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Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 30

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»So! Mich triffst du wieder?« fragte der Aemir, die Arme über die Brust zusammenlegend. »Das klingt ja ganz, als ob nur du, nur du zu bestimmen hättest!«

»Das ist allerdings der Fall! Der Herr bin ich, die wirkliche Person; du aber bist der Schatten!«

»Und wenn ich nun – – am Freitag nicht erscheine? Und auch du dann nicht erscheinen kannst?« fragte der Sill in drohendem Tone, indem er sein Pistol wieder hervorzog.

»So spreche ich mit dir eher!« antwortete der Scheik ul Islam in unerwarteter Ruhe.

»Wo?«

»Hier!«

»Wann?«

»Jetzt!«

»Ah, ich verstehe! Auch du hast Waffen mit!«

»Nein, keine einzige!«

Er schlug seinen Mantel auseinander, um zu zeigen, daß er die Wahrheit sage.

»Und willst dich aber wehren, wie ich aus deinen Worten vermute? Sind uns etwa die drei bewaffneten Taki heimlich gefolgt, welche du mitbrachtest, als du zum heutigen Stelldichein kamst? Mein »Freund, mein lieber, bewunderter Freund«, diesen Schachzug muß ich betrachten! Wahrscheinlich stehen sie da draußen!«

Er nahm eines der Lichter und ging mit demselben hinaus. Da gab es unter uns, grad in der Mitte, wo der Altar stand, ein Geräusch, wie wenn Steine aneinander gerieben werden, und hierauf ein leises Flüstern; dann war es wieder still. Und schon war der Aemir wieder da. Er war nur vor dem Eingange stehen geblieben, um hinauszuleuchten. Er drehte sich wieder um kam zurück und sagte:

»Niemand draußen! Ich habe mich geirrt!«

»Ja, du irrtest dich, wie immer!« antwortete der Scheik. »Steck deine Waffe ein! Sie ist überflüssig!«

»Was für ein Ton! Das klingt ja wie ein Befehl.«

»Es ist auch einer. Also weg mit ihr!«

»Mensch, bist du wahnsinnig?! Der Fürst der Schatten soll sich von dir befehlen lassen, was – —«

Er kam nicht weiter. Drei Männer huschten aus dem Schatten der Säule auf ihn zu, entrissen ihm die Pistole und schlangen ihre Arme so fest um ihn, daß er sich nicht bewegen konnte. Er stieß einen Schrei aus, ob vor Schreck oder Wut, das konnte man nicht wissen. Da trat der Scheik ul Islam auf ihn zu, riß ihm die Larve herunter, sah ihm in das Gesicht und sagte:

»Ahriman Mirza! Ich wußte es! Unser neuer Kaiser, der oberste aller Verbrecher!«

Es war ein eigener, ganz eigener Augenblick, eigen in jeder Beziehung, auch psychologisch. Ahriman machte nämlich nicht den geringsten Versuch, sich der Umarmung zu entwinden. Ich konnte seine Züge nicht deutlich unterscheiden, aber es klang nach einem überlegenen Lächeln, als er in fast gleichgültigem Tone antwortete:

»Ja, Euer neuer Kaiser! Oder wollt Ihr ihn nun nicht? Ihr könnt mich ja mit meiner eigenen Pistole hier erschießen!«

»Daß ich ein Tor wäre!« erwiderte der Scheik ul Islam. »Du warst bisher mein Schatten und wirst nun mein Geschöpf. Kein anderer würde sich so gut wie du für unsere Zwecke eignen. Wozu wir dich machen wollten, das wirst du nun erst recht!«

»Es würde dir auch wohl sehr schlecht bekommen, wenn du mich hier ermorden ließest!«

»Das weiß ich wohl! Du bist ja umsichtig und wirst auch für einen solchen Fall deine Vorkehrungen getroffen haben. Ueberleben würde ich dich nicht lange; davon bin ich überzeugt. Aber ich will leben, und darum sollst du es auch. Und ich will herrschen; darum gebe ich dir den Thron! Bist du einverstanden, Ahriman Mirza?«

»Unter Bedingungen!«

»Die ich kenne! Jetzt sitzt dir dieselbe Falschheit im Nacken, die du mir vorgeworfen hast. Dennoch frage ich nochmals: Bist du einverstanden?«

»Ja.«

»So gieb mir Wort und Handschlag! Laßt ihn los!«

Die drei Männer gaben den Aemir frei. Der Scheik ul Islam hielt ihm die Hand hin; er schlug ein und sagte:

»Ja, hier meine Hand! Aber ich bin ehrlich und prophezeie Euch, daß Ihr sie fühlen werdet!«

»So will ich auch einmal ehrlich sein und dich warnen. Wir sind sanftmütig und von Herzen demütig, weil uns das zur Herrschaft führt. Aber hinter dieser Sanftmut steckt die Schonungslosigkeit und hinter dieser Demut der unerschütterliche Wille. Selbst der Kaiser hat sich vor uns zu beugen; wenn nicht, so muß er brechen! Fordre ja den Taki-Orden nicht heraus! Wenn er zürnt, kann er vielleicht noch verzeihen; wenn er aber wohlwollend lächelt, ist er erbarmungslos! Jetzt habe ich dir gezürnt. Laß mich nicht etwa lächeln!«

Viertes Kapitel: Zusammenbruch

Der Scheik ul Islam hatte seine letzten Worte so laut und mit solchem Nachdrucke gesprochen, daß sie von der Decke dumpfgrollend widerhallten. Seine Gestalt schien gewachsen zu sein. Er hielt den Kopf herausfordernd zurückgeworfen und strich sich mit beiden Händen den langen, dünnen Bart, als ob in diesen Haaren die Kraft gelegen habe, endlich einmal den Mut der Aufrichtigkeit zu zeigen. Seine Leute verhielten sich zuwartend. Der Aemir – – – ja, was war denn das? Der setzte sich ganz ruhig auf den nächsten Stein, putzte die Schuppen von den Kerzen und sagte in einem Tone, als ob er ein höchst gleichgültiges Gespräch fortzusetzen habe:

»Es ist also nicht nötig, daß ich dir hier noch Etwas zeige?«

»Nein, keineswegs!« antwortete der Andere, noch immer scharf.

»Dann könnte ich ja gehen!«

»Allerdings!«

»So möchte ich vorher wissen, wie diese deine Leute hier hereingekommen sind! Wir ließen sie am Bach zurück, wo unsere Pferde jetzt noch stehen!«

»Ich liebe die Geheimniskrämerei ebenso wie du. Darum sage ich dir: Ich verwandelte sie in Geister und rief sie durch die Mauern,« antworte der Scheik ul Islam höhnisch.

»Das klingt sehr leicht begreiflich. Du treibst also als Scheik ul Islam Hokuspokus! Eine neue, sehr interessante Seite von dir! Jedenfalls bist du ein außerordentlich begabter Mensch! Wahrscheinlich lässest du sie ganz in derselben Weise, wie sie gekommen sind, auch wieder gehen?«

»Ja.«

»Und was geschieht mit dir selbst?«

»Nichts Anderes. Ich werde Geist und lasse mich verschwinden.«

»Darf man das sehen?«

»Nein, denn du bist noch nicht so unsterblich wie wir. Für Euch Irdische ist so Etwas nicht!«

»Wirklich nicht? Solltest du dich da nicht irren? Auch wir Irdische verstehen Etwas von Eurer Magie, wenn auch nicht Alles. Ich habe es zwar nicht so weit gebracht, mich selbst verschwinden zu lassen, aber mit Andern bringe ich es doch schon fertig. Und ich verfahre dabei nicht so geheimnisvoll wie du. Wenn ich nächstens einmal meinen Zauberstab schwingen werde, so lade ich dich dazu ein. Ja, ich bin sogar sehr gern bereit, dich selbst verschwinden zu lassen. Zunächst aber haben wir uns morgen bei den Taki drüben zu treffen?«

»So wurde ausgemacht, und so hat es zu bleiben!«

»Und Freitag auf den Dschebel Adawa?«

»Auch da. Du natürlich als Aemir!«

»Den du aber nicht kennst?«

»Sei unbesorgt! Es liegt in meinem eigenen Interesse, keinen Menschen erfahren zu lassen, daß ich dich entlarvte.«

»Und diese Leute hier?«

»Sind verschwiegen!«

»So gehe ich jetzt!«

Er stand vom Steine auf.

»Meine Pistole!« gebot er, die Hand ausstreckend.

Der, welcher sie noch in der Hand hielt, gab sie ihm.

»Hier liegt meine Maske und dort meine Peitsche. Soll ein Kaiser sich bücken?«

Das klang so zwingend, daß man beide aufhob und ihm gab. Er steckte Larve und Waffe zu sich, hieb mit der Peitsche verächtlich hinter sich und sagte:

»Also nun los mit dem Hokuspokus! Hier und überall! Ich aber liebe den festen Weg zum Pferde. Wollen sehen, wer eher in den Sattel kommt, Ihr oder ich! Vergeßt aber nicht, die Lichter zu entfernen! Ihr seid ja Dunkelmänner. Und wenn auch nur der geringste Schimmer zurückbleibt, entdeckt man Euer Tun und Treiben und klopft Euch auf die Finger. Also macht es finster – – finster – – – finster!«

Er schwippte noch einmal mit der Peitsche und ging.

»Nun schnell diese Tür wieder auf!« gebot der Scheik ul Islam. »Wir wollen ihm doch zeigen, daß wir noch eher bei den Pferden sind als er; ich sehe nach, ob er sich auch wirklich entfernt.«

Bei diesen Worten eilte er hinter dem Aemir her. Wir hörten unter uns dasselbe Steinschlürfen und sahen die drei Männer nicht mehr. Sie standen unter der Empore bei der Bundeslade. Da kam er wieder herein und berichtete:

»Er ist wirklich fort; ich sehe ihn schon nicht mehr. Merkt Euch hier Folgendes! Die Dschamikun werden natürlich glauben, daß wir von außen kommen. Demzufolge besetzen sie die Zugänge zu dem Tale. Wir aber dringen durch diesen Gang heimlich in die Ruinen, verbreiten uns da leise, bis alle beisammen sind, und fallen dann über sie her. Nun weg mit den Kerzen, und rasch fort durch den heiligen Stein! Wer weiß, wie Vielen er schon als letzte Ausflucht diente, wenn sich die Menschen hier von Zeit zu Zeit die Auserwählten Allahs nicht mehr gefallen lassen wollten!«

Es wurde dunkel; die Steine schliffen wieder, und dann war nichts mehr zu hören. Die Vorsicht gebot mir, noch zu warten.

»Effendi, es ist vorbei. Wollen wir nicht gehen?« fragte der Aschyk halblaut herüber.

»Nein« antwortete ich. »Der Aemir verhielt sich zuletzt derart, daß ich seine Rückkehr vermute. Also still!«

Es verging nach meiner Schätzung wohl über eine halbe Stunde, und schon griff ich in meine Tasche, um die Kerze herauszunehmen und anzubrennen. Da gab es draußen ein Geräusch. Man blieb dort stehen, um Licht zu machen, und kam dann herein. Es waren zwei Männer, beide mit unverhüllten Gesichtern. Der Eine war der Aemir. Der Andere trug das Licht. Wahrscheinlich war er der von dem Aemir ausgestellte Wächter, von dem gesprochen worden war. Er mußte das Vertrauen Ahrimans in hohem Grade besitzen und in Alles eingeweiht sein, weil der Letztere die Larve nicht wieder vorgenommen hatte, um sich unkenntlich zu machen.

»Zu denken, daß ich zurückkehren und nachforschen werde, dazu war der Kerl trotz seiner sonstigen Geriebenheit zu dumm!« fuhr der Aemir in dem jedenfalls draußen und unterwegs geführten Gespräch fort. »Ich entfernte mich gar nicht, sondern stellte mich einfach draußen hinter die Wasserbeckensäule, um welche ich nur langsam zu kreisen brauchte, als er nach vorn ging, um hinauszuschauen. Es genügte ihm, daß er mich nicht mehr sah. Da ging er wieder hinein. Ich folgte ihm bis an die Tür, wo ich alles sah und jedes Wort verstand.«

»So kennen wir also die Geheimnisse dieses alten Gemäuers doch noch nicht ganz genau!« meinte der Andere.

»Nein. Aber ich habe es mir auch nicht eingebildet, daß wir sie alle kennen. Diese Taki sind so voller Ränke und Schliche, daß man allwissend sein möchte, um hinter Alles zu kommen. Es ist nicht Zeit, ihr bisheriges Verhältnis zu diesen Ruinen zu erörtern. Heut gilt es nur, zu erfahren, was sie jetzt mit ihnen bezwecken. Da habe ich denn gehört, daß sie heimlich hereinbrechen wollen durch den Gang, welcher hier mündet. Das ist aber ganz gegen meine Verabredung mit dem Scheik ul Islam. Er will mich betrügen, mich, uns, Euch! Nach unserm Plane werden die Dschamikun mit einem Schlage und von allen Seiten überfallen, ohne daß sie vorher Etwas ahnen. Ich komme mit meinen Schatten von Osten. Sollte unsere Absicht durch irgend einen Zufall verraten werden, so besetzen sie die Pässe des Hasen und des Kuriers. Von dort drängen wir sie in den Duar zurück. Die Taki kommen von Nordwest und die Dinarun über die neue Zugbrücke am Tale des Sackes. So nehmen wir die Dschamikun von allen Seiten. So drängen wir sie rund um den See zusammen und treiben sie in das Wasser. Sie können der gänzlichen Vernichtung unmöglich entgehen. In Betreff der Ruinen aber habe ich extra die strenge Bedingung gestellt, daß sie von Niemand berührt werden dürfen, weil ich sie als unser Eigentum betrachte. Die Massaban, welche von den Dschamikun von hier vertrieben wurden, gehörten zu uns; sie sind mir untertan. Ich habe sie in ihr Eigentum zurückzuführen. Der Scheik ul Islam ist auf diese Bedingung eingegangen. Er hat mir zugesagt, daß keiner seiner Takikurden die Ruinen betreten werde. Vorhin nun stellte er aber, als ich ihn zur Offenheit zwang, plötzlich die Behauptung auf, daß der Taki-Orden diese Bauten errichtet habe und noch heut der Eigentümer ist. Er bezeichnete die Taki als die wirklichen Personen, uns aber als ihre Schatten, ihre Insekten, die für sie zu arbeiten und zu sammeln haben. Und als er glaubte, daß ich fort sei, sagte er zu seinen Begleitern, daß die Taki durch den Gang hier kommen würden, um die Ruinen zu besetzen. Wozu dieser heimliche Plan gegen meine Bedingung? Der Besitz der Ruinen ist ihm wichtiger als sein gegebenes Wort und der Sieg über alle Dschamikun. Sie, sie will er vor allen Dingen haben. Und zwar aus Angst, daß wir doch noch entdecken möchten, was wir bisher noch nicht gefunden haben. Das laß ich mir um keinen Preis gefallen! Besetzt er sie, besetze ich sie auch! Und tut er es geheim, so greife ich zu derselben Heimlichkeit und komme ihm dabei sogar zuvor. Verläßt er sich auf den geheimen Gang, so werden wohl auch wir die Mittel finden, noch eher da zu sein, als er mit seinen Leuten!«

»Stellt das nicht unser ganzes Werk in Frage, Aemir?«

»Wieso?«

»Muß es nicht infolge dieser gegenseitigen Eigenmächtigkeiten hier in den Ruinen zwischen dir und ihm zum blutigen Kampfe kommen? Wenn die Verbündeten in dieser Weise beginnen, sind die Dschamikun gerettet, und das ganze Land wartet vergeblich auf den Schlag, welcher den Schah entthronen soll!«

»Wie irrig! Du behauptest, mich zu kennen und traust mir doch noch Knabenstreiche zu! Ich sehe weiter als du. Ich habe das Naheliegende festzuhalten, um das Fernerliegende zu erreichen. In den Ruinen hier spielt nur die erste Episode. Die eigentliche Frage ist: Wer soll der Herrscher sein? Der Scheik ul Islam oder ich? Der Taki-Orden oder meine Schatten? Der Scheik hat mir frech in das Angesicht gesagt, daß ich nichts, als nur sein Geschöpf bedeuten werde. Ich schwieg dazu, doch stand es augenblicklich fest in mir, daß er mit diesem Wort sich selbst gerichtet habe. Er glaubt, mich fest in seiner Hand zu haben, und krümmt sich doch schon unter meiner Faust! Wie schnell gehorchte er doch meinen Zähnen, die ich ihm zeigte, um sein Inneres aus ihm herauszulocken! Die Krallen waren augenblicklich da! So läßt sich nur der Schwächling übertölpeln! Ich war dann um so ruhiger, je drohender er sprach!«

»Aber wenn du dich gleich anfangs mit ihm verfeindest, geht dir die Hilfe seines ganzen Ordens und Aller, die zu ihm halten, verloren!«

»Das glaube nicht! Nur darf die Feindschaft keine halbe sein. Sie darf nicht zögern, keine Ausflucht lassen. Sie muß sofort die Faust zusammendrücken, daß Alles kracht, was sich in ihr befindet! Wenn er mit seinen Taki hier erscheint, so fasse ich ihn stracks bei dem Genick und schüttle ihn wie eine tote Katze da unten über unserm Wasserloch. Ich sage dir, er wird um Gnade heulen und alles tun, was ich von ihm verlange!«

»Es aber dann nicht halten!«

»Nicht? Du denkst, ich lasse ihn so auf Versprechen frei? Daß ich ein solcher Tor, ein solcher Stümper wäre! Ich hänge ihn am glatten Felle auf, bis ich die lieben Seinen nicht mehr brauche, und werfe ihn dann immer noch ins Wasser! Doch sprechen wir hierüber späterhin. Ich halte dir hier eine lange Rede und sehe doch, daß unser Licht dabei nur kleiner wird!«

»Ich habe noch einige.«

»Dann gut! Schau dir diesen Stein an! Er scheint massiv zu sein, ist es aber nicht. Ich sah ihn offenstehen, und zwar nach innen. Leuchte nieder, daß wir ihn betrachten!«

Weder ich noch der Aschyk konnten sehen, was sie jetzt taten. Aber wir hörten ihre Worte, und das war genug.

»Hier diese Vorderseite hat ringsum an den Kanten ein Relief, fast wie ein Bilderrahmen,« sagte der Aemir. »Die eingefaßte Platte aber ist vollständig glatt. Es fehlt Alles, was auf Bewegbarkeit schließen läßt. Folglich ist es nur der einfache Druck, dem sie gehorchen wird. Versuchen wir es!«

Wir hörten ein lautes Atmen, wie wenn sich Jemand anstrengt, und dann das schon bekannte Schleifen der Steine.

»Sie weicht!« rief der Aemir. »So, jetzt ist sie völlig offen! Der Gang kann nicht unbequem sein, denn als ich jenseits an den Bach kam, wo mein Pferd bei den ihrigen stand, waren alle vier schon da, und der Scheik ul Islam höhnte mich damit, daß ich ihn immerhin verschwinden lassen möge; er werde sicher ebenso schnell wieder erscheinen wie jetzt. Krieche hinein, und untersuche die Innenseite!«

Der Andere tat es. Wir hörten seine dumpfe Stimme:

»Hier hat die Platte eine Handhabe.«

»Das konnte man sich denken. Und der Gang? Ist er niedrig?«

»Warte!«

Er hatte, wie wir am Schatten sahen, das Licht mit hineingenommen und untersuchte. Dann kam er wieder an die Oeffnung und berichtete:

»Nur drei Schritte niedrig, dann aber gleich ziemlich hoch, höher als ein Mann. Das scheint ein natürlicher Innenriß des Berges zu sein, dessen Mündung man vermauerte, um ihn zu diesen Heimlichkeiten auszunützen.«

»Und die Luft?«

»Wie es scheint, besser als drin bei dir.«

»So geh zurück; ich komme!«

Ein leises Rascheln, hierauf das Schlürfen der Platte, welche zugeschoben wurde, dann war es wieder finster und still im Allerheiligsten. Ich wartete diesmal nur kurze Zeit; dann machte ich Licht.

»Jetzt fort?« fragte der Aschyk.

»Ja.«

»Nicht warten, bis sie fertig sind, und dann den Gang auch untersuchen?«

»Nein. Wer weiß, was sie alles noch tun und wann sie wiederkommen. Ich halte diese Luft hier nicht mehr aus. Ich muß hinaus!«

Wir stiegen hinab und löschten das Licht aus. Er nahm seine Leiterstange; wir gingen. Draußen blieb ich stehen und holte mit Wonne Atem. Die Luft da drin im einstigen Heiligtum war nichts als Gift gewesen! Noch war der Mond nicht hinter dem Berg verschwunden. Die Ruinen lagen in seinem gelblich silbernen Glanze. Ein Lauscher war nicht zu sehen. Wir gingen nach dem Steinbruche, wo wir uns zu trennen hatten, blieben aber noch einige Minuten im Schatten beieinander stehen.

»Ehe ich den Scheik ul Islam durchschaute, mußte ich Dich für einen Sill halten,« sagte ich. »Was aber bist du nun?«

»Weder Sill noch Taki. Mein Wunsch aber ist, ein Dschamiki werden zu dürfen.«

»Fürchtest du nicht den Leumund, wenn man erfährt, was du gewesen bist?«

»Was man verachtet, kann man doch nicht fürchten! Gute Menschen verzeihen; was die Andern tun, kommt nicht in Betracht. Sobald Ihr mich hier nicht mehr braucht, werde ich mich bei der Behörde zur Strafe melden, der ich mich durch die Flucht entzogen habe. Ist sie verbüßt, so kehre ich als neuer Mensch zurück. Vielleicht nimmt mich dann der Ustad auf!«

»Ist das dein Ernst, dein wirklicher Ernst?« fragte ich.

»Ja, Effendi. Ich habe es mir reiflich überlegt. Ich bin dazu entschlossen und tue es unbedingt.«

»Aber bedenke! Es stehen dir mehrere Jahre Gefängnis bevor, schweres, bitteres Gefängnis! Du kannst das sehr leicht vermeiden, indem du dich einfach nicht meldest. Es sucht ja kein Richter und keine Polizei mehr nach dir. Das Gesetz hat dich also aufgegeben. Und hier, wo du dich befindest, ist dein Name unbekannt. So laß ihn doch gestorben sein, und nimm einen andern an! Dann bist du auch ein anderer Mensch, und deine Vergangenheit ist vollständig vergessen!«

Es versteht sich ganz von selbst, daß ich das nur sagte, um ihn zu prüfen. Er schüttelte den Kopf und antwortete:

»Ich kann nicht glauben, daß deine Worte wirklich so gemeint sind, wie sie klingen. Ich muß mich ausliefern; ich muß, ich muß, ich muß! Noch bis vor wenigen Tagen hätte ich diesen Gedanken freilich für Wahnsinn gehalten, für die blödeste Albernheit, die es nur geben kann. Aber da unten, neben dem Gerippe, in der schrecklichsten aller Finsternisse, in der innerlich laut heulenden tiefen Stille, die äußerlich um mich lag, an der zwar nur leise, leise, aber umso entsetzlicher in sich knirschenden Säule, die von Augenblick zu Augenblick über mir einzustürzen und mich zu zerschmettern drohte, ist mir das rechte, wahre Licht hierüber aufgegangen. Ich will und will und will die Strafe haben, um mit mir selbst, mit meinem Gewissen quitt zu werden. Indem ich ihr entgehen wollte, habe ich mir eine noch viel fürchterlichere auferlegt. Ich flüchtete mich doch nur aus dem einen in das andere Gefängnis, in die Gefangenschaft des Bösen. Und was das heißt, und welche Qualen das bringt, davon hast du keine, keine, keine Ahnung, Effendi!«

Er bewegte den tief gesenkten Kopf schwer und langsam hin und her und fuhr dann fort:

»Der Scheik ul Islam versprach mir, sich für meine Begnadigung zu verwenden. Dieser Tor! Wie unverzeihlich dumm ist er doch in Beziehung auf die Menschenseele, er, der doch behauptet, daß ihm tausende von Seelen von Allah anvertraut worden seien! Oder war es nicht Dummheit, sondern gewissenslose Hinterlist? Neue Verbrechen zu den alten fügen, um Gnade zu erlangen! Dann wäre mir zwar die äußere Strafe erlassen worden, aber die zur Gigantin erwachsene Schuld in mir hätte nur um so lauter nach Rache, nach Vergeltung aufgebrüllt! Aeußerlich gerettet, innerlich aber für immer verloren, so hätte es mit mir gestanden! Ja, ich weiß es, und ich fühle es: die Gnade ist der Sühne gleich, der vollständigen Sühne. Sie hat vielleicht sogar noch größere Macht als diese Sühne; aber es ist ganz unmöglich, daß sie auf bösem Wege zu uns niederkommen kann. Wenn mir der Scheik ul Islam heut, jetzt, die Erlassung meiner Sünden und meiner Strafe brächte, ich würde sie nicht annehmen!«

»Wirklich nicht?«

»Nein; denn eine Gnade aus solcher Hand wäre nichts als Spiegelfechterei, die mich um mich selbst betrügen würde!«

»So sag, was würdest du wohl tun, wenn ein Anderer sie dir brächte? Nicht auf bösem, sondern auf gutem Wege?«

»Ein Anderer? Wer könnte das wohl sein?«

»Das weißt du nicht?«

»Nein!«

»Weil man dir weisgemacht hat, daß die Gnade nur durch ein Vermittelungsgeschäft zwischen dir und dem Schah-in-Schah zu erlangen sei! Es kann sie dir nur Einer bringen, ein Einziger, und der bist du selbst! Bleib nur nicht stehen! Geh auf dem Wege weiter, den du jetzt beschritten hast! Er ist gut, und die Augen des Schah-in-Schah sind scharf. Es bedarf keines Menschen, der sich mit seinem erlogenen Einflusse auf den Schah vor dir und Andern brüstet. Ich sage dir vielmehr, und du kannst es mir glauben, denn ich bin wohlunterrichtet: Der Herrscher kennt den Scheik ul Islam ganz genau. Die Fürbitte grad dieses Mannes wäre nicht etwa zu deinem Heile, sondern zu deinem Verderben ausgefallen. Sie hätte dich als sein Geschöpf bezeichnet und damit nur bewiesen, daß du der Gnade gar nicht würdig seist.«

Er senkte den Kopf noch tiefer als vorher. Dann hob er ihn mit einem schnellen, energischen Ruck empor und sagte:

»Also so steht es, so, so, so! Wohlan, Effendi, ich gehe diesen neuen, guten Weg! Ich gehe ihn selbst! Ich lasse mich nicht führen! Von keinem Menschen, auch nicht von dir! Allah will das Gute, nur das Gute, und er gibt jedem Menschen die nötige Kraft, es zu tun. Ich will doch sehen, ob er nicht auch mir diese Kraft verliehen hat, es zu vollbringen, ohne daß ich sie mir von Andern zu leihen und zu borgen brauche! Er sei mein Schutz und meine Hilfe, er allein, in Zeit und Ewigkeit!«

Er schluchzte. Da konnte ich mich nicht halten; ich legte ihm die Hände an beide Wangen und sprach:

»Das ist das einzig Richtige! Laß es dir nicht wieder nehmen; von keinem, keinem Menschen! Es wächst jetzt eine Säule in dir auf, in der es nie und nie so knirschen wird wie in der andern unten in dem Wasser. In ihr liegt Gottesstärke. Vertraue ihr und ihm!«

Ich ging.

»Gottesstärke – – —!« erklang es hinter mir. »Das war sie – – – das ist sie – – – schon jetzt, schon jetzt – – – die Gnade!«

Auf dem Nachhauseweg war mir nicht wohl. Ich hatte das Gefühl des Schwindels, und meine Lunge war nicht mit mir einverstanden. Meine Beine schienen Kraft verloren zu haben, obgleich ich die ganze Zeit über doch nur gesessen hatte. Ich dachte darum an nichts, als nur daran, mich schnell niederzulegen, und freute mich, als dies geschehen war, über die gute, reine Luft, welche durch Türen und Fenster freien Zutritt hatte. Aber ich konnte nicht einschlafen. Der Grund lag wohl weniger in dem, was ich gesehen und gehört hatte, denn das konnte mich nicht beunruhigen, sondern die Ursache war eine körperliche, keine geistige. Und als der Schlaf dann erst gegen Morgen kam, war er kein ruhiger und erquickender. Ich wachte von Zeit zu Zeit immer wieder auf, und weil das quälender als das Wachen war, so zog ich es vor, das Lager zu verlassen.

Als ich hierauf den Weg nach dem Brunnen hinunterstieg, fühlte ich ein wirkliches, ausgesprochenes Unwohlsein. Da traf ich Schakara. Ich sah, daß sie bei meinem Anblicke erschrak.

»Was ist mit dir, Effendi?« fragte sie hastig. »Dein Gesicht ist ganz graugelb, und deine Augen liegen tief. Du bist krank!«

»Ich war heut Nacht mehrere Stunden lang drüben im Allerheiligsten,« antwortete ich. »Das scheint mir nicht gut bekommen zu sein.«

»Mehrere Stunden lang? Im Allerheiligsten?« rief sie aus. »Diese Luft hält kein Gesunder aus, viel weniger ein Genesender! Du kannst dir sehr leicht einen Rückfall in den Typhus geholt haben, und dann, dann ist es nicht möglich, dich zu retten! Komm, wir müssen sofort zum Ustad!«

Sie führte mich hinauf zu ihm. Er hatte mein spätes Heimkommen gehört und darum auch schon Sorge gehabt. Schakara brauchte ihm gar nicht zu sagen, weshalb wir zu ihm kamen; mein Aussehen schien sprechend genug zu sein. Auch er zeigte sich, sobald wir eintraten, sofort über dasselbe bestürzt. Ich mußte mich hinsetzen und erzählen. Als ich mit meinem Berichte zu Ende war, sagte er sehr ernst:

»Effendi, was du gehört und gesehen hast, beunruhigt mich nicht im Geringsten, aber daß du gezwungen gewesen bist, die krankheitsschwangere Atmosphäre des Sacrosanctum einzuatmen, das kann Folgen nach sich ziehen, denen wir sofort vorzubeugen haben. Dein Blut ist bereits wieder mit Stoffen geschwängert, welche unbedingt entfernt werden müssen. Zum Glück ist Alles vorhanden, was wir dazu brauchen. Ich bitte dich, mich wieder als deinen Arzt zu betrachten! Denke von jetzt an nur an dich selbst, an deine Genesung; alles Andere schlage dir aus dem Sinn! Das bist du dir, mir und uns Allen schuldig!«

»Aber der Aschyk? Mein Syrr? Der verborgene Gang, welcher untersucht werden muß?« warf ich ein.

»Das ist es eben, woran du jetzt nicht denken sollst!« antwortete er. »Ich gebe dir die Versicherung, daß du dich nicht zu sorgen brauchst. Habe ich während meiner Abwesenheit dir vertraut, so vertraue du nun auch mir!«

Er hatte Recht, und so ließ ich denn mit mir machen, was er für geboten hielt. Er verordnete zunächst ein Bad, so heiß wie möglich. Während desselben hatte man mein Lager heraus auf die Plattform geschafft, damit ich nur die beste Luft atmen möge. Ein Leinendach war angebracht worden, um Schatten zu geben. Der für seine Muttersprache begeisterte Germane nennt so ein Dach »Marquise«. Dort legte ich mich nieder und trank einen Tee, welcher alle Poren öffnete und mir aber dafür die Augen schloß. Ich schlief ein.

Als ich erwachte, war es Nacht. Veilchen dufteten, drüben an der Balustrade saß Schakara, vom Monde hell beleuchtet. Ich sah, daß sie die Augen auf mich gerichtet hielt.

»Dschanneh, wo sind die Veilchen her?« fragte ich. »Im Garten und auf der Weide blühen sie nicht mehr.«

»Ich ließ sie von hoch oben holen,« antwortete sie.

»Jenseits des Alabasterzeltes hören sie gar nicht auf, zu blühen und zu duften. Du hast sehr gut geschlafen und sehr regelmäßig geatmet. Nun sag, kannst du klar und deutlich denken? Oder macht es dir Mühe, Gedanken zu fassen und festzuhalten?«

»Gar keine Mühe! Es liegt Alles bestimmt und scharf vor meinem Geiste. Ich könnte dir ohne die geringste Anstrengung jedes einzelne Wort wiederholen, welches drüben im Allerheiligsten gesprochen worden ist.«

»Das ist gut, sehr gut! Deinem geistigen Körper sind die Ansteckungsstoffe also fern geblieben, und aus dem leiblichen werden wir sie schnell wieder herausbekommen.«

»So ist also wohl kein Rückfall zu befürchten?«

»Da es so steht, nicht. Der Ustad ist derselben Meinung wie ich. Er war öfters hier; erst wieder vor einigen Minuten.«

»Nun aber schläft er wohl?«

»Schlafen? Was nennst du Schlaf, Effendi? Ich schlafe wohl auch, indem ich hier bei dir wache; aber so oft du die Augen öffnest, wirst du die meinen auch offen sehen. Du nennst mich ja Dschanneh!«

Das waren so tiefe Worte! Sie sagten so viel über Leib und Geist und Seele. Ich dachte über sie nach und schloß dabei die Augen. Da rauschte Schakara‘s Gewand. Sie war aufgestanden, kam zu mir her, legte mir die Hand auf die Stirn und sagte:

»Ich fühle, daß mein Bruder denkt. Er will den Sinn ergründen, der in meinen Worten liegt. Das ist aber nicht möglich, weil er noch so viele Stufen zu steigen hat, bis er dahin kommt, wo er mich verstehen kann. Und, weißt du, vergebliches Bemühen des Geistes bereitet der Seele Schmerzen. Darum zog es mich von dort auf und zu dir her. Bitte, denke nicht mehr darüber nach! Wir gehen ja, sobald hier Alles vollendet ist, hinauf zu unserer Marah Durimeh! Das sind die Stufen, die du zu steigen hast. Sind wir oben, so wirst du sie und mich und dann wohl auch dich selbst begreifen. Jetzt schlaf – – – schlaf wieder ein! Dschanneh will es; du wirst es also tun!«

Ich verstand jedes ihrer Worte, war also vollständig wach. Ich fühlte, daß von ihrer Hand ein süßer Friede, eine selige Ruhe auf meine Stirn herüberfloß und sich von da aus über mein ganzes Wesen breitete, und wenn man das so deutlich, so scharf beobachtend empfindet, so kann man doch wohl nicht schon eingeschlafen sein! Und aber doch und doch – – – denn ich führte meine Hand zur Stirn, um sie auf die ihrige zu legen und ihr zu danken, da sagte sie:

»Effendi, ich berührte dich, um dich zu wecken. Es nahen uns Gäste, die du vielleicht gern kommen sehen möchtest.«

Die Augen wieder aufschlagend, sah ich sie im hellsten Sonnenlichte vor mir stehen. Es war fast Mittagszeit!

»Du staunst?« fragte sie, schalkhaft lächelnd. »Du wirst dich wohl noch öfters wundern, bis du weißt, was Dschanneh ist und was sie kann! Agha Sibil ist mit seiner Familie angekommen und hat schon begonnen, sein Zelt zu errichten. Und vor einigen Minuten berichtete ein Bote aus dem Grenzduar, daß deine Bagdader Freunde dort übernachtet haben und gegen Mittag hier sein werden. Wenn du sie sehen willst, darfst du aufstehen, doch nur für ein Stündchen, und ohne hinunter zu gehen oder sie heraufkommen zu lassen.«

»Kennt Agha Sibil die Zeit ihrer Ankunft?«

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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