wie eingeübte Statisten, und der Träger des Riesenturbans sprach:

»Der Scheik ul Islam bin ich, Effendi. Du sollst erfahren, wer meine Begleiter sind.«

Indem er auf jeden Einzelnen deutete, sagte er Namen und Stand desselben. Die geistlichen Herren nannte er vorerst, die Offiziere hinter ihnen. Es war ein Ahalyj-y-Dschennet31, ein Wehlijullah32, ein Imam-y-Dschuma33, ein Särtib-y-Aewwäl34, ein Särtib-y-Duwwum35, und zuletzt kam noch der Schreiber! Man sieht, der Glanz war da. Ich verbeugte mich vor Jedem, wie auch er sich vor mir; dann setzten wir uns nieder. Die hohen Herren bildeten eine Linie. Nur der Schreiber saß ein wenig zurück, neben dem Scheik ul Islam. Er raunte ihm sehr häufig zu, was er sagen solle. Zwar suchte er die Bewegung seiner Lippen unter dem Barte zu verbergen, doch war dieser so dünn, daß ich sie doch bemerkte. Ich saß grad vor ihnen, rechts von mir der Pedehr, links der Chodj und etwas zurück Kara Ben Halef. Die ersten beiden hatten sich den Persern schon vorgestellt. Kara konnte ich gelegentlich nennen.

Ich schwieg, denn ich hatte meine Pflicht getan, und nun erforderte es die Höflichkeit, den hohen Gast beginnen zu lassen. Er ließ auch gar nicht auf sich warten.

»Ich bin gekommen, mit dem Ustad der Dschamikun zu sprechen,« sagte er. »Mein Wohlwollen leuchtet über ihm. Da hörte ich, er sei verreist und ein Effendi aus dem Abendlande vertrete seine Stelle. Ich kenne weder dich noch deine hohen Würden und Titel und möchte doch nicht, daß ich dir etwas vorenthalte. Darum verzeihe mir, wenn ich vor allen Dingen einige Fragen ausspreche. Welchen geistlichen Rang bekleidest du daheim in deinem Lande?«

»Keinen,« antwortete ich.

»Welche hohe militärische Charge führest du?«

»Keine.«

»So nenne deinen Rang bei der Regierung deines Volkes!«

»Ich habe keinen.«

»Aber was bist du sonst? Was hast du dann?«

»Ich bin nur ich und habe nur mich, sonst weiter nichts.«

Die Absicht, in welcher er seine Erkundigungen ausgesprochen hatte, war leicht zu durchschauen. Ich sollte mich ihm gegenüber so klein wie möglich fühlen! Direkte Unhöflichkeiten aber suchte der gebildete Perser so viel wie möglich zu vermeiden. Darum warf er mir zwar einen sehr deutlich mitleidigen Blick herüber, fuhr aber in gütigem Tone fort:

»Du hättest verschweigen können, daß du so gar nichts bist. Ja, du hättest dir hohe Ehren beilegen können, ohne daß wir an Lüge denken durften. Du bist aber wahr und offen gewesen, und das hat dir bei uns diejenige Achtung gewonnen, die Jedem gebührt, der sich zu lügen scheut. Unsere Würden sind unveräußerlich. Indem wir zu dir niedersteigen, nehmen wir sie mit herab zu dir und ehren dich durch sie. Aber wir möchten doch gern wissen, wie weit die Vollmacht reicht, welche der Ustad dir erteilte.«

»Diese Vollmacht ist die volle Macht. Es ist genau, als ob er selbst vor Euch säße.«

»Du kannst über Alles entscheiden, wenn es dir beliebt?«

»Ja.«

»Und er wird es bestätigen?«

»Unbedingt.«

»So freut es mich, dir mitteilen zu können, welch ein großes, reiches Geschenk ich Euch heut mitbringe. Schon als ich noch in Feraghan war, hörte ich von den Dschamikun sprechen und lernte ihren Ustad am Hofe des Schah-in-Schah kennen. Seit ich mich nun in Chorremabad befinde, habe ich Euch unausgesetzt beobachtet. Ihr strebt nach hohen Zielen. Ihr wollt die Menschen nicht erst dort, sondern auch schon hier glücklich sehen. Und Ihr greift zum besten Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Ihr hebt das Volk empor durch guten Unterricht und haltet in jeder Beziehung, auch im Glauben, mit allen Menschen Frieden. Wenn jeder Stamm das täte, so wie Ihr, dann würde es wohl bald den längst ersehnten achten Himmel geben, den Himmel Allahs hier auf dieser Erde! In andern Ländern wird ein solches Bestreben, wie das Eurige ist, verfolgt. Wer Anteil nimmt, muß der Feindschaft unterliegen. Die Priesterschaft verdammt jeden Andersgläubigen und will nichts vom religiösen Frieden wissen. Und wer hoch steht, der haßt die Aufklärung des Volkes, weil sich nur Dumme dumm regieren lassen. Bei uns in Persien aber ist das anders. Wir wissen, daß es nicht nur einen Himmel gibt, und wollen alles Volk durch Schulen und Moscheen zur Ueberzeugung bringen, daß Jedermann des Andern Bruder ist. Bei uns gibt es also keine Verfolgung, sondern Unterstützung. Wir hassen nicht; wir lieben. Hältst du das für richtig? Oder nicht?«

»Ich stimme vollständig bei,« antwortete ich.

»Das habe ich erwartet! Es beweist mir, daß du würdig bist, den Ustad zu vertreten. Ich sagte, daß ich nicht verfolge, sondern unterstütze. Ich weiß, was er von seinen Widersachern erduldet hat. Sie taten Alles, um ihn zu vernichten. Ich aber komme, um ihn zu erheben. Ich will diesen Feinden zeigen, wer der Mann ist, den sie einst von sich stießen. Er soll ein Arbeitsfeld bekommen, welches seiner würdiger ist, als dieses kleine, rings von Gegnern eingeschlossene Gebiet der Dschamikun. Ich will ihm viele Tausende zu Untertanen machen, die er auf seinen Wegen zu seinen Zielen führt. Ich bringe ihm Gewalt und hohe Ehre, viel größer noch, als er sich jemals träumen lassen konnte. Sein Ruhm, sein Glück liegt hier in meiner Hand. Soll ich sie wieder an mich ziehen, ohne daß du nach ihr greifst, Effendi?«

Er hatte mir die Hand mit einer unendlich herablassenden Gebärde entgegengestreckt. Ich ließ ein sehr dankbares Lächeln sehen und antwortete:

»Warum sollte ich eine so gütige Hand von mir stoßen? Aber du sagtest mir noch nicht, welche Gabe es ist, die du für den Ustad bringst.«

»So bist du also bereit, sie anzunehmen? Wohlan, so sollst du es erfahren. Weißt du, daß ich ein Sohn der frommen Takikurden bin, die unverrückt auf Allahs Pfaden wandeln?«

»Ja.«

»Und weißt du auch, daß dieser Stamm die schönsten Berge, die fettesten Weideplätze unsers Landes besitzt? Daß dieser ihr Besitz von allerhöchstem Werte ist, weil er die größte strategische Bedeutung hat?«

»Auch das weiß ich.«

»Nun, dieses reiche Gebiet mit Allem, was darauf wohnt und lebt, soll von heute an in die Hand des Ustad übergehen.«

»In welcher Form?«

»Er soll der Ustad nicht nur der Dschamikun, sondern auch der Takikurden sein!«

Er sagte das langsam und mit ganz besonderer Betonung. Seine Begleiter ließen Ausrufe des Staunens und der Beteuerung hören, daß so ein Geschenk ein ganz außerordentliches sei. Er nickte ihnen wichtig zu und fuhr fort:

»Ja, noch mehr, noch mehr: Der Stamm der Takikurden soll mit dem Stamm der Dschamikun vereinigt werden, und zwar unter dem ganz vortrefflichen Namen der Taki-Dschamikun. Und diese Vereinigung soll sich in der Hand und unter der Aufsicht des Ustad vollziehen. Er wird der Gebieter dieses neuen Stammes sein, den dann an Macht und Einfluß ganz gewiß kein anderer erreichen dürfte. Was sagst du zu diesem meinem Anerbieten, Effendi?«

»Daß ich mich keinen Augenblick bedenke, es anzunehmen,« antwortete ich.

Ein gar so rasches Zugreifen hatte er denn doch wohl nicht erwartet. Er sah mich fragend an.

»Ich bin bereit, auf deinen Vorschlag einzugehen, und zwar sofort,« wiederholte ich.

»Wirklich, wirklich?« fragte er.

»Ja.«

Er schien mir nicht so recht trauen zu wollen; aber der »Schreiber« raunte ihm einen Befehl zu, und so sagte er:

»So ist der Zweck meines Besuches hier erfüllt! Aber wird der Ustad bestätigen, was du tust?«

»Ohne Zweifel.«

»Und sich an die Spitze des vereinten Stammes stellen?«

»Gewiß. Ich gebe dir mein Wort. Das gilt, als hätten er und ich geschworen.«

»So erhebe dich, und gib mir in seinem Namen deine Hand!«

Er stand auf, ich auch. Wir traten aufeinander zu und schüttelten uns die Hände. Er schien zu erwarten, daß ich mich nun in Versicherung unserer Dankbarkeit ergehen werde. Als ich das nicht tat, sagte er, indem sich nun auch seine Begleiter erhoben:

»Ein solches Abkommen muß mit Salz und Brot bekräftigt werden. Bis jetzt haben wir noch nichts genossen. Willst du uns als deine Gäste betrachten, Effendi?«

»Wenn du es wünschest, unverweilt. Ich weiß, was Salz und Brot bedeuten. Wer dann zurücktritt, ist ein Schurke. Ueberlege also wohl, ob ich dies Beides kommen lassen soll!«

»Schicke nur! Ich weiß genau, was ich tue!«

»So nehmen wir jetzt Salz und Brot, und dann erweist Ihr mir die Ehre, die Ghada36 bei uns einzunehmen!«

»Gern! Und inzwischen reiten wir einmal hinüber nach Eurer Moschee, von welcher aus man eine wunderbare Aussicht haben soll. Ich hörte, daß du krank gewesen seist. Wirst du uns begleiten können?«

Es wäre ihm allerdings lieber gewesen, eine solche Begleitung nicht zu haben, doch antwortete ich:

»Bis dort hinüber werde ich es im langsamen Schritte wagen können, weiter aber nicht. Dieser junge Mann wird mir satteln. Es ist Kara Ben Halef, der Sohn des Scheikes der Haddedihn vom Stamme der Schammar.«

Kara verbeugte sich vor ihm, um dann zu den Pferden zu gehen. Ich rief ihm noch nach, für sich den Ghalib und für den Chodj-y-Dschuna den Barkh zu nehmen. Die Gäste waren mit dem ungeahnt schnellen und skrupellosen Ausgange ihres Anliegens überaus einverstanden. Sie wollten sich das freilich nicht merken lassen, doch war es ihnen deutlich anzusehen. Um so ernster war das Gesicht des Pedehr. Er begriff mich nicht. Darum warf ich ihm unbemerkt die Worte zu:

»Nur keine Sorge! Es steht Alles gut. Sie haben nicht mich, sondern ich habe sie gefangen. Schnell Salz und Brot! Dann reitest du mit.«

»Auf welchem Pferde? Die Sahm hat mir der Ustad einstweilen entzogen. Und ein gewöhnliches Pferd kann ich als Scheik doch wohl nicht nehmen.«

»So bleibe hier, und besorge das Essen!«

Nach Kurzem brachte Tifl auf einer Platte ein Häufchen Salz und kleingeschnittenes persisches Brot. Wir traten zusammen. Jeder nahm eines der Stückchen und tauchte es in Salz. Der Mann mit dem großen Turban sprach:

»Das Brot, welches wir essen, wird zum Leibe. Das Wort, welches man uns gibt, wird zur Seele. Es ist nie wieder von uns zu trennen!«

Hierauf aßen wir jeder unsern Bissen und drückten uns abermals gegenseitig die Hände. Das Uebereinkommen war abgeschlossen und besiegelt. Bald hierauf brachten Kara und der Chodj die Pferde. Wir stiegen auf und ritten den Berg hinab. Ich bemerkte, daß ich heut kräftiger war als bei dem ersten Ritte, doch gab ich mir nicht die geringste Mühe, als guter Reiter zu erscheinen.

Die Herren glaubten, erreicht zu haben, was sie hatten erreichen wollen. Darum hielten sie es nicht für nötig, ihre Rücksicht auf mich so weit zu treiben, daß sie im Trauertempo mit mir ritten. Sie wollten vielmehr zeigen, was für Pferde sie besaßen, und jagten durch den Duar und dann die jenseitige Höhe hinauf. Mir war das eben recht. Ich winkte Kara und den Chodj, ihnen nachzueilen und trottelte allein und langsam hinterher. Ich hatte wohl kaum die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ich den Hufschlag eines galoppierenden Pferdes hinter mir hörte. Mich umschauend, sah ich, daß es Tifl war. Er ritt die ungesattelte Sahm und jagte an mir vorüber, ohne anzuhalten und zu fragen, ob es ihm erlaubt sei, mit bei den Gästen zu sein. Er hätte das gewiß nicht gewagt, wenn er nicht von irgend Jemand aufgefordert worden wäre, unbedingt mit nach dem Beit-y-Chodeh zu kommen. An mir vorbeigeritten war er, weil er befürchtet hatte, von mir zurückgeschickt zu werden. Eigentlich war es richtig, dies nachträglich zu tun, und zwar vor aller Augen; aber es lag ja in meiner Absicht, nicht für scharfsinnig und energisch zu gelten, und so hielt ich es für geraten, zu schweigen.

Als ich oben ankam, stand der »Schreiber« mit Tifl an einer der Vordersäulen des Tempels. Der Letztere schien dem Ersteren die Gegend zu erklären; sie schenkten mir keine Beachtung. Sonst sah ich von den Gästen keinen. Kara und der Chodj standen bei den Pferden. Ich ritt zu ihnen hin und fragte, wo die andern Perser seien. Der Chodj antwortete:

»Der Heilige, der Selige und der Hauptpriester kriechen in den Rosen herum. Die beiden Generale fragten, ob es weiter oben eine schöne, freiere Aussicht gebe. Ich wies sie nach der großen Hochwaldlichtung; sie sind dorthin.«

Er deutete nach dem Waldwege, auf dem ich am Tage des Festes von Tifl zum Essen geführt worden war.

»Gibt es noch andere Wege nach dieser Lichtung?« erkundigte ich mich.

»Ja. Es sind aber Umwege. Den besten sieht man von hier aus nicht. Man muß über diesen ganzen Platz hinüber und um die Buchenecke gehen. Dann führt er grad hinauf und unter den Tannen am obern Rande des freien Platzes hin.«

»Kann man ihn reiten?«

»Er ist breit genug. Willst du etwa jetzt dort hinauf?«

»Ja. Doch Niemand darf es wissen. Ich muß sehen, was die Offiziere dort machen. Uebrigens dürft Ihr ja nicht glauben, daß sie wirklich Generale seien. Man hat gemeint, den Mund so voll wie möglich nehmen zu müssen. Wenn man Euch fragt, wohin ich geritten bin, so gebt irgend eine Auskunft, die wahrscheinlich klingt; verratet aber ja das Richtige nicht.«

Ich ritt über den Tempelplatz hinüber und bog um die erwähnten Buchen. Dort öffnete sich der mir beschriebene Weg. Man konnte mich vom Tempel aus nicht mehr sehen. Nun trieb ich Assil zu größerer Schnelligkeit an. Ich kam durch hohe Tannen. Nach einiger Zeit wurde es rechts von ihnen licht. Da lag die Waldesblöße. Sie war ziemlich steil. Ich konnte zwischen den Bäumen hindurch die Offiziere sehen. Sie saßen ganz oben am Rande und schienen zu schreiben oder zu zeichnen. Ich war ihnen unsichtbar, weil ich mich unter den Tannen befand. Auch der übrige Teil meines Weges lag so, daß ich nicht zu befürchten brauchte, bemerkt zu werden. Oben angekommen, bog ich nach rechts. Als ich ihnen auf ungefähr siebzig Schritte nahe gekommen war, stieg ich ab. Ich legte dem Hengste die Hand auf die Nüstern und sagte nur das eine Wörtchen »uskut – – still!« Nun konnte ich überzeugt sein, daß er sich nicht bewegen, nicht das geringste Geräusch verursachen werde.

Hierauf ging ich weiter. Der weiche Waldesboden machte meine Schritte unhörbar. Als ich anhielt, stand ich nur fünf Meter hinter den beiden Persern. Sie zeichneten; das sah und hörte ich. Und zwar die topographische Lage der sich von hier aus herrlich ausbreitenden Gegend. Dabei sprachen sie miteinander. Sie hielten sich für vollständig allein und taten es also nicht leise. Ich hörte jedes Wort.

»Dieser Effendi ist der unvorsichtigste Europäer, den ich jemals sah,« sagte der angebliche Divisioner. »Er benahm sich geradezu dumm!«

»Dafür machte der Kasi37 seine Sache um so besser,« bemerkte der Brigadier. »Sein Lob war fest wie Leim; der eitle Mensch blieb daran hängen. Wie blind, daß man uns hier heraufläßt, um die Pässe und Wege zu zeichnen und die ganze Lage des Duar aufzunehmen! Wir hätten nie erfahren, wie leicht er zu umfassen ist, wenn wir es nicht mit eigenen Augen sähen. Nur erst den Ustad von hier fort und hinüber zu den Taki! Dann sind zwei Tage genügend, den Duar wegzunehmen und das ganze Gebiet der Dschamikun einzuverleiben. Dann ist es mit dieser gefährlichsten Art des Christentumes für immer bei uns aus. Allah verdamme es!«

»Jawohl, zwei Tage genügen,« stimmte der Andere bei. »Die vereinigten Taki und Dinarun müssen ja gradezu erdrückend wirken. Sehr gut, sehr gut, daß ein Wettrennen hier stattfindet, an dem sich der Scheik ul Islam unbedingt zu beteiligen hat. Das gibt die vortrefflichste Gelegenheit, Vorbereitungen zu treffen, die uns sonst nicht möglich gewesen wären. Wir sparen Zeit dadurch und schlagen eher los.«

»So weit steht Alles gut. Was aber wird der Schah dazu sagen? Man weiß, daß er den Ustad schätzt und schützt.«

»Das überlaß dem Scheik ul Islam. Er sprach doch gestern von einem Vertrauten, der bei dem Ustad wohnen und alle seine Bücher, Schriften und Geheimnisse untersuchen wird. Dieser Mann soll der beste Muzabirdschi38 sein, den wir im Lande haben. Er stammt aus Isphahan, wo er vor langer Zeit einen Koch kennen lernte, dessen Tochter jetzt Köchin des Ustad ist. Er wurde in Teheran wegen schwerer und sehr pfiffiger Diebstähle zu mehreren Jahren Gefängnis bestraft, entfloh aber von dort und hielt sich lange Zeit hier in den Ruinen versteckt, wohin ihm die Köchin das Essen heimlich brachte. Wie er da von unserer Seite entdeckt wurde, das habe ich nicht erfahren, aber der Scheik ul Islam nahm sich seiner an und will ihm unter gewissen Bedingungen dazu verhelfen, von seiner Strafe frei zu werden. Welche Bedingungen das sind, geht uns nichts an; ich kann sie mir aber denken. – Nun bin ich fertig mit meiner Zeichnung.«

»Ich fast auch.«

»So beeile dich, damit man nicht auf unsere Abwesenheit aufmerksam wird und Verdacht schöpft.«

Als ich das hörte, zog ich mich schnell zurück. Assil stand noch genau so, wie ich ihn verlassen hatte. Ich stieg auf und ritt denselben Weg hinunter, den ich heraufgekommen war. Hinter den Buchen schlug ich dann noch einen Bogen nach auswärts, so daß es, als man mich kommen sah, den Anschein hatte, als sei ich abwärts, aber nicht aufwärts geritten gewesen. Der Chodj und Kara befanden sich noch an derselben Stelle. Die Perser waren jetzt beisammen. Sie standen im Innern des Tempels, Tifl bei ihnen. Ich stieg am Beit-y-Chodeh ab und ging zu ihnen hinauf. Als ich kam, wendeten sie sich mir zu, und der angebliche Scheik ul Islam fragte, indem er nach den Ruinen hinüberdeutete:

»Weißt du vielleicht, Effendi, was das für ein altes, sonderbares Bauwerk ist, da drüben?«

»Das wollte ich soeben dich fragen,« antwortete ich. »Du weißt ja, daß ich weder Priester oder Offizier, noch Beamter oder sonst Etwas von Bedeutung bin. Wie kann ich also, noch dazu als Europäer, hierüber besser Auskunft geben als du, der als ein Licht des Glaubens hoch über allem Wissen und aller Kenntnis steht!«

Er warf einen lächelnden Blick auf den »Schreiber«, nickte mir wohlwollend zu und sprach:

»Du hast Recht. Für die von Allah Erleuchteten liegt alles klar und offen da, was selbst das scharfe Auge der Wissenschaft niemals erkennen wird. Dieses Bauwerk war der Abgötterei gewidmet, dem Götzendienste, der uranfänglich nur Bilder verehrte, doch zuletzt sogar auch Idole anbetete, welche Menschen gewesen waren. Indem du da hinüberschaust, wirst du an alle Religionen erinnert, nur allein an unsern Islam nicht. Wie kommt das wohl? Weil der Islam die einzige Religion ist, welche Gottes Befehl erfüllt, daß wir uns kein Bild, noch irgend ein Gleichnis machen sollen. Oder hast du jemals eine Moschee gesehen, in welcher das Bildnis eines Menschen hängt, um verehrt zu werden?«

»Nein,« antwortete ich im Tone kindlichster Unbefangenheit. »Das habt Ihr doch nicht nötig. Denn eure »Heiligen« und »Seligen« werden nicht erst nach dem Tode, sondern schon hier im Leben derart vor andern Menschen ausgezeichnet, daß sie auf spätere Anbetung recht wohl verzichten können.«

29.Brille.
30.Sekretär, Schreiber.
31.Seliger.
32.Heiliger.
33.Hauptpriester.
34.Divisionsgeneral.
35.Brigadegeneral.
36.Zweites Frühstück.
37.Richter.
38.Wegfuchsler, Taschenspieler.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
710 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre