Kitabı oku: «Winnetou 2», sayfa 22
Old Firehand
Viel, sehr viel könnte ich von dem erzählen, was ich mit Harton erlebte; da es sich aber hier nur um Winnetou handelt, welcher nicht mit war, will ich nur sagen, daß wir, allerdings unter großen Mühen, Beschwerden und Kämpfen, so glücklich waren, eine Bonanza zu entdecken. Den Anteil, welchen ich an derselben zu beanspruchen hatte, persönlich auszubeuten, hatte ich nicht Lust; darum verkaufte ich ihn und erhielt eine Summe, welche mir den bei dem Schiffbruche erlittenen Verlust mehr als vollständig ersetzte. Dann ritt ich nach dem Rio Pecos, um das Apachen-Pueblo aufzusuchen. Ich wurde dort wie ein Bruder aufgenommen, fand aber Winnetou nicht vor; er befand sich auf einem Rundritte zu sämtlichen Unterabteilungen der Apachen.
Ich sollte bleiben und auf ihn warten; da dies aber einen Aufenthalt von einem halben Jahre bedeutet hätte, ließ ich mich nicht halten und unternahm einen Abstecher nach Kolorado, um dann durch Kansas nach St. Louis zurückzukehren. Unterwegs schloß sich mir der Engländer Emery Bothwell an, ein hochgebildeter, unternehmender und kühner Mann, den ich später, wie meine lieben Leser noch erfahren werden, in der Sahara wieder traf.
Alles, was ich vorher mit Winnetou und dann mit Fred Harton erlebt hatte und nun mit Bothwell erlebte, sprach sich schnell und immer weiter herum, und ich war, als ich nach St. Louis kam, ganz erstaunt, den Namen Old Shatterhand in Aller Mund zu finden. Als mein alter Mr. Henry diese meine Verwunderung bemerkte, sagte er in seiner eigenartigen Ausdrucksweise:
»Seid Ihr ein Kerl! Erlebt in einem Monate mehr Abenteuer als andere in zwanzig Jahren, geht durch alle Gefahren so glücklich hindurch wie eine Pistolenkugel durch ein Stück Löschpapier, nehmt es als junges Greenhorn mit dem erfahrensten Westläufer auf, werft alle die grausamen und blutigen Gesetze des wilden Westens über den Haufen, indem Ihr selbst den ärgsten Todfeind schont, und sperrt dann das Maul vor Erstaunen darüber auf, daß man von Euch redet! Ich sage Euch, Ihr habt in Beziehung auf Berühmtheit in dieser kurzen Zeit sogar den großen Old Firehand ausgestochen, weicher über noch einmal so alt ist, als Ihr seid. Ich habe meine helle Freude gehabt, wenn ich so von Euch hörte, denn ich bin es ja gewesen, der Euch diesen Weg gezeigt hat. Für diese Freude muß ich Euch dankbar sein. Seht einmal her, was ich da habe!«
Er öffnete seinen Gewehrschrank, nahm – – den ersten fertigen Henrystutzen heraus, erklärte mir die Zusammensetzung und den Gebrauch desselben und führte mich dann nach seinem Schießstande, wo ich das unübertreffliche Gewehr probieren und beurteilen sollte. Ich war geradezu entzückt über den Stutzen, machte ihn aber, wie schon früher, darauf aufmerksam, daß die Verbreitung dieses Schnellfeuergewehres für die Tier- und auch die Menschenwelt des Westens die nachteiligsten Folgen haben werde.
»Weiß es, weiß es,« nickte er; »habt es mir ja schon erklärt. Werde also nur einige Exemplare anfertigen. Das erste, also dieses hier, schenke ich Euch. Habt meinen alten Bärentöter berühmt gemacht, sollt ihn also für immer behalten und den Stutzen dazu. Ich kalkuliere, daß er Euch auf Euren weiteren Fahrten jenseits des Mississippi gute Dienste leisten wird.«
»Ohne allen, allen Zweifel! Aber dann darf ich ihn jetzt nicht annehmen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich jetzt nicht nach dem Westen gehe.«
»Wohin denn?«
»Erst heim und dann nach Afrika.«
»Af – Af – – Af – —?!« rief er aus, indem er vergaß, den Mund wieder zuzumachen. »Seid Ihr gescheit? Wollt Ihr ein Neger oder Hottentotte werden?«
»Das nicht. Ich habe Mr. Bothwell versprochen, mit ihm in Algier zusammenzutreffen. Er hat Verwandte dort. Wir wollen von dort aus einen Ausflug in die Sahara machen.«
»Und Euch von den Löwen und Nilpferden fressen lassen!«
»Pshaw! Die Nilpferde sind keine fleischfressenden Tiere und leben nicht in der Wüste.«
»Aber die Löwen!«
»Gibt es auch nicht in der wirklichen Sahara. Raubtiere brauchen Wasser.«
»Das weiß ich, daß sie keinen Sirup trinken! Es handelt sich hier um noch viel mehr. Nicht wahr, in Algier wird französisch parliert?«
»Ja.«
»Versteht Ihr das denn?«
»Ja.«
»Und in der Wüste?«
»Arabisch.«
»Da wird es aber hapern!«
»Nein. Der Professor, welcher mein Lehrer im Arabischen war, galt für den größten Arabisten Deutschlands.«
»Hol Euch der Kuckuck! Euch ist ja von keiner Seite beizukommen! Aber es fällt mir noch etwas ein, was Euch von dieser Reise abbringen wird.«
»Was?«
»Das Geld.«
»Ich habe welches.«
»Oho!«
»Ja! Die Bonanza hat mir viel eingebracht, und von dem Bankier Ohlert habe ich eine ansehnliche Gratifikation erhalten, den Gehaltrest, den er mir von Josy Taylor mitbrachte, gar nicht gerechnet.«
»So lauft, lauft, immer lauft nach Eurer Sahara!« rief er zornig aus. »Kann keinen Menschen begreifen, der dorthin will! Sand, nichts als Sand und Millionen Wüstenflöhe! Konntet es hier viel besser haben. Wir sind geschiedene Leute, denn wer weiß, ob wir uns jemals wiedersehen.«
Er lief mit langen, raschen Schritten hin und her, brummte allerlei zorniges Zeug und gestikulierte mit beiden Armen dazu. Aber seine Gutmütigkeit gewann sehr bald den Sieg; er blieb vor mir stehen und fragte:
»Könnt Ihr den Bärentöter auch in der Wüste brauchen?«
»Ja.«
»Und den Stutzen?«
»Den erst recht.«
»Da habt Ihr beide, und nun macht, daß Ihr fortkommt! Packt Euch hinaus, und laßt Euch niemals wieder bei mir sehen, wenn Ihr nicht hinausgeworfen sein wollt, Ihr-Ihr-Ihr – dummer Wüstenesel, Ihr!«
Er drückte mir die beiden Gewehre in die Hände, riß die Türe auf, stieß mich hinaus und schob hinter mir den Riegel vor. Aber als ich auf die Straße trat, reckte er den Kopf schon zum Fenster heraus und fragte:
»Ihr kommt doch heute abend ein Bißchen zu mir?«
»Versteht sich ganz von selbst!«
»Well! Werde eine Biersuppe auf der Kaffeemaschine kochen, Euer Leibessen des Abends. Nun trollt Euch aber fort!«
Als ich mich einige Tage später von ihm verabschiedete, zwang er mir mein Ehrenwort ab, nach sechs Monaten wiederzukommen, falls kein unüberwindbares Hindernis sich mir in den Weg lege. Ich konnte Wort halten und war genau nach einem halben Jahre wieder in St. Louis.
Er freute sich ungemein, als er hörte, welchen großen Nutzen mir die beiden Gewehre bei der Vernichtung der berüchtigten Gum erwiesen hatten, und teilte mir mit, daß Winnetou inzwischen bei ihm gewesen sei. Er hatte diesem gesagt, in welcher Zeit er mich wieder erwarte, und von dem Apachen die Aufforderung erhalten, mich nach dem Rio Suanca zu schicken, wo er mit einer Schar seiner Krieger jagen werde.
Ich machte mich unverzüglich auf den Weg nach diesem Flusse, brauchte drei volle Wochen, ehe ich ihn erreichte, und fand nach kurzem Suchen das Jagdlager der Apachen. Winnetou war ebenso entzückt über den Henrystutzen wie ich, begehrte aber nicht, einen einzigen Schuß aus demselben zu tun; er betrachtete das Gewehr als ein Heiligtum für mich. Eine große freudige Überraschung war es für mich, als er mir ein Pferd schenkte, einen Rappen, den er für mich mitgebracht hatte. Der Hengst führte nach der Haupteigenschaft, welche er besaß, nämlich der Schnelligkeit, den Namen Swallow; er besaß die feinste indianische Dressur und gewöhnte sich sehr rasch an mich.
Winnetou wollte nach der Jagd zu den Navajos hinüber, um zwischen ihnen und den Nijoras, welche sich im Streite befanden, Frieden zu stiften, und es war meine Absicht, ihn zu begleiten. Dies kam aber nicht zur Ausführung, denn einige Tage vor dem beabsichtigten Aufbruche begegneten wir einem kalifornischen Goldtransporte, dessen Teilnehmer nicht wenig erschraken, als sie sich so plötzlich von Roten umgeben sahen, sich aber schnell beruhigten, als sie Winnetous und Old Shatterhands Namen hörten. Welch einen guten Klang diese beiden Namen hatten, ersah ich daraus, daß die Leute mich baten, sie, natürlich gegen eine angemessene Gratifikation, bis nach Fort Scott zu bringen. Ich wollte, um mich nicht von Winnetou trennen zu müssen, nicht darauf eingehen; aber er war, als mein einstiger Lehrmeister, stolz auf die Auszeichnung und das Vertrauen, welches mir da entgegengebracht wurde, und forderte mich auf, den Leuten diesen Dienst zu erweisen und dann von Fort Scott nordwärts nach der westlich vom Missouri gelegenen Gravel-Prairie zu reiten, wo er mit mir zusammentreffen werde, denn er wolle einmal seinen alten, berühmten Freund Old Firehand besuchen, welcher sich jetzt in der dortigen Gegend aufhalte.
Da die Trennung also sein eigener Wille war, ritt ich mit diesen Leuten fort und brachte sie glücklich nach ihrem Bestimmungsort, allerdings nicht ohne öftere Gefahren, welche wir zu überwinden hatten. Ich nahm diese ganz allein auf mich und hatte es einige Male nur dem Henrystutzen und meinem Pferde zu verdanken, daß ich dieses Verfahren nicht mit dem Leben büßte.
Dann ritt ich allein weiter, erst über den Kansas und dann über den Nebraska durch das Gebiet der Sioux, vor deren Verfolgung mich wiederholt die Schnelligkeit Swallows rettete. Winnetou hatte mir gesagt, daß mein Weg mich in dieser Gegend nach einer neu entdeckten und in Angriff genommenen Ölregion führen werde, deren Besitzer Forster heiße; dort gebe es auch einen Store, in welchem ich mir Alles kaufen könne, was ich etwa brauche.
Meiner Berechnung nach mußte ich mich nun in der Nähe der Ölniederlassung befinden. Ich wußte, daß sie New-Venango hieß und in einer jener Schluchten lag, die, Bluffs genannt, steil in die Fläche der Prairie einschneiden und gewöhnlich von einem Flüßchen durchzogen sind, das entweder spurlos unter Felsen verschwindet, vielleicht auch im durchlassenden Boden langsam versiegt, oder auch, wenn seine Wassermasse bedeutender ist, dieselbe einem der größeren Ströme zuführt. Bisher aber hatte sich auf der mit gelbblühendem Helianthus übersäeten Ebene kein Zeichen wahrnehmen lassen, welches auf die Nähe einer solchen Senkung schließen ließ. Das Pferd bedurfte der Ruhe; ich selbst war müde und von der langen Irrfahrt so angegriffen, daß ich mich mehr und mehr nach dem Ziele meiner heutigen Wanderung sehnte, wo ich einen Tag lang gehörig Rast machen und dabei die ziemlich auf die Neige gegangene Munition wieder ergänzen wollte.
Schon gab ich es auf, dieses Ziel noch zu erreichen, da hob Swallow das Köpfchen und stieß den Atem mit jenem eigentümlichen Laute aus, durch welchen das echte Prairiepferd das Nahen eines lebenden Wesens signalisiert. Mit einem leisen Ruck war es zum Stehen gebracht, und ich wandte mich auf seinem Rücken, um den Horizont abzusehen.
Ich brauchte nicht lange zu forschen. Seitwärts von meinem Standpunkte bemerkte ich zwei Reiter, welche mich erblickt haben mußten, denn sie ließen ihre Pferde weit ausgreifen und hielten gerade auf mich zu. Da die Entfernung zwischen ihnen und mir noch zu groß war, die Einzelheiten unterscheiden zu können, so griff ich zum Fernrohre und gewahrte zu meiner Verwunderung, daß die eine der beiden Personen nicht ein Mann, sondern, in dieser Gegend eine Seltenheit, ein noch ziemlich junger Knabe war.
»Alle Wetter, ein Kind hier mitten in der Prairie, und gar in echter Trapperkleidung!« fuhr es mir über die Lippen, und erwartungsvoll schob ich Revolver und Bowiemesser, welche ich vorsichtig gelockert hatte, wieder zurück.
»Ist der Mann dabei einer jener extravaganten Yankees, welche zu allem Außerordentlichen fähig sind, oder ist es gar der » flats ghost« der Geist der Ebene, welcher nach dem Glauben der Indianer des Nachts auf feurigem Rosse und am Tage unter allerlei trügerischen Gestalten über die Woodlands reitet, um die weißen Männer in das Verderben zu locken, und der Knabe ein weißer Geisel, welchen er aus dem Osten entführt hat?«
Ich musterte mit einigem Bedenken meinen äußern Adam, welcher allerdings nicht das Geringste von alledem, was ein Gentleman in Gesellschaft an und um sich zu tragen pflegt, aufzuweisen hatte. Die Mokassins waren mit der Zeit höchst offenherzig geworden; die Leggins glänzten, da ich die löbliche Gewohnheit aller Jäger, die Hosenbeine bei Tafel als Serviette und Wischtuch zu gebrauchen, angenommen hatte, von Büffeltalg und Waschbärfett; das sackähnliche, lederne Jagdhemd, welches alle Temperaturen und atmosphärischen Kalamitäten mit anerkennungswerter Aufopferung ertragen hatte, gab mir das Aussehen einer von Wind und Wetter maltraitierten Krautscheuche, und die Bibermütze, welche mein Haupt bedeckte, war mir nicht nur viel zu weit geworden, sondern hatte auch den größten Teil ihrer Haare verloren und schien zu ihrem Nachteile mit den verschiedenen Lagerfeuern in sehr intime Bekanntschaft geraten zu sein.
Glücklicherweise befand ich mich nicht im Parkett eines Opernhauses, sondern zwischen den Black-Hills und dem Felsengebirge und hatte auch gar keine Zeit, mich zu ärgern, denn noch war ich mit meiner Selbstbetrachtung nicht ganz zu Ende, so hielten die Beiden schon vor mir; der Knabe hob den Griff seiner Reitpeitsche grüßend in die Höhe und rief mit heller, frischer Stimme:
»Good day, Sir! Was wollt Ihr finden, daß Ihr so an Euch herumsucht?«
»Your servant, mein Männchen! Ich knöpfe mein Panzerhemd zu, um unter dem forschenden Blicke Eures Auges nicht etwa Schaden zu leiden.«
»So ist es wohl sehr verboten, Euch anzusehen?«
»O nein, doch nehme ich natürlich an, daß mir die Erlaubnis zur Gegenbetrachtung nicht versagt wird.«
»Gegen einen Ritter mit Biberhelm und Karfunkelpanzer muß man gefällig sein. Schlagt Euer fürchterliches Visier also empor, und schaut mich an!«
»Danke, so wollen wir uns denn einmal nach Herzenslust begucken, wobei ich allerdings wohl besser wegkomme als Ihr, denn Euer Habitus ist noch ziemlich neu und gentlemanlike.« Und meinen Mustang auf den Hinterbeinen herumdrehend, fügte ich hinzu: »So, da habt Ihr mich von allen Seiten, zu Pferde und in Lebensgröße! Wie gefalle ich Euch?«
»Wartet ein wenig, und seht auch mich erst an!« erwiderte er lachend, zog sein Tier vom in die Höhe und präsentierte sich durch eine kühne Wendung in derselben Weise, wie ich es getan hatte. »Jetzt ist die Vorstellung eine vollständige, und nun sagt erst Ihr, wie ich Euch gefalle!«
»Hm, nicht übel! Wenigstens scheint Ihr mir passabel genug für den Ort hier. Und ich?«
»So so, la la! Nur muß man sich hüten, Euch näher zu kommen, als es gewisse Bedenken gestatten.«
»Ja, wenn man den Mann nicht rechnet, so ist der Reiter ganz prächtig,« meinte sein Begleiter in wegwerfendem Tone, indem er Swallow mit bewunderndem Blicke betrachtete. Ich beachtete diese Beleidigung nicht und entgegnete dem Knaben, der eine für sein Alter außerordentlich gewandte Umgangsform zeigte:
»Eure Bedenken sind gerecht, Sir, doch wird mich die Wildnis entschuldigen, in der wir uns befinden.«
»Die Wildnis! So seid Ihr wohl fremd hier?«
»So fremd, daß ich bereits einen ganzen Tag lang die richtige Hausnummer vergebens suche.«
»So kommt mit uns, wenn Ihr sehen wollt, wie ungeheuer groß diese Wildnis ist!«
Er wandte sich der Richtung zu, welche ich verfolgt hatte, und ließ sein Pferd vom langsamen Schritte durch alle Gangarten bis zum gestreckten Galoppe übergehen. Swallow folgte mit Leichtigkeit, obgleich wir vom grauenden Morgen an unterwegs gewesen waren. Ja, das brave Tier schien zu bemerken, daß es sich hier um eine kleine Probe handle, und griff ganz freiwillig in einer Weise aus, daß der Knabe zuletzt nicht mehr zu folgen vermochte und mit einem Ausrufe der Bewunderung sein Pferd parierte.
»Ihr seid außerordentlich gut beritten, Sir. Ist Euch der Hengst nicht feil?«
»Um keinen Preis, Sir,« antwortete ich, verwundert über diese Frage.
»Laßt das Sir fort!«
»Ganz wie es Euch beliebt. Der Mustang hat mich aus so mancher Gefahr hinweggetragen, daß ich ihm mehr als einmal mein Leben verdanke und er mir also unmöglich feil sein kann.«
»Er hat indianische Dressur,« meinte er mit scharfem Kennerblicke. »Wo habt Ihr ihn her?«
»Er ist von Winnetou, einem Apachenhäuptling, mit welchem ich zuletzt am Rio Suanca ein Weniges zusammenkam.«
Er blickte mich sichtbar überrascht an.
»Von Winnetou? Das ist ja der berühmteste und gefürchtetste Indianer zwischen Sonora und Columbien! Ihr seht gar nicht nach einer solchen Bekanntschaft aus, Sir.«
»Warum nicht?« fragte ich mit offenem Lächeln.
»Ich hielt Euch für einen Surveyor oder etwas derartiges, und diese Leute sind zwar oft sehr brave und geschickte Männer, aber sich mitten zwischen Apachen, Nijoren und Navajos hineinzuwagen, dazu gehört schon ein wenig mehr. Eure blanken Revolver, das zierliche Messer da im Gürtel und die Weihnachtsbüchse dort am Riemen oder gar noch Eure Paradehaltung auf dem Pferde stimmen wenig mit dem überein, was man an einem echten und rechten Trapper oder Squatter zu bemerken pflegt.«
»Ich will Euch ganz gern gestehen, daß ich wirklich nur so eine Art Sonntagsjäger bin, aber die Waffen sind nicht ganz schlecht. Ich habe sie aus der Front-Street in St. Louis, und wenn Ihr auf diesem Felde so zu Hause seid, wie es scheint, so werdet Ihr ja wissen, daß man dort für gute Preise auch gute Ware bekommt.«
»Hm, ich meine, daß die Ware ihre Güte erst beim richtigen Gebrauche zeigt. Was sagt Ihr zu dieser Pistole hier?«
Er griff in die Satteltasche und zog ein altes, verrostetes Schießinstrument hervor, welches einem viel in Gebrauch gewesenen Prügel ähnlicher sah als einer ordentlichen und zuverlässigen Feuerwaffe.
»So! Das Ding stammt jedenfalls noch von Anno Poccahontas her; aber es kann für den damit Geübten doch ganz gut sein. Ich habe Indianer oft mit dem armseligsten Schießzeuge zum Verwundern umgehen sehen.«
»Dann sagt einmal, ob sie auch das fertig gebracht haben!«
Er warf das Pferd zur Seite, schlug im raschen Trabe einen Kreis um mich, hob den Arm und drückte, ehe ich nur eine Ahnung von seiner Absicht haben konnte, auf mich ab. Ich fühlte einen leisen Ruck an meiner kahlhäutigen Kopfbedeckung und sah zu gleicher Zeit die Helianthusblüte, welche ich an die Mütze gesteckt hatte, vor mir niederfliegen.« Es schien mir ganz, als wolle der sichere Schütze sich darüber informieren, was von meiner Sonntagsjägerei zu halten sei, und ich antwortete also auf die ausgesprochene Frage kaltblütig:
»Ich denke, so etwas bringt jeder fertig, obgleich es nicht jedermanns Passion ist, seine Mütze hinzuhalten, da zufälligerweise einmal ein Kopf darunter stecken kann. Schießt also auf einen Andern nicht eher, als bis Ihr ihn überzeugt habt, daß Ihr mit Eurer Pulverspritze für einen guten Schuß zusammenpaßt!«
»Wherefore?« fragte es da hinter mir. Sein Begleiter ritt einen hohen, schwerfälligen Gaul, der mit unsern Pferden nicht hatte Schritt halten können, und war darum erst im Augenblicke des Schusses wieder zu uns gestoßen. »Der Kopf eines Savannenläufers ist samt der darauf sitzenden Pelzmütze mit einem Schusse Pulvers jedenfalls mehr als genug bezahlt!«
Der hagere, lang- und dünnhalsige Mann hatte eine echte, verkniffene Yankeephysiognomie. Aus Rücksicht gegen seinen Gefährten ließ ich auch diese Grobheit unberücksichtigt, obgleich es mir vorkam, als ob meinem Schweigen von dem Knaben eine falsche Ursache untergelegt werde; wenigstens sah ich über sein Gesicht einen Ausdruck gleiten, in welchem wenig Anerkennung für den von mir gezeigten Mangel an Schlagfertigkeit zu lesen war.
Die ganze Begegnung kam mir sehr sonderbar vor, und hätte ich etwas Ähnliches in irgend einem Roman gelesen, so wäre der Verfasser sicher in den Verdacht gekommen, Unmögliches für möglich darzustellen. Jedenfalls, das war klar, mußte eine Ansiedlung in der Nähe sein, und da seit längerer Zeit der Kriegspfad keinen der wilden Stämme in diese Gegend geführt hatte, so konnte es selbst ein Knabe immerhin wagen, ein Stückchen in die Ebene hineinzureiten.
Nicht so klar war es mir, was ich eigentlich aus dem interessanten jungen machen sollte. Er verriet eine Kenntnis des Westens und eine Übung in den hier notwendigen Fertigkeiten, daß ich wohl Ursache hatte, auf ganz besondere Verhältnisse zu schließen. Es war daher wohl kein Wunder zu nennen, daß mein Auge mit der lebhaftesten Aufmerksamkeit auf ihm ruhte.
Er ritt jetzt eine halbe Pferdelänge vor und der Schein der sich dem Horizonte zuneigenden Sonne umflutete ihn mit goldenen Lichtstrahlen. »Bräunlich und schön«, wie die heilige Schrift von dem Knaben David erzählt, zeigten seine eigenartigen Züge trotz ihrer noch jugendlichen Weichheit eine Festigkeit des Ausdruckes, welche auf frühzeitige Entwicklung des Geistes und kräftige Energie des Willens schließen ließ, und in der ganzen Haltung, in jeder einzelnen seiner Bewegungen sprach sich eine Selbständigkeit und Sicherheit aus, welche unbedingt verbot, das jugendliche Wesen als Kind zu behandeln, obgleich der Knabe nicht über sechzehn Jahre zählen konnte.
Ich mußte unwillkürlich an die Erzählungen denken, welche ich früher gelesen hatte, an Geschichten von der Kühnheit und Selbständigkeit, welche hier im » far west« selbst Kindern zu eigen ist, und diese Selbständigkeit konnte nicht nur in Beziehung auf den Charakter, sondern auch in Betreff des pekuniären Vermögens gelten, sonst hätte er mich ja nicht vorhin nach dem Preise meines Pferdes fragen können.
Plötzlich zog er die Zügel an.
»Ihr wollt nach New-Venango, Sir?«
»Ja.«
»Und kommt aus der Savanne natürlich?«
»Wie Ihr mir ansehen könnt, ja.«
»Aber ein Westmann seid Ihr nicht!«
»Ist Euer Blick so scharf, um das sofort zu erkennen?«
»Ihr seid ein Deutscher?«
»Ja. Spreche ich das Englisch mit einem so bösen Accent, daß Ihr an demselben den Ausländer in mir erkennt?«
»Bös gerade nicht, aber doch so, daß man Eure Abstammung erkennt. Wenn es Euch recht ist, wollen wir uns unserer Muttersprache bedienen!«
»Wie, auch Ihr habt die gleiche Heimat?«
»Der Vater ist ein Deutscher; geboren aber bin ich am Quicourt. Meine Mutter war eine Indianerin vom Stamme der Assineboins.«
Nun war mir mit einemmal der eigentümliche Schnitt seines Gesichtes und der tiefe Schatten seines Teints erklärlich. Seine Mutter war also tot, und der Vater lebte noch, Hier stieß ich jedenfalls auf außergewöhnliche Verhältnisse, und es war mehr als bloße Neugierde, was ich jetzt für ihn empfand.
»Wollt Ihr einmal da hinüberblicken?« forderte er mich mit erhobenen Armen auf. »Seht Ihr den Rauch wie aus dem Boden emporsteigen?«
»Ah, so sind wir endlich am Bluff, den ich suchte und in dessen Senkung New-Venango liegt! Kennt Ihr Emery Forster, den Ölprinzen?«
»Ein wenig. Er ist der Vater von meines Bruders Frau, welche mit ihrem Manne in Omaha lebt. Ich komme von dort von einem Besuche zurück, und habe hier Absteigequartier genommen. Habt Ihr mit Forster zu tun, Sir?«
»Nein. Ich will nach dem Store, um mich mit Einigem zu versorgen, und fragte nur, weil er als einer der bedeutendsten Ölprinzen jedem, der in diese Gegend kommt, von Interesse sein muß.«
»Ihr habt ihn schon gesehen!«
»Nein!«
»Und doch! Ihr seht ihn sogar jetzt, denn er reitet an Eurer Seite! Unsere Vorstellung war eine mangelhafte, ist aber zu entschuldigen; die Prairie kennt keine Dehors.«
Ach möchte diese Ansicht nicht teilen,« erwiderte ich, ohne den Yankee mit einem einzigen Blicke zu beachten. »Ich meine sogar, daß die Prairie eine sehr scharfe Distinktion ausgebildet hat, deren Maßstab allerdings nicht der Geldbeutel, sondern das Gewicht des Mannes ist. Gebt einem Eurer arroganten Ölprinzen die Pistole, mit welcher Ihr so vortrefflich umzugehen versteht, in die Hand und schickt ihn nach dem Westen, er wird trotz seiner Millionen untergehen. Und fragt im Gegenfalle einen unserer berühmten Westmänner, die wie unbeschränkte Fürsten mit ihren Büchsen die weite Ebene beherrschen, nach dem Monney, welches er besitzt; er wird Euch in das Angesicht lachen. Da, wo der Mensch grad so viel wiegt wie die Gefahr, welche er zu überwinden vermag, leistet zum Beispiel meine »Patentmütze« bessere Dienste, als der Besitz von einem Viertel- oder halben Dutzend von Ölquellen. Die Prairie schreibt ihre Gesetze und Komplimente nicht durch den Tanzlehrer, sondern mit dem Bowiemesser vor!«
Sein Auge blitzte mit einem raschen, leuchtenden Blicke von Förster auf mich herüber. Ich bemerkte, daß ich ihm aus der Seele gesprochen hatte. Dennoch aber konnte er eine Berichtigung nicht unterlassen.
»Ich will Euch nicht ganz unrecht geben, Sir; aber es gibt doch vielleicht hier und da einen Trapper oder Squatter, der nicht lachen würde, wenn ich ihn nach dem »Metall« fragte. Habt Ihr einmal von Old Firehand gehört?«
»Warum sollte ich nicht? Er ist einer der angesehensten unter den Waldläufern. Begegnet freilich bin ich ihm noch nicht.«
»Nun seht, er und Winnetou, den Ihr ja kennt, also ein Weißer und eine Rothaut, gehören zu denen, die ich meine. Diese beiden Männer kennen jedes » Open« und jedes » Shut« des Gebirges und könnten Euch zu Gold- und Silberlagern führen, von deren Dasein und Reichhaltigkeit kein Anderer eine Ahnung hat. Ich glaube nicht, daß einer von ihnen mit irgend einem Ölmanne tauscht!«
»Pshaw, Harry,« fiel Forster ein; »ich hoffe nicht, daß du anzüglich sein willst!«
Er vermied, Zu antworten, und ich meinte kalt:
»Der Ölmann hätte diese Schätze jedenfalls nicht entdeckt und würde sich wohl auch hüten, ihre Ausbeutung mit seinem kostbaren Leben zu bezahlen. Übrigens gebt Ihr wohl zu, mein junger Master, daß Eure Entgegnung nur eine Bestätigung meiner Behauptung enthält. Der richtige Jäger mag eine Ader aufgefunden haben, aber er verkauft gegen ihren Inhalt die kostbare Freiheit nicht, die ihm über alles geht. Doch da ist ja der Bluff und mit ihm unser Ziel.«
Wir hielten am Rande der Schlucht und blickten auf die kleine Niederlassung hinab, deren Häuserzahl ich mir höher vorgestellt hatte. Das vor uns liegende Tal bildete eine schmale Pfanne, welche, rings von steil aufsteigenden Felsen umschlossen, in ihrer Mitte von einem ansehnlichen Flusse durchströmt wurde, der sich zwischen nahe zusammentretendem Gestein unten einen Ausweg suchte. Das ganze unter uns liegende Terrain war mit Anlagen, wie sie die Petroleumerzeugung erfordert, bedeckt; oben, ganz nahe am Wasser, befand sich ein Erdbohrer in voller Tätigkeit; am mittleren Laufe stand etwas vor den eigentlichen Fabrikräumlichkeiten ein trotz des Interims doch ganz stattliches Wohngebäude, und wo das Auge nur hinblickte, waren Dauben, Böden und fertige Fässer, teils leer, meist aber mit dem vielbegehrten Brennstoffe gefüllt, zu sehen.
»Ja, das ist der Bluff, Sir,« antwortete Harry. »Da drüben seht Ihr den Store, zugleich Restauration, Boardinghouse und alles sonst noch Mögliche, und hier führt der Weg hinab, ein wenig steil zwar, sodaß wir absteigen müssen, aber doch immer noch ohne Lebensgefahr zu passieren. Wollt Ihr mitkommen?«
Ich schnellte mich rasch aus dem Sattel; auch er war abgesprungen und meinte:
»Nehmt Euer Tier an die Hand.«
»Swallow kommt von selbst nach. Steigt immerhin voran!«
Er ergriff die Zügel seines Pferdes; mein Mustang folgte ohne besondere Aufforderung, und während Forster mit seinem Gaule langsam und zaghaft nachgestiegen kam, hatte ich Gelegenheit, an dem Vorangehenden die Gewandtheit und Sicherheit des Schrittes zu bewundern. Diese Übung hatte er sich ganz bestimmt nicht im Osten aneignen können, und mein Interesse für ihn wuchs von Minute zu Minute. Auf der Sohle des Tales angekommen, setzten wir uns wieder zu Pferde. Ich wollte mich verabschieden, weil ich annehmen mußte, daß die Beiden direkt nach dem bereits angegebenen Wohngebäude reiten würden, während mein Weg mich nach dem Laden führte, da aber fiel mir Forster in die Rede:
»Laßt das sein, Mann! Wir kommen mit nach dem Store, denn ich habe noch irgend eine Kleinigkeit mit Euch abzumachen!«
Es war mir um des interessanten Jünglings willen ganz lieb, die bisherige Gesellschaft noch für kurze Zeit genießen zu können, aber ich hatte keine Lust, Forster eine Frage über seine Kleinigkeit vorzulegen. Ich brauchte indes nicht lange zu warten, um Aufklärung über dieselbe zu erhalten. Bei dem » Store and Boardinghouse«, wie die einfache Blockhütte mit Kreideschrift an ihrer Türe bezeichnet war, angekommen, hatte ich kaum den Sattel verlassen, so war er auch von dem seinen herunter und faßte Swallow am Zügel.
»Ich werde Euch das Pferd abkaufen, was kostet es?«
»Ich verkaufe es nicht!«
»Ich gebe zweihundert Dollars.«
Ich lachte verneinend.
»Zweihundert und fünfzig!«
»Gebt Euch keine Mühe, Sir!«
.»Dreihundert!«
»Es ist mir nicht feil!«
»Dreihundert, und was Ihr hier aus dem Store nehmt, das bezahle ich obendrein!«
»Glaubt Ihr wirklich, daß ein Präriemann sein Pferd verkauft, ohne weiches er vielleicht zugrunde geht?«
»So gebe ich Euch das meinige noch dazu!«
»Behaltet Euern Patentgaul immerhin; ich tausche ihn Euch nicht um ein einziges Haar aus meiner Mütze ab!«
»Aber ich muß das Pferd haben,« versetzte er ungeduldig. »Es gefällt mir!«
»Das glaube ich Euch gern; doch bekommen könnt Ihr es nicht. Ihr seid zu arm, es zu bezahlen.«
»Zu arm?!« Er warf mir einen Blick zu, der mich jedenfalls einschüchtern sollte. »Habt Ihr nicht gehört, daß ich Emery Forster bin? Wer mich kennt, der weiß sehr genau, daß ich imstande bin, ein ganzes Tausend solcher Mustangs zu bezahlen!«
»Euer Geldbeutel ist mir ein sehr gleichgültiges Ding. Könnt Ihr wirklich ein gutes Pferd bezahlen, so geht zum Pferdehändler; das meinige aber laßt jetzt einmal los!«
»Ihr seid ein unverschämter Kerl, wißt Ihr‘s! Ein Bursche, dem wie Euch die Füße aus den Schuhen gucken, sollte froh sein, daß ihm das Geld zu neuen Stiefeln so leicht geboten wird; er kommt dann wenigstens einmal auf ehrlichem Wege zu ihnen!«
»Emery Forster, nimm deine Zunge in acht, du könntest sonst auf einem sehr ehrlichen Wege erfahren, daß der Mann, der nach deiner Meinung mit einem Schusse Pulvers mehr als genugsam bezahlt ist, mit dieser Art von Geld schnell bei der Hand ist!«
»Oho, mein junge! Hier ist nicht Savannenland, wo jeder Strolch tun kann, was ihm gerade beliebt. In New-Venango bin ich allein Herr und Gebieter, und wer sich nicht in gutem nach mir richtet, der wird auf andere Weise zu Verstand gebracht. Ich habe mein letztes Gebot getan. Bekomme ich das Pferd dafür oder nicht?«
»Ein jeder andere Westmann hätte jedenfalls schon längst nur mit der Waffe geantwortet; das Verhalten des Mannes verursachte mir aber Vergnügen anstatt Ärger, und andernteils bewog mich auch die Rücksicht auf seinen Begleiter zu einer größeren Selbstbeherrschung, als ich ihm allein gegenüber gezeigt hätte.