Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 33
Nun verschwanden sie. Ich setzte den Fuß in den Bügel. Da drehte Syrr den Kopf herum und ließ jenen tiefen, fast grunzenden Baßton hören, dem man es deutlich anhört, daß er sagen soll: »Na, endlich, endlich, endlich! Aber nun!« Noch saß ich nicht fest, so flog ich schon. Ich brauchte nichts zu sagen, ich brauchte nichts zu tun. Er wollte ja selbst, was er sollte! Ein solcher Ritt läßt sich leider nicht beschreiben. Wenn ich die Augen schloß, war es mir, als ob ich nur so schwebe!
Schon nach einigen Minuten sah ich den Ustad und Kara wieder. Sie ritten noch beisammen. Ich näherte mich ihnen zusehends. Jetzt mußten sie sich umgeschaut und mich bemerkt haben, denn ich erkannte aus den Bewegungen ihrer Pferde, daß die Geheimnisse in Anwendung kamen. Da bog ich mich vor und berührte Syrrs Hals, leise streichelnd. »U – – u – – u!« machte er und griff sodann in einer Weise aus, als ob die bisherige Schnelligkeit so viel wie nichts gewesen sei. Wir rückten vor, kamen näher, immer näher. Kara war schon zurückgeblieben, denn mein Assil war dem Barkh überlegen. Noch zehn Pferdelängen – – noch fünf, noch drei, noch eine – – Jetzt hatte ich ihn eingeholt und ritt neben ihm.
»Ma‘assalami – – lebe wohl, Kara!« lachte ich ihm zu. »Gieb dem Barkh doch das Geheimnis!«
»Ich gab es ja bereits!« antwortete er.
»So komm hübsch langsam nach!«
Syrr wieherte, als ob er diesen Scherz verstanden habe, in sich hinein, schnellte sich mit zwei, drei fast unbegreiflichen Sprüngen über Barkh hinaus, warf den Kopf für einen Augenblick herum, um zu sehen, ob er ihn auch wirklich überholt habe, und nahm dann nur noch Assil in die Augen. Dieser war ungefähr zwanzig Pferdelängen voran.
»Sabah bil-cher – – guten Morgen!« rief ich nun dem Ustad zu. »Mach schnell, sonst wird es Tag!«
Er antwortete nur, indem er den Arm in die Luft warf, denn etwas Anderes hätte den Lauf seines Pferdes leicht hemmen können. Dennoch wurden aus den zwanzig Längen fünfzehn – – zehn – – fünf – – zwei – – eine – – jetzt hatte ich ihn! – – wieder einige federschnellende Sprünge meines Syrr – – da war ich voraus – – —
»Gibst du zu, daß du bald weit hinter mir sein wirst?« fragte ich.
»Warum das ausdrücklich zugeben?« antwortete er.
»Weil ich dann innehalte. Ich möchte meinen Assil nicht kränken. Er schämt sich, wenn er überholt wird.«
»Das ist brav von dir! Ja, dein Syrr ist uns über, sogar weit über. Hemmen wir also den Lauf!«
Indem wir dies taten, holte uns Kara schnell ein. Da war es geradezu rührend, daß alle drei Pferde vor Freude darüber, daß sie nun wieder beisammen waren, laut aufwieherten, eines wie das andere, fast »wie aus einem Munde«, wie man zu sagen pflegt. Und nun sahen wir, wie unglaublich schnell uns dieses Proberennen vorwärts gebracht hatte: Die Ebene war zu Ende; die Berge der Dschamikun lagen vor uns. Wir hatten nur noch hinunter in das Tal und drüben wieder hinaufzureiten, um an den Steinbruchweg und also heimzukommen. So leicht, so schnell kommt der Mensch vom Bösen auf das Gute, wenn er die Kräfte zu benutzen weiß, die ihn nach oben und heim zu tragen haben!
Wir konnten mit dem Resultate dieses Proberittes im höchsten Grade zufrieden sein. Hatten wir uns schon vorher nicht vor dem Rennen gefürchtet, so waren wir nun vollständig überzeugt, wenn nicht alle, so doch wenigstens die Haupttouren sicher zu gewinnen. Bei uns angekommen, sorgten wir zunächst für die herrlichen Tiere; dann trennten wir uns. Ich ging sogleich schlafen und wachte erst am späten Morgen auf.
Als Schakara mir das Frühstück brachte, sagte sie mir, daß noch während der Nacht ein Eilbote des Schah gekommen und dann mit der Antwort des Ustad wieder fortgeritten sei. Er habe sich absichtlich so gekleidet gehabt, daß Niemand erraten konnte, wer oder was er sei. Der Herrscher hatte nichts weiter als den Befehl geschickt, womöglich Blutvergießen zu vermeiden. Der Ustad war erfreut gewesen, bei dieser Gelegenheit dem Schah zunächst das von dem Aschyk erhaltene Verzeichnis und sodann auch die heut nacht erlangten beiden Kaiserdokumente senden zu können. Damit waren der Scheik ul Islam und Ahriman Mirza ein für allemal vernichtet. Und zugleich hatte er auch ein Gnadengesuch für den Aschyk beigelegt. Ich dachte, als ich dies hörte, an seinen Ausspruch, daß der Aschyk ein prachtvoller Mensch geworden sei. Er hatte sich hierüber nicht weiter geäußert; nun aber erfuhr ich von Schakara, daß der Aschyk sich Ibn el Idrak freiwillig zur Verfügung gestellt und eine gradezu erstaunliche Geschicklichkeit und Ausdauer entwickelt habe, die Taki zu überzeugen, daß man durch lichtscheuen Ungehorsam gegen den Schah nichts als den eigenen Untergang erreiche. Uebrigens sei der Ustad der Meinung, daß die dortigen Ultra‘s den Mut nicht haben würden, den sie zeigten, wenn sich nicht grad jetzt der Scheik ul Islam, der Mirza und die Gul-i-Schiras bei ihnen befänden, in deren Interesse es liege, diese Leute in ihrem stupiden Fanatismus zu bestärken.
Ich war noch nicht draußen auf meinem Freidache gewesen. Jetzt bat mich Schakara, mit ihr hinauszukommen, weil sie mir Interessantes zu zeigen habe. Sie meinte da zunächst ein großes, herrschaftliches Zelt, welches, schon fast fertig, drüben in den Ruinen errichtet worden war. Nicht weit davon sah ich andere Leute beschäftigt, ein zweites, auch großes, aber nicht so prächtiges herzustellen. Auf meine Frage, für wen diese beiden Zelte seien, antwortete sie:
»Das so schön ausgeschmückte ist für die Gul-i-Schiras bestimmt. Sie handelt da jedenfalls im Auftrage des Ahriman Mirza, der hierdurch der Besetzung der Ruinen durch die Taki vorauskommen will. Ihre Leute kamen schon kurz nach Tagesanbruch hier an, um den Bau sogleich zu beginnen. Der Scheik ul Islam scheint so etwas gewußt oder wenigstens geahnt zu haben, denn er hat sich beeilt, auf diesen Schachzug einen ähnlichen zu tun. Seine Diener kamen mit dem zweiten Zelte, und wie du siehst, wird sich nun die himmlische Tugend eng neben dem irdischen Laster niederlassen, und zwar beide, ohne uns vorher um unsere Ansicht hierüber gefragt zu haben.«
»Will das der Ustad dulden?«
»Er wartet noch. Kommt seine Zeit, so wird er zu handeln wissen. Und nun schau dort hinaus, jenseits des Sees! Da baut man ein drittes, großes Zelt. Das ist für Ahriman Mirza. Er hat, auch ohne zu fragen, diese Stelle gewählt, weil seine Schatten und Massaban von jener Seite heranziehen werden. Der Anfang zu der Umzingelung wird also schon heut gemacht. Aber ebenso von heute an sind auch schon unsere nahen und fernen Posten ausgestellt, welche dafür sorgen, daß wir jede feindliche Annäherung rechtzeitig erfahren. Die sämtlichen Dschamikun stehen bereits unter Waffen, wenn sie es auch nicht sehen lassen, die hiesigen wie auch die auswärtigen. Ebenso auch die Kalhuran, mit denen wir verbündet sind. Sie haben bereits ihre besten Reiter und Rennpferde gesandt. Da schau hinab, wie sie schon üben! Was der Ustad für einen Verteidigungsplan entworfen hat, das weiß ich nicht; aber er sagte mir, ich solle Marah Durimeh nicht um Hilfe bitten; wir seien stark genug. Diese Zuversicht ist höchst beruhigend. Ich habe aber trotzdem einen Boten an sie gesandt, und ihre noch nie besiegten, wohlgewappneten Reiter werden zur rechten Zeit erscheinen. Du weißt ja,« fügte sie lächelnd hinzu, »die Seele ist selbst dann noch gern für den Geist besorgt, wenn er meint, seiner Sache vollständig sicher zu sein!«
Eben als sie dies sagte, bemerkten wir eine lebhafte Bewegung, welche sich schnell über den ganzen Duar verbreitete. Die Ursache war ein jetzt aus dem Osten angekommener Reiter, welcher allen, die es hören wollten, eine Neuigkeit verkündete und dann herauf zum hohen Hause lenkte. Als er durch das Tor kam, erkannten wir ihn. Es war der Reitknecht unseres Dschafar Mirza. Er hatte der Hilfe des Schah als Führer gedient und war ihr eine Strecke vorausgeritten, um zu melden, daß hundert Mann der Ghulman-i-Schahi105 im Anzuge seien. Er brachte das Pferd des Hauptmanns mit. Zu gleicher Zeit kam die Gul-i-Schiras mit ihrem Hofstaate auf unserm gestrigen Wege links heraufgeritten, und in kurzem Abstande folgte ihr der Scheik ul Islam mit seinem hochtrabenden weltlichen und geistlichen Stabe. Sie ritten direkt nach den Ruinen, von denen sie Besitz ergriffen, als ob sie da zu Hause seien. Ihre Rennpferde wurden ihnen nachgeführt.
Schon nach einigen Minuten schien sich zwischen den beiden Parteien ein Streit über den Platz entspinnen zu wollen, kam aber für dieses Mal nicht ganz zum Ausbruche, weil die Aufmerksamkeit der sich Entzweienden nach Osten abgelenkt wurde, wo jetzt die Leibwache auf der Bildfläche erschien. Diese außerordentlich gut berittenen und bewaffneten, glänzend uniformierten Hundert erregten Verwunderung. Wie kam der Ustad zu der noch nie dagewesenen Auszeichnung, vom Kaiser eine so direkte Unterstützung zu empfangen?! Aber diese Verwunderung verwandelte sich wohl gar in Schreck, als hinter dieser Leibkavallerie noch ein Artilleriezug von zwanzig Zambureks106 erschien, dem eine ganze Reihe Bagage und Munition tragender Kameele folgte. Zwanzig Kanonen! Wenn auch nur so kleine! Wenn solche Abwehrmittel den Dschamikun zur Verfügung standen, so war es doch wohl nicht so leicht, mit ihnen anzubinden, wie man gedacht hatte! Und wozu oder warum waren dem Ustad diese Truppen geschickt worden? Er wußte doch nicht das Geringste von dem geplanten Angriff gegen ihn! Er sollte doch vollständig überrascht werden! Sollte er doch vielleicht Etwas erfahren haben? Aber von wem? Es galt vorsichtig zu sein! Vor allen Dingen gegen die eigenen Verbündeten!
Jetzt stieg der Hauptmann hier oben zu Pferde, um hinabzureiten und die zwar kleine, aber kriegerisch gewichtige Schar zu empfangen und seinen Absichten gemäß unterzubringen. Ihre Ankunft hatte auch da draußen bei Ahriman Mirza Aufsehen erregt. Er kam am See herbeigeritten, anscheinend um der Prinzessin seinen ersten Besuch in ihrer neuen Wohnung zu machen, denn er hatte sein Gefolge bei sich, genau dieselben Personen, die am Sonntag voriger Woche drüben am Beit-y-Chodeh mit ihm unser Fest gestört hatten. Das war eine Art von Demonstration, die wir ihm gönnen konnten, da er uns unvorsichtiger Weise durch sie verriet, daß seine Unteranführer bei ihm angekommen seien. Er ritt, ohne im Duar anzuhalten, direkt nach den Ruinen. Als er vor dem Zelte abstieg, kam die Gul heraus, ihn zu begrüßen. Hierbei sah ich sie zum ersten Male. Sie führte ihn hinein. Seine Begleiter blieben im Freien. Nach einiger Zeit ließ man den Scheik ul Islam kommen. Auch er verschwand in dem Zelte.
Nun bemerkte ich erst, daß Syrr nicht zu sehen war. Ich fragte Schakara nach ihm, fast beschämt über diese meine Unaufmerksamkeit. Man hatte ihn im Garten untergebracht, damit er von den Zelten da drüben aus nicht gesehen werden könne. Ich bat meine »Seele«, ihn ja gut zu versorgen.
Jetzt traten die drei hohen Persönlichkeiten wieder aus dem Zelte und gingen mit einander quer durch die Ruinen, dem Glockenwege zu.
»Sie wollen herüber zu uns!« sagte Schakara. »Das muß ich dem Ustad augenblicklich melden. Unser liebes Haus muß rein von solchem Zuspruch bleiben! Er wird sie abweisen!«
»So bitte ihn, dies womöglich hier unter meinem Dach zu tun. Ich möchte die Gul kennen lernen und darum gern hören, was und wie sie spricht.«
Schakara eilte hinab. Ich beobachtete die Nahenden, doch so, daß sie mich nicht sahen. Die Prinzessin war eine hohe, volle Gestalt. Sie hatte ihre Kleidung überreich mit Schmuck beladen. Einen Schleier trug sie nicht, hatte sich also von der in ihrem Kreise gebotenen, schamhaften Zurückhaltung emanzipiert. Ihr Haar war vorn abgeschnitten und bedeckte die Stirn, ganz nach Art unserer sogenannten Simpelfransen, zuweilen auch Ponyfrisur genannt. Die persischen Haremsfrauen lieben es nämlich sehr, ihrem Gesichte hierdurch einen zwar geistlosen, dafür aber um so begehrlicheren Ausdruck zu geben.
Hinten hingen die Zöpfe fast bis auf den Boden herab. Sie waren mit goldenen Schnuren, Fransen und Trotteln durchflochten, also sehr wahrscheinlich nicht echt. Bezeichnenderweise trug sie in der Hand eine Reitpeitsche, ganz so, wie Ahriman Mirza auch. Sie schwippte mit derselben im Gespräche bald hin und bald her und war überhaupt in allen ihren Bewegungen so lebhaft, so bestimmt und so gebieterisch, so wegwerfend und, ich möchte sagen, so keck, wie ich bisher noch keine einzige Orientalin zu sehen bekommen hatte.
Sie erreichten die Pferdeweide und blieben einige Zeit bei Assil, Barkh und Sahm stehen. Sie sprachen dabei sehr lebhaft über die Pferde. Was, das konnte ich nicht hören, aber ihren Gestikulationen nach konnte es nicht sehr lobend sein. Da trat die Prinzessin zu Assil heran und faßte ihn am Maule, um es zu öffnen und seine Zähne zu sehen. Er wollte das nicht dulden. Da schrie sie ihn zornig an und schlug ihn an die Ganaschen. Im nächsten Augenblicke lag sie am Boden, von einer kräftigen Kopfbewegung des Rappen niedergeschleudert. Sofort sprang Ahriman Mirza hinzu, hob die Peitsche empor und holte aus, um ihn zu züchtigen – – – kam aber nicht dazu. Assil war schneller als dieser Mensch. Er machte eine blitzschnelle Schwenkung, warf sich hinten in die Höhe und schlug nach ihm aus. Der Huf traf den Kopf des Persers, welcher mit einem lauten Schrei zusammenbrach. Der Hengst wieherte herausfordernd auf und stellte sich zur weiteren Gegenwehr bereit. Der Scheik ul Islam aber und auch die Prinzessin, welche sich wieder aufgerafft hatte, traten zu Ahriman hin, um zu sehen, mit welchen Folgen er getroffen worden sei. Er stand mit ihrer Hilfe wieder auf, hielt aber den Kopf in beiden Händen. Es schien glücklicher Weise nur ein Streifhieb gewesen zu sein. Der Kopf wurde betastet, begutachtet und endlich wieder freigegeben. Dann setzten sie den unterbrochenen Weg zu uns fort, sichtlich im höchsten Grade erzürnt, aber langsam, sehr langsam, weil Ahriman nur schwankend und nicht schneller gehen konnte.
Schakara hatte den Ustad geholt. Sie standen mit einander grad unter mir und hatten den Angriff auf das Pferd und dessen Verteidigung gesehen. Nun kamen die Drei heran. Sie blieben vor ihnen stehen. Ein eigenartiges Zusammentreffen! Es wurde zunächst kein Wort gesprochen; aber Auge tauchte sich in Auge. Dann begann die Prinzessin zu fragen:
»Von wem werden wir hier empfangen? Wer bist du?«
Ihre Stimme klang hart, hochmütig, verächtlich.
»Ich bin der Ustad der Dschamikun,« antwortete er gelassen.
»Und wer ist das Geschöpf an deiner Seite?«
»Geschöpf?« wiederholte er ihren beleidigenden Ausdruck, aber lächelnd. »Ja, du hast recht gesagt, ohne es zu wollen: Sie ist ein Geschöpf Gottes, des Allerhabenen, des Allreinen; sie wurde von ihm erschaffen in seiner Weisheit und Güte. Du aber bist kein Geschöpf. Du wurdest nicht von dieser Weisheit und Güte erschaffen, sondern von sündigen Menschen in Sünde erzeugt und geboren. Darum wird sie, die körpergewordene Reinheit der Frauenseele, sich jetzt von uns entfernen, weil die Tugend geht, sobald das Laster naht!«
Er trat zur Seite, um Schakara an sich vorüberzulassen. Sie senkte errötend das liebe Gesicht und ging. Die Prinzessin schien vor Erstaunen über diese Verwegenheit keine Worte finden zu können. Sie schnappte förmlich nach Luft. Ihre Augen funkelten; ihre Lippen bebten; die Peitsche zitterte in ihrer Hand; die Antwort aber blieb aus. Da nahm sich der Scheik ul Islam der Beleidigten zornig an:
»Du scheinst nicht zu wissen, wen du vor dir hast. Diese hochgeborene, edelgepriesene Fürstin ist unsere allverehrte Schahsadeh Khanum Gul, welche gekommen ist, dich mit ihrer beglückenden Gegenwart zu erfreuen.«
»Das weiß ich wohl. Ich weiß sogar noch mehr, nämlich daß auch du sie kennst und dich trotzdem nicht schämst, ihre Gegenwart beglückend zu nennen. Wehe dem Volke, dessen geistliche Väter, deren Obersten einer du bist, sich mit den Töchtern des Fleisches verbinden, um dann die Männer beherrschen zu können! Scheik des heiligen Islam lässest du dich nennen? Und nimmst dich, schlau berechnend, des geraden Gegenteils von heilig an? Erscheint dir die Schande nur deshalb so verdienstlich, weil du sie durch die goldene Naddara betrachtest, mit welcher du leichtsinnige Köchinnen zu belohnen pflegst? Dort steht die Tür zu meiner Küche offen. Deine Freundin Pekala und dein Vertrauter Tifl sind bereit, den Segen des heiligen Mannes und des unheiligen Weibes zu empfangen! Du brauchst dich ihnen nicht wieder in der Demut des Schreibers zu nahen. So dumm sie sind, als Meisterstück des Islam erkennen sie dich an!«
Sein Gesicht erbleichte. Er krallte mit den Händen in seinen langen, dünnen Bart, als ob er sich da festhalten wolle. Er stand wie ein Schulknabe da, der Prügel bekommen hat und sich noch extra dafür bedanken soll. Eine Erwiderung fand er nicht. Dafür aber ergriff nun der Mirza des Wort. Er hatte sich mit den Händen wiederholt nach der schmerzenden Stirn gegriffen. Jetzt sammelte er sich und brach los:
»Mensch, was ist mit dir, daß du es wagst, in dieser Weise mit uns zu reden! Die Allerhöchsten des ganzen Reiches stehn vor dir! Ist denn hier bei Euch Alles verrückt geworden, die Menschen sowohl wie auch die Tiere? Wir sind es nicht gewöhnt, daß jede Bestie nach uns schlägt! Sei froh, daß ich jenes Vieh dort nicht sofort erschossen habe!«
Er zog bei diesen Worten als nachträgliche Drohung seine Pistole halb aus dem Gürtel. Da schüttelte der Ustad lächelnd den Kopf und sagte:
»Heb diese deine Kugel für Euren Iblis auf! Es ist doch – – —«
»Iblis?« unterbrach ihn da der Mirza schnell. »Wer hat dir verraten, daß ich den Iblis, den Unbesieglichen, mitgebracht habe? Wer, wer?«
Da bohrte sich des Ustad Blick in seine Augen, und langsam, schwer, bedeutungsvoll erklang die Antwort:
»Dein eigener Chodem sagte es dem meinigen!«
Da fuhr sich der Mirza mit beiden Händen schnell wieder an den Kopf und rief aus:
»Mein Chodem – – Chodem – – Chodem! Auch hier wieder, auch hier! Warum läßt er mir seit dieser Nacht keine Ruhe! Ich bin doch fort von ihm! Ich habe ihn stehen lassen! Warum läuft er mir nach, überall, überall! Warum dieser Schlag des Pferdes an meinen Kopf! Der war von ihm, von ihm! Ich soll wahnsinnig werden, verrückt, verrückt! Ich werde es auch, wenn er mir keine Ruhe läßt. Fort, fort! Ich lasse ihn wieder stehen! Mag verrückt werden, wer da will, aber nur nicht ich, nicht ich!«
Er drehte sich um und lief von dannen, »mit gleichen Beinen,« wie man zu sagen pflegt, mehr als eilig und immer mit der Peitsche um sich herumfuchtelnd, über die Weide – – aber dann nicht nach dem Wege – – – sondern er kletterte, als ob er gejagt werde, gleich an der Mauer nach den Ruinen hinunter – – – rannte nach dem Zelte der Khanum Gul, warf sich dort auf sein Pferd und jagte derart davon, daß ihn sein sofort auch aufbrechendes, verwundertes Gefolge unmöglich einholen konnte.
Was aber die Prinzessin und den Scheik ul Islam betrifft, so machten auch sie sich wieder von dannen, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, Beide besiegt und beschämt, wie vielleicht in ihrem ganzen Leben noch kein einziges Mal. Dann schaute der Ustad herauf zu mir und fragte:
»Denkst du noch an meine Worte? Dieser Geist beginnt bereits seine Schablone zu verlassen. Wie bald, so haben wir es nur noch mit einem stupiden Menschen zu tun. Das ist das Schicksal aller Fürsten der Schatten!«
Er kehrte in das Haus zurück, und ich kam mit ihm heut gar nicht mehr zu sprechen. Seine Zeit war zu sehr in Anspruch genommen, doch ließ er mich durch Schakara über alle Geschehnisse schnell und ausführlich unterrichten!
Zu meiner Ueberraschung wurde mir heut das Mittagessen nicht von ihr allein gebracht. Pekala kam mit. Sie hatte das gewünscht, um mir Etwas mitteilen zu können. Da stand sie nun vor mir, glühend vor Verlegenheit und nach den passenden Worten suchend. Als ich ihr Mut machte, begann sie endlich:
»Effendi, ich bitte dich, es mir zu glauben: Ich dachte, daß es eine Madama sei, eine echte, richtige, wirkliche Madama! Sie war ja so dick! Aber als sie sich in der Küche niedersetzte, gleich auf den Boden, mit einem solchen Plumps, da nahm ich ihr das Tuch vom Kopfe und – und – – und da erschrak ich so fürchterlich, daß ich ganz gewiß auch niedergefallen wäre, wenn ich mich nicht an ihr festgehalten hätte – – – nein, nicht an ihr, sondern an ihm, denn sie war ein Mann. Denke dir! Und sie hatte solchen Hunger! Und er aß so schön, und so schnell, und so viel! Und dann schlief sie ein! Und dann aß er weiter und schlief wieder ein! Sie aß mir fast Alles weg, was ich für Andere machte, denn er war ganz ausgehungert von der Reise. Nun ist sie endlich satt, und weil es ihm bei mir so schmeckt, sind wir mit einander übereingekommen, daß wir uns niemals, niemals wieder trennen werden. Was sagst du dazu, Effendi? Bist du einverstanden?«
»Du bist doch deine eigene Herrin und kannst also machen, was du willst!«
»Das weiß ich wohl. Und ich würde mir auch nicht dreinreden lassen; aber die Höflichkeit erfordert doch, daß ich wenigstens so tue, als ob ich frage. Darum bin ich schon beim Ustad gewesen. Er hat mich freigegeben, vollständig frei. Nun komme ich auch zu dir. Lässest auch du mich gehen?«
»Sehr gern!«
»Aber ich komme nicht wieder, gar nicht!«
»Das wünsche ich auch!«
»So! Also auch du! Ich dachte, man würde weinen. Aber es fällt keinem Einzigen ein, es zu tun. Und ich habe doch so gut gekocht! Darum räche ich mich. Ich gehe nämlich sofort. Agha Sibil hat einige Retourkamele nach Isphahan zu schicken. Da setzen wir uns auf, ich, mein Kepek und auch mein Tifl. Es geht schon in einer Stunde fort. Mein Kepek hat seit heut früh immerfort gegessen und wird es also aushalten bis zur nächsten Station. Ich will also Abschied von dir nehmen, für immer und für ewig, und reiche dir meine Hand!«
»Behalte sie! Sie gehört nicht mir, sondern deinem Kepek, für immer und für ewig.«
Diese völlige Gleichgültigkeit schien sie zu erzürnen. Sie ging nach der Tür, blieb dort noch einmal stehen und sagte:
»Es gibt hier Keinen, der ein edles Frauenherz begreift. Mein Kepek ist der Einzige. Aber der Ustad hat mir meinen Lohn gegeben und auch noch ein großes Bakschisch dazu. Nun bin ich mit Euch allen quitt und mag nie wieder Etwas von Euch wissen. Mich seid Ihr los, ganz gründlich, gründlich los!«
So ging sie hinaus.
Wie das so schnell gekommen war! Ob ein Aschyk oder ein Kepek, ist ganz gleich; nur die Kochkunst muß er bewundern, und erziehen muß er sich lassen! Auch eine Art derjenigen weiblichen Wesen, welche sich rühmen, die »Seelen« oder gar die »Engel« ihrer Männer zu sein! Genau eine Stunde später sah ich, daß ihre Sachen hinunter nach Agha Sibils Zelt geschafft wurden. Dann gingen sie selbst, Pekala an ihres Kepek Seite, eine voluminöse Eßwarenliebe, voran Tifl, der dünn Aufgeschossene. Nicht lange Zeit hierauf humpelten die Lastkamele aus dem Duar, welche die »Festjungfrau« mit ihrem neuen, erkochten Glück von dannen trugen. Kein einziger Dschamiki gab ihnen das Geleite. Das war die ganz natürliche Folge ihrer unbedachten Schwätzereien!
Am Nachmittag erfuhr ich durch Schakara, daß der Ustad den geheimen Weg vom Allerheiligsten auch untersucht hatte. Er war sogar auch unten im Bassin gewesen, hatte mir aber nichts davon mitgeteilt, um mich nicht über ihn zu beunruhigen.
Ich hatte mir die Dschamikun in einer gewissen, nicht sehr hohen Zahl vorgestellt. Als sie sich aber heut, am Vortage der morgenden Feier, einstellten, einzeln, in größeren Trupps und in ganzen Scharen, sah ich zu meinem Erstaunen, wie dicht bevölkert diese so abgelegene Gegend war und wie bedeutend der geistige Einfluß, den der einsame Duar rundum gewonnen hatte. Man sah die Zelte, Jurten, Laubhütten und offenen Lager überall und eng aneinander entstehen. Sie bedeckten nach und nach das ganze Tal, stiegen an allen Höhen empor, krochen unter die Bäume der ringsum ragenden Wälder und kletterten über die Berge hinüber, um sich über die Hochebene dort weit auszubreiten. Man hatte mir nicht zuviel gesagt; es kamen Tausende, und selbst als es schon dunkel geworden war, hörte dieser Zufluß noch nicht auf.
Am Abend ließ der Ustad mir sagen, daß ich möglichst zeitig schlafen gehen möge, weil er beabsichtige, mit mir in frühester Morgenstunde auszureiten. Ich tat es und erwachte, als es noch nicht vier Uhr morgens war. Der Tag begann, leise zu grauen. Von meinem Vorplatze aus sah ich, daß er schon unten bei den Pferden war. Er sattelte die Sahm. Daher beeilte ich mich, zu ihm hinabzukommen, wo ich erfuhr, daß ich den Syrr reiten sollte. Sitz und Halfter lagen schon bereit; ich brauchte beides nur an- und aufzuschnallen.
»Heut wirst du die Sahm kennen lernen,« sagte er. »Dein Assil hat sie besiegt. Wollen aber sehen, wie du nach einigen Stunden hierüber denkst.«
»Stunden?« fragte ich, denn ich bemerkte, daß die Satteltaschen mit Proviant gefüllt waren. »Willst du an diesem Gedenktage so lange von hier fortbleiben?«
»Hierüber später,« antwortete er, indem er aufstieg.
Ich folgte diesem Beispiele; dann ritten wir – – – nicht etwa durch das Tor oder über die Ruinen, sondern den steilen, schmalen Glockenweg empor zum Alabasterzelt, er voran, ich hinterher, ein nicht ganz ungefährlicher, aber wunderbarer Ritt!
Das Tal war noch nicht erwacht. Kein Mensch schaute zu uns empor. Die Sahm ging unter ihm so leicht, so sicher, als ob sie Flügel habe und ausgleiten dürfe, ohne je zu stürzen. Und Syrr? Er tat, als ob er jeden Schritt dieses kühnen Weges kenne. So fest und dabei so elastisch federnd stieg doch die Stute nicht!
Hoch oben wich der jetzige Pfad von dem früheren ab, welcher quer über die schon einmal erwähnten, lockern Geröllmassen geführt hatte. Diese waren in Bewegung gekommen und hatten sich so weit vorgeschoben, daß sie in die Tiefe zu stürzen drohten.
»Das macht mir schwere Sorge,« sagte der Ustad. »Dem Zelte zwar kann nichts geschehen, denn es steht auf unerschütterlichem Felsen; aber wenn diese gewaltigen, haltlosen Massen rechts und links von ihm aus irgend einem Grunde einmal in Schuß geraten, so steht für die Ruinen da unten eine Katastrophe bevor, der sie nicht widerstehen können. Ich vermute, dann ist es mit der ganzen, steinernen Vergangenheit zu Ende! Ich nehme an, daß du gern hin zum Zelte möchtest, bitte dich aber, für heute zu verzichten. Da, schau, es ist von Holzstößen umgeben, welche angebrannt werden sollen. Das muß man von unten aus sehen, nicht von hier.«
Wir ritten also von weitem vorüber, bis auf die zurückliegende, höhere Kuppe des Berges, von welcher aus man das ganze Gebiet der Dschamikun im ersten Morgenlichte liegen sah.
»Mein liebes, kleines Reich!« sagte er. »Man will es mir nehmen. Wie töricht das ist! Fast eine Hanswurstiade! Man zieht von allen Seiten bewaffnet gegen uns heran. Darum starren nun auch wir in Waffen; mein guter, kriegerischer Chodj-y-Dschuna hat es so gewollt. Wie überflüssig! Die Rädelsführer befinden sich ja ganz in meinen Händen. Ich brauchte sie nur festzunehmen und abzuliefern, wie ich die Beweise abgeliefert habe. Aber wie mich die Liebe der Meinen gezwungen hat, zu der heutigen Gedenkfeier ein Ja zu sagen, so will ich ihnen auch den Willen lassen, zu zeigen, daß sie nicht nur in guten, sondern auch in gefährlichen Tagen treu zu mir stehen. Es würde von mir undankbar sein, ihnen die Vorfreude auf den Sieg zu zerstören. Aber für heut verlasse ich sie. Wir kommen erst am Abend wieder. Man mag gegen mich schreien und zetern, gegen mich schreiben und sprechen, gegen mich lügen und schwindeln, fälschen und verzerren, fabeln und fingieren – – ich weiche keinen Schritt, keinen einzigen, von dem Platze, den mir der Unverstand nicht gönnen will. Aber wo ich gelobt oder gar gefeiert werden soll, da ist meine Stätte nicht. Die Erfahrung hat mich gewitzigt. Ich kenne das Lob der Menschen, welche nur rühmen, um auszunützen. Die Huldigung wird schnell zur Eloge, der Triumphbogen zum kaudinischen Joch, welches den soeben Gefeierten zwingt, beim nächsten Schritte den stolzen Nacken vor ihnen zu beugen. So lobte mich der Scheik ul Islam gegen dich, damit ich seine Kreatur, der Prügeljunge seiner Partei werden möge. Die Liebe meiner Dschamikun ist zwar echt; sie kommt direkt aus vollen, ehrlichen Herzen und scheut sich keinen Augenblick, sich für mich aufzuopfern. Die Dankbarkeit eines Jeden von ihnen ist für mich reines, lauteres Gold; ihr Wert tut meinem Herzen wohl, wenn es im Stillen zu mir kommt, wie der Duft von einer Blume, die nicht redet. Heut aber will man mir öffentlich danken. Tausende wollen sprechen, laut, nur von mir, von mir! Das ist grad das Gegenteil von dem, wonach ich strebe! Ich konnte die Erlaubnis zu diesem Feste nicht verweigern; aber als ich sie erteilte, wußte ich, daß ich heut nicht daheim sein dürfe, weil es mir eine Profanation dessen bringt, was ich im tiefsten Innern sorgsam pflege. Darum bin ich geflohen.«
Ich wollte eine Bemerkung machen, doch schnitt er sie mir schnell ab, indem er fortfuhr:
»Habe keine Sorge! Ich bin nicht leichtsinnig gegangen, denn ich weiß am Besten, wie nötig ich grad jetzt da unten bin. Es ist Alles wohl besorgt. Der Umstand, daß ich mich scheinbar ganz unbedenklich entfernt habe, wird im Gegenteile unsere Feinde nur noch sicherer machen. Sie ahnen nicht, was ich inzwischen tue. Wir umreiten nämlich heut unser ganzes Gebiet. Ich besichtige die ausgestellten Posten. Das ist unumgänglich nötig. Also komm!«
Um an der andern Seite des Berges hinabzukommen, mußten wir die Pferde führen, bis wir den Bach im Tale erreichten, wo er mir die verborgene Stelle zeigte, an welcher der geheime Gang aus dem Allerheiligsten hier mündete. Dann ging es drüben wieder bergan, nach der Taki-Hochebene, und auf dieser nach Norden. Da trafen wir in gewissen Abständen je zwei Dschamikun, welche bei ihren Pferden saßen und uns Bericht erstatteten. Beim nördlichsten dieser Doppelposten begrüßte uns ein Kurde von Schohrd in voller Kriegsausrüstung. Er war soeben erst angekommen und meldete uns, daß die Hilfstruppen Marah Durimehs nur einen Tagesritt von hier ständen und um Weisungen bäten. Das überraschte den Ustad; ich teilte ihm aber mit, was Schakara mir gesagt hatte, und so gab er den Befehl, Dienstag Abend hier an dieser Stelle einzutreffen und das Weitere zu erwarten.