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Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 32

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»Das ist ganz derselbe Gedanke, den auch ich verfolgen will. Ahriman Mirza wird kommen, um seine Agraffe abzuholen. Wenn wir uns vorher dort verstecken und ihm dann heimlich nachschleichen, wird er unser Führer sein, ohne es zu ahnen.«

»Aber die Gefahr, in welche wir uns begeben?«

»Gefahr? Wie drollig dieses Wort klingt, wenn man es aus deinem Munde hört! Wo du nicht ängstlich bist, kann ich es doch ebensowenig sein. Uebrigens bewaffnen wir uns gut und legen andere Kleider an.«

»Welche?«

»Die Anzüge vom Schah. Ich habe ja auch einen. Du sagtest, Ahriman Mirza sei genau so gekleidet gewesen. Er wird es wahrscheinlich wieder sein. Ich glaube zwar nicht, daß man uns sehen wird. Aber sollte es doch geschehen, so wird man vermuten, daß wir zu der persischen Begleitung gehören, die mit ihm bei den Taki angekommen ist. Es ist dann sogar möglich, daß man glaubt, er selbst habe – – – Ah,« unterbrach er sich da, »vielleicht ein guter Gedanke: Ich nehme seine Reitpeitsche mit, in welcher die schwarze Larve steckt! Kommt dann noch die Agraffe dazu, so kann man jede Gefahr in ihr gerades Gegenteil verwandeln, indem man sich für den Aemir-i-Sillan ausgibt. Meinst du nicht auch?«

»Welch eine Idee! Woher mag sie dir gekommen sein? Derartige Gedanken sind niemals Sondergeburten irgend eines menschlichen Gehirnes, sondern sie stammen aus einem verborgenen Zusammenhange, in welchem ihre Resultate vorherberechnet werden und dann einzufügen sind. Tue es, mein Freund, tue es! Ich bin überzeugt, daß du damit einer Absicht folgst, die weiter schaut als wir.«

Er ging, und ich stieg zu mir hinauf. Wie kam es doch nur, daß ich nun während des Tages so oft an diese unsere Verkleidung denken mußte? Ich legte sie an und wieder ab – – – um sie zu probieren, redete ich mir ein. Der Mensch sieht eben nicht weiter, als er kann! Als Schakara mir das Abendessen brachte, lächelte sie mich verständnisvoll an. Ich hatte mich nämlich schon umgezogen, und sie kannte den Grund, der ihr vom Ustad mitgeteilt worden war.

»Sobald du gegessen hast, wird er kommen, um dich abzuholen,« sagte sie. »Die Pferde werden von Kara heimlich gesattelt.«

»Mein Syrr aber nicht,« fiel ich ein. »Sage ihm das! Ich tue es selbst. Bereithalten mag er das Zeug; angelegt wird es nur von mir.«

Ich hatte meine geladenen Revolver bereitgelegt. Als der Ustad kam, steckte ich sie zu mir. Er war der Verabredung nach gekleidet und hatte den langen Bart unter den Anzug geknöpft und das Haupthaar unter die Lammfellmütze emporgekämmt, so daß beides nicht zu sehen war. Die Reitpeitsche des Mirza steckte im Gürtel. Eben wollten wir gehen, da erschien der Aschyk unter der Tür. Er erschrak, als er uns stehen sah, denn er hielt uns im ersten Augenblicke für wirkliche Perser. Als er uns aber erkannte, rief er aus:

»Allah sei Dank! Fast glaubte ich, Ahriman Mirza sei mit hier! Warum tragt ihr diese Kleidung, Effendi?«

»Um nicht erkannt zu werden, falls man uns sehen sollte,« antwortete ich. »Wir wollen nach dem Dschebel Adawa hinüber.«

»Und ich komme geraden Weges von dorther! Ich bringe zwei wichtige Neuigkeiten, eine schriftliche und eine mündliche. Der Scheik ul Islam glaubt, ich sei hier Euer Gast und komme nur zu ihm, um Euch zu verraten. Ich besitze darum sein Vertrauen und habe Euch aufgezeichnet, was ich heut von ihm erfuhr. Es sind die Orte, an denen losgeschlagen werden soll, sobald der Streich gegen Euch gelungen ist. Auch die Namen der Anführer stehen dabei, lauter fromme, hochangesehene Männer.«

Er reichte auf meinen Wink das Verzeichnis dem Ustad hin und fuhr dann fort:

»Die andere Nachricht wird Euch wahrscheinlich noch mehr erfreuen. Ist Euch ein junger Taki-Kurde bekannt, welcher Ibn el Idrak102 heißt?«

»Sehr gut sogar,« antwortete der Ustad. »Du nennst ihn jung, er sitzt aber schon seit Jahren in der Dschemma. Sein Vater, der reichste Mann des Stammes, ließ ihn in Teheran studieren und dann weite Reisen machen. Er ist unterrichtet, klug und ehrlich. Man sagt, daß er ein heimlicher Gegner des Scheik ul Islam sei und unter den Taki einen nicht unbedeutenden Anhang besitze. Er war schon einigemale hier, mein Gast, und ich meine, daß wir beide Wohlgefallen an einander gefunden haben.«

»Hältst du ihn einer Hinterlist für fähig?«

»Nein, auf keinen Fall.«

»So kann ich dir sagen. daß er eine Unterredung mit dir wünscht.«

»Wann?«

»Heut.«

»Wo? Hier bei mir?«

»Nein. Dazu hat er keine Zeit, wegen der wichtigen Sitzungen, welche die Dschemma jetzt fortwährend hat, sogar heut nach Mitternacht. Auch soll diese Unterredung eine heimliche sein. Er läßt dich bitten, zwei Stunden nach Mitternacht an den Bach des Dschebel Adawa zu kommen, du allein und er allein. Von der Quelle an zählst du die fünfte große Windung des Wassers. Dort steht ein einzelner hoher Baum, unter dem er dich erwarten wird.«

»Sonderbar! Wie kommst du zu diesem Manne? Wäre es ein Anderer, so würde ich einen Hinterhalt befürchten, obgleich ich nicht wüßte, wozu ihm das nützen sollte!«

»Ich kann dir nicht zürnen, wenn du an mir zweifelst. Aber ich darf dir auch nicht antworten, denn ich habe Ibn el Idrak Verschwiegenheit geloben müssen, um Euch nützen zu können. Behalte mich hier, und gib Befehl, daß ich erschossen werde, wenn dir Etwas geschieht!«

»Daß ich ein Tor wäre! Ich glaube dir und ihm und werde also kommen.«

»Ich danke dir! Auch dein jetziger Anzug paßt. Es gibt jetzt am Dschebel Adawa mehr Leben und Verkehr als sonst. Man könnte dich sehen und erkennen. Darum sollte ich dich bitten, nicht deine gewöhnliche Kleidung anzulegen. Ich kam auf einem seiner Pferde herüber. Darf ich wieder zurück, um ihm Nachricht zu bringen?«

»Ja. Sag ihm, daß ich kommen werde, zwei Stunden nach Mitternacht, an die betreffende Stelle. Bin ich verhindert, pünktlich zu sein, so soll er dennoch warten. Ich bleibe nicht aus.«

Hierauf entfernte sich der Aschyk. Auf meinem Tische lag der Chandschar, den ich von Dschafar geschenkt bekommen hatte. Der Ustad sah ihn und fragte:

»Nimmst du den Dolch nicht mit?«

»Nein,« antwortete ich. »Ich wollte, halte es aber nun doch nicht für nötig.«

»So erlaube ihn mir! Ich kann vielleicht in eine Lage kommen, in welcher eine still wirkende Klinge besser ist als ein laut krachender Schuß. Geh jetzt immer hinab. Ich will erst das Verzeichnis vom Aschyk zu mir tragen, um es einzuschließen. Dann komme ich nach.«

Er schob den Chandschar in den Gürtel und ging hinaus. Ich aber steckte fürsorglich einige Lichter zu mir, obgleich ich keinen Grund hatte, sie für nötig zu halten, und stieg dann den Glockenweg zum Weideplatze hinunter, wo ich Kara, persisch gekleidet, bei den Pferden fand.

Assil und Barkh waren schon gesattelt, Syrr noch nicht. Ich tat es selbst. Sonderbar! Als ich ihm das Mundstück einschieben wollte, weigerte er sich, seine Zähne zu öffnen. Ich bat ihn; er tat es trotzdem nicht; ihn aber zu zwingen, fiel mir gar nicht ein. Der Ustad kam grad dazu, als ich Kara beauftragte, den einfachen Halfter zu holen.

»Bloß mit Halfter willst du ihn reiten?« fragte er. »Des Nachts? Dort hinüber, wo vielleicht sehr viel davon abhängig ist, daß wir unserer Pferde vollständig sicher sind?«

»Laß Syrr seinen Willen!« antwortete ich. »Ich habe nur nötig, ihn zu dem meinigen zu machen, dann kann uns nichts geschehen. Ein Reiter, der sich weniger auf das Pferd als vielmehr auf die Zäumung verläßt, bringt schließlich auch trotz dieser letzteren nichts fertig. Ein edles Pferd, welches Grund hat, den eisernen Zwang zu fürchten, kann seinen Herrn unmöglich liebgewonnen haben.«

»Fast hättest du gesagt – – kann ihn nicht achten!« lächelte der Ustad. »Natürlich denkst du hierbei neben dem Pferde an noch etwas ganz Anderes. Ich kenne dich!«

Syrr bekam also nur den Halfter; dann ritten wir fort, über die Ruinen, an den Steinbrüchen hinunter und dann nach links, wo es hinauf zur jenseitigen Ebene ging, welche der Dschebel Adawa hoch überragte. Der Ustad war schon so oft dort gewesen, daß wir uns auf seine Terrainkenntnis vollständig verlassen konnten.

Er schlug klugerweise nicht die gerade Richtung ein. Wir ritten erst nach Norden und bogen dann in einem rechten Winkel nach Westen. Falls wir nun ja gesehen wurden, hatte es nicht den Anschein, als ob wir von den Dschamikun herüberkämen. Und das war gut. Denn wir hatten noch kaum die Hälfte des Weges zurückgelegt, so bemerkten wir auf der mondbeschienenen Fläche vor uns einen Reiter, welcher zwar stutzte, als er uns erblickte, aber doch nicht aus seiner bisherigen Richtung wich. Er mußte uns begegnen. Wir taten natürlich, als ob auch wir ihn nicht zu scheuen hätten, und hielten still, als er uns erreichte und grüßte.

»Wo kommst du her?« fragte der Ustad.

»Von daher, wo Ihr hinreitet,« antwortete er. »Man sieht Euch doch gleich an, daß Ihr zu Ahriman Mirza gehört. Bringt Ihr gute Nachrichten aus Isphahan?«

»Vortreffliche. Man braucht dort nur noch die Zeit zu erfahren, so fährt der Säbel aus der Scheide.«

»Das klingt gut! Und die Zeit ist mir bekannt. Ich habe sie soeben von dem Mirza gehört und den Massaban von Feraghan entgegenzutragen, welche schon auf dem Wege sind. Wißt Ihr vom Rennen bei den Dschamikun?«

»Wir wissen Alles. Das Fest beginnt am Sonntag. Das Vorrennen findet am Montag statt, und das Hauptrennen wird am Dienstag sein.«

»Das stimmt. Nun aber komme ich mit meiner wichtigen Kunde: Nämlich die Umschließung der Dschamikun findet am nächsten Tage, also Mittwoch, statt. Sie muß am Donnerstag früh vollendet sein. Sobald der Tag graut, schlagen wir von allen Seiten auf sie los. Diese Nachricht habe ich den Massaban zu bringen, und zwar eilig. Darum verzeiht, daß ich nicht länger halten kann!«

Er ritt weiter; wir ebenso. Keiner von uns bezweifelte, daß wir diese hochwichtige Nachricht nur unsern persischen Anzügen zu verdanken hatten.

Nun kam es darauf an, den Gefahren des Gesehenwerdens für uns vorzubeugen. Die Helligkeit erlaubte es nicht, uns etwaigen Beobachtungen vom Dschebel Adawa aus zu entziehen. Unser einziger Schutz bestand in der Vortäuschung, daß wir vom Lager der Takikurden nach dem Berge kämen. Daher umritten wir ihn in einem weiten Bogen, bis wir an seine westliche Seite gelangten, wo auch das Wasser floß, an dem sich Ibn el Idrak einstellen wollte. Dieser Bach war weit hinaus mit Buschwerk besetzt und bot uns also die beste Gelegenheit, uns unter guter Deckung anzunähern. Das glückte uns aufs Beste. Wir folgten den Windungen des Wassers und kamen also auch an diejenige, wo die Unterredung mit Ibn el Idrak stattfinden sollte. Es stimmte, daß ein einzelner, hoher Baum da stand. Nun brauchte der Ustad diesen Ort nicht später erst zu suchen.

Jetzt handelte es sich zunächst um eine verborgene Stelle für unsere Pferde, bei denen ich zu bleiben hatte, weil Kara mit hinauf mußte, um dem Ustad den hohlen Holunderbaum zu zeigen. Sie sollte sich bald finden. Als wir eine Strecke längs der Südseite des Berges geritten waren, schnitt eine schmale Schlucht tief in die Felsenmassen ein. Sie war nicht offen, sondern durch eine hohe, starke, uralte Mauer abgesperrt, deren obere Kante höchst unregelmäßig verlief, weil die Werkstücke von dort herabgestürzt waren und nun unten wirr durcheinander lagen. Diese Mauer hatte zu ebener Erde eine schmale Toröffnung, auf welche der Ustad zuritt, indem er sagte:

»Das ist die Diwar-y-Mugasa103. Weshalb sie so genannt wird, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hat sie einst als eine Art von Talsperre gedient. Jetzt ist dieser Ort so verrufen, daß man ihn am hellen Tage meidet, wie viel mehr also jetzt, des Nachts. Du wirst hier ungestörter sein als an jeder andern Stelle, Effendi. Man behauptet, wenn der Teufel eine Seele hole, so schaffe er sie des Nachts hierher, um sie zu zerreißen.«

»Angenehme Wartestation!« lachte ich. »Bei der bekannten Leichtgläubigkeit der frommen Taki-Kurden bin ich da allerdings im höchsten Grade vor menschlichen Besuchen sicher. Andere aber können mich nicht stören.«

Wir stiegen ab, führten unsere Pferde zwischen den Steinen hindurch dem Tore zu und befanden uns, als wir dasselbe passiert hatten, zunächst in einem oben zugebauten Raume, in dem es vollständig dunkel war.

»Daran habe ich nicht gedacht,« fuhr der Ustad fort.»Wir hätten Licht mitnehmen sollen.«

»Habe ich,« sagte ich, indem ich eines aus der Tasche nahm und anbrannte.

Man hatte einen viereckigen, mit einem Dache versehenen Anbau an die Mauer gefügt. Hinten ging eine Oeffnung in die Schlucht; sie war von außen dicht verwachsen. In der Mitte der Dunkelkammer lag eine große Steinplatte. Weiter war nichts zu sehen. Da uns die Vorsicht verbot, die Pferde gleich hier unterzubringen, wo es im unerwünschten Falle weder ein Verbergen noch ein Entrinnen gab, versuchten wir, durch die Oeffnung hinaus in das Freie zu dringen, doch ohne die hindernden Büsche, welche diese Tür verstopften, in auffälliger Weise zu verletzen. Es gelang. Draußen war es halbdunkel, denn die Sterne fehlten dieser schmalen Schlucht, deren Felsenwände ganz beträchtlich in die Höhe stiegen. Es war keineswegs ein einladender Ort, an dem wir uns befanden. Seine Düsterheit stimmte ganz zu der teuflischen Idee, von welcher der Ustad gesprochen hatte. Wir führten die Pferde ein beträchtliches Stück in die Enge hinein und ließen sie sich niederlegen. Dann wurde es für Kara und den Ustad Zeit, ihren Gang nach der Bergeshöhe anzutreten. Ich bat sie, das Gebüsch an der Tür zu schonen, damit wir nicht durch abgebrochene Zweige verraten würden; dann entfernten sie sich. Ich aber setzte mich zu Syrr, doch so, daß ich jeden Nahenden eher bemerken konnte, als er mich.

Es verging Viertelstunde um Viertelstunde. Die Mitternacht kam. Also befanden sich meine beiden Kameraden jetzt wahrscheinlich oben auf ihrem Lauscherposten. War es ihnen gelungen, den Ort der Zusammenkunft zu entdecken? Eben legte ich mir diese Frage vor, da sah ich zwei Gestalten, welche langsamen Schrittes von der Mauer her nach hinten kamen – – – persisch gekleidet; sie waren es. Da stand ich auf.

»Bleib ruhig sitzen!« sagte der Ustad. »Wir haben über eine Stunde zu warten, ehe ich nach dem Bache gehen kann.«

»Eure Absicht ist nicht gelungen?« fragte ich.

»Nein,« antwortete er, indem wir uns niedersetzten. »Wir lagen gut versteckt beim Holunderbaum. Da kam Ahriman Mirza mit noch Einem. Wahrscheinlich war dies der Vertraute, den du in unsern Ruinen bei ihm gesehen hast, denn der Mirza hatte sich nicht vor ihm verhüllt. Sie sprachen miteinander, nicht lange und auch nicht laut, doch so, daß wir jedes Wort verstanden.

Ahriman hatte die Reitpeitsche in der Hand. Er mußte erst kürzlich einmal hier gewesen sein, denn er nahm eine Larve aus dem hohlen Baume, die nicht drin gewesen ist, als Kara ihn untersuchte. Er band sie vor das Gesicht und zog dann eine Agraffe aus der Tasche seines Rockes, um sie an die Mütze zu stecken. Dabei sagte er:

»Die habe ich noch von drüben, bei den Dschamikun. Ich fand keine Zeit, sie zu verstecken, weil ich wegen des Scheik ul Islam schnell um den Berg herum zu meinem Pferde mußte. Die hiesige kann also steckenbleiben, vielleicht für immer, denn ich glaube nicht, daß ich sie hier noch einmal brauchen werde. Heut mache ich es kurz. Die Befehle zur Umzingelung am Mittwoch Abend sind schnell gegeben. Dann gehe ich im »Utaq-y-Scheijtan«104 noch einmal die beiden Dokumente durch, ehe ich dem Scheik ul Islam das seinige in der Dschemma wiedergebe. Jetzt komm! Dieser Lieblingsesel Allahs ahnt gar nicht, daß er sich mit der Unterschrift der Kaiserurkunden vollständig in meine Hand geliefert hat!«

»Sie gingen, und wir krochen aus unserm Versteck hervor, um ihnen zu folgen. Da dies aber höchst leise und vorsichtig geschehen mußte, taten wir es nicht schnell genug und suchten dann vergeblich, eine Spur von ihnen zu sehen oder zu hören. Um wenigstens nicht ganz ohne Resultat zu dir zu kommen, kehrten wir zum Holunder zurück, aus dem wir die Agraffe genommen haben.«

»Warum? Wozu? Kann das nicht üble Folgen haben?«

»Möglich! Aber ich hatte das Gefühl, daß ich dieses glitzernde Ding nicht steckenlassen dürfe. Ich kenne diese Empfindung; sie hat mich immer richtig geführt. Denke an unsere Anzüge, ohne welche wir von dem Boten jedenfalls nichts erfahren hätten!«

»So mag es sein. Auch ich folge derartigen Eingebungen stets gern. Ist dir der Name Utaq-y-Scheijtan bekannt?«

»Nein. Ich habe ihn noch nicht gehört. Aber ich habe jetzt unterwegs darüber nachgedacht und vermute, daß er hier mit dieser Mauer in Verbindung zu bringen sei. Der Name »Teufelsstube« harmoniert mit dem Aberglauben, daß der Teufel hier die von ihm geholten Seelen zerreiße. Sollte Ahriman Mirza mit diesem Utaq-y-Scheijtan den finstern Raum dort gemeint haben, durch den wir mußten, um hierher zu kommen?«

»Mir kommt dies fast wahrscheinlich vor.«

»Mir ebenso! Er will da die beiden Kaiserdokumente noch einmal prüfen. »Kaiserurkunden«! Also das Allerwichtigste, was man ihm entreißen könnte! Aber entreißen? Nein. Es müßte klüger angefangen werden. Bitte, sprecht jetzt nicht auf mich! Es kommt mir ein Gedanke. Könnte er richtig ausgeführt werden, so wäre er unvergleichlich!«

Er schwieg hierauf, um nachzudenken. Darum waren wir auch still. Nach einiger Zeit sprang er plötzlich auf und sagte:

»Was das nur ist? Es läßt mir keine Ruhe. Komm mit, Effendi! Ich muß vor an die Mauer. Es ist Etwas in mir, was mir sagt, daß Ahriman Mirza bald erscheinen wird.«

Wir gingen mit einander nach vorn, bis zu der mit Büschen besetzten Tür. Wir schoben das Gesträuch mit den Händen zurück, um in den Raum zu treten. Da flüsterte der Ustad:

»Da – da – – da, schau! Wie recht die Stimme in mir hatte! Siehst du ihn?«

Allerdings sah ich ihn. Er war soeben gekommen und stand draußen vor dem Eingange, im Sternenschein, um sich umzusehen. Die Reitpeitsche in der Hand, die schwarze Maske vor dem Gesicht, die Agraffe an der Mütze. In seinem Gürtel flimmerte der Griff seines Chandschar, welcher dem meinigen glich. Das war Alles sehr deutlich zu sehen. Da fragte mich der Ustad leise:

»Kennst du die Sage vom Chodem des Menschen?«

»Ja,« antwortete ich ebenso leise.

»Ich weiß, daß der Mirza an diese Sage glaubt, und werde ihn bei ihr fassen. Halte die Büsche zurück, wenn ich zu ihm hineinschlüpfe und auch dann, wenn ich wiederkomme!«

Er nahm die Maske aus dem Peitschengriffe und band sie sich vor das Gesicht. Dann holte er die Agraffe aus der Blechkapsel und steckte sie an die Mütze. Hierauf steckte er auch meinen Chandschar genau so, wie der Mirza den seinigen im Gürtel trug. Und nun wartete er.

Ich wußte nicht eigentlich, was er beabsichtigte, obwohl ich die Bedeutung des Chodem kannte. Chodem ist das persische Wort für »ich selbst«. Die dortigen Metaphysiker aber bezeichnen mit diesem Worte etwas noch Anderes, ungefähr so eine Art dessen, was wir »Doppelgänger« nennen, aber in viel höherem, edlerem Sinne. Sie lehren, daß der Mensch zwar auch einen Geist besitze, den die Seele nach und nach aus den Stoffen des Körpers heraus- und emporzubilden habe, aber dieser rein menschliche Geist sei abhängig und werde geleitet von einem Geiste aus höheren Regionen, der Gott mit seinem eigenen Schicksale dafür verantwortlich sei, daß der ihm anvertraute Mensch seine Bestimmung erreiche. Dieser hohe Geist eigne sich sämtliche Aggregatszustände seines Menschen an und sei also imstande, ihm und auch Anderen persönlich zu erscheinen, und zwar ganz genau in derselben Gestalt und Kleidung wie der Betreffende selbst. Erscheine er Andern, so habe das nichts Schlimmes zu bedeuten; lasse er sich aber vor seinem eigenen Menschen sehen, so sei das ein sicheres Zeichen, daß er ihn für immer verlassen werde, also wegen des nahenden Wahnsinns oder des zu erwartenden Todes. Denn ein Mensch, der von seinem höhern Geiste, von seinem Chodem aufgegeben wird, muß entweder sofort sterben oder in geistiger Nacht langsam versiechen.

Das ist die Sage oder die Lehre, auf welche der Ustad sein jetziges Verhalten stützen wollte.

Ahriman Mirza kam herein. Er brannte ein mitgebrachtes Licht an und ging an die Steinplatte, um es dort fest anzutropfen. Als dies geschehen war, zog er zwei zusammengefaltete, große Papierbogen aus der Tasche, schlug sie auseinander und beugte sich zum Lichte, um zu lesen. Da schob sich der Ustad leise, zwischen Gebüsch und Wand hinein, schlich unhörbaren Schrittes zu ihm hin, bis er hinter ihm stand, und berührte ihn mit der Reitpeitsche. Der Mirza zuckte zusammen, richtete sich schnell auf, drehte sich um und – – – stieß einen Schrei aus, wie ihn nur der größte Schreck oder gar das wirkliche Entsetzen aus der Lunge zu pressen vermag. Dann stand er starr wie Stein, vollständig bewegungslos.

Mir selbst, der ich doch wußte, woran ich war, erschien die Szene beinahe grauenhaft. An der gespenstigen »Mauer der Vergeltung« – – in der »Teufelsstube«, wo der Satan die von ihm geholten Seelen zerreißt – – ein kleines Licht, nur zwei, drei Schritte weit schimmernd – – ein Menschen- und ein höherer Geist – – sich schwarz aus der Schwärze des ringsum herrschenden Dunkels herausgestaltend – – nicht nur einander ähnlich, sondern von unbedingt ganz gleicher Wesenheit – – der Eine ganz genau das Augenbild des Andern – – vom Kopf bis zu dem Fuß herab ein einziges »Ich« und doch in zwei Personen! Wenn es mich dabei wie kalt überlief, wie mochte es da erst dem Mirza zu Mute sein!

Sonderbarer, aber psychologisch doch ganz richtiger Weise gab er seinem Entsetzen nach dem ersten Schrei nicht etwa einen Totalausdruck, sondern er richtete es auf Einzelheiten, die ihn an sich selbst irr machten.

»Meine Agraffe!« rief er aus, mit der Hand nach des Ustad Mütze deutend. »Meine Larve – – mein Chandschar – – meine Peitsche!«

Seine Finger öffneten sich. Die beiden Papierbogen flatterten zur Erde nieder. Ich sah ihn zittern. Seine Kniee wankten; sie brachen zusammen. Er sank zu Boden, hielt sich am Steine fest, hob die andere Hand abwehrend empor und schrie:

»Mein Chodem – – mein Chodem – – mein Chodem! Was hast du mir zu bringen?«

Der Ustad antwortete, und seine Stimme klang genau so dumpf wie diejenige des Mirza unter der Larve hervor:

»Keine Krone und kein Kaiserreich! Wähle: Tod oder Wahnsinn!«

»Den Tod? Nicht ihn, nicht ihn! Ich will nicht sterben, nicht sterben! Ich muß leben, leben – – leben!«

»So hast du gewählt. Der Wahnsinn sei der Geist, der dich nun packt wie alle deine Schatten! Hinaus mit dir, hinaus! Such Schutz bei deinen Massaban! Knie vor den heiligen Scheik des Islam nieder! Verlaß dich auf die ganze Macht der Lüge! Er hat die Faust soeben ausgestreckt. Er faßt dich beim Genick wie eine tote Katze. Er schleppt dich hin, bis wo der Abgrund gähnt, und schüttelt dich hoch über – – —«

»Tote Katze, tote Katze!« unterbrach ihn der Mirza, indem er schaudernd aufbrüllte, als er diese seine eigene Drohung hörte. »Du weißt Alles, Alles, Alles! Aber ich mag deinen Wahnsinn nicht; ich will ihn nicht! Behalte ihn hier bei dir; ich aber eile fort, fort – – – fort!«

Er schnellte sich auf und sprang zur Tür hinaus. Der Ustad hob die Dokumente auf, faltete sie zusammen und steckte sie zu sich. Dann trat er vorsichtig in das Freie hinaus, um dem Fliehenden nachzuschauen.

»Komm, mein Freund!« forderte er mich dann auf. »Komm, wenn du einen Menschen sehen willst, der vor dem Wahnsinn flieht und ihm aber nun ganz unmöglich entgehen kann!«

Ich ging zu ihm hin. Der Mirza rannte, wie von Furien gejagt, geraden Weges in die Ebene hinaus, wo er doch nicht das Geringste zu suchen und zu finden hatte.

»Ist das nicht schon geistige Störung?« fragte der Ustad. »Jeder Andere würde dahin gehen, wo er seine Leute trifft; dieser aber weiß schon nicht mehr, was er tut! Für uns aber ist es geraten, uns schleunigst zu entfernen. Holen wir die Pferde!«

Wir taten es. Dann ritten wir fort, ohne das Licht ausgelöscht zu haben. Der Ustad wollte es so.

Er führte uns um den Berg herum und dann weit gegen Norden, wo wir nicht gesehen werden konnten. Dort stiegen wir ab und setzten uns nieder, denn die Zeit der Unterredung mit Ibn el Idrak war noch nicht da.

Keiner von uns sprach. Ich hatte kaum Raum genug für die Gedanken, welche mir kamen und gingen. Ist es wirklich nur Sage, oder giebt es einen Chodem für Jeden, der ein geistiges Leben führt? Da legte der Ustad seine Hand auf meinen Arm und sagte:

»Du denkst, und ich weiß, worüber. Grüble nicht, sondern warte! Der Mensch ist ja gewöhnt, nur das zu glauben, was er mit seinen körperlichen Augen sieht. Weißt du noch, daß ich Hadschi Halefs Seele durch die besondere Betonung seines vollständigen, langen Namens zurückrief. Hätte ich das nicht getan, so wäre er gestorben, so aber zwang ich ihn, »sich auf sich selbst zu besinnen«, wie man sich leider auszudrücken pflegt. Meinst du vielleicht, daß nur die Seele zu zwingen sei? Warte es ab! Die sogenannte »Erziehung« zwingt Millionen Geister in Schablonen. Sollte es denn gar so unmöglich sein, von diesen Millionen wenigstens einen einzigen aus dieser Schablone wieder herauszuzwingen?«

Wie das so eigenartig klang! Ich sollte nicht denken, sondern warten. Wer das wohl fertig brächte!

Als die Zeit gekommen war, ritten wir wieder näher an den Berg und dort in eine kleine Bodenvertiefung hinab, die uns vor unberufenen Augen schützte. Dort hatte ich mit Kara zu bleiben. Der Ustad aber ging zu Fuß hinüber nach dem Bach, wo Ibn el Idrak wahrscheinlich schon auf ihn wartete. Ich war nicht ganz ohne alle Besorgnis um den Freund, doch versicherte er, es mit einem ehrlichen Manne zu tun zu haben. Das mußte ich gelten lassen. Natürlich hatte er Larve und Agraffe schon längst wieder abgelegt.

Es verging weit über eine Stunde; da kam er wieder, mit schnellen, kräftigen Schritten, wie Jemand, der eine gute Botschaft bringt.

»Dieser Aschyk ist ein Prachtmensch geworden!« rief er uns zu, noch ehe er uns erreicht hatte. »Ich muß ihn dem Schah-in-Schah unbedingt zur Begnadigung empfehlen, und zwar sofort, wenn wir jetzt heimgekehrt sind. Denn es muß wieder ein Eilbote fort.«

»So hast du also Gutes gehört?« fragte ich.

»Sehr Gutes! Wir müssen noch vor Tages Anbruch daheim sein, damit man deinen Syrr nicht sehe. Darum habe ich mich jetzt nur kurz zu fassen. Unsere Renngegner treffen heut schon ein, um ihre Pferde mit der Bahn vertraut zu machen. Was ich nur ahnte, ist mir jetzt gewiß: Ibn el Idrak hat einen so bedeutenden Anhang unter den Taki, daß er im Stande ist, die Pläne des Scheik ul Islam zu durchkreuzen, und dazu ist er unbedingt entschlossen. Von ihm ist der Gedanke ausgegangen, daß ich Ustad der Taki werden soll, und er hält ihn sogar jetzt noch fest. Der Scheik ul Islam hat ihm aber in schlauer Weise vorgegriffen, um entweder die Ausführung ganz unmöglich oder mich zu einem seiner willigen Geschöpfe zu machen. Seit er seinen Ghulam als Ustad eingeschmuggelt hat, haben mehrere stürmische Sitzungen stattgefunden. Zu ihm halten die denkschwachen Fanatiker, welche Fatima noch über Muhammed selbst setzen, und die jüngeren Babi, die den Kaiser tief unter sich wissen wollen. Das sind unsere Gegner, die sich zunächst am Rennen und dann auch am Kampfe beteiligen werden. Ich will sie einstweilen die Ultra-Taki nennen. Die Andern sind die Friedfertigen. Sie haben uns beobachtet und nie eine Ueberhebung, eine Falschheit bei uns gefunden. Sie verlangen, uns als Menschen achten zu dürfen, nicht aber um des Glaubens willen uns hassen und befeinden zu müssen. Sie wollen Mohammed verehren, aber nicht den Scheik ul Islam anbeten. Sie wollen dem Schah-in-Schah gehorchen und keine willenlose Puppe an seiner Stelle sehen. Sie haben Ibn el Idrak beauftragt, diese ihre Wünsche in der Dschemma vorzutragen, sind aber mit einer so hochmütigen und beleidigenden Rücksichtslosigkeit abgewiesen worden, daß sie beschlossen haben, nun auch ihrerseits nicht die geringste Rücksicht mehr zu nehmen und ihre Wege ebenso heimlich zu gehen wie die Andern. Die erste Folge dieses Entschlusses ist die jetzige Unterredung mit mir. Ich bin mit Ibn el Idrak so aufrichtig gewesen, wie es mir geboten erschien. Er staunte über das, was er erfuhr. Als ich ihm schließlich aber auch noch mitteilte, daß ihr neuer Ustad der blutige, gewissenlose Henker der Sillan sei und daß der Oberste der Schatten Kaiser werden solle, war er ganz außer sich über dieses betrügerische Spiel und nahm sich vor, diese Hinterlist mit gleicher Münze zu bezahlen. Die Ultra-Taki werden also nicht das Geringste von dem erfahren, was die Friedfertigen und Regierungstreuen zu tun gesonnen sind. Der gegen sie gerichtete Schlag wird über sie kommen wie ein Blitz aus wolkenlosem Himmel.«

»Und worin wird dieser Schlag bestehen?« fragte ich.

»Man wird kein Wort gegen den Kampf mit uns sprechen, sie aber im letzten Augenblick einfach sitzen lassen. Greifen sie uns dann trotzdem an, so geschieht ihnen, was sie verdienen. Das sind die allgemeinen Gesichtspunkte; über das Besondere sprechen wir später. Jetzt müssen wir fort, denn der Osten wird schon licht.«

»Also nun der Proberitt! Ich denke, es wird noch Niemand so schnell hinübergekommen sein, wie gegenwärtig wir. Reitet ihr voran!«

»Voran? Warum?«

»Weil ihr mich sonst bald aus den Augen verlieren würdet!« lachte ich.

»Uebermut! Willst du Kara‘s Barkh und sogar deinen Assil kränken?«

»Nein. Darum eben bitte ich Euch, eine Vorgabe anzunehmen.«

»So sei es! Aber ich sage dir: Wir wenden, um uns nicht einholen zu lassen, sogar das Geheimnis an, und dein Syrr hat ja keines!«

»Er braucht keins, weil er selbst Geheimnis ist. Macht los! Ich steige nicht eher auf, als bis ich Euch nicht mehr sehen kann; dann aber komme ich!«

Sie schwangen sich über die Bügel, nahmen gleichen Anlauf und ritten in die Ebene hinaus, westwärts, schneller, immer schneller, bis ich sie in fliegenden Galopp fallen sah. Syrr war verwundert. Er sah bald mich an, bald hob er den Kopf, um den Forteilenden nachzuwinden. Er warf ihn auf und nieder; er schüttelte ihn. Er schnaubte; er scharrte den Boden. Er wieherte endlich gar. Da streichelte ich ihn, und sofort wurde er vollständig ruhig. Aber er richtete die Augen unablässig nach vorwärts, wo die beiden Reiter immer kleiner und kleiner wurden.

102.Sohn des Verstandes.
103.Mauer der Vergeltung.
104.Teufelsstube.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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