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Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 29

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»Wer ist hier?« fragte ich, den Blick scharf auf die Büsche richtend.

»Du bist es, du, Effendi,« antwortete es. »Da darf ich hervorkommen. Ich glaubte nicht, daß du schon wieder reiten könntest, und hielt dich darum für einen Andern.«

Es war der Aschyk.

»Hattest du hier zu tun?« fragte ich.

»Ja,« antwortete er. »Ich wache! Hast du mein Paket gefunden? Kannst du es verwerten?«

»Sehr gut. Ich danke dir!«

»So bitte ich dich, mich still gewähren zu lassen! Du sollst nicht herabgezogen werden, in das Gemeine, wo du nicht hingehörst. Laß das mir lieber über; mir schadet der Schmutz nicht so wie dir! Ich bin ihn ja gewöhnt. Ich vermute, daß du morgen die Pädärahn belauschen willst. Auch das ist Schmutz, vielleicht der allergrößte. Wirst du trotzdem kommen?«

»Ganz bestimmt!«

»So beschwere dich mit nichts. Ich bin sicher da und helfe dir herauf in das Versteck.«

»Verkehrst du noch mit unsern Gegnern?«

»Laß mich hierüber schweigen, Effendi! Ich darf dein Gewissen nicht beschweren. Aber wenn ich dir einen Wink gebe, so folge ihm mit Vertrauen. Es nahen schwere Zeiten. Ich will sie dir erleichtern. Und dann, dann geht mir vielleicht der größte Wunsch in Erfüllung, den ich in meinem Herzen trage.«

»Welcher?«

»Bei uns ist der Hund verachtet. Bei euch im Abendland aber wird er geschätzt. Da ist er der Freund, der Wächter, der Beschützer der Menschen. Effendi, prüfe mich jetzt, und wenn du mich als treu befunden hast, so laß mich dein Wächter sein, dein Hund, der dich begleitet, so lange du in diesen Gegenden bist! Der mit dir hungert und dürstet, im Regen und im Sonnenbrande vor deinem Zelte liegt, jeden Feind zerreißt, der sich an dich drängen will, und lieber stirbt, als daß er dir ein Leid zufügen läßt! Willst du?«

»Da du es wünschest, werde ich dich – – nicht prüfen, denn das ist nicht mehr nötig; ich vertraue dir – – aber meinen Freunden Zeit geben, dasselbe Vertrauen wie ich zu dir zu fassen. Dann – – doch hierüber später!«

»Das ist mehr, als ich erwartete. Allah vergelte es dir!«

Bei diesen Worten entfernte er sich, nicht hinter das Gesträuch zurück, sondern nach dem Steinbruche hin, an welchem ich dann vorüberritt, um hinab auf den Weg nach Nordwest zu kommen. Ich folgte ihm genau so, wie der Ustad mich bedeutet hatte und war nach einer Viertelstunde oben auf der Ebene, die wie ganz besonders für meinen Zweck gebildet war.

Und nun ging ich an die Arbeit. Arbeit? Falsch, grundfalsch! Ein Vergnügen ist es, ein hochdankbares Studium, die Gedanken eines edlen Pferdes zu erraten und sie mit ihm auszuführen! Ich habe wohl viele, viele Reiter kennen gelernt, gute und schlechte, unter ihnen aber nur einen einzigen, der mit mir darin einig war, daß das Pferd auch einmal Etwas selbstwollen dürfen muß. Das war mein Winnetou. Es hat ja Willen, wie jedes Tier. Und es besitzt auch Intelligenz, diesen Willen entweder für richtig oder für falsch zu halten. Es merkt sofort, wenn der Reiter einen Fehler macht, und zeigt die Absicht, diesen Fehler zu verbessern. Aber das ist ihm verboten. Es muß sich den gefühllosesten, unverständigsten Bengel gefallen lassen, der keine Ahnung von der zarten Empfindsamkeit und von dem Ehrgefühle, der Auffassungskraft, der Ueberlegsamkeit und dem Gedächtnisse eines guten Pferdes hat und es einfach zum innerlich und äußerlich steifen Gaul herunterrackert! Ich kam einst mit einem solchen Menschen scharf zusammen. Er hatte von Nachmittag bis Mitternacht in der Kneipe beim Kartenspiele gesessen und einen Grog nach dem andern getrunken, denn es war ein sehr strenger Wintertag und selbst in der Stube kalt. Draußen aber stand sein Pferd angebunden, nicht zugedeckt, fast klappernd vor grimmiger Kälte. Es war ein gutes, fünfjähriges Halbblut. Der dünnspitzige Schnee, welcher wie Nadeln fiel, bedeckte es handhoch. Die Haut besaß nicht mehr die nötige Wärme, ihn wegzutauen. Das Pferd hatte während dieser ganzen Zeit weder Futter noch Trank bekommen und den lieben Herrn dann noch volle drei Stunden weit heimzutragen. Das ergab einen Wortwechsel zwischen mir und ihm, den er mit der Zurechtweisung schloß: »Das Vieh gehört mir, nicht Ihnen. Sie haben mir gar nichts zu sagen! Und mit Ihren sogenannten Gefühlen kommen Sie mir erst recht nicht! Zu behaupten, daß die Tiere, die Pferde eine Seele haben, ist eine Sünde und von den Geistlichen verboten. Das habe ich von meinem Pfarrer, und der hat es aus der Bibel! Na, also.« Hierauf spielte er ruhig weiter. Er ritt erst gegen Morgen fort, kam aber nicht ganz heim. Er mußte das arme Tier unterwegs einstellen. Es hatte so stark verschlagen, daß es eine unheilbare Lähmung davontrug. Da gab er es dem Schinder!

Syrr war nicht nur edel, auch nicht nur hochedel; er war mehr. Ich hatte mir für heut eine große Fläche, einen weiten Spielraum zum Reiten gewünscht. Warum? Weil ich nicht sofort den Herrn und Gebieter spielen wollte. Der Rappe sollte zunächst ganz seinen eigenen, freien Willen haben. Er sollte gleich am ersten Tage herausfühlen, daß ich nicht so dumm sei, seine Natur, seine Gaben, seine Vorzüge zu knechten und zu knebeln. Das war doch ja das beste Mittel, diese Gaben und Vorzüge kennen zu lernen! Er merkte auch sehr bald, daß er mir zwar bis hierher habe folgen müssen, nun aber tun könne, was er wolle. Er wartete zunächst auf eine Willensäußerung von mir. Es erfolgte keine. Da blieb er überlegend stehen. Ich saß ohne Regung, denn er hätte der geringsten sofort gehorcht. Nun hob er den Kopf und windete, nach vorn, nach rechts, nach links. Wie fein sein Geruchssinn war, hatte er mir unten in den Ruinen gezeigt, als er des Aschyk wegen stehen blieb. Das schätzte ich sehr hoch, denn ein Pferd ohne diese Sinnesschärfe hätte ich überhaupt nicht brauchen können. Nun schien er überzeugt zu sein, daß uns nichts stören werde. Da drehte er den Kopf halb zu mir herum und ließ ein leises, kurzes Halbwiehern hören. Das klang fast wie eine Frage, als ob er sagen wolle: »Na, darf ich denn auch wirklich?« Ich streichelte ihm den Hals. Das war die Antwort. Da ging er vorwärts, langsam, quer tänzelnd, eine ganze Weile, die Kniee zierlich werfend, als ob er zunächst die Sehnen und Gelenke prüfen wolle. Dann fiel er in Trab. Aber was war das für ein Trab! Ich staunte! War dieses Pferd nur Muskel? Das ging so weich, so geschmeidig, so elastisch, so nachgiebig, biegsam und federnd – – mir fehlt das rechte Wort, das Richtige zu sagen! Dieser Trab war kein Laufen, sondern ein Fließen!

Und nun folgte der Galopp. Erst kurz, graziös, feierlich stolz, paradierend, wie wenn ein König am Balkon der Königin vorüberreitet. Und doch so natürlich und so ungesucht, die reine, sehr wohl erlaubte Freude über sich selbst! Dann aber nicht mehr hoch, sondern weiter ausgestreckt. Das war fast wie der Flug eines Adlers, dessen Schwingen man sich nicht bewegen sieht. Und doch hatte ich das Gefühl, daß Syrr jetzt erst im Beginnen sei, seine Schnelligkeit zu zeigen! Er griff nach und nach immer weiter aus. Der Galopp ging ins Rennen über. Kilometer um Kilometer verschwand hinter uns. Die Sterne leuchteten, und der Mond lächelte freundlich zu dem guten Verhältnisse zwischen Mensch und Tier. Die jenseitigen Berge kamen schnell näher. Das Terrain wollte sich zu Tale senken. Syrr bemerkte es ebenso wie ich. Er schlug ganz von selbst einen Bogen, um zurückzulenken. Er wollte in bekannter Gegend bleiben, denn das, was er zeigen wollte, hatte er noch nicht gezeigt. Es sollte erst noch kommen.

Es schien, daß diese KarriŠre ihm Vergnügen, keinesweges aber eine Anstrengung sei. Wie aber stand es da mit mir, dem Abgeschwächten, dem Rekonvaleszenten? Was Schwachheit, und was Rekonvaleszent? Lächerlich! Ich war gesund, ganz plötzlich gesund, und aber wie gesund! Erschlaffung und Entkräftung? Auf einem solchen Pferde? Setzt einen Toten in diesen Sattel, und er muß wieder lebendig werden, unbedingt! Denn jetzt war es, als ob Alles, Alles verschwinden müsse, was lebenswidrig, was körperlich hindernd war. War Syrr jetzt Geist geworden, nur Geist, vollständig ohne Fleisch und Bein? Er lief nicht mehr; er galoppierte und rannte nicht mehr, und – – er flog nicht mehr! Nein! Sondern wir standen still. Aber die Ebene, die ganze Erde um uns war in rasender Bewegung. Sie schoß auf uns zu und rechts und links und unter Syrrs lang ausgestrecktem Leib hinweg nach hinten. Es war, um schwindelig zu werden! So laufen arabische Pferde allerersten Ranges, wenn der Reiter das sogenannte »Geheimnis« in Anwendung bringt – – – auf Leben und Tod! Aber weder der berühmte Rih noch sein gleichwertiger Sohn Ben Rih hatten trotz ihrer bewundernswerten Leistungen diesen köstlichen Syrr erreicht, der den Raum, die Zeit und die Materie bloß nur in Gedanken verwandelte, ohne daß es nötig gewesen war, ihn durch irgend einen Kunstgriff dazu anzuspornen. Er durchmaß die Ebene zurück und wieder hin und wieder zurück in stets gleicher Rapidität, so daß ich besorgt um ihn wurde und ihm das Wörtchen »wakkif!«95 zu hören gab. Er gehorchte sofort. Zwar schoß er noch eine kurze Strecke weiter, überwand aber die Beharrung außerordentlich schnell und stand dann still.

Da sprang ich ab, nahm seinen Kopf in beide Arme und drückte ihn an mich. Ich streichelte ihn mit einer Wonne, die keinesweges die bekannte Wonne der Redensarten war. Sein Atem ging ganz ruhig. Nicht der geringste Anflug von Schweiß war zu spüren; kein Flöckchen Schaum war zu sehen. Die Flanken lagen still und nur das Herz schien in etwas schnellerer Bewegung zu sein als wie gewöhnlich. Aber in den Haaren der Mähne und des Schwanzes knisterte es mit doppelter Vernehmlichkeit, als ich über sie hinwegstrich.

»Bist ein Prachtkerl, Syrr, bist unvergleichlich!« rief ich begeistert aus. »Dich hat uns nicht nur der Schah gesandt, sondern ein noch Höherer! Er wollte, daß wir durch dich gerettet würden!«

Da rieb er seinen schönen, feinen Kopf an meiner Schulter, kniff mir mit den Lippen einige Male in das Haar und leckte mir dann die Hand. Dann stieg ich wieder auf, um ihn nicht der scharfen Nachtluft ohne Bewegung auszusetzen. Ich saß still, ohne die auf dem Sattelknopfe liegenden Zügel aufzunehmen und ohne seinen Leib unterhalb des Sinpusch96 zu berühren. Auch er stand unbeweglich. So warteten wir auf einander, ich lächelnd, er aber, um zu gehorchen. Als aber von meiner Seite so gar nichts geschah, drehte er den Kopf abermals zu mir herum und ließ dasselbe Halbwiehern vernehmen wie gleich nach unserer Ankunft hier, nur nicht so kurz, sondern länger und in mehreren Intervallen. Es klang fast so, als ob er mir eine kleine Rede halte: »Was soll denn nun werden? Ich habe meinen Willen gehabt. Du kennst mich jetzt. Nun bist du wieder der Herr. So rühre dich also!«

Hierauf streichelte ich ihm wieder den Hals, nahm die Zügel auf und legte die Schenkel an. Da warf er befriedigt den Kopf in die Höhe und ging vorwärts. Wir ritten vollends über die Ebene hinüber, den Berg hinab und auf demselben Wege heim, den wir gekommen waren. Assil stand auf, um uns zu begrüßen und legte sich dann wieder nieder. Nachdem ich abgezäumt und abgesattelt hatte, holte ich einige Aepfel und die Lappen, welche Schakara mir besorgt hatte. Syrr schwitzte nicht; er besaß keine Spur von übergewöhnlicher Wärme. Ich rieb ihn aber trotzdem sorgfältig ab, trug dann das Sattelzeug an Ort und Stelle und ging hinauf zu mir.

Von meinem platten Dache schaute ich noch einmal hinab. Syrr hatte sich auch niedergelegt, eng neben Assil. Sie hatten die Köpfe nebeneinander. Da hörte ich unter mir ein Geräusch, auf dem Balkon des Ustad. Er hatte dagesessen, stand auf und ging hinein. Das war die Liebe zu mir. Der Gute!

Als ich am andern Tag erwachte, war es hell; aber ich sah die Sonne nicht, obgleich der Himmel keine Wolken hatte. Da stand ich schnell und ahnungsvoll auf. Dann auf die Plattform hinaustretend, sah ich sie zwar, aber es war, als ob sie schelmisch über mich lache. Da, wo sie stand, pflegte sie ungefähr um 4 Uhr Nachmittags zu stehen!

»Bist du munter?« klang die Stimme des Ustad vom Balkon herauf. »Ich höre, daß du nicht mehr schläfst.«

»Soeben aufgestanden! Vier Uhr nach dem Mittag!« antwortete ich. »Ist das nicht eine Schande?«

»Nein, sondern eine Notwendigkeit! Folge des Rittes – hast dich mehr angestrengt, als du solltest. Das gleicht die Güte der Natur wieder aus. Wie ist der Ritt gelungen?«

»Zur größten Zufriedenheit! Ich erzähle es dir nachher. Aber meine armen, armen Pferde! Zweimal nicht gefüttert. Alles verschlafen!«

»Sei unbesorgt! Als du nicht aufstandest, habe ich es an deiner Stelle getan. Wasser, Gerste, Aepfel. Sie sind zufriedengestellt, ließen mich aber bemerken, daß du ihnen lieber gewesen wärst als ich. Was tust du jetzt?«

»Ich gehe zu ihnen, bade dann und sehe hierauf, wo es Etwas zu essen gibt.«

»Natürlich bei mir. Ich habe mit dem Mittagsbrote auf dich gewartet.«

»Wo ist Dschafar Mirza?«

»Unten im Duar. Man sieht ihn dort sehr gern. Sein freundliches, gütiges Wesen hat ihm die Herzen schnell gewonnen. So komm also dann zu mir; ich werde das Essen befehlen!«

Als ich nach der Weide kam, sprang mir nicht nur Assil, sondern auch Syrr entgegen. Das war bei Letzterem das erste Mal. Ich sah: nun war er mein!

Der ungewöhnlich lange Schlaf belehrte mich, daß der nächtliche Ritt doch anstrengender für mich gewesen war, als ich gedacht hatte. Auf einem gewöhnlichen Pferde hätte ich so Etwas doch noch nicht wagen können. Ich hatte ihn in an diesem Abend wiederholen wollen, nach dem Gange in die Ruinen, beschloß aber aus Vorsicht, für heut zu pausieren. Meine Hauptaufgabe war, am Tage des Rennens zur Teilnahme fähig zu sein. Da war ein Ueberstürmen der Natur unbedingt zu vermeiden. Uebrigens entwickelte ich beim Ustad einen solchen Appetit, daß er über mich, den sonst so genügsamen Esser, beinahe erstaunte und, sich darüber freuend, lächelnd sagte:

»So ist es recht, mein lieber Freund. Nur tüchtig essen und tüchtig schlafen, sonst kannst du das nicht wieder werden, was du gewesen bist! Ich bin ja nun wieder da und nehme dir alles Andere ab. Du wirst von mir über Alles unterrichtet und hast sonst nur für dich und Syrr zu leben, damit Ihr beide uns beim Rennen nicht etwa versagt!«

»Gut! Ich trete dir also Alles ab, bitte dich aber, mir dafür den Aschyk zu überlassen. Oder wolltest heut du zu ihm hinüber, um bei der Zusammenkunft der Pädärahn zu sein?«

»Nein. Auf dieses Gebiet darf ich dir doch nicht folgen. Aber nimm dich in Acht! Die Sache ist höchst gefährlich, denn diese Sillan sind zu Allem fähig, und den Aschyk hast du doch vielleicht noch nicht ganz sicher!«

»Ich habe ihm mein Vertrauen zugesagt und pflege Wort zu halten. Uebrigens liebe ich es nicht, unvorsichtig zu sein. Ich werde meine beiden Revolver laden und nehme sie mit. Da bin ich für alle Fälle gerüstet.«

»Also doch Waffen!« lächelte er. »Darum gab ich sie dir zurück. Der Kampf mit geistigen Waffen ist der höhere, der edlere; aber es denken nicht alle Gegner ebenso hoch und edel. Gegen Niederträchtigkeiten hilft kein geharnischtes Sonett, kein Distichon und kein Alexandriner; da sind nur Drehpistolen gut, die mit Patronen auf »Patrone« schießen, denn was nicht kracht, das wirkt bei ihnen nicht!«

Er nahm, als er mich dann zu mir hinaufbegleitete, meine Gewehre aus der Rumpelkammer und hing sie oben in dem Mittelzimmer auf. Wir luden die Revolver. Er legte mir sogar das lange Messer hin und zeigte sich erst dann befriedigt, als ich ihm versprach, auch dieses zu mir zu stecken.

Es war des Abends nach zehn Uhr, als ich mich auf den Weg machte, einige Lichte und die dazugehörigen Zündhölzer in der Tasche. Der Mond leuchtete mir hinüber bis an die schmale Tür. Es versteht sich ganz von selbst, daß ich diesen Gang nicht offen, nicht unvorsichtig machte, denn ich hatte mit der Möglichkeit zu rechnen, daß sich irgend einer der Sillan schon hier befand. Ich ging also nicht, sondern ich schlich, hielt mich so viel wie möglich im Schatten und machte meine Schritte unhörbar. So war ich, als ich die Tür erreichte, überzeugt, von Niemand bemerkt worden zu sein, hatte aber auch selbst Niemand gesehen.

Da ich das Innere schon kannte, hätte ich mich im Dunkel wohl zurecht gefunden; aber ich brannte dennoch eine der Kerzen an und nahm das Messer in die rechte Hand, um mich sofort wehren zu können, falls ein Gegner hier versteckt sei. So ging ich durch den vordern Raum nach dem Allerheiligsten. Der Schein meines Lichtes trug nicht weit; darum leuchtete ich zunächst nach der Mitte hin und dann auch noch entlang an allen Wänden. Dann blieb ich an dem Steine stehen, der einem Altare oder einer Bundeslade glich, und hielt die Kerze in die Höhe. Da erklang es von oben herab:

»Du bist es, Effendi? Bei einem einzelnen Lichte sieht man nur schwer. Wenn sie dann kommen, wird es heller. Ich werde dir meine Stange hinunterlassen und oben festhalten. Sie ist extra für deine Bequemlichkeit zugeschnitten. Es sind starke Aststumpfe daran. Du brauchst also nicht zu klettern, sondern kannst steigen.«

Er gab sie von oben herab. Ich stemmte sie fest ein. Die Stumpfe waren stark genug, mich zu halten. Er brannte oben sein Licht an. Ich löschte das meine aus, um beide Hände frei zu haben, und stieg hinauf zu ihm. Wir zogen die Naturleiter wieder empor, legten sie lang auf den Boden der Empore und dann sah ich mich auf dieser um. Es befand sich Niemand da, außer uns. Nun löschten wir aus und setzten uns nieder, nicht neben sondern entfernt von einander, damit der Eine sehen könne, was dem Andern durch die Säule verdeckt wurde. Ich hatte volles Vertrauen zu dem Aschyk, zog aber dennoch das Messer, welches ich eingesteckt hatte, wieder heraus. Das wurde mir von der Vorsicht geboten, der man in jeder Lage und auf alle Fälle zu gehorchen hat.

Es war unheimlich, hier in diesem Dunkel. Fast tat die schlechte Luft der Lunge weh. So recht ein Ort, um Böses auszubrüten! Glücklicher Weise hatten wir nicht lange zu warten, so kam der Erste. Er machte draußen Licht und brachte es herein. Er war seiner Sache so sicher, daß er sich gar nicht die Mühe gab, den Raum erst zu untersuchen, sondern er schritt gleich auf die Mitte zu, tropfte seine Kerze dort fest an und setzte sich da nieder.

Dann kam der Zweite, der Dritte, der Vierte. Sie alle machten es ebenso wie der Erste. Keiner grüßte. Niemand sprach ein Wort. Nun gab es vier Kerzen, aber ihr Schein reichte nicht hin, von unserer Entfernung aus die Gesichter zu erkennen, welche aber unverhüllt waren. Da trat der fünfte ein. Das änderte die Szene. Sie standen alle auf, und Einer fragte schnell:

»Ist der Aemir vielleicht schon draußen?«

»Nein,« antwortete er. »Sein Pferd hängt noch nicht am gewohnten Baume. Aber der Spion steht da, der aufzupassen hat, ob wir so kommen und so gehen, wie uns vorgeschrieben ist. Das muß ein Ende nehmen!«

Diese Stimme kam mir bekannt vor. Er bückte sich nieder, um sein Licht auch zu befestigen. Dadurch kam sein Gesicht zur Beleuchtung, und ich erkannte – – – Ghulam, el Multasim, den Bluträcher, den Henker der Schatten!

»Lassen wir nur erst den Putsch vorüber!« sagte der vorige Sprecher. »Dann rechnen wir mit ihm ab!«

»Aber ob er gelingen wird, dieser Putsch!« warf ein Anderer ein.

»Unbedingt! Das weiß ich genau!« versicherte Ghulam. »Heut bringt der Aemir den Scheik ul Islam mit, um uns zu beweisen, daß die frommen Lichter mit den gottlosen Schatten Hand in Hand gehen werden, den Herrscher zu entthronen. Ich komme soeben fast direkt vom Schah. Er hat keine Ahnung von der ihm drohenden Gefahr. Auch sein Liebling Dschafar, dem er den Ehrentitel »Itemad«97 verliehen hat, ahnt nicht, daß schon in einigen Tagen die Gul-i-Schiras auf seiner Brust zu blühen hat, und es – – —«

»Er soll sterben?« wurde er unterbrochen. »Wie? Wann? Wo?«

»Das ist meine Sache. Wenn ich, ich es sage, so wißt Ihr, daß es unbedingt geschehen wird. Ich fand den Brief mit dem Befehl in meiner Tasche, so geheimnisvoll, wie der Aemir es immer liebt. Er fängt es darauf an, allgegenwärtig zu erscheinen. Aber wenn wir nur erst wissen, wer er eigentlich ist, so blüht ihm seine Rose auch! Es fällt uns gar nicht ein, die seit Jahrhunderten hier aufgestapelten Schätze mit ihm zu teilen! Nur erst den Putsch, damit wir die Dschamikun wieder von hier loswerden, und Ahriman Mirza auf den Thron! Bei so einem Herrscher sind wir vor jeder Bestrafung sicher! Die Verbündeten sind über das ganze Land verbreitet, zum Losschlagen bereit. Der Schah weg; Dschafar, sein Ratgeber, weg und Ahriman, der selbst Halunke ist, auf dem Throne, so mag die Macht des Aemir noch so groß sein, mit seinem Tode hört sie auf; wir teilen unter uns und sind mit diesen Reichtümern dann öffentlich, was wir bisher nur heimlich waren – – – die Herren des ganzen Landes! Doch jetzt still! Die vorgeschriebene Pause im Kommen wird gleich vorüber sein. Wir haben nicht mit einander gesprochen!«

Es vergingen hierauf vielleicht zehn Minuten. Da hörte man draußen wieder Schritte. Dieses Mal kam nicht ein Einzelner, sondern es waren Zwei, doch ohne Licht in ihren Händen. Der Eine, welcher geführt worden zu sein schien, blieb vorn am Eingange stehen. Der Andere kam näher, jedoch nicht ganz heran. Ich sah zu meiner Ueberraschung, daß sein Anzug genau ein solcher war, wie ich von dem Schah bekommen hatte. In der rechten Hand hielt er eine Reitpeitsche. Sein Gesicht steckte hinter einer schwarzen Larve, und an seiner Mütze funkelten trotz des wenigen Lichtes, wenn er sich bewegte, die Steine einer dort befestigten Agraffe. Die Anwesenden waren ehrfurchtsvoll aufgesprungen. Er forderte durch eine stolze, gebieterische Armbewegung Aufmerksamkeit und sprach:

»Schon wieder befinden wir uns fern von unserer sichern Mäjmä-i-Yähud und kommen hier zusammen, von wo uns dieser Ustad mit seinen Dschamikun vertrieben hat. Nun aber ist der Tag der Rache nahe, der uns das fast Verlorne wieder gibt und diese Christenbande auseinanderreißt, um sie in alle Lüfte zu zerstreuen. Dann sind wir wieder Herren unsers Dunkels und lassen niemals mehr ein Licht in die Ruinen scheinen. Der letzte Tag des Soldes fand nicht statt, weil wir ja fern von der Yähudeh waren, und auch den nächsten werden wir versäumen, weil wir hier mit dem Ustad abzurechnen haben. Es gibt ein Rennen hier, das uns gelegen kommt. Es bietet uns den Anlaß, zu erscheinen, und doch durch unsre Zahl nicht aufzufallen. Wir bringen unsre schnellsten Renner mit und werden dieses Vorspiel unbedingt gewinnen.«

Hier machte er eine Pause. Er verstellte seine Stimme, wobei ihn seine Larve und der dumpfe Widerhall dieses Raumes unterstützten. Auch bemühte er sich, in Beziehung auf seine Gestikulationen Alles zu vermeiden, was ihn verraten könne. Aber die eigenartige, hochmutsstolze Haltung war nicht wegzubringen; auch die Figur stimmte ganz genau, und so war ich überzeugt, Ahriman vor mir zu haben. Er fuhr fort:

»Dem Vorspiel wird sofort die Handlung folgen; wir lassen keine Zwischenzeit entstehen. Ihr kennt den Plan und seid zum Schlag bereit. Doch kann ich Euch die Stunde noch nicht sagen. Ihr habt für nächsten Freitag, grad um Mitternacht, hinauf zum Dschebel Adawa zu kommen; dort fällt das letzte Wort, das Urteil, die Entscheidung. Heut aber bring ich Euch den Scheik ul Islam mit, um Euch durch sein Erscheinen zu beweisen, daß wir in Wirklichkeit verbündet sind und also uns der Sieg nicht fehlen kann.«

Er winkte. Da kam der Scheik ul Islam herbei. Sein Gesicht war nicht verhüllt, sondern frei. Er zeigte sich nicht im Geringsten durch die Situation gedrückt oder gar verlegen, sondern tat ganz so, als ob er in seinem Elemente sei, gütig, menschenfreundlich, salbungsvoll. Er sagte Jedem einige verbindliche Worte, reichte dem Henker sogar die Hand und trat dann wieder auf die Seite. Die Vorstellung war beendet, und Ahriman Mirza sprach weiter, doch nur noch wenig:

»Für heut sind wir nun also fertig. Zieht Euer Volk so nahebei heran, daß es mit einem Marsche von zwei Tagen das Tal der Dschamikun erreichen kann; doch muß das völlig unbemerkt geschehen! Die andern Pädärahn sind übers Land verteilt und warten nur auf hiesigen Erfolg, um ihrerseits sofort auch loszuschlagen. Jetzt geht! Ihr seid entlassen!«

Dieser Befehl schien sie zu verwundern. Der Henker fragte:

»Heut wir voran? Du gingst doch stets zuerst!«

Da fuhr der Aemir zornig auf:

»Was hast du noch zu fragen, wenn ich befohlen habe! Ihr geht – – – ich bleibe noch! Soll ich dich etwa um Erlaubnis bitten? Du weißt es: Wenn ich bitte, geschieht es nur mit solchen Lippen hier!«

Er zog ein Pistol hervor und zielte ihm nach der Stirn. Da wendete sich der Bedrohte schnell ab und griff nach seiner Kerze, um sich zu entfernen.

»Die Lichte laßt Ihr hier!« gebot der Aemir. »Ich werde sie dann später selbst verlöschen. Ihr geht wie gewöhnlich – – – in den vorgeschriebenen Pausen – – – kein Wort wird gesprochen – – —. Hinaus!«

Der Henker verschwand sofort. Die Andern folgten ihm nach und nach. Erst als der Letzte gegangen war, steckte der Aemir die Pistole zu sich, lachte verächtlich auf und sagte:

»Lumpenpack! Das ist nur zu gebrauchen, wenn ihm die Angst durch alle Knochen zittert!«

»Ich halte es anders,« antwortete der Scheik ul Islam. »Bei mir regiert die Liebe!«

»Aber was für eine! Ich kenne sie! Wir beide wollen uns doch gegenseitig nicht etwa Etwas weismachen! Meine Unerbittlichkeit ist offen, ist ehrlich; die Scham verbietet ihr, sich zu verstellen. Eure Liebe ist aber der Eigennutz in allerhöchster Potenz. Sie vernichtet in einem einzigen Jahre mehr Existenzen, als ich in einem ganzen Jahrhundert zerstören könnte! Du weißt, daß ich dich kenne. Darum hast du auch niemals versucht, mir gegenüber deine heilige Maske festzuhalten!«

Da trat ihm der Scheik ul Islam näher, richtete sich hoch auf und sprach:

»Ja, dir gegenüber stehe ich Mann gegen Mann, Geist gegen Geist. Du bist die vernichtende Verneinung; ich bin die zerstörende Uebertreibung der Bejahung. Ich bejahe nur für mich, für mich; was aus der Menschheit wird, ist mir vollständig Schnuppe. Darum hassest du mich – – – grimmig – – – zum Zerreißen!«

»Hassen?« lachte der Aemir. »Noch mehr, noch schlimmer: Ich verachte dich! Zum Hasse ist nur Eure leutselige Liebe fähig, weiter Niemand. Ich will Edles erreichen, indem ich das Gemeine knechte. Ihr aber wollt das Niedrige erheben, indem Ihr das Hohe bekämpft! Ich spreche und handle offen und ehrlich mit dir. Du aber hast sogar gegen mich die Falschheit im Nacken und willst mich zertreten, sobald du mich nicht mehr brauchst. Ist es so oder nicht?«

Da senkte der Scheik ul Islam den Kopf und sagte in begütigendem Tone:

»Mein Freund, mein lieber, bewunderter Freund, ich versichere dir bei Allah, daß ich nicht – – —«

»Laß deinen Allah aus dem Spiele; er steht dir doch um keinen einzigen Gedanken höher als mir!« grimmte ihn der Aemir an. »Wir haben uns nicht verbündet, um uns gegenseitig anzulügen. Wir sind Feinde, Todfeinde, und reichen einander für kurze Zeit die Hand, um Dritte zu vernichten, welche so unglücklich sind, uns Beiden im Wege zu stehen. Ist das vorüber, so beginnt der Kampf zwischen uns von Neuem. Ich bin nur mit Ueberwindung auf unser Bündnis eingegangen. Ich habe mit Ueberwindung Ahriman Mirza bewogen, morgen zu dir, zu den Taki zu kommen. Ich bestellte dich nur mit Ueberwindung für heut an die Stelle am Bach, wo ich dich traf, um dich hierher zu führen. Und auf der kurzen Strecke bis hierher hat es mich Ueberwindung gekostet, deine frommen Reden zu hören und bei deinen scheinheiligen Versicherungen nicht zu zerplatzen. Pfui! Darum brauchst du dich nicht zu wundern, daß ich jetzt in diesem Tone zu dir spreche. Ich bin geladen wie eine aufrichtige Kanone, die ihren Schuß niemals in Schweigen hüllt. Willst du, daß unser Zusammengreifen zum guten Ende führe, so sorge dafür, daß ich dich ertragen kann! Sei wenigstens gegen mich auch äußerlich der Mann, der du in deinem Innern und ebenso vor deinem Allah bist! Ist deine Feigheit denn gar so groß, daß du es nicht wagst, mir die Tigerkrallen an deinem Schlangenkörper zu zeigen?«

Da fuhr der Scheik ul Islam einige Schritte zurück, zog die Ellbogen nach hinten, ballte die Fäuste und rief aus:

»Mensch! Schurke! Weißt du, wo du dich befindest? Ich kann dich vernichten – – – hier, sofort – – – auf der Stelle!«

»So ist‘s recht! Das wollte ich haben!« lachte der Sill. »Jetzt kommen die Krallen! Sprich in diesem aufrichtigen Tone weiter, so ist es möglich, daß wir einig bleiben! Du fragst mich, ob ich wisse, wo ich sei. Lächerlich! Ich bin hier in meinem Reiche, als unbeschränkter Gebieter desselben.«

»In deinem Reiche, deinem?« höhnte der Scheik ul Islam auf. »Ja, du glaubtest, mich hier einzuführen, um mich zunächst deinen Sillan vorzustellen und mir dann die hier aufgehäuften Schätze zu zeigen, damit ich sähe, welch eine Mitgift du dem neuen Kaiser geben kannst. Aber du irrst, du armer, machtloser »Fürst der Schatten«! Ich bin hier längst eingeführt. Ich kenne jeden Stein, jeden Winkel, auch das Wasser da unten in der Tiefe!«

»Du – – du – – du?« fragte der Aemir erstaunt.

»Ja, ich! Denn diese Ruinen sind nicht dein Reich, sondern mein oder vielmehr unser Reich. Wir, wir, wir sind die Baumeister, die nach der alten Sage den Herrn einmauern wollten, aber den Teufel eingemauert haben!«

»Wer sind diese wir?«

»Die Männer des Taki-Ordens, welcher bei der Grundlegung dieses Baues entstand, vor ungezählten Jahrhunderten, eine Ewigkeit vor Zoroasters Zeit. Wir bauten aber nicht für uns, sondern für Euch, für unsere Schatten! Wir bauten den Bienenstock, für Euch, für unsere Insekten. Wir waren die Herren von Anbeginn bis heut, ihr aber die Knechte, welche ernten, wo sie nicht gesäet haben, um Honig für uns zu sammeln. Du arme, arme Drohne! Du wolltest mir Eure Schätze zeigen, die du die Deinigen nennst. Ich aber kenne sie besser als du! Diese von Allah verdammten Dschamikun kamen uns überraschend. Wir hatten anderswo zu tun und konnten sie damals nicht hindern, sich hier festzusetzen. Es ging uns grad wie Euch! Nun aber werfen wir sie wieder hinaus, und ihr, ihr habt mit Euern Stacheln dabei zu helfen. Du sendest Ahriman zu den Taki-Kurden; ich bin von morgen an bei ihnen. Dich aber treffe ich am Freitag wieder – – auf dem Dschebel Adawa.«

95.»Halt an!«
96.Sattelunterlage.
97.»Gehorsam«.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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