Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 20
»Was für Rote mögen es gewesen sein? Apachen sicherlich nicht. Wir haben keineswegs Freundliches von ihnen zu erwarten.«
»Mein weißer Bruder hat recht,« stimmte Winnetou bei. »Apachen sind jetzt nicht hier und außer ihnen gibt es in diesem Tale der Mapimi nur noch feindliche Horden. Wir haben uns also in acht zu nehmen.«
Wir ritten weiter und erreichten bald die Stelle, an welcher die Roten mit den Weißen zusammengetroffen waren. Beide Trupps hatten hier gehalten und miteinander verhandelt. Jedenfalls war das Ergebnis für die Weißen ein günstiges gewesen, denn sie hatten sich in den Schutz der Roten begeben. Ihre bisherigen Führer, die beiden Apachen, welche wir erst als Topias kennen gelernt hatten, waren von ihnen verabschiedet worden. Die Spuren dieser beiden Reiter trennten sich hier von den übrigen.
Nach einer Weile erreichten wir einen Höhenzug, der mit Gras und Gestrüpp bewachsen war. Von demselben kam, hier eine Seltenheit, ein dünnes Bächlein herabgeflossen. Da hatten die von uns Verfolgten gehalten, um ihre Pferde zu tränken. Die Ufer des Baches waren vollständig strauchlos, so daß man den Lauf desselben sehr weit verfolgen konnte. Er floß nach Nordwest. Old Death stand da, beschattete mit der Hand seine Augen und blickte in der soeben angegebenen Richtung. Nach dem Grunde befragt, antwortete er:
»Ich sehe weit vor uns zwei Punkte. Ich kalkuliere, daß es Wölfe sind. Aber was haben die Bestien dort zu sitzen? Ich denke, wenn es wirklich welche wären, so würden sie vor uns davongelaufen sein, denn kein Tier ist so feig, wie diese Prairiewölfe.«
»Meine Brüder mögen schweigen. Ich hörte etwas,« sagte Winnetou.
Wir vermieden alles Geräusch, und wirklich, da klang von dort her, wo sich die beiden Punkte befanden, ein schwacher Ruf zu uns herüber.
»Das ist ein Mensch!« rief Old Death. »Wir wollen hin.«
Er stieg auf und wir mit ihm. Als wir uns der Stelle näherten, erhoben sich die beiden Tiere und trollten davon. Sie hatten am Ufer des Baches gesessen, und mitten im Bache erblickten wir einen unbedeckten menschlichen Kopf, welcher aus dem Wasser sah. Das Gesicht wimmelte vor Mücken, welche in den Augen, den Ohren, in der Nase und zwischen den Lippen saßen.
»Um Gottes willen, rettet mich, Sennores!« stöhnte es aus dem Munde. »Ich kann es nicht länger aushalten.«
Wir warfen uns natürlich sofort von den Pferden.
»Was ist‘s mit Euch?« fragte Old Death in spanischer Sprache, da der Mann sich derselben bedient hatte. »Wie seid Ihr denn in das Wasser geraten? Warum kommt Ihr nicht heraus? Es ist ja kaum zwei Fuß tief!«
»Man hat mich hier eingegraben.«
»Warum? Alle Teufel! Einen Menschen eingraben! Wer hat es getan?«
»Indianer und Weiße.«
Wir hatten gar nicht darauf geachtet, daß von dem Tränkplatze mehrere Fußspuren bis hierher führten.
»Dieser Mann muß schleunigst heraus. Kommt, Mesch‘schurs! Wir graben ihn aus, und da wir keine Werkzeuge haben, so nehmen wir unsere Hände.«
»Der Spaten liegt hinter mir im Wasser. Sie haben ihn mit Sand zugedeckt,« sagte der Mann.
»Ein Spaten? Wie kommt denn Ihr zu so einem Werkzeuge?«
»Ich bin GarnbusinoGoldsucher. Überhaupt einer, welcher auf die Entdeckung von Fundorten edler Metalle ausgeht. Wir haben stets Hacke und Spaten bei uns.«
Der Spaten wurde gefunden, und nun traten wir in das Wasser und gingen an die Arbeit. Das Bett des Baches bestand aus leichtem, tiefem Sande, welcher sich unschwer ausgraben ließ. Wir sahen jetzt erst, daß hinter dem Manne eine Lanze eingestoßen worden war, an welche man ihm den Hals in der Weise festgebunden hatte, daß er den Kopf nicht nach vorn beugen konnte. So befand sich sein Mund nur drei Zoll über dem Wasser, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, einen einzigen Schluck zu trinken. Außerdem hatte man ihm das Gesicht mit frischem, blutigem Fleische eingerieben, um Insekten anzulocken, die ihn peinigen sollten. Er hatte sich nicht aus seiner Situation befreien können, weil ihm die Hände auf den Rücken und die Füße zusammengebunden worden waren. Das Loch, welches man für ihn gegraben hatte, war zwei Ellen tief. Als wir ihn endlich aus demselben hoben und von den Fesseln befreiten, sank er in Ohnmacht. Kein Wunder, denn man hatte ihn von allen Kleidungsstücken entblößt und seinen Rücken blutrünstig geschlagen.
Der arme Mensch kam bald wieder zu sich. Er wurde nach der Stelle getragen, an welcher wir auf den Bach getroffen waren, weil dort gelagert werden sollte. Der Mann bekam zunächst zu essen. Dann holte ich mein Reservehemde aus der Satteltasche, damit er verbunden werden könne. Nun erst war er im stande, uns die erwünschte Auskunft zu geben.
»Ich bin als Gambusino zuletzt in einer Bonanza tätig gewesen,« sagte er, »welche eine Tagreise von hier zwischen den Bergen liegt. Ich hatte da einen Kameraden, einen Yankee, namens Harton, welcher —«
»Harton?« unterbrach ihn Old Death schnell. »Wie ist sein Vorname?«
»Fred.«
»Wißt Ihr, wo er geboren wurde und wie alt er ist?«
»In New York ist er geboren und vielleicht sechzig Jahre alt.«
»Wurde davon gesprochen, daß er Familie hat?«
»Seine Frau ist gestorben. Er hat einen Sohn, welcher in Frisco irgend ein Handwerk treibt, welches, das weiß ich nicht. Ist Euch der Mann bekannt?«
Old Death hatte seine Fragen in ungemein heftiger Weise ausgesprochen. Seine Augen leuchteten und seine tief eingesunkenen Wangen glühten. jetzt gab er sich Mühe, ruhig zu erscheinen, und antwortete in gemäßigtem Tone:
»Hab‘ ihn früher einmal gesehen. Soll sich in sehr guten Verhältnissen befunden haben. Hat er Euch nichts davon erzählt?«
»Ja. Er war der Sohn anständiger Eltern und wurde Kaufmann. Er brachte es nach und nach zu einem guten Geschäfte, aber er hatte einen mißratenen Bruder, der sich wie ein Blutegel an ihn hing und ihn aussaugte.«
»Habt Ihr erfahren, wie dieser Bruder hieß?«
»Ja. Sein Vorname war Henry«
»Stimmt. Hoffentlich gelingt es mir, Euern Harton einmal zu sehen!«
»Schwerlich. Er wird am längsten gelebt haben, denn die Halunken, welche mich eingruben, haben ihn mit sich genommen.«
Old Death machte eine Bewegung, als ob er aufspringen wolle, doch gelang es ihm, sich zu beherrschen und in ruhigem Tone zu fragen:
»Wie ist denn das gekommen?«
»So, wie ich es erzählen wollte, bevor ich von Euch unterbrochen wurde. Harton war also Kaufmann, wurde aber von seinem Bruder um sein ganzes Vermögen betrogen. Mir scheint, er liebt noch heute jenen gewissenlosen Buben, der ihn um alles brachte. Nachdem er verarmt war, trieb er sich lange Zeit als Digger in den Placers herum, hatte aber niemals Glück. Dann wurde er Vaquero, kurz, alles mögliche, aber immer ohne Erfolg, bis er zuletzt unter die Gambusinos ging. Aber zum Abenteurer hat er das Zeug nicht. Als Gambusino ist es ihm noch viel schlechter ergangen als vorher.«
»So hätte er keiner werden sollen!«
»Ihr habt gut reden, Sennor. Millionen Menschen werden das nicht, wozu sie Geschick hätten, sondern das, wozu sie am allerwenigsten taugen. Vielleicht hatte er einen heimlichen Grund, unter die Gambusinos zu gehen. Sein Bruder ist nämlich einer gewesen, und zwar ein sehr glücklicher. Vielleicht hoffte er, ihn in dieser Weise einmal zu treffen.«
»Das ist Widerspruch. Dieser liederliche Bruder soll ein glücklicher Gambusino gewesen sein und doch seinen Bruder um das ganze Vermögen betrogen haben? Ein glücklicher Gambusino hat doch das Geld in Hülle und Fülle.«
»Ja, aber wenn er es schneller verpraßt, als er es findet oder verdient, so ist es eben alle. Er war im höchsten Grade ein Verschwender! Zuletzt kam Harton nach Chihuahua, wo er sich von meinem Prinzipal engagieren ließ. Hier lernte ich ihn kennen und lieb gewinnen. Das ist eine große Seltenheit, denn es läßt sich leicht denken, daß die Gambusinos im höchsten Grade eifersüchtig gegen und neidisch auf einander sind. Von dieser Zeit an sind wir miteinander auf Entdeckungen ausgegangen.«
»Wie heißt denn Euer Herr?«
»Davis.«
»Wetter! – Hört mal, Sennor, sprecht Ihr auch englisch?«
»So gut wie spanisch.«
»So habt die Güte, englisch zu reden, denn hier sitzen zwei, welche das Spanische nicht verstehen und sich doch außerordentlich für Eure Erzählung interessieren werden.«
Er deutete auf die beiden Langes.
»Warum interessieren?« fragte der Gambusino.
»Das werdet Ihr sofort erfahren. Hört, Master Lange, dieser Mann ist ein Goldsucher und steht im Dienste eines gewissen Davis in Chihuahua.«
»Was? Davis?« fuhr Lange auf. »Das ist ja der Prinzipal meines Schwiegersohnes!«
»Nur nicht so schnell, Sir! Es -kann ja mehrere Davis geben.«
»Wenn dieser Master den Davis meint, welcher das einträgliche Geschäft betreibt, Gold- und Silberminen zu kaufen, so gibt es nur einen einzigen dieses Namens,« erklärte der Gambusino.
»So ist er es!« rief Lange. »Kennt Ihr den Herrn, Sir?«
»Natürlich! Ich stehe ja in seinem Dienste.«
»Und auch meinen Schwiegersohn?«
»Wer ist das?«
»Ein Deutscher, namens Uhlmann. Er hat in Freiberg studiert.«
»Das stimmt. Er ist Bergwerksdirektor geworden mit höchst ansehnlichen Tantiemen. Und seit einigen Monaten steht die Sache gar so, daß er nächstens Compagnon sein wird. Ihr seid also sein Schwiegervater?«
»Natürlich! Seine Frau, die Agnes, ist meine Tochter.«
»Wir nennen sie Sennora Ines. Sie ist uns allen wohl bekannt, Sir! Ich habe gehört, daß ihre Eltern in Missouri wohnen. Wollt Ihr sie besuchen?«
Lange bejahte.
»So braucht Ihr gar nicht nach Chihuahua zu gehen, sondern nach der Bonanza, von welcher ich vorhin gesprochen habe. Habt Ihr denn noch nicht von ihr gehört? Sie gehört ja Eurem Schwiegersohne! Er machte jüngst einen Erholungsritt in die Berge und hat dabei ein Goldlager entdeckt, wie man es hier noch nicht gefunden hat. Sennor Davis hat ihm die Arbeitskräfte gegeben, es sofort auszubeuten. Jetzt wird fleißig geschafft, und die Funde sind derart, daß zu vermuten steht, Sennor Davis werde Sennor Uhlmann die Compagnonschaft antragen, was für beide von größtem Vorteile wäre.«
»Was Ihr da sagt! Will, hörst du es?«
Diese Frage galt seinem Sohne. Dieser antwortete nicht. Er schluchzte leise vor sich hin; es waren Freudentränen, welche er weinte.
Natürlich freuten auch wir Andern uns außerordentlich über das Glück unserer beiden Gefährten. Old Death zog allerlei Grimassen, welche ich nicht verstehen konnte, obgleich ich sonst die Bedeutung derselben ziemlich genau kannte.
Es währte eine Weile, bevor die Aufregung über die Nachricht, daß Langes Schwiegersohn eine Bonanza entdeckt habe, sich legte. Dann konnte der Gambusino fortfahren:
»Ich half Harton mit, den Betrieb der Bonanza einzurichten. Dann brachen wir auf, um die Mapimi zu durchsuchen. Wir ritten drei Tage lang in dieser Gegend herum, fanden aber kein Anzeichen, daß Gold vorhanden sei. Heute vormittags rasteten wir hier am Bache. Wir hatten während der Nacht fast gar nicht geschlafen und waren ermüdet. Wir schliefen somit ein, ohne es zu beabsichtigen. Als wir erwachten, waren wir von einer großen Schar weißer und roter Reiterumgeben.«
»Was für Indianer waren es?«
»Tschimarra, vierzig an der Zahl, und zehn Weiße.«
»Tschimarra! Das sind noch die tapfersten von allen diesen Schelmen. Und sie machten sich an euch zwei arme Teufel? Warum? Leben sie denn in Feindschaft mit den Weißen?«
»Man weiß nie, wie man mit ihnen daran ist. Sie sind weder Freunde noch Feinde. Zwar hüten sie sich sehr wohl, in offene Feindschaft auszubrechen, denn dazu sind sie zu schwach, aber sie stellen sich auch niemals zu uns in ein wirklich gutes Verhältnis, dem man Vertrauen schenken könnte. Und das ist gefährlicher als eine ausgesprochene Feindschaft, da man niemals weiß, wie man sich zu verhalten hat.«
»So möchte ich den Grund wissen, euch so zu behandeln. Habt ihr sie beleidigt?«
»Nicht im geringsten. Aber Sennor Davis hatte uns sehr gut ausgerüstet. Jeder hatte zwei Pferde, gute Waffen, Munition, Proviant, Werkzeuge und alles, dessen man zu einem längeren Aufenthalte in einer so öden Gegend bedarf.«
»Hm! Das ist freilich für solches Volk mehr als genug.«
»Sie hatten uns umringt und fragten uns, wer wir seien und was wir hier wollten. Als wir ihnen der Wahrheit gemäß antworteten, taten sie äußerst ergrimmt und behaupteten, die Mapimi gehöre ihnen samt allem, was sich auf und in derselben befinde. Darauf hin verlangten sie die Auslieferung unserer Habseligkeiten.«
»Und ihr gabt sie hin?«
»Ich nicht. Harton war klüger als ich, denn er legte alles ab, was er besaß; ich aber griff zur Büchse, nicht um zu schießen, denn das wäre bei ihrer Übermacht die reine Tollheit gewesen, sondern nur um sie einzuschüchtern. Ich wurde augenblicklich überwältigt, niedergerissen und bis auf die Haut ausgeraubt. Die Weißen kamen uns nicht zu Hilfe! Aber sie stellten Fragen an uns. Ich wollte nicht antworten und wurde deshalb mit den Lassos gepeitscht. Harton war abermals klüger als ich. Er konnte nicht wissen, was sie beabsichtigten oder beschließen würden. Er sagte ihnen alles, auch das von der neuen Bonanza Sennor Uhlmanns. Da horchten sie auf. Er mußte sie ihnen beschreiben. Ich fiel ihm in die Rede, damit er es verschweigen solle. Er merkte nun doch, daß ihnen nicht zu trauen sei, und gab weiter keine Auskunft. Dafür wurde ich gefesselt und hier eingegraben. Harton aber erhielt so lange Hiebe, bis er Alles sagte. Und da sie glaubten, daß er sie doch vielleicht falsch berichtet habe, so nahmen sie ihn mit und drohten ihm mit dem qualvollsten Tode, wenn er sie nicht bis morgen abend zur Bonanza geführt habe.«
Das Gesicht, welches Old Death jetzt machte, hatte ich bei ihm noch nicht gesehen, obgleich er von mir in allen möglichen Seelenstimmungen beobachtet worden war. Es lag ein Zug finsterster, wildester, unerbittlicher Entschlossenheit auf demselben. Er hatte das Aussehen eines Mörders, welcher sich vornimmt, um keinen Preis Nachsicht mit seinem Opfer zu haben. Seine Stimme klang fast heiser, als er fragte:
»Und glaubt Ihr, daß sie von hier aus nach der Bonanza sind?«
»Ja. Sie wollen die Bonanza überfallen und ausrauben. Es sind dort große Vorräte an Munition, Proviant und sonstigen‘ Gegenständen, welche für einen Spitzbuben großen Wert haben. Auch Silber gibt es da in Menge.«
»Alle Teufel! Sie werden teilen wollen. Die Weißen nehmen das Metall und die Roten das Andere. Wie weit ist es bis dahin?«
»Ein tüchtiger Tagesritt, so daß sie morgen abend dort ankommen können, wenn Harton nicht den Rat befolgt, welchen ich ihm gab.«
»Welchen?«
»Er solle sie einen Umweg führen. Ich dachte, daß doch vielleicht jemand des Weges kommen könne, um mich zu erlösen. In diesem Falle wollte ich ihn bitten, schleunigst nach der Bonanza zu reiten, uni die Leute dort zu warnen. Ich selbst hätte freilich nicht mitreiten können, denn ich hatte kein Pferd.«
Der Alte blickte eine kurze Welle sinnend vor sich nieder. Dann sagte er:
»Ich möchte am allerliebsten augenblicklich fort. Wenn man jetzt aufbricht, kann man der Fährte dieser Schufte folgen, aber auch nur, bis es dunkel ist. Könnt Ihr mir dann nicht den Weg so genau beschreiben, daß ich ihn des Nachts finde?«
Der Mann verneinte und warnte entschieden vor einem nächtlichen Ritt. Old Death beschloß also, bis zum nächsten Morgen zu warten.
»Wir sechzehn,« fuhr er fort, »haben es mit vierzig Roten und zehn Weißen zu tun, macht zusammen fünfzig; da meine ich nicht, daß wir uns fürchten müssen. Wie waren denn die Tschimarra bewaffnet?«
»Nur mit Lanzen, Pfeil und Bogen. Nun aber haben sie uns unsere beiden Gewehre und Revolver abgenommen,« antwortete der Gambusino.
»Das tut nichts, da sie nicht verstehen, mit solchen Waffen umzugehen. Übrigens werden wir uns alle Umstände zu nutze machen. Dazu ist es nötig, zu erfahren, wo und wie die Bonanza liegt. Ihr sagtet, sie sei nur durch einen Zufall zu finden. Das begreife ich nicht. Bei einer Bonanza gibt, es wahrscheinlich Wasser. Dieses fließt in einer Schlucht, einem Cannon, und das ist doch in dieser offenen, baumlosen Gegend zu finden. Beschreibt mir den Ort einmal!«
»Denkt Euch eine tief in den Wald eingeschnittene Schlucht, welche sich in ihrer Mitte erweitert und rund von steilen Kalkfelsen eingeschlossen ist. Diese Kalkfelsen sind ungeheuer reich an Silber-, Kupfer- und Bleilagern. Der Hochwald tritt von allen Seiten bis an die Kante dieser Schlucht heran und sendet sogar Bäume und Sträucher an den Wänden derselben herab. Im Hintergrunde entspringt ein Wasser, welches gleich stark und voll wie ein Bach aus der Erde tritt. Die Schlucht oder vielmehr dieses Tal ist fast zwei englische Meilen lang. Aber trotz dieser bedeutenden Länge gibt es nirgends eine Stelle, an welcher man von oben herniedersteigen könnte. Der einzige Ein- und Ausgang ist da, wo das Wasser aus dem Tale tritt. Und dort schieben sich die Felsen so eng zusammen, daß neben dem Wasser nur Raum für drei Männer oder zwei Reiter bleibt.«
»So ist der Ort doch ungemein leicht gegen einen Überfall zu verteidigen!«
»Gewiß. Einen zweiten Eingang gibt es nicht, wenigstens nicht für Leute, welche nicht zu den jetzigen Bewohnern des Tales gehören. In der Mitte des Tales wird gearbeitet. Da war es beschwerlich, in gebotenen Fällen stets eine halbe Stunde weit zu gehen, um aus dem Tale zu kommen. Darum hat Sennor Uhlmann einen Aufstieg errichten lassen, welcher an einer geeigneten Stelle angebracht wurde. Dort steigt der Fels nicht senkrecht, sondern stufenweise empor. Der Sennor ließ Bäume fällen und auf die verschiedenen Absätze so herabstürzen, daß sie gegen die Felsen gelehnt liegen blieben. Dadurch wurde eine von oben bis ganz herab gehende Masse von Stämmen, Ästen und Zweigen gebildet, unter deren Schirm man Stufen einhaute. Kein Fremder kann dieselben sehen.«
»Oho! Ich mache mich anheischig, diese famose Treppe sofort zu entdecken. Ihr selbst habt Euch verraten durch das Fällen der Bäume. Wo Bäume künstlich entfernt worden sind, da müssen sich Menschen befinden oder befunden haben.«
»Wenn Ihr an die betreffende Stelle kommt, so ahnt Ihr gar nicht, daß die Bäume da künstlich mit Hilfe von Seilen, Lassos und unter großer Anstrengung, ja sogar Lebensgefahr hinabgelassen worden sind. Versteht mich wohl! Sie sind nicht im gewöhnlichen Sinne gefällt worden. Kein Stumpf ist zu sehen. Sennor Uhlmann hat sie entwurzeln lassen, so daß sie sich langsam nach der Schlucht neigten und ihren ganzen Wurzelballen aus der Erde hoben. Über dreißig Mann haben dann an den Seilen gehalten, damit der Baum nicht zur Tiefe schmetterte, sondern langsam niederglitt und auf dem Felsenabsatze festen Halt bekam.«
»So viele Arbeiter hat er?«
»Jetzt fast vierzig.«
»Nun, so brauchen wir wegen des Überfalles gar keine Sorge zu haben. Wie hat er denn die Verbindung mit der Außenwelt organisiert?«
»Durch Maultierzüge, welche alle zwei Wochen ankommen, um das Tal mit allem Notwendigen zu versorgen und die Erze fortzuschaffen.«
»Läßt der Sennor den Eingang bewachen?«
»Des Nachts, wenn alles schläft. Übrigens streift ein Jäger, den er zu diesem Zwecke engagiert hat, während des ganzen Tages in der Gegend umher, um die Gesellschaft mit Wildbret zu versorgen. Diesem kann nichts entgehen.«
»Hat Uhlmann Gebäude anlegen lassen?«
»Gebäude nicht. Er wohnt in einem großen Zelte, in welchem sich Alle nach der Arbeit versammeln. Ein Nebenzelt bildet den Vorratsraum. Beide stoßen an die Wand des Tales. Und im Halbkreise um dieselben sind einstweilen aus Ästen und dergleichen Hütten errichtet, in denen die Arbeiter kampieren.«
»Aber ein Fremder oben auf der Talkante kann die hellen Zelte sehen!«
»Nein, denn sie sind von dichten Baumkronen überdacht und nicht mit weißem Zeltleinen, sondern mit dunklem Gummistoffe überzogen.«
»Das will ich eher gelten lassen. Wie steht es mit der Bewaffnung?«
»Vorzüglich. Jeder der Arbeiter hat sein Doppelgewehr nebst Messer und Revolver.«
»Nun, so mögen die lieben Tschimarra immerhin kommen. Freilich ist dazu erforderlich, daß wir eher eintreffen als sie. Wir müssen unsere Pferde morgen anstrengen. Nun aber wollen wir versuchen, den Schlaf zu finden. In Anbetracht dessen, was uns morgen erwartet, müssen wir gut ausgeruht sein und unsere Pferde auch.«
Mir wollte die erwartete Ruhe nicht kommen, obgleich ich während der vorigen Nacht keinen Augenblick hatte schlafen können. Der Gedanke, morgen Gibson zu erwischen, regte mich auf. Und Old Death schlief auch nicht. Er wendete sich wiederholt von einer Seite auf die andere. Das war ich an ihm gar nicht gewöhnt. Ich hörte ihn seufzen, und zuweilen murmelte er leise Worte vor sich hin, welche ich nicht verstehen konnte, obgleich ich neben ihm lag. Es gab irgend etwas, was ihm das Herz schwer machte. Sein Benehmen, als auf den Gambusino Harton die Rede gekommen war, war mir aufgefallen, doch war dasselbe dadurch erklärt, daß er diesen Mann kannte. Sollte er zu ihm in noch anderer Beziehung als nur derjenigen eines bloßen Bekannten stehen?
Als wir ungefähr drei Stunden gelegen hatten, bemerkte ich, daß er sich aufrichtete. Er lauschte auf unsern Atem, um sich zu überzeugen, daß wir schliefen. Dann stand er auf und entfernte sich längs des Baches. Der Wachtposten, ein Indianer, hinderte ihn natürlich nicht daran. Ich wartete. Es verging eine Viertelstunde, noch eine, eine dritte, und der Alte kehrte nicht zurück. Dann stand ich auf und schritt ihm nach.
Er war weit fortgegangen. Erst nach zehn Minuten erblickte ich ihn. Er stand am Bache und starrte in den Mond, mit dem Rücken nach mir gewendet. Ich gab mir keine Mühe, leise aufzutreten, doch dämpfte das Gras meine Schritte. Dennoch hätte er sie hören müssen, wenn ihn seine Gedanken nicht allzusehr in Anspruch genommen hätten. Erst als ich fast hinter ihm stand, fuhr er herum. Er riß den Revolver aus dem Gürtel und fuhr mich an:
»Alle Teufel! Wer seid Ihr? Was schleicht Ihr Euch hier herum? Wollt Ihr eine Kugel von mir ha – —«
Er hielt inne. Er mußte geistig sehr weit abwesend gewesen sein, da er mich erst jetzt erkannte.
»Ah, Ihr seid es!« fuhr er fort. »Hätte Euch fast eine Kugel gegeben, denn ich hielt Euch wahrhaftig für einen Fremden. Warum schlaft Ihr denn nicht?«
»Weil mir der Gedanke an Gibson und Ohlert keine Ruhe gibt.«
»So? Glaube es. Na, morgen kommen beide endlich in unsere Hände, oder ich will nicht Old Death heißen. Kann ihnen nicht länger nachlaufen, denn ich muß in der Bonanza bleiben.«
»Ihr! Weshalb? Handelt es sich um ein Geheimnis?«
»Ja.«
»Nun, so will ich nicht in Euch dringen und Euch auch nicht länger stören. Ich hörte Euer Seufzen und Murmeln und dachte, daß ich teilnehmen könne an irgend einem Herzeleid, welches nicht von Euch lassen will. Gute Nacht, Sir!«
Ich wendete mich zum Gehen. Er ließ mich eine kleine Strecke fort, dann hörte ich:
»Master, lauft nicht fort. Es ist wahr, was Ihr von dem Herzeleid denkt; es liegt mir schwer auf der Seele und will nicht heraus. Ich habe Euch kennen gelernt als einen verschwiegenen und gutherzigen Kerl, der mit mir wohl nicht allzu streng ins Gericht gehen will. Darum sollt Ihr jetzt einmal hören, was mich drückt. Alles brauche ich nicht zu sagen, nur Einiges; das Übrige werdet Ihr Euch leicht dazu denken können.«
Er nahm meinen Arm unter den seinigen und schritt langsam mit mir am Bache hin.
»Was habt Ihr denn eigentlich für eine Ansicht von mir?« fragte er dann plötzlich. »Was denkt Ihr von meinem Charakter, von – von – na, von dem moralischen Old Death?«
»Ihr seid ein Ehrenmann; darum liebe und achte ich Euch.«
»Hm! Habt Ihr einmal ein Verbrechen begangen?«
»Hm!« brummte nun auch ich. »Die Eltern und Lehrer geärgert. Dem Nachbar durch den Zaun in den Obstgarten gekrochen. Andere Buben, welche nicht meiner Meinung waren, weidlich durchgewalkt, und so weiter!«
»Schwatzt nicht dummes Zeug! Ich spreche von wirklichen Verbrechen, kriminell strafbar.«
»Auf so etwas kann ich mich freilich nicht besinnen.«
»Dann seid Ihr ein außerordentlich glücklicher Mensch, Sir. Ich beneide Euch; es ist eine Strafe, ein böses Gewissen zu haben! Kein Galgen und kein Zuchthaus reicht da hinan!«
Er sagte das in einem Tone, welcher mich tief erschütterte.
Ja, dieser Mann schleppte das Andenken eines schweren Verbrechens mit sich herum, sonst hätte er nicht in diesem entsetzlichen Tone sprechen können. Ich sagte nichts. Es verging eine Weile, bis er fortfuhr:
»Master, vergeßt das nicht: Es gibt eine göttliche Gerechtigkeit, gegen welche die weltliche das reine Kinderspiel ist. Das ewige Gericht sitzt im Gewissen und donnert einem bei Tag und bei Nacht den Urteilsspruch zu. Es muß heraus; ich muß es Euch sagen. Und warum grad Euch? Weil ich trotz Eurer Jugend ein großes Vertrauen zu Euch habe. Und weil es mir in meinem Innern ganz so ist, als ob morgen etwas passieren werde, was den alten Scout verhindern wird, seine Sünden zu bekennen.«
»Seid Ihr des Kuckucks, Sir? Ihr habt doch nicht etwa gar eine Todesahnung?«
»Ja, die habe ich,« nickte er. »Ihr habt gehört, was der Gambusino vorhin von dem Kaufmanne Harton erzählte. —Was haltet Ihr von dem Bruder dieses Mannes?«
Jetzt ahnte ich das Richtige; darum antwortete ich in mildem Tone:
»Er war jedenfalls leichtsinnig.«
»Pshaw! Damit wollt Ihr wohl ein mildes Urteil sprechen? Ich sage Euch, der Leichtsinnige ist viel gefährlicher als der wirklich boshaft Schlechte. Der Schlechte kennzeichnet sich bereits von weitem; der Leichtsinnige ist aber meist ein liebenswürdiger Kerl; darum ist er gemeingefährlicher als der Erstere. Tausend Schlechte können gebessert werden, denn die Schlechtigkeit hat Charakter, bei welchem die Zucht anzufassen vermag. Unter tausend Leichtsinnigen aber kann kaum einer gebessert werden, denn der Leichtsinn hat keinen Halt, keine feste Handhabe, an welcher er zu fassen und auf bessere Wege zu bringen ist. Eigentlich schlecht bin ich nie gewesen, aber leichtsinnig, bodenlos leichtsinnig, denn jener Henry Harton, der seinen Bruder um alles, alles brachte, der war – ich, ich, ich!«
»Aber, Sir, Ihr habt mir einen andern Namen genannt!«
»Ganz natürlich! Ich nenne mich anders, weil ich den Namen, den ich trug, entehrt habe. Kein Verbrecher spricht gern von dem, an dem er sich versündigt hat. Könnt Ihr Euch besinnen, was ich Euch noch in New-Orleans sagte, nämlich, daß meine brave Mutter mich auf den Weg zum Glück gesetzt, ich aber dasselbe auf einem ganz andern Weg gesucht habe?«
»Ich erinnere mich.«
»So will ich nicht viele Worte machen. Meine sterbende Mutter zeigte mir den Weg der Tugend, ich aber wandelte denjenigen des Leichtsinnes. Ich wollte reich werden, wollte Millionen besitzen. Ich spekulierte ohne Verstand und verlor mein väterliches Erbteil und meine kaufmännische Ehre. Da ging ich in die Diggins. Ich war glücklich und fand Gold in Menge. Ich verschleuderte es ebenso schnell, wie ich es erworben hatte, denn ich wurde leidenschaftlicher Spieler. Ich plagte mich monatelang in den Diggins ab, um das Gewonnene auf eine einzige Nummer zu setzen und in fünf Minuten zu verspielen. Das genügte mir nicht. Die Placers ergaben keine solche Summen, wie ich haben wollte. Hunderttausend Dollars wollte ich verrückter Kerl setzen, um die Bank und dann alle übrigen Banken zu sprengen. Ich ging nach Mexiko und wurde Gambusino und hatte geradezu empörendes Glück, aber ich verspielte alles. Dieses Leben richtete mich körperlich zugrunde. Dazu kam, daß ich Opiumraucher geworden war. Ich war vordem ein starker, muskulöser Kerl, ein Riese. Ich kam herab bis auf den Lumpen. Ich konnte nicht mehr weiter. Kein Mensch wollte mich mehr ansehen, aber alle Hunde bellten mich an. Da begegnete ich meinem Bruder, welcher ein Geschäft in Frisco hatte. Er erkannte mich trotz meiner gegenwärtigen Erbärmlichkeit und nahm mich mit in sein Haus. Hätte er es doch nicht getan! Hätte er mich verderben lassen! Alles Unglück wäre ihm und mir aller Gewissensjammer erspart geblieben!«
Er schwieg eine Weile. Ich sah, wie seine Brust arbeitete, und fühlte herzliches Mitleid mit ihm.
»Ich war gezwungen, gut zu tun,« fuhr er dann fort. »Mein Bruder glaubte, ich sei vollständig gebessert, und gab mir eine Anstellung in seinem Geschäfte. Aber der Spielteufel schlummerte bloß, und als er erwachte, nahm er mich fester in seine Krallen als zuvor. Ich griff die Kasse an, um das Glück zu zwingen. Ich gab falsche Wechsel aus, um das Geld dem Moloch des Spieles zu opfern. Ich verlor, verlor und verlor, bis keine Rettung mehr möglich war. Da verschwand ich. Der Bruder bezahlte die gefälschten Wechsel und wurde dadurch zum Bettler. Auch er verschwand mit seinem kleinen Knaben, nachdem er sein Weib begraben hatte, welche aus Schreck und Herzeleid gestorben war. Das erfuhr ich freilich erst nach Jahren, als ich mich einmal wieder nach Frisco wagte. Der Eindruck dieser Kunde warf mich auf bessere Wege. Ich hatte wieder als Gambusino gearbeitet und war glücklich gewesen. Ich kam, um Schadenersatz zu leisten, und nun war der Bruder verschwunden. Von da an habe ich ihn gesucht allüberall, ihn aber nicht gefunden. Dieses ruhelose Wanderleben bildete mich aus zum Scout. Ich bin auch vielen in moralischer Beziehung ein Scout geworden. Das Spiel habe ich gelassen, aber das Opium nicht. Ich bin nicht mehr Raucher, sondern Opiumesser. Ich mische das Gift in den Kautabak und genieße es jetzt nur noch in verschwindend kleinen Gaben. So, da habt Ihr mein Bekenntnis. Nun speit mich an, und tretet mich mit den Füßen; ich habe nichts dagegen, denn ich habe es verdient!«
Er ließ meinen Arm los, setzte sich in das Gras nieder, stemmte die Ellbogen auf die Kniee und legte das Gesicht in die Hände. So saß er lange, lange Zeit, ohne einen Laut hören zu lassen. Ich stand dabei mit Gefühlen, welche sich gar nicht beschreiben lassen. Endlich sprang er wieder auf, stierte mich mit geisterhaftem Blicke an und fragte:
»Ihr steht noch hier? Graut es Euch denn nicht vor diesem elenden Menschen?«
»Grauen? Nein. Ihr tut mir herzlich leid, Sir! Ihr habt viel gesündigt, aber auch viel gelitten, und Eure Reue ist ernst. Wie könnte ich, wenn auch nur im Stillen, mir ein Urteil anmaßen. Ich bin ja selbst auch Sünder und weiß nicht, welche Prüfungen mir das Leben bringt.«
»Viel gelitten! Ja, da habt Ihr recht, sehr, sehr recht! O du lieber Herr und Gott, was sind die Töne aller Posaunen der Welt gegen die nie ruhende Stimme im Innern eines Menschen, welcher sich einer schweren Schuld bewußt ist. Ich muß büßen und gut machen, so viel ich kann. Morgen soll ich endlich den Bruder sehen. Mir ist, als ob mir eine neue Sonne aufgehe, keine irdische. Aber das alles geht Euch nichts an. Es ist etwas Anderes, was ich Euch sagen und um was ich Euch bitten muß. Wollt Ihr mir diesen Wunsch erfüllen?«