Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 11
»Das ist sehr schlimm. Ein Soldat ohne Tabak ist ein halber Mensch. Mein Gefährte hat sich eine ganze Satteltasche voll Zigarren mitgenommen. Vielleicht gibt er Euch von seinem Vorrat mit.«
Des Sergeanten und der andern Augen richteten sich verlangend auf mich. Ich zog eine Hand voll Zigarren hervor und verteilte sie unter sie, gab ihnen auch Feuer. Als der Unteroffizier die ersten Züge getan hatte, breitete sich der Ausdruck hellen Entzückens über sein Gesicht. Er nickte mir dankend zu und sagte:
»So eine Zigarre ist die reine Friedenspfeife. Ich glaube, ich könnte dem ärgsten Feinde nicht mehr gram sein, wenn er mir hier in der Prairie und nachdem wir wochenlang nicht rauchen konnten, so ein Ding präsentierte.«
»Wenn bei Euch eine Zigarre mehr Kraft hat als die größte Feindschaft, so seid Ihr wenigstens kein ausgesprochener Bösewicht,« lachte Old Death.
»Nein, das bin ich freilich nicht. Aber, Sir, wir müssen weiter, und so wird es sich empfehlen, das zu fragen und zu sagen, was nötig ist. Habt Ihr vielleicht Indianer oder andere Fährten gesehen?«
Old Death verneinte und fügte hinzu, ob er denn der Meinung sei, daß es hier Indianer geben könne?
»Sehr! Und wir haben alle Ursache dazu, denn diese Schufte haben wieder einmal das Kriegsbeil ausgegraben.«
»Alle Wetter! Das wäre böse! Welche Stämme sind es?«
»Die Comanchen und Apachen.«
»Also die beiden gefährlichsten Völker! Und wir befinden uns so richtig zwischen ihren Gebieten. Wenn eine Schere zuklappt, so pflegt dasjenige, was sich dazwischen befindet, am schlechtesten wegzukommen.«
»Ja, nehmt Euch in acht! Wir haben schon alle Vorbereitungen getroffen und mehrere Boten nach Verstärkung und schleuniger Verproviantierung geschickt. Fast Tag und Nacht durchstreifen wir die Gegend in weitem Umkreise. Jeder uns Begegnende muß uns verdächtig sein, bis wir uns überzeugt haben, daß er kein Lump ist, weshalb Ihr mein voriges Verfahren entschuldigen werdet!«
»Das ist vergessen. Aber welchen Grund haben denn die Roten, gegen einander loszuziehen?«
»Daran ist eben dieser verteufelte –Pardon, Sir! Vielleicht denkt Ihr anders von ihm als ich – dieser Präsident Juarez schuld. Ihr habt gewiß gehört, daß er ausreißen mußte, sogar bis EI Paso herauf. Die Franzosen folgten ihm natürlich. Sie kamen bis nach Chihuahua und Cohahuela. Er mußte sich vor ihnen verstecken wie der Waschbär vor den Hunden. Sie hetzten ihn bis zum Rio grande und hätten ihn noch weiterverfolgt und schließlich gefangen genommen, wenn unser Präsident in Washington nicht so albern gewesen wäre, es ihnen zu verbieten. Alles war gegen Juarez, alle hatten sich von ihm losgesagt; sogar die Indianer, zu denen er als eine geborne Rothaut doch gehört, mochten nichts von ihm wissen.«
»Auch die Apachen nicht?«
»Nein. Das heißt, sie waren weder gegen noch für ihn. Sie nahmen überhaupt keine Partei und blieben ruhig in ihren Schlupfwinkeln. Das hatte ihnen Winnetou, ihr junger, aber schon sehr berühmter Häuptling, geraten. Desto besser aber gelang es den Agenten Bazaines, die Comanchen gegen ihn zu stimmen. Sie kamen in hellen Scharen, aber natürlich heimlich, wie das so ihre Art und Weise ist, über die Grenze nach Mexiko, um den Anhängern des Juarez den Garaus zu machen.«
»Hm! Um zu rauben, zu morden, zu sengen und zu brennen, wollt Ihr sagen! Mexiko geht die Comanchen nichts an. Sie haben ihre Wohnplätze und Jagdgebiete nicht jenseits, sondern diesseits des Rio grande. Ihnen ist es sehr gleichgültig, wer in Mexiko regiert, ob Juarez, ob Maximilian, ob Napoleon. Aber, wenn die Herren Franzosen sie rufen, um sie gegen friedliche Leute loszulassen, nun, so ist es ihnen als Wilden nicht zu verdenken, wenn sie diese gute Gelegenheit, sich zu bereichern, schleunigst ergreifen. Wer die Verantwortung hat, will ich nicht untersuchen.«
»Nun, mich geht es auch nichts an. Kurz und gut, sie sind hinüber und haben natürlich getan, was man von ihnen verlangte, und dabei sind sie mit den Apachen zusammengestoßen. Die Comanchen sind immer die geschworenen Feinde der Apachen gewesen. Darum überfielen sie das Lager derselben, schossen tot, was sich nicht ergab, und nahmen die Übrigen als Gefangene mit samt ihren Zelten und Pferden.«
»Und dann?«
»Was dann, Sir? Die männlichen Gefangenen sind, wie das die Gepflogenheit der Indianer ist, an den Marterpfahl gebunden worden.«
»Ich kalkuliere, daß so eine Gepflogenheit nicht sehr angenehm für diejenigen sein kann, welche sich bei lebendigem Leibe rösten und mit Messern spicken lassen müssen. Das haben die Herren Franzosen auf dem Gewissen! Natürlich sind die Apachen sofort losgebrochen, um sich zu rächen?«
»Nein. Sie sind ja Feiglinge!«
»Das wäre das erstemal, daß ich das behaupten hörte. Jedenfalls haben sie diesen Schimpf nicht ruhig hingenommen.«
»Sie haben einige Krieger abgesandt, um mit den ältesten Häuptlingen der Comanchen über diese Angelegenheit zu verhandeln. Diese Unterhandlung hat bei uns stattgefunden.«
»In Fort Inge? Warum da?«
»Weil das neutraler Boden war.«
»Schön! Das begreife ich. Also die Häuptlinge der Comanchen sind gekommen?«
»Fünf Häuptlinge mit zwanzig Kriegern.«
»Und wie viele Apachen waren erschienen?«
»Drei.«
»Mit wie viel Mann Begleitung?«
»Ohne jede Begleitung.«
»Hm! Und da sagt ihr, daß sie Feiglinge seien? Drei Mann wagen sich mitten durch feindliches Land, um dann mit fünfundzwanzig Gegnern zusammenzutreffen! Herr, wenn Ihr die Indianer nur einigermaßen kennt, so müßt Ihr zugeben, daß dies ein Heldenstück ist. Welchen Ausgang nahm die Unterredung?«
»Keinen friedlichen, sondern der Zwiespalt wurde größer. Endlich fielen die Comanchen über die Apachen her. Zwei derselben wurden niedergestochen, der dritte aber gelangte, wenn auch verwundet, zu seinem Pferde und setzte über eine drei Ellen hohe Umplankung weg. Die Comanchen verfolgten ihn zwar, haben ihn aber nicht bekommen können.«
»Und das geschah auf neutralem Boden, unter dem Schutze eines Forts und der Aufsicht eines Majors der Unionstruppen? Welch eine Treulosigkeit von den Comanchen! Ist es da ein Wunder, wenn die Apachen nun auch ihrerseits das Kriegsbeil ausgraben? Der entkommene Krieger wird ihnen die Nachricht bringen, und nun brechen sie natürlich in hellen Haufen auf, um sich zu rächen. Und da der Mord der Abgesandten in einem Fort der Weißen geschehen ist, so werden sie ihre Waffen auch gegen die Bleichgesichter kehren. Wie werden sich denn die Comanchen gegen uns verhalten?«
»Freundlich. Die Häuptlinge haben es uns versichert, ehe sie das Fort verließen. Sie sagten, daß sie nur gegen die Apachen kämpfen und sofort zu diesem Zwecke aufbrechen würden; die Bleichgesichter aber seien ihre Freunde.«
»Wann war diese Verhandlung, welche einen so blutigen Ausgang nahm?«
»Am Montag.«
»Und heute ist Freitag, also vor vier Tagen. Wie lange haben sich die Comanchen nach der Flucht des Apachen noch im Fort aufgehalten?«
»Ganz kurze Zeit. Nach einer Stunde ritten sie fort.«
»Und ihr habt sie fortgelassen? Sie hatten das Völkerrecht verletzt und mußten zurückgehalten werden, um die Tat zu büßen. Sie haben gegen die Vereinigten Staaten gesündigt, auf deren Gebiet der Verrat, der Doppelmord geschah. Der Major mußte sie gefangen nehmen und über den Fall nach Washington berichten. Ich begreife ihn nicht.«
»Er war an dem Tage auf die Jagd geritten und kehrte erst abends heim.«
»Um nicht Zeuge der Verhandlung und des Verrats sein zu müssen! Ich kenne das! Wenn die Apachen erfahren, daß es den Comanchen erlaubt worden ist, das Fort zu verlassen, dann wehe jedem Weißen, der in ihre Hand gerät! Sie werden keinen verschonen.«
»Sir, ereifert Euch nicht allzusehr. Es ist auch für die Apachen gut gewesen, daß die Comanchen sich entfernen durften, weil sie eine Stunde später noch einen ihrer Häuptlinge verloren hätten, wenn die Comanchen nicht fort gewesen wären.«
Old Death machte eine Bewegung der Überraschung:
»Noch einen Häuptling, meint Ihr? Ah, ich errate! Vier Tage ist‘s her. Er hatte ein ausgezeichnetes Pferd und ist schneller geritten als wir. Er ist es gewesen, ganz gewiß er!«
»Wen meint Ihr denn?« fragte der Sergeant überrascht.
»Winnetou.«
»Ja, der war es. Kaum waren die Comanchen nach Westen hin verschwunden, so sahen wir gegen Osten, vom Rio Frio her, einen Reiter auftauchen. Er kam in das Fort, um sich Pulver und Blei und Revolverpatronen zu kaufen. Er war nicht mit den Abzeichen eines Stammes versehen, und wir kannten ihn nicht. Während des Einkaufes erfuhr er, was geschehen war. Zufälligerweise befand sich der Offizier du jour dabei. An diesen wendete sich der Indianer.«
»Das ist höchst, höchst interessant,« rief Old Death gespannt. »Ich hätte dabei sein mögen. Was sagte er zu dem Offizier?«
»Nichts als die Worte: »Viele Weiße werden es büßen müssen, daß eine solche Tat bei euch geschah, ohne daß ihr sie verhütet habt oder sie wenigstens bestraftet!« Dann trat er heraus aus dem Magazine und stieg in den Sattel. Der Offizier war ihm gefolgt, um den herrlichen Rappen zu bewundern, welchen der Rote ritt, und dieser sagte ihm nun: »Ich will ehrlicher sein, als ihr es seid. Ich sage euch hiermit, daß vom heutigen Tage Kampf sein wird zwischen den Kriegern der Apachen und den Bleichgesichtern. Die Krieger der Apachen saßen in Frieden in ihren Zelten; da fielen die Comanchen heimtückisch über sie her, nahmen ihre Frauen, Kinder, Pferde und Zelte, töteten viele und führten die übrigen fort, um sie am Marterpfahle sterben zu lassen. Da hörten die weisen Väter der Apachen noch immer auf die mahnende Stimme des großen Geistes. Sie gruben nicht sofort das Kriegsbeil aus, sondern sandten ihre Boten zu euch, um hier bei euch mit den Comanchen zu verhandeln. Diese Boten aber wurden in eurer Gegenwart ebenfalls überfallen und getötet.‘ ihr habt den Mördern die Freiheit gegeben und damit bewiesen, daß ihr die Feinde der Apachen seid. Alles Blut, welches von heute an fließt, soll über euch kommen, aber nicht über uns!««
»Ja, ja, so ist er! Es ist, als ob ich ihn reden hörte!« meinte Old Death. »Was antwortete der Offizier?«
»Er fragte ihn, wer er sei, und nun erst sagte der Rote, daß er Winnetou, der Häuptling der Apachen sei. Sofort rief der Offizier, man solle das Tor zuwerfen und den Roten gefangen nehmen. Er hatte das Recht dazu, denn die Kriegserklärung war ausgesprochen, und Winnetou befand sich nicht in der Eigenschaft eines Parlamentärs bei uns. Aber dieser lachte laut auf, ritt einige von uns über den Haufen, den Offizier dazu, und wendete sich gar nicht nach dem Tore, sondern setzte, grad wie der andere Apache vorher, über die Umplankung. Sofort wurde ihm ein Trupp Leute nachgesandt, aber sie bekamen ihn nicht wieder zu sehen.«
»Da habt ihr es! Nun ist der Teufel los! Wehe dem Fort und der Besatzung desselben, wenn die Comanchen nicht siegen! Die Apachen werden keinen von euch leben lassen. Besuch habt ihr nicht gehabt?«
»Nur ein einzigesmal, vorgestern gegen Abend, ein einzelner Reiter, welcher nach Sabinal wollte. Er nannte sich Clinton, das weiß ich ganz genau, denn ich hatte grad die Torwache, als er kam.«
»Clinton! Hm! Ich will Euch einmal diesen Mann beschreiben. Schaut zu, ob er es ist!«
Er beschrieb Gibson, welcher sich ja bereits vorher den falschen Namen Clinton beigelegt hatte, und der Sergeant sagte, daß die Beschreibung ganz genau stimme. Zum Überflusse zeigte ich ihm die Photographie, in welcher er das zweifellose Bild des betreffenden Mannes erkannte.
»Da habt Ihr Euch belügen lassen,« meinte Old Death. »Der Mann hat keineswegs nach Sabinal gewollt, sondern er kam zu Euch, um zu erfahren, wie es bei Euch stehe. Er gehört zu dem Gesindel, von welchem Ihr vorhin redetet. Er ist wieder zu seiner Gesellschaft gestoßen, welche auf ihn wartete. Sonst ist wohl nichts Wichtiges geschehen?«
»Ich weiß weiter nichts.«
»Dann sind wir fertig. Sagt also dem Major, daß Ihr mich getroffen habt. Ihr seid sein Untergebener und dürft ihm also nicht mitteilen, was ich von den letzten Ereignissen denke, aber Ihr hättet großes Unheil und viel Blutvergießen verhütet, wenn ihr nicht so lax in der Erfüllung Eurer Pflicht gewesen wäret. Good bye, Boys!«
Er wendete sein Pferd zur Seite und ritt davon. Wir folgten ihm nach kurzem Gruße gegen die Dragoner, welche sich nun direkt nach Norden wendeten. Wir legten im Galopp eine große Strecke schweigend zurück. Old Death ließ den Kopf hängen und gab seinen Gedanken Audienz. Im Westen neigte sich die Sonne dem Untergange zu; es -war höchstens noch eine Stunde Tag und doch sahen wir den südlichen Horizont noch immer wie eine messerscharfe Linie vor uns liegen. Wir hatten heute den Rio Leona erreichen wollen, wo es Baumwuchs gab. Letzterer hätte den Horizont als eine viel dickere Linie erscheinen lassen müssen. Darum stand zu vermuten, daß wir dem Ziele unseres heutigen Rittes noch nicht nahe seien. Diese Bemerkung mochte sich auch Old Death im Stillen sagen, denn er trieb sein Pferd immer von Neuem an, wenn es in langsameren Gang fallen wollte. Und diese Eile hatte endlich auch Erfolg, denn eben als der sich vergrößernde Sonnenball den westlichen Horizont berührte, sahen wir im Süden einen dunklen Strich, welcher um so deutlicher wurde, je näher wir ihm kamen. Der Boden, welcher zuletzt aus kahlem Sande bestanden hatte, trug wieder Gras, und nun bemerkten wir auch, daß der erwähnte Strich aus Bäumen bestand, deren Wipfel uns nach dem scharfen Ritte einladend entgegenwinkten. Old Death deutete auf dieselben hin, erlaubte seinem Pferde, in Schritt zu gehen, und sagte:
»Wo in diesem Himmelsstriche Bäume stehen, muß Wasser in der Nähe sein. Wir haben den Leonafluß vor uns, an dessen Ufer wir lagern werden.«
Bald hatten wir die Bäume erreicht. Sie bildeten einen schmalen, sich an den beiden Flußufern hinstreckenden Hain, unter dessen Kronendach dichtes Buschwerk stand. Das Bett des Flusses war breit, um so geringer aber die Wassermasse, die er mit sich führte. Doch zeigte sich der Punkt, an welchem wir auf ihn trafen, nicht zum Übergange geeignet, weshalb wir langsam am Ufer aufwärts ritten. Nach kurzem Suchen fanden wir eine Stelle, wo das Wasser seicht über blinkende Kiesel glitt. Da hinein lenkten wir die Pferde, um hindurch zu reiten. Old Death war voran. Eben als sein Pferd die Hufe in das Wasser setzen wollte, hielt er es an, stieg ab und bückte sich nieder, um den Grund des Flusses aufmerksam zu betrachten.
»Well!« nickte er. »Dachte es doch! Hier stoßen wir auf eine Fährte, welche wir nicht eher bemerken konnten, weil das trockene Ufer aus starkem Kies besteht, welcher keine Spur aufnimmt. Betrachtet euch einmal den Boden des Flusses!«
Auch wir stiegen ab und bemerkten runde, etwas mehr als handgroße Vertiefungen, welche in den Fluß hineinführten.
»Das ist eine Fährte?« fragte Lange. »Ihr habt jedenfalls recht, Sir. Vielleicht ist‘s ein Pferd gewesen, also ein Reiter.«
»Nein. Sam mag sich die Spur betrachten. Will sehen, was der von ihr meint.«
Der Neger hatte bescheiden hinter uns gestanden. Jetzt trat er vor, sah in das Wasser und meinte dann:
»Da sein gewesen zwei Reiter, welche hinüber über den Fluß.«
»Warum meinst du, daß es Reiter und nicht herrenlose Pferde gewesen sind?«
»Weil Pferd, welches Eisen haben, nicht wilder Mustang sein, sondern zahmes Pferd, und darauf doch allemal sitzen Reiter. Auch seine Spuren tief. Pferde haben tragen müssen Last, und diese Last sein Reiter. Pferde nicht gehen nebeneinander in Wasser, sondern hintereinander. Auch bleiben stehen am Ufer, uni zu saufen, bevor laufen hinüber. Hier aber nicht sind stehen bleiben, sondern stracks hinüber. Sind auch laufen nebeneinander. Das nur tun, wenn sie müssen, wenn gehorchen dem Zügel. Und wo ein Zügel sein, da auch ein Sattel, worauf sitzen Reiter.«
»Das hast du gut gemacht!« lobte der Alte. »Ich selbst hätte es nicht besser erklären können. Ihr seht, Mesch‘schurs, daß es Fälle gibt, in welchen ein Weißer noch genug von einem Schwarzen lernen kann. Aber die beiden Reiter haben Eile gehabt; sie haben ihren Pferden nicht einmal Zeit zum Saufen gelassen. Da diese aber jedenfalls Durst fühlten und jeder Westmann vor allen Dingen auf sein Pferd sieht, so kalkuliere ich, daß sie erst drüben am andern Ufer trinken durften. Für diese zwei Männer muß es also einen Grund gegeben haben, vor allen Dingen zunächst hinüber zu kommen. Hoffentlich erfahren wir diesen Grund.«
Während dieser Untersuchung der Spuren hatten die Pferde das Wasser in langen Zügen geschlürft. Wir stiegen wieder auf und gelangten trocken hinüber, denn der Fluß war an dieser Stelle so seicht, daß nicht einmal die Steigbügel die Oberfläche berührten. Kaum waren wir wieder auf dem Trockenen, so sagte Old Death, dessen scharfem Auge nicht so leicht etwas entgehen konnte:
»Da haben wir den Grund. Seht euch diese Linde an, deren Rinde von unten, so hoch wie ein Mann reichen kann, abgeschält ist! Und hier, was steckt da in der Erde?«
Er deutete auf den Boden nieder, in welchem zwei Reihen dünner Pflöcke steckten, die nicht stärker als ein Bleistift waren und auch die Länge eines solchen hatten.
»Was sollen diese Pflöcke?« fuhr Old Death fort. »In welcher Beziehung stehen sie zu der abgeschälten Rinde? Seht ihr nicht die kleinen, vertrockneten Bastschnitzel, welche zerstreut da herum liegen? Diese im Boden steckenden Pflöcke sind als Maschenhalter gebraucht worden. Habt ihr vielleicht einmal ein Knüpfbrett gesehen, mit dessen Hilfe man Netze, Tücher und dergleichen knüpft? Nicht? Nun, so ein Knüpfbrett haben wir vor uns, nur daß es nicht aus Holz und eisernen Stiften besteht. Die beiden Reiter haben aus Bast ein langes, breites Band geknüpft. Es ist zwei Ellen lang und sechs Zoll breit gewesen, wie man aus der Anordnung der Pflöcke ersehen kann, also schon mehr ein Gurt. Solche Bänder oder Gurten aus frischem Baste aber nehmen, wie ich weiß, die Indianer gern zum Verbinden von Wunden. Der saftige Bast legt sich kühlend auf die Wunde und zieht sich, wenn er trocken wird, so fest zusammen, daß er selbst einem verletzten Knochen leidlich Halt erteilt. Ich kalkuliere, daß wenigstens einer der beiden Reiter verwundet worden ist. Und nun schaut her ins feuchte Wasser! Sehr ihr die beiden muschelförmigen Vertiefungen des Grundsandes? Da haben sich die zwei Pferde im Wasser gewälzt. Das tun nur indianische Pferde. Man hatte ihnen die Sättel abgenommen, damit sie sich wälzen und erfrischen könnten, was man den Tieren nur dann erlaubt, wenn sie noch einen anstrengenden Weg vor sich haben. Wir dürfen also mit Sicherheit annehmen, daß die beiden Reiter sich hier nicht länger verweilt haben, als zur Anfertigung des Bastgurtes notwendig war, und dann weiter geritten sind. Das Resultat unserer Untersuchung ist also folgendes. Zwei Reiter auf indianischen Pferden, von denen wenigstens einer verwundet war, und die es so eilig hatten, daß sie drüben die Pferde nicht trinken ließen, weil sie hüben die Linde stehen sahen, deren Bast sie als Verband benutzen wollten. Nach Anlegung dieses Verbandes sind sie schnell wieder fortgeritten. Was folgt daraus, Mesch‘schurs? Strengt Ihr einmal Euer Gehirn an!« forderte der Alte mich auf.
»Will es versuchen,« antwortete ich. »Aber Ihr dürft mich nicht auslachen, wenn ich nicht das Richtige treffe!«
»Fällt mir gar nicht ein! Ich betrachte Euch als meinen Schüler, und von einem Lehrlinge kann man doch kein ausgewachsenes Urteil verlangen.«
»Da die beiden Pferde indianische waren, so vermute ich, daß ihre Besitzer zu einem roten Stamme gehörten. Ich muß dabei an die Ereignisse in Fort Inge denken. Der eine der Apachen entkam, wurde aber verwundet. Winnetou ritt auch schleunigst davon, ist dem ersteren jedenfalls ohne Aufenthalt nachgefolgt und hat denselben, da er ein ausgezeichnetes Pferd besitzt, wohl bald eingeholt.«
»Nicht übel!« nickte Old Death. »Wißt Ihr noch etwas?«
»Ja. Es kam den beiden Apachen vor allen Dingen darauf an, so schnell wie möglich ihre Stammesgenossen zu erreichen, um ihnen die im Fort erlittene Schmach mitzuteilen und sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Ankunft der feindlichen Comanchen baldigst zu erwarten sei. Daher ihre große Eile. Also haben sie sich erst hier Zeit genommen, die Wunde zu verbinden, zumal sie sich vorher gesagt haben, daß am Flusse wohl Bast zu finden sei. Und daher haben sie ihren Pferden nur die notwendigste Erfrischung gegönnt und sind dann sofort weiter geritten.«
»So ist es. Ich bin zufrieden mit Euch. Ich halte es für gar nicht zweifelhaft, daß es Winnetou mit dem entkommenen Friedensunterhändler war. Wir kommen freilich zu spät, um draußen im Grase ihre Fährte zu finden; aber ich kann mir denken, welche Richtung sie eingeschlagen haben. Sie mußten über den Rio Grande, grade wie wir, haben die gradeste Richtung eingeschlagen, was auch wir tun werden, und so kalkuliere ich, daß wir wohl noch auf irgend ein Zeichen von ihnen stoßen werden. Nun wollen wir uns nach einem Platze umsehen, an dem wir lagern können, denn morgen müssen wir möglichst zeitig aufbrechen.«
Sein geübtes Auge fand sehr bald eine passende Stelle, ein rund von Büschen umgebenes, offenes Plätzchen, dicht mit saftigem Grase bestanden, an welchem unsere Pferde sich gütlich tun konnten. Wir sattelten sie ab und pflockten sie an den Lassos an, welche wir aus La Grange mitgenommen hatten. Dann lagerten wir uns nieder und hielten von dem Reste unseres Speisevorrates ein bescheidenes Abendmahl. Auf meine Erkundigung, ob wir nicht ein Lagerfeuer anbrennen wollten, antwortete Old Death, indem er eine spöttisch pfiffige Miene zog:
»Habe diese Frage von Euch erwartet, Sir. Habt wohl früher manche schöne Indianergeschichte von Cooper und Anderen gelesen? Haben Euch wohl sehr gefallen, diese hübschen Sachen?«
»Ziemlich.«
»Hm, ja! Das liest sich so gut; das geht alles so glatt und reinlich. Man brennt sich die Pfeife oder die Zigarre an, setzt sich auf das Sofa, legt die Beine hoch und vertieft sich in das schöne Buch, welches der Leihbibliothekar geschickt hat. Aber lauft nur einmal selbst hinaus in den Urwald, in den fernen Westen! Da geht es wohl ein wenig anders zu, als es in solchen Büchern zu lesen ist. Cooper ist ein ganz tüchtiger Romanschreiber gewesen, und auch ich habe seine Lederstrumpferzählungen genossen; aber im Westen war er nicht. Er hat es ausgezeichnet verstanden, die Poesie mit der Wirklichkeit zu verbinden; aber im Westen hat man es eben nur mit der letzteren zu tun, und von der Poesie habe wenigstens ich noch keine Spur entdecken können. Da liest man von einem hübsch brennenden Lagerfeuer, an welchem eine saftige Büffellende gebraten wird. Aber ich sage Euch, wenn wir jetzt ein Feuerchen anzündeten, so würde der Brandgeruch jeden Indsman herbeilocken, welcher sich innerhalb einer um uns gezogenen Kreislinie befindet, deren Halbmesser von hier weg zwei englische Meilen beträgt.«
»Eine Stunde fast! Ist das möglich?«
»Werdet wohl noch erfahren, was für Nasen die Roten haben. Und wenn sie es nicht riechen sollten, so wittern es ihre Pferde, welche es ihnen durch jenes fatale Schnauben verraten, das den Tieren anerzogen ist und schon manchem Weißen das Leben gekostet hat. Darum meine ich, wir sehen heute von der Poesie eines Lagerfeuers ab.«
»Aber es steht doch wohl nicht zu befürchten, daß sich Indianer in unserer Nähe befinden, weil die Comanchen noch nicht unterwegs sein können. Bevor die Unterhändler heim gekommen sind und die dann ausgesendeten Boten die Krieger der verschiedenen Stämme zusammengeholt haben, muß eine leidliche Zeit vergehen.«
»Hin! Was so ein Greenhorn doch für kluge Reden halten kann! Leider habt Ihr dreierlei vergessen. Nämlich erstens befinden wir uns eben im Comanchengebiete. Zweitens sind ihre Krieger bereits bis hinüber ins Mexiko geschwärmt. Und drittens sind auch die Zurückgebliebenen nicht erst langsam zusammenzutrommeln, sondern jedenfalls längst versammelt und zum Kriegszuge gerüstet. Oder haltet Ihr die Comanchen für so dumm, die Abgesandten der Apachen zu töten, ohne zum sofortigen Aufbruche gerüstet zu sein? Ich sage Euch, der Verrat gegen diese Abgesandten war keineswegs eine Folge augenblicklichen Zornes; er war vorher überlegt und beschlossen. Ich kalkuliere, daß es am Rio Grande bereits Comanchen gibt, und befürchte, daß es Winnetou sehr schwer sein wird, unbemerkt an ihnen vorüber zu kommen.«
»So haltet Ihr es mit den Apachen?«
»Im Stillen, ja. Ihnen ist unrecht geschehen. Sie sind schändlich überfallen worden. Zudem habe ich grad für diesen Winnetou eine außerordentliche Sympathie. Aber die Klugheit verbietet uns, Partei zu ergreifen. Wollen uns gratulieren, wenn wir mit heller Haut unser Ziel erreichen, und es uns ja nicht einfallen lassen, entweder mit der einen oder der andern Seite zu liebäugeln. Übrigens habe ich keine allzu große Veranlassung, mich vor den Comanchen zu fürchten. Sie kennen mich. Ich habe ihnen wissentlich niemals ein Leid getan und bin oft bei ihnen gewesen und ganz freundlich aufgenommen worden. Einer ihrer bekanntesten Häuptlinge, Oyo-koltsa, zu deutsch »der weiße Biber«, ist sogar mein besonderer Freund, dein ich einen Dienst geleistet habe, welchen nie zu vergessen er mir versprochen hat. Das geschah droben am Red River, wo er von einer Truppe Tschickasahs überfallen wurde und sicher Skalp und Leben hätte lassen müssen, wenn ich nicht dazugekommen wäre. Diese Freundschaft ist jetzt für uns von großer Wichtigkeit. Ich werde mich auf dieselbe berufen, wenn wir auf Comanchen stoßen und von ihnen feindselig behandelt werden sollten. Übrigens sind wir fünf Männer, und ich hoffe, daß ein jeder von uns mit seinem Gewehre umzugehen versteht. Ehe ein Roter meine Kopfhaut samt der Frisur bekommt, müßten vorher ein Dutzend seiner Gefährten sich Billetts nach den ewigen Jagdgründen lösen. Wir müssen auf alle Fälle vorbereitet sein und uns grad so verhalten, als ob wir uns im feindlichen Lande befänden. Darum werden wir nicht alle fünf zugleich schlafen, sondern einer muß wachen, und die Wache wird von Stunde zu Stunde abgelöst. Wir losen mit Grashalmen von verschiedener Länge, um die Reihenfolge der Wache zu bestimmen. Das gibt fünf Stunden Schlafes, woran wir genug haben können.«
Er schnitt fünf Halme ab. Ich bekam die letzte Wache. Indessen war es Nacht und ganz dunkel geworden. So lange wir noch nicht schliefen, brauchten wir keine Wache, und zum Schlafen war keiner von uns aufgelegt. Wir steckten uns Zigarren an und erfreuten uns einer anregenden Unterhaltung, welche dadurch sehr interessant wurde, daß Old Death uns verschiedene seiner Erlebnisse erzählte. Ich bemerkte, daß er dieselben so auswählte, daß wir beim Zuhören lernen konnten. So verging die Zeit. Ich ließ die Uhr repetieren, sie gab halb elf an. Plötzlich hielt Old Death inne und lauschte aufmerksam. Eins unserer Pferde hatte geschnaubt, und zwar auf eine so eigenartige Weise, wie vor Aufregung und Angst, daß es auch mir aufgefallen war.
»Hm!« brummte er. »Was war denn das? Habe ich nicht recht gehabt, als ich zu Cortesio sagte, daß unsere beiden Klepper bereits in der Prairie gewesen seien? So schnaubt nur ein Tier, welches einen Westmann getragen hat. In der Nähe muß sich irgend etwas Verdächtiges befinden. Aber seht euch ja nicht um, Mesch‘schurs! Zwischen dem Gebüsch ist es stockdunkel, und wenn man die Augen anstrengt, in solcher Finsternis etwas zu sehen, So erhalten sie, ohne daß man es ahnt, einen Glanz, welchen der Feind bemerken kann. Schaut also ruhig vor euch nieder! Ich selbst werde umherlugen und dabei den Hut ins Gesicht ziehen, damit meine Augen nicht leicht zu bemerken sind. Horcht! Abermals! Rührt euch nicht!«
Das Schnauben hatte sich wiederholt. Eins der Pferde – es war wohl das meinige – stampfte mit den Hufen, als ob es sich von dem Lasso reißen wollte. Wir schwiegen, was ich für ganz natürlich hielt. Aber Old Death flüsterte:
»Was fällt euch denn ein, jetzt so plötzlich still zu sein! Wenn jemand wirklich in der Nähe ist und uns belauscht, so hat er uns sprechen gehört und bemerkt nun aus dem Schweigen, daß uns das Schnauben des Pferdes aufgefallen ist und unsern Verdacht erregt hat. Also redet, redet weiter! Erzählt euch etwas, gleichviel, was es ist.«
Da aber sagte der Neger leise:
»Sam wissen, wo Mann sein. Sam haben sehen zwei Augen.«
»Gut! Aber schau nicht mehr hin, sonst sieht er auch deine Augen. Wo ist es denn?«
»Wo Sam haben anhängen sein Pferd, rechts bei den wilden Pflaumensträuchern. Ganz tief unten am Boden ganz schwach funkeln sehen zwei Punkte.«
»Gut! Ich werde mich in den Rücken des Mannes schleichen und ihn ein wenig beim Genick nehmen. Daß mehrere da sind, ist nicht zu befürchten, denn in diesem Falle würden sich unsere Pferde wohl ganz anders verhalten. Sprecht also laut fort! Das hat doppelten Nutzen, denn erstens denkt da der Mann, daß wir keinen Verdacht mehr haben, und zweitens verdeckt euer Sprechen das Geräusch, welches ich bei dieser Finsternis nur sehr schwer vermeiden kann.«
Er stand auf und verließ den Platz nach der entgegengesetzten Seite. Lange warf mir eine laute Frage hin, welche ich ebenso laut beantwortete. Daraus entspann sich ein Wortwechsel, welchem eine lustige Färbung zu geben ich mich bemühte, damit wir Grund zum Lachen bekamen. Lautes Lachen war wohl am geeignetsten, den Lauscher von unserer Sorglosigkeit zu überzeugen und ihn nichts von Old Deaths Annäherung hören zu lassen. Will und auch der Neger stimmten ein, und so waren wir wohl über zehn Minuten lang ziemlich laut, bis dann Old Deaths Stimme sich hören ließ:
»Holla! Schreit nicht länger wie Löwen! Es ist nicht mehr nötig, denn ich habe ihn. Werde ihn bringen.«
Wir hörten es dort, wo des Negers Pferd angepflockt stand, rascheln, und dann kam der Alte schweren Schrittes herbei, um die Last, welche er trug, vor uns niederzulegen.
»So!« sagte er. »Das war ein sehr leichter Kampf, denn der Lärm, den ihr machtet, war so bedeutend, daß dieser Indsman sogar ein Erdbeben mit allem, was dazu gehört, nicht hätte bemerken können.«
»Ein Indianer? So sind noch mehrere in der Nähe?«
»Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Aber nun möchten wir doch ein wenig Licht haben, um uns den Mann ansehen zu können. Habe da vorn trockenes Laub und auch ein kleines verdorrtes Bäumchen gesehen. Werde es holen. Achtet einstweilen auf den Mann!«