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Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 12

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»Er bewegt sich nicht. Ist er tot?«

»Nein, aber sein Bewußtsein ist ein wenig spazieren gegangen. Habe ihm mit seinem eigenen Gürtel die Hände auf den Rücken gebunden. Ehe die Besinnung ihm wiederkommt, werde auch ich zurück sein.«

Er ging, um das erwähnte Bäumchen abzuschneiden, welches wir, als er es gebracht hatte, mit den Messern zerkleinerten. Zündhölzer hatten wir, und so brannte bald ein kleines Feuer, dessen Schein hinreichte, den Gefangenen genau betrachten zu können. Das Holz war so trocken, daß es fast gar keinen Rauch verbreitete.

Jetzt sahen wir uns den Roten an. Er trug indianische Hosen mit Lederfransen, ein eben solches Jagdhemde und einfache Mokassins ohne alle Verzierung. Sein Kopf war glatt geschoren, so daß man auf der Mitte des Scheitels nur die Skalplocke stehen gelassen hatte. Sein Gesicht war mit Farbe bemalt, schwarze Querstriche auf gelbem Grunde. Seine Waffen und alles, was an seinem Ledergürtel gehangen hatte, waren ihm von Old Death genommen worden. Diese Waffen bestanden in einem Messer und Bogen mit ledernem Pfeilköcher. Die beiden letzteren Gegenstände waren mit einem Riemen zusammengebunden. Er lag bewegungslos und mit geschlossenen Augen da, als ob er tot sei.

»Ein einfacher Krieger,« sagte Old Death, »der nicht einmal den Beweis, daß er einen Feind erlegt hat, bei sich trägt. Er hat weder den Skalp eines von ihm Besiegten am Gürtel hängen, noch sind seine Leggins mit Menschenhaarfransen versehen. Nicht einmal einen Medizinbeutel trägt er bei sich. Er besitzt also entweder noch keinen Namen oder er hat ihn verloren, weil ihm seine Medizin abhanden gekommen ist. Nun ist er als Kundschafter verwendet worden, weil das eine gefährliche Sache ist, bei welcher er sich auszeichnen, einen Feind erlegen und also sich wieder einen Namen holen kann. Schaut, er bewegt sich. Er wird gleich zu sich kommen. Seid still!«

Der Gefangene streckte die Glieder und holte tief Atem. Als er fühlte, daß ihm die Hände gebunden waren, ging es wie ein Schreck durch seinen Körper. Er öffnete die Augen, machte einen Versuch, emporzuspringen, fiel aber wieder nieder. Nun starrte er uns mit glühenden Augen an. Als sein Blick dabei auf Old Death fiel, entfuhr es seinem Munde:

»Koscha-pehve!« Das ist ein Comanchenwort und heißt genau so viel wie Old Death = der »alte Tod«.

»Ja, ich bin es,« nickte der Scout. »Kennt mich der rote Krieger?«

»Die Söhne der Comanchen kennen den Mann, welcher diesen Namen führt, sehr genau, denn er ist bei ihnen gewesen.«

»Du bist ein Comanche. Ich sah es an den Farben des Krieges, welche du im Gesichte trägst. Wie lautet dein Name?«

»Der Sohn der Comanchen hat seinen Namen verloren und wird nie wieder einen tragen. Er zog aus, ihn sich zu holen; aber er ist in die Hände der Bleichgesichter gefallen und hat Schimpf und Schande auf sich geladen. Er bittet die weißen Krieger, ihn zu töten. Er wird den Kriegsgesang anstimmen, und sie sollen keinen Laut der Klage hören, wenn sie seinen Leib am Marterpfahle rösten.«

»Wir können deine Bitte nicht erfüllen, denn wir sind Christen und deine Freunde. Ich habe dich gefangen genommen, weil es so dunkel war, daß ich nicht sehen konnte, daß du ein Sohn der mit uns in Frieden lebenden Comanchen bist. Du wirst am Leben bleiben und noch viele große Taten verrichten, so daß du dir einen Namen holst, vor welchem eure Feinde erzittern. Du bist frei.«

Er band ihm die Hände los. Ich hatte erwartet, daß der Comanche nun erfreut aufspringen werde; aber er tat es nicht, er blieb liegen, als ob er noch gefesselt sei, und sagte:

»Der Sohn der Comanchen ist doch nicht frei. Er will sterben. Stoß ihm dein Messer in das Herz!«

»Dazu habe ich keinen Anlaß und nicht die mindeste Lust. Warum soll ich dich töten?«

»Weil du mich überlistet und gefangen genommen hast. Wenn die Krieger der Comanchen es erfahren, werden sie mich von sich jagen und sagen: Erst hatte er die Medizin und den Namen verloren, und dann lief er in die Hände des Bleichgesichtes. Sein Auge ist blind und sein Ohr taub, und er wird niemals würdig sein, das Zeichen des Kriegers zu tragen.«

Er sagte das in so traurigem Tone, daß er mir wirklich leid tat. Ich konnte zwar nicht alle seine Worte verstehen, denn er sprach ein sehr mit Comanchen-Ausdrücken gespicktes Englisch; aber was ich nicht verstand, das suchte ich zu erraten.

»Unser roter Bruder trägt keine Schande auf seinem Haupte,« sagte ich schnell, ehe Old Death antworten konnte. »Von einem berühmten Bleichgesichte, wie Koscha-pehve, überlistet zu werden, ist keine Schande, und übrigens werden die Krieger der Comanchen es nie erfahren, daß du unser Gefangener gewesen bist. Unser Mund wird darüber schweigen.«

»Und wird Koscha-pehve dies bestätigen?« fragte der Indianer.

»Sehr gern,« stimmte der Alte bei. »Wir werden tun, als ob wir uns ganz friedlich getroffen hätten. Ich bin euer Freund, und es ist kein Fehler von dir, wenn du offen zu mir trittst, sobald du erkannt hast, daß ich es bin.«

»Mein weißer, berühmter Bruder spricht Worte der Freude für mich. Ich traue seiner Rede und kann mich erheben, denn ich werde nicht mit Schimpf zu den Kriegern der Comanchen zurückkehren. Den Bleichgesichtern aber werde ich für ihre Verschwiegenheit dankbar sein, so lange meine Augen die Sonne sehen.«

Er erhob sich in sitzende Stellung und tat einen tiefen, tiefen Atemzug. Seinem dick beschmierten Gesichte war keine Gemütsbewegung anzusehen, aber doch bemerkten wir sofort, daß wir ihm das Herz sehr erleichtert hatten. Natürlich überließen wir es dem erfahrenen Scout, die Unterhaltung mit ihm fortzusetzen. Der Alte zögerte auch gar nicht, dies zu tun. Er sagte:

»Unser roter Freund hat gesehen, daß wir es gut mit ihm meinen. Wir hoffen, daß auch er uns als seine Freunde betrachten und also meine Fragen aufrichtig beantworten werde.«

»Koscha-pelive mag fragen. Ich sage nur die Wahrheit.«

»Ist mein indianischer Bruder allein ausgezogen, vielleicht nur, um einen Feind oder ein gefährliches, wildes Tier zu erlegen, damit er mit einem neuen Namen in sein Wigwarn zurückkehre? Oder sind noch andere Krieger bei ihm?«

»So viele, wie Tropfen da im Flusse laufen.«

»Will mein roter Bruder damit sagen, daß sämtliche Krieger der Comanchen ihre Zelte verlassen haben?«

»Sie sind ausgezogen, um sich die Skalpe ihrer Feinde zu holen.«

»Welcher Feinde?«

»Der Hunde der Apachen. Es ist von den Apachen ein Gestank ausgegangen, welcher bis zu den Zelten der Comanchen gedrungen ist. Darum haben sie sich auf ihre Pferde gesetzt, um die Coyoten von der Erde zu vertilgen.«

»Haben sie vorher den Rat der alten, weisen Häuptlinge gehört?«

»Die betagten Krieger sind zusammengetreten und haben den Krieg beschlossen. Dann mußten die Medizinmänner den großen Geist befragen, und die Antwort Manitous ist befriedigend ausgefallen. Von den Lagerstätten der Comanchen bis zum großen Flusse, welchen die Bleichgesichter Rio Grande del Norte nennen, wimmelt es bereits von unsern Kriegern. Die Sonne ist viermal untergegangen, seit das Kriegsbeil von Zelt zu Zelt getragen wurde.«

»Und mein roter Bruder gehört zu einer solchen Kriegerschar?«

»Ja. Wir lagern oberhalb dieser Stelle am Flusse. Es wurden Kundschafter ausgesandt, um zu untersuchen, ob die Gegend sicher sei. Ich ging abwärts und kam hierher, wo ich die Pferde der Bleichgesichter roch. Ich kroch zwischen die Büsche, um ihre Zahl zu erfahren; da aber kam Koschapehve über mich und tötete mich für kurze Zeit.«

»Das ist vergessen, und niemand soll davon sprechen. Wie viele Krieger der Comanchen sind es, welche da oben lagern?«

»Es sind ihrer grad zehnmal zehn.«

»Und wer ist ihr Anführer?«

»Avat-vila, der junge Häuptling.«

»Den kenne ich nicht und habe seinen Namen noch niemals gehört.«

»Er hat diesen Namen erst vor wenigen Monaten erhalten, weil er in den Bergen den grauen Bären getötet hatte und dessen Fell und Klauen mitbrachte. Er ist der Sohn von Oyo-koltsa, den die Bleichgesichter den »weißen Biber« nennen.«

»O, den kenne ich. Er ist mein Freund.«

»Ich weiß es, denn ich habe dich bei ihm gesehen, als du der Gast seines Zeltes warst. Sein Sohn, der »große Bär«, wird dich freundlich empfangen.«

»Wie weit ist der Ort von hier entfernt, an welchem er mit seinen Kriegern lagert?«

»Mein weißer Bruder wird nicht die Hälfte der Zeit reiten, welche er eine Stunde nennt.«

»So werden wir ihn bitten, seine Gäste sein zu dürfen. Mein roter Freund mag uns führen.«

Nach kaum fünf Minuten saßen wir auf und ritten fort; der Indianer schritt uns voran. Er führte uns erst unter den Bäumen hinaus bis dahin, wo das Terrain offen war, und nun wendete er sich flußaufwärts.

Nach einer guten Viertelstunde tauchten mehrere dunkle Gestalten vor uns auf. Es waren die Lagerposten. Der Führer wechselte einige Worte mit ihnen und entfernte sich dann. Wir aber mußten halten bleiben. Nach einiger Zeit kehrte er zurück, um uns zu holen. Es war stockdunkel. Der Himmel hatte sich getrübt, und kein Stern war mehr zu erkennen. Ich schaute fleißig nach rechts und nach links, konnte aber nichts erkennen. Nun mußten wir wieder anhalten. Der Führer sagte:

»Meine weißen Brüder mögen sich nicht mehr vorwärts bewegen. Die Söhne der Comanchen brennen während eines Kriegszuges kein Feuer an, aber jetzt sind sie überzeugt, daß sich kein Feind in der Nähe befindet, und so werden sie Feuer machen.«

Er huschte fort. Nach wenigen Augenblicken sah ich ein glimmendes Pünktchen, so groß wie eine Stecknadelkuppe.

»Das ist Punks,« erklärte Old Death.

»Was ist Punks?« erkundigte ich mich, indem ich mich unwissend stellte.

»Das Prairiefeuerzeug. Zwei Hölzer, ein breites und ein dünnes, rundes. Das breite hat eine kleine Vertiefung, welche mit Punks, d. h. mit trockenem Moder aus hohlen, ausgefaulten Bäumen gefüllt wird. Das ist der beste Zunder, den es gibt. Das dünne Stäbchen wird dann auch in die Vertiefung auf den Moder gesetzt und mit beiden Händen schnell wie ein Quirl bewegt. Durch diese Reibung erhitzt und entzündet sich der Zunder. Seht!«

Ein Flämmchen flackerte auf und ward zur großen, von einem trockenen Laubhaufen genährten Flamme. Doch bald sank sie wieder nieder, denn der Indianer duldet keinen weit leuchtenden Feuerschein. Es wurden Aststücke angelegt und zwar rund im Kreise, so daß sie mit einem Ende nach dem Mittelpunkte zeigten. Auf diesem Zentrum brannte das Feuer, welches auf diese Weise leicht zu regeln war, denn je nachdem man das Holz näher heran oder zurückschob, wurde das Feuer groß oder kleiner. Als das Laub hoch aufflammte, sah ich, wo wir uns befanden. Wir hielten unter Bäumen und waren rings von Indianern umgeben, welche ihre Waffen in den Händen hielten. Nur einige wenige hatten Gewehre, die andern waren mit Lanzen, Pfeilen und Bogen bewaffnet. Alle aber trugen Tomahawks, jenes fürchterliche Kriegsbeil der Indianer, welches in der Hand eines geübten Kriegers eine weit gefährlichere Waffe ist, als man gewöhnlich annimmt. Als das Feuer geregelt war, erhielten wir die Weisung, abzusteigen. Man führte unsere Pferde fort, und nun befanden wir uns in der Gewalt der Roten, denn ohne Pferde war in dieser Gegend nichts zu machen. Zwar hatte man uns die Waffen nicht abverlangt, aber fünf gegen hundert ist kein sehr erquickliches Verhältnis.

Wir durften zum Feuer treten, an welchem ein einzelner Krieger saß. Man konnte ihm nicht ansehen, ob er jung oder alt war, denn auch sein Gesicht war über und über gefärbt und zwar ganz in denselben Farben und in derselben Weise wie dasjenige des Kundschafters. Sein Haar hatte er in einen hohen Schopf geflochten, in welchem die Feder des weißen Kriegsadlers steckte. An seinem Gürtel hingen zwei Skalpe, und an einer um seinen Hals gehenden Schnur waren der Medizinbeutel und das Kalumet, die Friedenspfeife, befestigt. Quer über seinen Knieen lag die Flinte, ein altes Ding von anno zwanzig oder dreißig. Er blickte uns nacheinander aufmerksam an. Den Schwarzen schien er nicht zu sehen, denn der rote Mann verachtet den Neger.

»Der tut stolz,« sagte Old Death in deutscher Sprache, um von den Roten nicht verstanden zu werden. »Wir wollen ihm zeigen, daß auch wir Häuptlinge sind. Setzt euch also auch, und laßt mich reden!«

Er setzte sich dem Häuptlinge gegenüber, und wir taten dasselbe. Nur Sam blieb stehen, denn er wußte, daß er als Schwarzer sein Leben wage, wenn er den Vorzug der Häuptlinge, am Feuer zu sitzen, auch für sich in Anspruch nehme.

»Uff!« rief der Indianer zornig, und stieß noch mehrere Worte hervor, welche ich indessen nicht verstand.

»Verstehst du die Sprache der Bleichgesichter?« fragte Old Death den Indsman.

»Avat-vila versteht sie; aber er spricht sie nicht, weil es ihm nicht beliebt,« antwortete der Häuptling, wie Old Death uns augenblicklich übersetzte.

»Ich bitte dich aber, sie jetzt zu sprechen!«

»Warum?«

»Weil meine Gefährten die Sprache der Comanchen nicht verstehen und doch auch wissen müssen, was gesprochen wird.«

»Sie befinden sich bei den Comanchen und haben sich der Sprache derselben zu bedienen. Das fordert die Höflichkeit.«

»Du irrst. Sie können sich keiner Sprache bedienen, welche sie nicht kennen. Das siehst du wohl ein. Und sie befinden sich hier als Gäste der Comanchen. Also haben sie die Höflichkeit zu fordern, welche du von ihnen verlangst, Du kannst englisch sprechen. Wenn du es nicht redest, so glauben sie nicht, daß du es kannst.«

»Uff!« rief er. Und dann fuhr er in gebrochenem Englisch fort: »Ich habe gesagt, daß ich es kann, und ich lüge nicht. Wenn sie es nicht glauben, so beleidigen sie mich, und ich lasse sie töten! Warum habt ihr es gewagt, euch zu mir zu setzen?«

»Weil wir als Häuptlinge das Recht dazu haben.«

»Wessen Häuptling bist du?«

»Der Häuptling der Scouts.«

»Und dieser?« Dabei deutete er auf Lange.

»Der Häuptling der Schmiede, welche Waffen verfertigen.«

»Und dieser?« Er meinte Will.

»Dieser ist sein Sohn und macht Schwerter, mit denen man die Köpfe spaltet, auch Tomahawks.«

Das schien zu imponieren, denn der Rote sagte:

»Wenn er das kann, so ist er ein sehr geschickter Häuptling. Und dieser da?« Er nickte gegen mich hin.

»Dieser berühmte Mann ist aus einem fernen Lande weit über das Meer herübergekommen, um die Krieger der Comanchen kennen zu lernen. Er ist ein Häuptling der Weisheit und Kenntnis aller Dinge und wird nach seiner Rückkehr Tausenden erzählen, was für Männer die Comanchen sind.«

Das schien über das Begriffsvermögen des Roten zu gehen. Er betrachtete mich sehr sorgsam und sagte dann.

»So gehört er unter die klugen und erfahrenen Männer? Aber sein Haar ist nicht weiß.«

»In jenem Lande werden die Söhne gleich so klug geboren, wie hier die Alten.«

»So muß der große Geist dieses Land sehr lieb haben. Aber die Söhne der Comanchen bedürfen seiner Weisheit nicht, denn sie sind selbst klug genug, um zu wissen, was zu ihrem Glücke erforderlich ist. Die Weisheit scheint nicht mit ihm in dieses Land gekommen zu sein, weil er es wagt, unsern Kriegspfad zu kreuzen. Wenn die Krieger der Comanchen den Tomahawk ausgegraben haben, dulden sie keine weißen Männer bei sich.«

»So scheinst du nicht zu wissen, was eure Abgesandten in Fort Inge gesagt haben. Sie haben versichert, daß sie nur mit den Apachen Krieg führen wollen, aber den Bleichgesichtern freundlich gesinnt bleiben werden.«

»Sie mögen halten, was sie gesagt haben, ich aber war nicht dabei.«

Er hatte bisher in einem sehr feindlichen Tone gesprochen; Old Death hatte seine Antworten in freundlicher Weise gegeben. Jetzt hielt er es für geraten, seinen Ton zu ändern, und fuhr zornig auf:

»So sprichst du? Wer bist du denn eigentlich, daß du es wagst, zu Koscha-pehve solche Worte zu sagen? Warum hast du mir deinen Namen nicht genannt? Hast du einen? Wenn nicht, so nenne mir denjenigen deines Vaters!«

Der Häuptling schien vor Erstaunen über diese Kühnheit ganz starr zu sein, sah dem Sprecher eine lange, lange Weile unverwandt in das Gesicht und antwortete dann:

»Mann! Soll ich dich zu Tode martern lassen?«

»Das wirst du bleiben lassen!«

»Ich bin Avat-vila, der Häuptling der Comanchen.«

»Avat-vila? Der »große Bär« Als ich den ersten Bären erlegte, war ich ein Knabe und seit jener Zeit habe ich so viele Grizzlys getötet, daß ich meinen ganzen Körper mit ihren Klauen behängen könnte. Wer einen Bären erlegt hat, der ist in meinen Augen noch kein großer Held.«

»So sieh die Skalpe an meinem Gürtel!«

»Pshaw! Hätte ich allen denen, welche ich besiegte, die Skalplocke genommen, so könnte ich deine ganze Kriegerschar mit denselben schmücken. Auch das ist nichts!«

»Ich bin der Sohn von Oyo-koltsa, dem großen Häuptlinge!«

»Das will ich eher als eine Empfehlung gelten lassen. Ich habe mit dem »weißen Biber« die Pfeife des Friedens geraucht. Wir schworen einander, daß seine Freunde auch die meinigen, meine Freunde auch die seinigen sein sollten, und haben stets Wort gehalten. Hoffentlich ist sein Sohn ebenso gesinnt, wie der Vater!«

»Du redest eine kühne Sprache. Hältst du die Krieger der Comanchen für Mäuse, welche der Hund anzubellen wagt, wie es ihm beliebt?«

»Wie sagst du? Hund? Hältst du Old Death für einen Hund, den man nach Belieben prügeln darf? Dann würde ich dich augenblicklich nach den ewigen Jagdgründen senden!«

»Uff! Hier stehen hundert Männer!«

Er zeigte mit der Hand ringsum.

»Gut!«, erwiderte der Alte. »Aber hier sitzen wir, und wir zählen ebensoviel wie deine hundert Comanchen. Sie alle können nicht verhüten, daß ich dir eine Kugel in den Leib jage. Und dann würden wir auch mit ihnen ein Wort reden. Sieh her! Hier habe ich zwei Revolver. In jedem stecken sechs Kugeln. Meine vier Gefährten sind ebenso bewaffnet, das gibt sechzig Kugeln, und sodann haben wir noch die Büchsen und Messer. Bevor wir überwunden würden, müßte die Hälfte deiner Krieger sterben.«

So war mit dem Häuptling noch nicht gesprochen worden. Fünf Männer gegen hundert! Und doch trat der Alte in dieser Weise auf! Das schien dem Roten unbegreiflich, und darum sagte er:

»Du mußt eine starke Medizin besitzen!«

»Ja, ich habe eine Medizin, ein Amulett, welches bisher jeden meiner Feinde in den Tod geschickt hat, und so wird es auch bleiben. Ich frage dich, ob du uns als Freund anerkennen willst oder nicht!«

»Ich werde mich mit meinen Kriegern beraten.«

»Ein Häuptling der Comanchen muß seine Leute um Rat fragen? Das habe ich bisher nicht geglaubt. Weil du es aber sagst, so muß ich es glauben. Wir sind Häuptlinge, welche tun, was ihnen beliebt. Wir haben also mehr Ansehen und Macht als du und können folglich nicht mit dir am Feuer sitzen. Wir werden unsere Pferde besteigen und davonreiten.«

Er stand auf, noch immer die beiden Revolver in der Hand. Auch wir erhoben uns. Der »große Bär« fuhr von seinem Sitze auf, als ob er von einer Natter gestochen worden sei. Seine Augen flammten und seine Lippen öffneten sich, so daß man die weißen Zähne sehen konnte. Er kämpfte sicherlich einen harten Kampf mit sich selbst. Im Falle eines Kampfes hätten wir die Kühnheit des Alten mit dem Leben bezahlen müssen; aber ebenso sicher war es, daß mehrere oder gar viele der Comanchen von uns getötet oder verwundet wurden. Der junge Häuptling wußte, welch eine furchtbare Waffe so eine Drehpistole ist, und daß er der erste sein würde, den die Kugel treffen müsse. Er war seinem Vater verantwortlich für alles, was geschah, und wenn auch bei den Indianern niemals ein Mann zur Heeresfolge gezwungen wird – folgt er einmal, so ist er einer eisernen Disziplin und unerbittlichen Gesetzen unterworfen. Der Vater stößt seine eigenen Söhne in den Tod. Hat sich einer als feig im Kampfe oder als unfähig erwiesen, als zu wenig kraftvoll, sich selbst zu beherrschen und die Rücksicht für das Allgemeine über seinen persönlichen Regungen stehen zu lassen, so verfällt er der allgemeinen Verachtung, kein anderer Stamm, selbst kein feindlicher, nimmt ihn auf; er irrt ausgestoßen in der Wildnis umher und kann sich nur dadurch einigermaßen wieder einen guten Namen machen, daß er in die Nähe seines Stammes zurückkehrt und sich selbst den langsamsten, qualvollsten Tod gibt, um wenigstens zu beweisen, daß er Schmerzen zu ertragen weiß. Das ist das einzige Mittel, sich den Weg in die ewigen Jagdgründe offen zu halten. Der Gedanke an diese Jagdgründe ist es, welcher den Indianer zu allem treibt, dessen ein Anderer unfähig wäre.

Diese Erwägungen mochten jetzt durch die Seele des Roten gehen. Sollte er uns ermorden lassen, um dann seinem Vater sagen oder, falls er fiel, durch die Überlebenden wissen lassen zu müssen, daß er unfähig gewesen sei, sich zu beherrschen, daß er, um den Häuptling zu spielen, dem Freunde seines Vaters das Gastrecht verweigert und ihn und dessen Genossen wie Coyoten angeschnauzt habe? Auf solche Erwägungen hatte Old Death sicher gerechnet. Sein Gesicht zeigte nicht die mindeste Sorge, als er jetzt vor dem Roten stand, die Finger am Drücker der beiden Revolver und ihm fest in die zornblitzenden Augen schauend.

»Fort wollt ihr?« rief der Indianer. »Wo sind eure Pferde? Ihr werdet sie nicht bekommen! Ihr seid umzingelt!«

»Und du mit uns! Denk an das Angesicht des »weißen Bibers«! Wenn meine Kugel dich trifft, so wird er nicht sein Haupt verhüllen und die Totenklage über dich anstimmen, sondern er wird sagen: Ich habe keinen Sohn gehabt. Der von Old Death erschossen wurde, war ein unerfahrener Knabe, welcher meine Freunde nicht achtete und nur der Stimme seines Unverstandes gehorchte. Die Schatten derer, welche wir mit dir töten, werden dir den Eintritt in die ewigen Jagdgründe verwehren, und die alten Weiber werden ihren zahnlosen Mund öffnen, um den Anführer zu verspotten, welcher das Leben der ihm anvertrauten Krieger nicht schonte, weil er sich nicht selbst regieren konnte. Sieh, wie ich hier stehe! Sehe ich aus, als ob ich mich fürchte? Ich spreche nicht aus Angst so zu dir, sondern weil du der Sohn meines roten Bruders bist, von dem ich wünsche, daß er seine Freude an dir haben möge. Nun entscheide! Ein falsches Wort an die Deinen, eine falsche Bewegung von dir, und ich schieße; der Kampf beginnt!«

Der Häuptling stand wohl noch eine volle Minute völlig bewegungslos. Man sah ihm nicht an, was in seinem Innern vorging, denn die Farbe lag ihm dick wie Kleister auf dem Gesicht. Plötzlich aber ließ er sich langsam nieder, nestelte das Kalumet von der Schnur und sagte:

»Der »große Bär« wird mit den Bleichgesichtern die Pfeife des Friedens rauchen.«

»Daran tust du wohl. Wer mit den Scharen der Apachen kämpfen will, darf sich nicht auch die Weißen zu Feinden machen.«

Wir setzten uns auch wieder.

Der »große Bär« zog seinen Beutel aus dem Gürtel und stopfte die Pfeife mit Kinnikinnik, das ist mit wilden Hanfblättern vermischter Tabak. Er zündete denselben an, erhob sich wieder, hielt eine kurze Rede, welche ich vergessen habe, in welcher aber die Ausdrücke Friede, Freundschaft, weiße Brüder sehr häufig vorkamen, tat sechs einzelne Züge, stieß den Rauch gegen den Himmel, die Erde und die vier Windrichtungen und reichte die Pfeife dann Old Death. Dieser hielt auch eine sehr freundschaftliche Rede, tat dieselben Züge und gab die Pfeife mir mit dem Bemerken, daß er für uns alle gesprochen habe und wir nur die sechs Züge nachzuahmen hätten. Dann ging das Kalumet zu Lange und dessen Sohn. Sam wurde übergangen, denn die Pfeife wäre nie wieder an den Mund eines Indianers gekommen, wenn ein Schwarzer daraus geraucht hätte. Doch war der Neger natürlich in unsern Friedensbund mit einbegriffen. Als diese Zeremonie vorüber war, setzten sich die Comanchen, welche bisher gestanden hatten, in einem weiten Kreise um uns nieder, und der Kundschaftet mußte heran, um zu erzählen, wie er uns getroffen habe. Er stattete seinen Bericht ab und ließ dabei unerwähnt, daß er von Old Death gefangen genommen worden sei. Als er wieder abgetreten war, ließ ich Sam zu den Pferden führen, um mir Zigarren zu holen. Natürlich bekam von den Comanchen niemand als nur der Häuptling eine, denn es hätte meiner »Häuptlingsehre« geschadet, wenn ich mich gegen gewöhnliche Krieger so brüderlich verhalten hätte. Der »große Bär« schien zu wissen, was eine Zigarre für ein Ding ist. Sein Gesicht zog sich ganz entzückt in die Breite, und als er sie ansteckte, stieß er bei den ersten Zügen ein Grunzen aus, wie ich es ähnlich dann gehört hatte, wenn sich eines jener bekannten lieblichen Tiere, von denen die Prager und westfälischen Schinken stammen, einmal recht urbehaglich an der Ecke des Stalles reibt. Dann fragte er uns in außerordentlich freundlicher Weise nach dem eigentlichen Zwecke unsers Rittes. Old Death hielt es nicht für notwendig, ihm die Wahrheit zu sagen, sondern erklärte ihm bloß, daß wir einige weiße Männer ereilen wollen, welche nach dem Rio Grande seien, um nach Mexiko zu gehen.

»Da können meine weißen Brüder mit uns reiten,« meinte der Rote. »Wir brechen auf, sobald wir die Fährte eines Apachen gefunden haben, welche wir suchen.«

»Und aus welcher Richtung soll dieser Mann gekommen sein?«

»Er war da, wo die Krieger der Comanchen mit den Aasgeiern der Apachen sprachen. Die Weißen nennen den Ort Fort Inge. Er sollte getötet werden, aber er entkam. Doch hat er dabei einige Kugeln erhalten, so daß er nicht lange im Sattel hat bleiben können. Er muß hier in dieser Gegend stecken. Haben vielleicht meine weißen Brüder eine Fährte bemerkt?«

Es war klar, daß er den Apachen meinte, welchen Winnetou über den Fluß geführt und dort verbunden hatte. Von dem Letzteren wußte er gar nichts.

»Nein,« antwortete Old Death, und er sagte damit auch keine Lüge, denn wir hatten keine Fährte, sondern nur einige Stapfen im Flusse gesehen. Es konnte uns natürlich nicht einfallen, Winnetou zu verraten.

»So muß dieser Hund tiefer abwärts am Flusse stecken. Weiter hat er nicht reiten können, wegen seiner Wunden, und weil die Krieger der Comanchen bereit standen, die Apachen diesseits des Flusses zu empfangen, falls sie vom Fort Inge entkommen sollten.«

Das klang ziemlich gefährlich für Winnetou. Ich war freilich der Überzeugung, daß die Comanchen die Spur im Flusse nicht finden würden, da unsere Pferde dieselbe ausgetreten hatten; aber wenn sie bereits seit vier Tagen in dieser Gegend hielten, so war leicht zu vermuten, daß die beiden Apachen einer Abteilung von ihnen in die Hände gefallen seien. Daß der »große Bär« nichts davon wußte, war noch kein Beweis, daß es nicht geschehen sei. Der schlaue Scout, welcher an alles dachte, machte die Bemerkung:

»Wenn meine roten Brüder suchen, so werden sie die Stelle finden, an welcher wir über den Fluß gekommen sind und einen Baum abgeschält haben. Ich habe eine alte Wunde, welche aufgebrochen ist, und mußte sie mit Bast verbinden. Das ist ein vortreffliches Mittel, welches mein roter Bruder sich merken mag.«

»Die Krieger der Comanchen kennen dieses Mittel, und sie wenden es stets an, wenn sie sich in der Nähe eines Waldes befinden. Mein weißer Bruder hat mir nichts Neues gesagt.«

»So will ich wünschen, daß die tapfren Krieger der Comanchen keine Veranlassung finden, dieses Mittel viel in Anwendung zu bringen. Ich wünsche ihnen Sieg und Ruhm, denn ich bin ihr Freund, und darum tut es mir leid, daß ich nicht bei ihnen bleiben kann. Sie haben hier nach der Fährte zu suchen, wir aber müssen schnell reiten, um die weißen Männer zu ereilen.«

»So werden meine weißen Brüder auf den »weißen Biber« treffen, welcher sich freuen wird, sie zu sehen, Ich werde ihnen einen Krieger mitgeben, welcher sie zu ihm führen mag.«

»Wo befindet sich dein Vater, der berühmte Häuptling?«

»Wenn ich Old Death diese Frage beantworten will, so muß ich die Orte so benennen, wie die Bleichgesichter es tun. Wenn meine Brüder von hier aus nach Untergang reiten, so kommen sie an den Nebenfluß des Nueces, welcher Turkey-Creek, der Arm des Truthahns, genannt wird. Sodann müssen sie über den Chico-Creek, von wo an sich eine große Wüste bis zum Elm-Creek erstreckt. In dieser Wüste schweifen die Krieger des »weißen Bibers«, um niemand über die Furt zu lassen, welche oberhalb des Eagle-Paß über den Rio del Norte geht.«

»Teufel!« entfuhr es dem Scout, doch setzte er schnell hinzu: »Das ist genau der Weg, welchen wir einschlagen müssen! Mein roter Bruder hat uns durch seine Mitteilung außerordentlich erfreut, und ich bin ganz glücklich, den »weißen Biber« wieder sehen zu können. Jetzt aber werden wir uns zur Ruhe begeben, um zeitig munter zu sein.«

»So werde ich meinen Brüdern selbst den Platz anweisen, an welchem sie sich niederlegen sollen.«

Er stand auf und führte uns zu einem starken, dicht belaubten Baume, unter welchem wir schlafen sollten. Dann ließ er unsere Sättel herbeiholen und die Decken dazu. Er war ein ganz Anderer geworden, seit er das Kalumet mit uns geraucht hatte. Als er wieder fort war, untersuchten wir die Satteltaschen. Es fehlte uns nicht der geringste Gegenstand, was ich sehr anerkennenswert fand. Wir machten die Sättel zu Kopfkissen und legten uns nebeneinander, uns in die Decken hüllend. Bald kamen die Comanchen auch, und wir bemerkten trotz der Dunkelheit, daß sie, sich zur Ruhe legend, einen Kreis um uns bildeten.

»Das darf keinen Verdacht bei uns erwecken« meinte Old Death. »Sie tun das, um uns in ihren Schutz zu nehmen, nicht aber, um uns etwa an der Flucht zu verhindern. Hat man einmal mit einem Roten die Friedenspfeife geraucht, so kann man sich auf ihn verlassen. Wollen indessen sehen, daß wir von ihnen fortkommen. Habe ihnen einen tüchtigen Bären aufgebunden wegen Winnetou, denn ich mußte sie von seiner Fährte wegbringen. Aber ich kalkuliere, daß es ihm sehr, sehr schwer geworden sein wird, über den Rio Grande zu kommen. Ein Anderer brächte es nicht fertig. Ihm allein traue ich es zu. Aber doppelt bedenklich ist die Sache, da er einen Verwundeten mit hat. Zu solchen Beratungen werden gewöhnlich die erfahrensten Leute gesandt. Darum kalkuliere ich, daß der Mann alt ist. Rechnen wir das Wundfieber dazu, weiches er, besonders bei so einem Parforceritte, bekommen muß, so ist es mir um ihn und Winnetou himmelangst. Na, nun wollen wir schlafen. Gute Nacht!«

Er wünschte Gute Nacht! Ich fand sie aber nicht, denn von Schlaf war bei mir keine Rede, die Sorge um Winnetou ließ mich keine Ruhe finden. Infolgedessen war ich schon munter, oder vielmehr noch immer munter, als sich der Osten zu lichten begann. Ich weckte die Gefährten. Sie erhoben sich völlig geräuschlos, aber sofort standen auch sämtliche Indianer um uns. Jetzt am Tage waren die Rothäute besser zu betrachten als am Abend beim Scheine des spärlichen Feuers. Es überkam mich eine Art von Gruseln, als ich die abscheulich bemalten Gesichter und die abenteuerlich gekleideten Gestalten erblickte. Nur wenige von ihnen hatten ihre Blöße vollständig bedeckt. Viele von ihnen waren mit armseligen Lumpen behangen, welche von Ungeziefer zu strotzen schienen, aber alle waren starke, kräftige Gestalten, wie ja grad der Stamm der Comanchen als derjenige bekannt ist, welcher die schönsten Männer hat. Von den Frauen darf man in dieser Beziehung freilich nicht reden. Die Squaw ist die verachtete Sklavin des Roten.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
630 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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