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Kitabı oku: «Im Reiche des silbernen Löwen IV», sayfa 34

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Von da wendeten wir uns ostwärts. Das war das Gebiet der nördlichen Dschamikun. Wir fanden da Alles so, wie wir es wünschten. An das äußerste ihrer Lager schloß sich die Wachtlinie der Kalhuran, welche hinter den Pässen des Hasen und des Kuriers nach Süden verlief. Hier erteilte der Ustad die Weisung, die Massaban und die Sillan hindurchzulassen, ihnen aber heimlich zu folgen, um den Ring immer enger zu schließen. Um die Mittagszeit machten wir an einem Wasser halt, um uns auszuruhen, zu essen und die Pferde grasen zu lassen. Dazu ließen wir ihnen zwei volle Stunden Zeit. Hierauf ging es weiter, quer über jenes unbewohnte Land, durch welches ich und Halef mit den Massaban gekommen waren. Da trafen wir auf die breite Fährte der Dinarun, die nordwärts nach unserm Lager führte, und auf einen einzelnen Reiter, welcher auf dieser Fährte zurückgeritten kam. Es war zu unserer Verwunderung der Scheik der Dinarun selbst.

Auch er erstaunte, als er den Ustad erkannte, schien aber hierüber nicht unerfreut zu sein. Die Höflichkeit erforderte, abzusteigen und uns mit ihm niederzusetzen. Im hierauf folgenden Gespräch erfuhren wir etwas für uns sehr Erfreuliches. Er war nämlich heut früh mit seinem Trupp bei uns angekommen und hatte sofort den Scheik ul Islam aufgesucht, welcher sich, ebenso wie Ahriman Mirza, grad bei der Gul befand. Hier erhielt er seine Weisungen für die folgenden Tage, und da stellte sich denn heraus, daß er mit seinen Dinarun nur ausersehen war, mit auf uns einzuschlagen, natürlich bloß um der lieben Religion willen; einen praktischen Nutzen aber schlug man ihm rund ab. Dazu kam, daß man ihn von hoch oben herunter behandelt hatte, wie einen Menschen, für den es eine Gottesgnade ist, mit solchen Auserwählten überhaupt nur reden zu dürfen. Er hatte klugerweise zu Allem Ja gesagt, sich aber in seinem Grimm hierüber augenblicklich vorgenommen, die Lanze umzudrehen und zu uns überzugehen. Um sich aber das Für und Wider vorher reiflich und ungestört überlegen zu können, hatte er sich später auf das Pferd gesetzt und den einsamen Ritt gemacht, auf dem er hier mit uns zusammengetroffen war.

Da gab es denn für uns kein Bedenken mehr. Der Ustad legte seine Zurückhaltung ab und erzählte ihm Alles, Alles. Wie staunte dieser Mann! Er hatte ja nicht geahnt, für was für Menschen er das Blut seiner Dinarun vergießen sollte, um nicht die geringste Entschädigung dafür zu erhalten, nicht einmal ein höfliches Wort! Für jetzt war er nur mit den Rennpferden und der dazu gehörigen Mannschaft gekommen; seine eigentliche Kriegerschar aber hatte nachzufolgen. Er bot sie uns an und hielt uns beide Hände hin, in welche wir sehr gern die unseren schlugen. Da er nun wußte, welchen Zweck unser Ritt hatte, bat er, uns begleiten zu dürfen; der Ustad willigte ein.

Es ging also nun zu Dreien weiter, westwärts, zu den südlichen Dschamikun, die sich ebenso wohlvorbereitet zeigten wie alle Andern. Hierbei wurde das Gesicht des Scheikes immer ernster. Was er bisher von uns nur gehört hatte, das sah er nun, nämlich die große, tödliche Schlinge, welche sich hinter ihm und seinen Leuten zusammangezogen hätte, wenn er auf der Seite unserer Feinde geblieben wäre. Auch in Beziehung auf das Rennen wurde er bedenklich. Die Sahm ging unvergleichlich. Welch ein Unterschied zwischen heut und damals, als der Pedehr sie ritt! Der Araber sagt: Das Pferd ist ein Prozeß; wird er gut oder schlecht geführt, so wird er gewonnen oder verloren! Und nun gar der Syrr! Nur am Halfter! Der Scheik war ganz Bewunderung für ihn, fragte aber nur einmal und dann nicht wieder, als er hörte, daß hier ein Geheimnis obwalte, von welchem nicht gesprochen werden dürfe.

Unsere Runde war grad beendet, als es dunkel zu werden begann. Wir kamen durch das Tal des Sackes und hielten hüben an, weil drüben die Brücke aufgezogen war, der jetzigen Unsicherheit wegen. Es hatte ein Posten drüben zu stehen; wir riefen hinüber; er war aber nicht da.

»So müssen wir hier warten, bis er kommt,« sagte ich, über diese Nachlässigkeit erzürnt.

»Ja, warten wir,« lächelte der Ustad. »Ich erzähle dem Scheik inzwischen von dem verwegenen Sprunge, den nur dein Assil glatt zuwege brachte.«

Er gab den Bericht, ohne von seinem Pferde zu steigen. Als er bei dem betreffenden Augenblicke angekommen war, lenkte er die Sahm nach der Stelle, an welcher wir zum Sprunge ausgeholt hatten. Sich immer noch stellend, als ob er nur erzählen wolle, sprach er weiter. Dann aber warf er plötzlich den Arm hoch empor und rief ganz dasselbe Wort wie wir: »Jatib, jatib, ia Sahm – spring, spring, o Sahm!« Da schoß die Stute vorwärts, packte die Kante des Abgrundes mit sicherem Hufe und flog über ihn hinüber, so glatt, so frei, so leicht, daß der Schrei des Schreckes, den ich ausstoßen wollte, sich in einen jubelnden Ruf der aufrichtigsten Bewunderung verwandelte. Dann stieg er drüben ab, ließ die Brücke nieder und forderte uns auf, gemächlich nachzukommen.

»Nun, was sagst du jetzt zu meiner Sahm?« fragte er mich, indem seine Augen froh in die meinen glänzten.

Ich umarmte ihn; das war genug; eine andere Antwort hatte ich nicht. Der Scheik der Dinarun aber schüttelte sich noch nachträglich vor Entsetzen und versicherte:

»So Etwas sah ich noch nie! Da mag man immerhin das beste Pferd von Luristan und auch den vielgerühmten Iblis bringen, Ihr reitet sie doch nieder. Meine Dinarun aber können froh sein, daß Ihr mir auch noch dieses zeigtet. Wir werden uns hüten, gegen Euch zu wetten!«

Hierauf baten wir ihn, allein nach dem Duar zu reiten und aber ja den Syrr gegen Niemand zu erwähnen. Das Uebrige war schon vorher besprochen worden. Wir beide dagegen blieben auf dem Bergwege durch den Wald und kamen unbemerkt bei unserm Wartturme an. Im Hofe war kein Mensch. Wir ritten schnell über ihn hinweg, brachten unsere Pferde an Ort und Stelle und schlichen uns dann wohin? Hinauf zu unserm Hadschi Halef Omar, wo wir erwartet wurden, denn Schakara war da, welche von dem Ustad in das Vertrauen gezogen worden war. Sie hatte gesagt, daß wir diesen Abend hier im Verborgenen zubringen wollten, und dann den Hof für uns so frei gehalten, daß Niemand von unserer Heimkehr Etwas merkte.

Wir aßen da. Wovon und wie wir uns dabei unterhielten, kann man sich denken. Halef wußte, daß er morgen zum ersten Male hinunter in den Duar dürfe. Es war für ihn auf der Tribüne ein besonderer, höchst bequemer Platz errichtet worden, wo er mit seiner Hanneh das ganze Tal überschauen konnte, ohne sich anstrengen zu müssen. Er freute sich wie ein Kind darauf.

Als die Zeit dazu gekommen war, ging der Ustad mit hinauf zu mir. Wir setzten uns auf das Vordach, um die nun beginnende Höhenbeleuchtung von diesem allerbesten Punkte aus zu genießen. Sie geschah unter einem allgemeinen Feuerwerke, an dem sich Jedermann nach Kräften beteiligte. Der Kurde liebt es ebenso wie der Perser, bei derartigen Veranlassungen, Pulver und Bärlapp nicht zu schonen. Wir blieben vollständig unbeachtet, denn man nahm an, daß der Ustad noch nicht heimgekommen sei. Darum konnte das, was wir sahen, ohne Störung auf uns wirken.

Es wurde Licht allüberall, wohin wir schauten. Die Nacht erhellte sich. Was oben brannte, brannte auch im See. Und all die Menschen, die das Tal erfüllten, erschienen uns wie Wesen einer Welt, die sich im Licht von oben nach aufwärts reflektiert. Und wir zwei Einsamen, die wir hier oben blieben, obgleich man unten auf uns wartete? Nur nicht ins Lob der Tiefe niedersteigen; dann findet sich ihr Tadel nicht herauf! Wir sahen zwar zu, aber was wir dabei mit einander sprachen, das war nicht bestimmt, wie Feuerwerk zu verknallen oder wie totes Holz zu Asche zu verbrennen. Und als die Feuer nach und nach erloschen und Licht um Licht im Tal verglimmen wollte, da stand der Ustad auf, gab mir die Hand und sprach:

»Nun gehn auch wir zur Ruhe. Zur Ruhe! Glaubst du das? Schließ dreifach dich in deinem Zimmer ein, und lege leiblich dich zum Schlafen nieder! Ich komme doch zu dir, wie ich heut morgens kam, und hole dich zum Flug um unsere Grenzen. Auch dort hält mancher Posten für uns Wacht, um uns Bericht und Auskunft zu erstatten. Und kehren wir von unserm Fluge heim, so lassen wir vor Menschen uns nicht sehen, ganz so, wie wir es jetzt am Abend taten. Denn was für diese Welt der Abend ist, das ist für jene andere der Morgen. Schlaf wohl, doch – – – komme mit.« – —

Als ich am andern Morgen auf mein Vordach trat, sah ich, daß der gestrige Tag die vorherige Zahl der Menschen verdoppelt hatte. Draußen an Ahriman Mirza‘s Zelt waren die Pferde zu sehen, welche von ihm, den Schatten und den Massaban zum Rennen gestellt wurden. In den Ruinen standen diejenigen des Scheik ul Islam und der Takikurden. Unten am See, rechts, konnte man die Renner der Dinarun besichtigen, und links, unweit der Tribüne, waren die unserigen untergebracht. An diesen Orten wimmelte es von wirklichen und eingebildeten Kennern, welche es für höchst nötig fanden, ihre Urteile hören zu lassen. Mit Ibn el Idrak und dem Scheik der Dinarun hatte der Ustad gleich heut früh das heimliche Abkommen getroffen, daß sie alle ihnen abgenommenen Pferde zurückbekommen würden. Sie konnten also ruhig den Anschein beibehalten, daß sie unsere Gegner seien. Zu bemerken ist, daß die eigentlichen Matadore des Rennens, wie die Sahm, Assil, das »beste Pferd von Luristan« etc. etc. sich nicht bei diesen heut schon ausgestellten Pferden befanden. Weil der Feind seine Trümpfe nicht sehen ließ, taten auch wir es nicht.

Es gab mir Spaß, daß ich Hadschi Halef mit Hanneh schon unten auf seinem Platze sitzen sah. Der Gute hatte es nicht aushalten können. Und womit war er bekleidet? Natürlich mit dem Ehrengewande vom Schah-in-Schah! Auch hatte er alle seine Waffen bei sich. Ich sah später sogar die bekannte Nilpferdpeitsche in seiner Hand. Sie kam dem »Henker« dann zu statten!

Nach dem Frühstück ging ich zu meinen Pferden und dann zum Ustad, bei dem ich den Hauptmann der Leibgarde fand. Sie sprachen über den, den ich soeben erwähnt habe, nämlich über Ghulam el Multasim, den Henker. Diesem dreisten Patrone war alles bisher gegen uns Unternommene noch nicht genug gewesen. Er hatte zunächst drüben bei den Taki öffentlich und in der schandbarsten Weise gegen den Ustad gesprochen und dieses gestern sogar bei uns hier fortgesetzt. Er war mit seinem Anhange bald hier, bald da im Tale aufgetaucht und hatte immer ganz genau dieselbe einstudierte Rede gehalten, in welcher der Ustad als ein Mensch bezeichnet wurde, vor welchem man Andere nur warnen müsse. Dieser Ustad gebärde sich als ein treuer Anhänger des Schah-in-Schah, sei es aber nicht. Auch gebe er sich den Anschein, daß ihm nur das Wohl der Dschamikun am Herzen liege, sei aber in Wahrheit nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Vor solchen Leuten habe man sich mehr zu hüten, als selbst vor den allerschlimmsten Massaban, und so möge man sich nicht darüber wundern, daß er – nämlich der Henker – es für seine Pflicht erachte, diesen höchst gefährlichen Verführer des Volkes endlich einmal zu entlarven. Er fordere hiermit sämtliche Dschamikun auf, ihren Ustad fortzujagen, der sich zwar rühme, Menschen glücklich machen zu wollen, aber höchstens nur imstande sei, unglückliche, beulige und schwärige Pferde in die Welt zu setzen. Er – nämlich der Henker, – werde das am Kiss-y-Darr beweisen!

Weil ich erst am Schlusse dieser Unterredung kam, teilte mir der Hauptmann das Resultat derselben mit:

»Ich habe den Ustad gebeten, sich ja nicht an diesem unsaubern Patron zu beschmutzen, sondern die Sache lieber mir zu überlassen, der ich die Polizei des Schah-in-Schah vorstelle. Für eine so zügellose und »abgrundtiefe« Anmaßung und Frechheit ist einzig nur die Peitsche richtig. Er wird sie bekommen, ganz bestimmt! Wann und in welcher Weise, das lehrt der Augenblick. Gebt mir nur die von ihm zurückgelassenen Kleidungsstücke, bei denen sich auch das Messer und das geheime Alphabet befindet. Weiter brauche ich nichts.«

Er bekam diese Gegenstände, und dann ging ich mit dem Ustad und Dschafar Mirza hinunter an den See, weil die Zeit gekommen war, die Preisrichter zu wählen. Das ging sehr schnell. Oberrichter wurde der Hauptmann der Leibgarde. Die Andern waren Dschafar, Hadschi Halef, Ibn el Idrak und der Pedehr. Andere Konkurrenten gab es nicht, ein sehr triftiger Grund, auf allen Seiten mit dieser Wahl einverstanden zu sein.

Hierauf wurden die Bedingungen vereinbart. Sie waren sehr einfach: jede Aufforderung ist gegenseitig anzunehmen, weiter nichts! An diesen Verhandlungen nahmen auch der Scheik ul Islam, Ahriman Mirza und die Khanum Gul teil. Letztere hatte ihren Tribünenplatz zwischen den beiden Erstgenannten, doch nicht in unserer Nähe. Besonders aber war der Henker wegen des beabsichtigten Mordanschlages auf Dschafar Mirza stets von uns fern und unter strenger, aber unbemerkbarer Aufsicht zu halten.

Punkt zwölf Uhr sollte das Vorrennen beginnen, zunächst das heitere. Die Lastkamele, Esel, Ziegenböcke, Schafe und sonstige Konsorten standen schon bereit. Neben der Tribüne war ein erhöhter Stand errichtet worden, von welchem aus die einzelnen Touren angesagt werden sollten. Eine Kärna107 hatte das Zeichen dazu zu geben. Eben erscholl der Ton dieses trompetenartigen Hornes, und der Ausrufer wollte hinansteigen, da blieb er aber unten stehen, weil er verhindert wurde. Nämlich von Ghulam el Multasim, dem Henker, welcher auf seinem turkmenischen Tiukihfuchs108 geritten kam und grad an dem erhöhten Stand halten blieb. Er führte an einer langen Leine ein zweites Pferd, welches einen ebenso lächerlichen wie traurigen Anblick bot. Lächerlich war die Art und Weise, in der man es herausgeputzt hatte, traurig aber der Körperzustand, in dem es sich befand. Sein Alter betrug wohl sicher über zwanzig Jahre. An Schwanz und Mähne absichtlich dünn gerauft, trug es an diesen Stellen anstatt der Haare nur angebundenes Gerstenstroh. Kopf, Leib und Beine waren mit Dutzenden von Pflastern beklebt. Einen Sattel hatte es nicht, und so sah man, wie fürchterlich wund es geritten war. Aber in das Maul hatte man ihm eine jener fürchterlichen Trensenkandaren gezwängt, mit deren Hilfe man sogenannte »Pferdeteufel« entweder zum Gehorsam oder zum Tode reitet.

»Allah verfluche diesen Schinder!« hörte ich des empörten Hadschi Stimme hinter mir. Und Kara, sein neben ihm sitzender Sohn, fügte in gleichem Abscheu hinzu: »Darf man das dulden? Vater, gib mir deine Kurbadsch109! Ich fühle, daß ich sie brauchen werde!«

So dachte und fühlte der »unzivilisierte« Sohn der Wüste, nicht aber der sich hoch über ihm dünkende Renegat der christlichen Kirche, denn das war der Multasim! Er schwang sich von seinem Turkmenen, stieg an Stelle des Ausrufers die Stufen hinauf, so daß er von Jedermann zu sehen war, und rief mit lauter, weithin schallender Stimme:

»Das Zeichen wurde gegeben; das lustige Rennen beginnt. Der Scheik ul Islam hat mich beauftragt, den Anfang zu machen, mich, den die Gunst des Schah-in-Schah erfreut, und der ich zugleich die vereinigte Stimme aller rechtgläubigen Anhänger des Propheten bin. Ich fordere jeden Dschamiki hiermit zum lächerlichen Kampf heraus, vor allen Dingen ihren Ustad selbst, von dem ich Euch folgendes zu erzählen habe.«

Und nun begann er, abermals jenen auswendig gelernten Vortrag zu halten, welcher schon mehr als genügend bezeichnet worden ist. Seine Rede strotzte förmlich von Lügen, Verdrehungen und Beleidigungen. Man hörte jedem seiner Worte an, daß es nur daraufhin überlegt und angebracht worden war, der gewissenlosesten Gehässigkeit zu dienen und der ekelhaftesten Freude am Skandal willen zu sein. Es wurde mir fast zum Erbrechen übel! Wie bewunderte ich die Ruhe und Selbstbeherrschung unserer Dschamikun, die ihn vollständig ausreden ließen, ohne daß es einem Einzigen einfiel, ihn auch nur anzurühren! In unserem hochgesitteten Abendlande hätte man solcher Niederträchtigkeit wohl sehr schnell Einhalt getan! Denn da wacht, Gott sei Dank, besonders die öffentliche Presse darüber, daß solchen Prangerknechten und Ehrenhenkern so schnell wie möglich das geschieht, was ihnen zuzukommen hat. Hier aber verhielt man sich bis zum letzten Wort des Vortrages vollständig still. Dann ließ der Scheik ul Islam ein schmetterndes »Ssyhaßyh = bravo, herrlich!« hören. Ahriman schrie: »Chähi, chähi!« was ganz dieselbe Bedeutung hat. Die Gul schlug die fetten Hände zusammen und rief: »Bäh, bäh!« der gebräuchliche Bewunderungsruf für Taschenspielerkunststücke. Einige nahestehende Taki, Massaban und Schatten stimmten wohl oder übel mit halber Tonkraft ein; im übrigen aber herrschte Schweigen; kein einziger Laut des Mißfallens war zu hören. Anstatt dieses allgemeine Schweigen kluger Weise für bedrohlich zu halten, nahm der Henker in seiner beispiellosen Verblendung an, daß es ein Zeichen der Zustimmung sei, und fuhr fort:

»Schaut hin! Da sitzt nun dieser Ustad mitten unter Euch, auf Eurem schönsten Platze! Ich frage Euch: Was tut er wohl, indem ich ihn vernichte und zermalme? Er lächelt, lauscht und schweigt! Ich weiß, dies Lächeln soll Euch imponieren, jedoch bei mir verfehlt es diesen Zweck. Es soll den Anschein geben, als ob er mich verachte, ist aber nichts, als nur Verlegenheit! Und warum dieses Schweigen? Wozu hat er den Mund? Wer angegriffen wird und sich nicht schuldig fühlt, der hat doch wohl die Pflicht, sich zu verteidigen! Er aber sagt kein Wort. Er hat geschwiegen und schweigt immer weiter, als ob – – —«

Er kam nicht weiter. Der Hauptmann der Leibgarde, der sich mit einigen seiner Leute dem Ausruferstande unauffällig genähert hatte, sprang jetzt zu ihm hinauf, faßte ihn beim Genick und rief:

»Er hat geschwiegen, weil er sicher wußte, daß jede faule Frucht von selbst vom Baume fällt! So falle denn! Hinab mit dir, denn deine Zeit ist da!«

Er schleuderte ihn seinen Leuten zu, die ihn sofort packten und in ihr naheliegendes Zelt führten. Da sprang der Scheik ul Islam ebenso wie Ahriman Mirza auf.

»Was soll das sein?!« rief der Erstere aus. »Wer gibt dir das Recht, dich an diesem Ehrenmanne zu vergreifen?! Er steht unter meinem Schutz!«

»Schutz?« lachte der Hauptmann ihm von oben herunter zu. »Wenn du nur fähig wärest, dich selbst zu schützen!«

»Auch unter dem meinigen!« behauptete Ahriman Mirza drohend. »Was hast du überhaupt hier bei den Dschamikun zu suchen?«

»Das will ich dir gern sagen: Ich suche nach dem Obersten der Schatten, der hier seit kurzer Zeit sein dunkles Wesen treibt. Ich denke, daß ich ihn bald finden werde, da ich nun seinen Freund und Henker habe! Setzt Euch nur augenblicklich wieder nieder! Ich möchte sehen, ob es Euch wohl gelänge, so still zu sein und so bewußt zu lächeln, wie es dem Ustad vorgeworfen wurde!«

»Welch eine Frechheit! Ich bin ein kaiserlicher Prinz und kann dich augenblicklich köpfen lassen, von deinen eigenen Leuten!«

»Versuche es!« Er zog den kleinen Lederumschlag aus der Tasche, hielt ihn empor und fuhr fort: »Kennst du wohl dieses Täliq-Alphabet, mit dessen Hilfe ich gewisse Briefe lese? Ich las auch folgenden: An Ghulam el Multasim, meinen Henker! Es ist die Zeit gekommen, daß die Gul-i-Schiras auf der Brust von Dschafar Mirza zu erblühen hat. Das soll am fünften Tage des Monates Schaban geschehen, zur Zeit des Abendgebetes, keine – – —«

»Wo hast du das her, woher?!« brüllte Ahriman ihm mitten in den Satz hinein, indem er sich über die Spitze der Tribüne schwang, um ihm das Alphabet zu entreißen.

Da stand der Ustad auf, nahm ihn fest und scharf in das Gesicht und rief ihm zu:

»Schau her zu mir, Mirza; ich kann es dir sagen!

Dein Chodem war bei ihm und hat es ihm verraten! Wer aber seinen Chodem von sich läßt, der ist verrückt – – – verrückt – – – verrückt!«

Da blieb Ahriman halten, fuhr sich mit der Hand schnell an die Stirn, als ob er da geschlagen worden sei, stieß einen Schrei aus, sprang von der Tribüne herab und verschwand fliehend in der Menge der dastehenden Leute. Es gab nur Wenige, die diese rasche, stille Flucht begriffen.

Das geschah, als der Henker eben wieder aus dem Zelte gebracht wurde. Er war nur mit der Hose bekleidet, und man hatte ihm den Oberkörper und die Arme mit Oel eingerieben. Einer der Trabanten trug den Kleiderpack und das Messer hinter ihm her. Der Hauptmann befahl, diese Sachen zum Scheik ul Islam hinzubringen, und sagte diesem:

»Du nahmst den »Ehrenmann« in deinen Schutz. Wir haben Mann und Ehre so genau getrennt, wie er es tat, um Henkersknecht zu werden. Der Mann entfloh; die Ehre aber ließ er weislich liegen. Wir hoben sie ihm auf, weil wir ja wußten, daß er wiederkäme. Nun ist er da, und abermals als Henker, mit Oel gesalbt, ein schlüpfriger Gesell! Ich lasse ihn jetzt peitschen, vor aller Derer Augen, vor deren Ohren er die hochberühmte Rede hielt, die du mit deinem Ssyhaßyh belohntest. Heb ihm inzwischen seine Ehre auf, da er dein Schützling ist. Hat dann der Mann die Hiebe überstanden, so ziehe ihm die Ehre wieder an, und gib den Taki ihren Ustad wieder!«

Der Scheik ul Islam sagte kein Wort, als ihm die Sachen hingelegt wurden. Er wäre wohl wie gern fortgegangen, mußte aber bleiben, weil seine Entfernung ihn ja erst recht blamiert hätte. Auch der Henker war still.

Er stand zwischen zwei Trabanten, mit zusammengepreßten Zähnen und funkelnden Augen, deren Blick vergeblich nach Hilfe suchte. Da geschah Etwas, was ihm Gelegenheit zur Flucht zu bieten schien. Er hatte wahrscheinlich schon daran gedacht, sich ganz unerwartet auf sein Pferd zu werfen und davon zu reiten; aber dieses hing ja mit dem »Schundroman« zusammen, und ehe es ihm gelungen wäre, die lange Leine zu lösen, hätte man ihn wieder festgehabt. Da stand nun jetzt der gute, mitleidige Kara Ben Halef von seinem Platze auf und begab sich nach vorn, um nach den Gebrechen des armen Tieres zu sehen. Er untersuchte zunächst die Druckwunden und dann die bepflasterten Stellen.

»Das ist ja alles Lüge!« rief er endlich aus, nachdem der Ausdruck seines Gesichtes immer erstaunter geworden war. »Es ist eine gradezu bodenlose, abgrundtiefe Albernheit, uns diesen »Kiss« als »Darr«, uns diesen »Roman« als »Schund« vorzuführen! Der einzige Schund an diesem zwar alten, aber sonst ganz vortrefflichen Pferde sind die betrügerischen Pflaster, diese frech aufgeklebten Behauptungen, unter den man vergeblich nach gültigen Beweisen sucht. Wäre es nicht so wund geritten, so setzte ich mich jetzt auf, um zu zeigen, daß – – —«

»Zeige es doch, zeige es!« unterbrach ihn da der Henker. »Deine Dummheit macht mich frei!«

Kara hatte nämlich während seiner Untersuchung des Pferdes die Leine gelöst. Nun sprang der Gefangene zwischen den Trabanten hervor, schwang sich auf seinen Fuchs und jagte davon, auf der Bahn dahin, die für das Rennen vollständig freilag. Jedermann sprang auf, und fast auch Jedermann schrie. Kara aber war nicht im Geringsten verblüfft. Die Kurbadsch seines Vaters noch von vorhin in der Hand, schnellte er sich sofort auf den sattellosen Kiss und rief:

»Ich bin schuld; darum bringe ich ihn auch wieder!«

Ein scharfes, aufforderndes »Chchchchchhhhh« trieb das Pferd vorwärts. – – – Das erste Rennen begann, aber freilich ein ganz anderes, als wir vermutet hatten.

Nur Diejenigen, welche sich in Hörweite von der Tribüne befanden, wußten, um was es sich handelte, die vielen, vielen Andern aber nicht. Sie hielten die ganze Bahn rund um den See besetzt und drängten sich nur noch enger und dichter zusammen, als sie die beiden Reiter kommen sahen, voran der Henker, für den es erst an dem Ende des Sees eine Aussicht gab, durch die Menschen zu brechen und dann nach einem der Pässe zu entkommen. Hinter ihm Kara, der dies sehr wohl erkannte und sich darum bemühte, ihn vorher einzuholen. Der langbeinige Turkmene griff weite Sätze; der kleinere zierlichere Kiss aber ging trotz seines Alters leichter und schneller. Hierzu kam ein Umstand, an den der Henker nicht gedacht hatte; er schleppte nämlich die lange Leine nach, und da diese am Ringe des Brustschildes festgebunden war, konnte er sich ihrer nicht entledigen. Sie kam dem Fuchs wiederholt zwischen die Beine. Das störte ihn. Er wurde vorsichtig, dann gar bedenklich. Auch die Zuschauer machten ihn irr. Diese sahen, daß der Reiter halb nackt war. Sie sahen ebenso den sonderbaren Aufzug des Kiss und die drohend geschwungene Peitsche des Verfolgers. Diese Umstände sagten ihnen, daß es sich nicht um eine Wette, sondern um eine wirkliche Flucht handle. Sie schrieen einander zu, den Henker nicht etwa ausbrechen zu lassen. Und dieser Lärm machte den Fuchs scheu, nicht aber den anders gearteten Kiss.

So kam es, daß der Letztere dem Ersteren immer näher rückte und ihn grad da einholte, wo es die einzige Möglichkeit gab, zwischen den Bergen hinauszukommen. Kara war klug. Er ritt an der äußeren Seite und hieb mit der Nilpferdpeitsche so auf den nackten Henker ein, daß dieser auf der innern bleiben mußte und also dem See immer wieder zugedrängt wurde. Es hagelte Hieb auf Hieb. Was dabei für Worte fielen, das erfuhren wir erst später. Der Henker bot Himmel und Hölle auf, Kara zu bewegen, ihn entkommen zu lassen, bekam aber als einzige Antwort nur Hiebe und immer nur Hiebe. So wurde er nach der andern Seite des Sees und diesen entlang gepeitscht und getrieben, uns wieder näher und immer näher, rund auf der Bahn, am Tempelweg vorbei, durch den Duar und endlich bis her zur Tribüne. Er war fast von Sinnen. Er schäumte. Da trieb Kara den Kiss noch einmal an, kam vor, entriß Jenem den Zügel, gab einen Ruck, daß beide Pferde sich bäumten. Der Henker mußte herunter; Kara ihm nach, indem er rief:

»Schuft, ich schlage dich tot, wenn du nicht antwortest. Ist Kiss ein Schund oder nicht?«

Der Gefragte stand da, an allen Gliedern zitternd. Er brachte kein Wort hervor.

»Schund oder reines, edles Blut?« wiederholte Kara, indem er ihm die Peitsche über das Gesicht herüberstrich.

»Kein Schund, kein Schund! Edles, reines Blut!« klang da nun das Geständnis.

»Von Euch zum Schund gelogen?«

»Ja – – – gelogen!« stammelte der Henker aus Angst vor der wieder drohenden Peitsche.

»Das bittest du dem Ustad ab! Sofort, sofort!«

Ein neuer Hieb sauste nieder.

»Ja doch – – ja doch – – – ich bitte; ich bitte!«

Er faltete beide Hände und hob sie flehend empor. Was bildete er doch jetzt, hier unten, für eine ganz andere Figur als vorhin dort oben, wo er auf der schamlos angemaßten, hohen Stufe stand und wie eine unfehlbare Gottheit vom Himmel niederschmetterte! Tausende und Abertausende hatten gedacht, an ihn glauben zu müssen, weil sie Wunder meinten, was ein gefährlicher Multasim zu bedeuten habe, gegen dessen Rachsucht man keine Waffe besitze. Und nun kam hier ein ganz einfacher, junger Mensch und zeigte vor ebenso tausenden von Augen, wie es um die Wichtigkeit dieser Personage eigentlich stehe: Nur der Stand hatte sie verhüllt; in ihrer jetzigen, entlarvten Blöße aber war sie weniger, viel weniger als – – nichts!

»So bin ich mit dir fertig. Marsch, fort, zu deinem Richter!« sagte Kara, indem er ihn mit der Peitsche hin zum Hauptmanne trieb, welcher ihn mit den Worten empfing:

»Die Prügel hast du bekommen. Du holtest sie dir selbst. Nun geh zum Scheik ul Islam, deinem Beschützer! Der zieht dich wieder an, um den »Ehrenmann« von Neuem herzustellen. Dann hängen wir dich auf. Der Mir Dschassab110 steht schon bereit – – der Henker für den Henker!«

Das brachte eine seltsame Wirkung auf den Multasim hervor. Sein bisher angstverzerrtes Gesicht nahm einen ganz anderen Ausdruck an. Er kroch in sich zusammen und fragte:

»Gehenkt? Gehenkt soll ich werden? Wirklich?«

»Ja, und zwar sofort, damit ich Dschafar Mirza rette!«

»So flüchte ich mich in den Schutz des Scheik ul Islam, der mich verteidigen muß, wenn er nicht selbst zugrunde gehen will. Ich würde Alles verraten!«

Er rannte hin zu ihm. Dieser aber streckte beide Hände abwehrend gegen ihn aus und rief:

»Bleibe mir fern, du Unvorsichtiger! Warum hast du dich entlarven lassen! Wer nicht einmal das Alphabet der Sillan geheim zu halten weiß, der ist auch imstande, die Absichten des heiligen Islam an das Laientum zu verraten! Du bist ein abtrünniger Christ, also überhaupt Verräter gewesen, seit ich dich kenne. Nun drohst du auch mir mit Verrat. Hebe dich weg! Ich sehe mit Freuden dich hängen!«

Da brüllte der Henker laut auf. Er trat, anstatt sich zu entfernen, ganz nahe an ihn heran, ballte die Fäuste und sprach, infolge seines nicht zu überwältigenden Grimmes in die unbeschränkteste Offenheit verfallend:

»Ja, du hast recht; ich bin ein Verräter, ein Verräter überhaupt! Ich habe nicht nur die Menschen verraten, sondern auch Gott und mich selbst. Ich verriet meinen christlichen Glauben. Ich täuschte sodann den Beherrscher. Ich betrog den Fürsten der Schatten. Ich täuschte auch dich, genau so, wie du selbst täuschest. Aber einmal lüge ich nicht, nämlich jetzt, wenn ich öffentlich beichte! Soll ich gehangen werden, so hänge man gleich Zwei! Die Dritte und den Vierten wird man wohl laufen lassen. Dir aber knüpfe ich die wohlverdiente Schlinge!«

Er wendete sich von ihm ab, zu uns, richtete sich hoch auf und wollte sprechen. Da griff der Scheik ul Islam nach den vor ihm liegenden Kleidungsstücken, bei denen auch das Messer des Henkers lag, faßte es, zuckte es gegen ihn und drohte:

»Schweig, Wahnsinniger, sonst stirbst du an deiner eigenen Klinge!«

»Ob Strick oder Klinge, das ist nun Alles gleich; aber ich spreche!« entgegnete der Multasim, schnell zugreifend, um sich zu wehren.

»Dann fahre hin, und rede in der Hölle, aber nicht hier!«

Im nächsten Augenblicke hatten sie sich gefaßt. Die Khanum Gul schrie vor Entsetzen auf, gab Raum und eilte fort. Niemand schaute ihr nach, denn aller Augen waren auf die beiden Kämpfenden gerichtet, welche einander niederzerrten und dann unter den Sitzen weiterrangen, still, lautlos, wie zwei ineinander verbissene, wilde Tiere.

Da plötzlich gab es einen Blitz und hoch über uns einen lauten Krach. Der Donner rollte. Unsere ganze Aufmerksamkeit war so ausschließlich hier unten festgehalten worden, daß wir die schweren Wetterwolken gar nicht beachtet hatten, welche hinter dem Ruinenberge aufgestiegen waren und nun über dem Alabasterzelte drohend kulminierten. Wir kannten diese Art von Wetter, welche sich in jenen Bergen ganz unerwartet zusammenziehen und alle Gewalt der Elemente entfesselt zu haben scheinen111. Darum wußten wir sogleich, daß wir auf unser lustiges Vorrennen wenn nicht ganz, so doch für jetzt zu verzichten hatten. Es fielen schon gleich einzelne schwere, erbsengroße Regentropfen.

107.Persisches Horn.
108.Siehe Band III pag. 518.
109.Peitsche.
110.Persischer Militärscharfrichter.
111.Siehe Band III pag. 79.
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30 ağustos 2016
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