Kitabı oku: «Praxis und Methoden der Heimerziehung», sayfa 5

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Wer hat den Heimaufenthalt angeregt?


Soziale Dienste 56 %
Eltern/Personensorgeberechtigter 21 %
Junger Mensch selbst 15 %
Gericht 2 %
Schule 1 %
Arzt 2 %
Sonstige 3 %

(Statistisches Bundesamt 2018b)

In mehr als der Hälfte der Fälle wurde der Heimaufenthalt direkt vom Sozialen Dienst des Jugendamtes angeregt, aber in mehr als einem Drittel der Fälle kam die Anregung aus der Familie selber.

Die Altersverteilung der jungen Menschen, die im Jahr 2016 neu in einem Heim oder in einer sonstigen betreuten Wohnform aufgenommen wurden, sieht wie folgt aus:


Alter von … bis unter … Jahren
unter 1 631 1,0 %
1–3 768 1,3 %
3–6 1.714 2,7 %
6–9 2.949 4,7 %
9–12 4.045 6,6 %
12–15 9.518 15,4 %
15–18 33.686 54,5 %
18–21 8.391 13,7 %
21 und älter 62 0,1 %

(Statistisches Bundesamt 2018b)

Der Hauptschwerpunkt der Neuaufnahmen lag – wie auch in den Vorjahren – ganz eindeutig mit fast 77 % bei der Altersgruppe der 12- bis 18-Jährigen, wobei die 15- bis 18-Jährigen besonders stark vertreten waren. Vielfältige Praxiserfahrungen belegen, dass ältere Kinder und Jugendliche mit größeren Schwierigkeiten und persönlichen Problemen in die Institutionen aufgenommen werden. Die Aufnahme erfolgt zum Teil auch nicht aus der Familie direkt, sondern aus anderen Hilfen wie Pflegefamilien oder anderen Heimeinrichtungen. Zusätzlich wurden in den Jahren 2015 – 2016 auch verstärkt junge Menschen aufgenommen, die ohne ihre Familien nach Deutschland geflohen waren. Der Schwerpunkt der Aufnahmen im Pubertätsalter, das durch Ablösung, Identitätsfindung und Auseinandersetzung mit Bezugspersonen gekennzeichnet ist zeigt, dass unter diesen Bedingungen die Ausgangsbedingungen in der stationären Erziehungshilfe herausfordernd sein können.

Die Problemlagen der Kinder und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche, für deren Erziehung Interventionen im Rahmen der stationären Erziehungshilfe als notwendig erachtet werden, sind solche mit besonderen Problemlagen, die gesellschaftlich, individuell und/oder familiär begründet sein können.

Hauptgrund für die Hilfe der jungen Menschen, die am 31. Dezember 2016 in einer Institution der stationären Erziehungshilfe lebten:


12 %
Gefährdung des Kindeswohls 14 %
Auffälligkeiten im sozialen Verhalten 6 %
Unversorgtheit des jungen Menschen 32 %
Gefährdung des Kindeswohls 14 %
Auffälligkeiten im sozialen Verhalten 6 %
Unversorgtheit des jungen Menschen 32 %
Unzureichende Förderung 10 %
Belastung durch familiäre Konflikte 5 %
Belastung durch Probleme der Eltern 5 %
Entwicklungsauffälligkeiten 5 %
Übernahme eines anderen Jugendamtes 9 %
Schulische Probleme 2 %

(Statistisches Bundesamt 2018b)

40 % der Herkunftsfamilien bzw. der jungen Volljährigen waren auf staatliche Transferleistungen angewiesen, sie lebten ganz oder teilweise von Arbeitslosengeld II, von Grundsicherung oder von Sozialhilfe. Empirische Befunde zeigen, dass das Risiko, emotionale und Verhaltensstörungen zu entwickeln, für Kinder, die in prekären Verhältnissen leben deutlich erhöht ist. Dazu kommen weitere traumatische Erlebnisse aufgrund von Vernachlässigung, körperlicher Misshandlung und sexuellem Missbrauch, die ebenfalls zu hohen psychischen Belastungen wie Angst und Depressionen bis hin zu aggressivem Verhalten führen können (Mills et al. 2013).

So zeigte sich beispielsweise in einer Untersuchung von Günder und Reidegeld (2007) zum Thema „Aggressionen in der Stationären Erziehungshilfe“ in der die Angaben von 367 in der Heimerziehung tätigen Fachkräften ausgewertet wurden, dass bei 42 % der in den stationären Einrichtungen lebenden Kindern und Jugendlichen aggressive Verhaltensweisen ein wichtiger Grund bereits bei der Aufnahme waren. Auf die Frage, wie sich die Aggressionen in den letzten fünf Jahren entwickelt haben, antworteten 71 % der befragten Fachkräfte, dass aggressive Verhaltensweisen zugenommen bzw. stark zugenommen hätten. Die große Mehrheit ist der Auffassung, dass verbale Aggressionen (81 %), körperliche Gewalt (58 %) und autoaggressive Gewalt (47 %) in der stationären Erziehungshilfe extrem stark zugenommen hätten. 52 % sind überzeugt, dass verstärkt Gewalt gegen Sachen festzustellen sei. Überwiegend (59 %) wird vermutet, dass 5 bis 15 % aller Kinder und Jugendlichen intensiv aggressiv seien. Insgesamt muss in der Heimerziehung von einem erhöhten Anteil psychisch belasteter, traumatisierter Kinder ausgegangen werden.

Die besondere Situation unbegleiteter minderjähriger geflüchteter Kinder und Jugendliche (UMF) in der stationären Erziehungshilfe

Ein erhöhter Anteil von traumatischen Erfahrungen und psychischen Belastungen trifft auch auf unbegleitete minderjährige Geflüchtete in der stationären Erziehungshilfe zu, die in den Jahren 2015/2016 verstärkt nach Deutschland gekommen sind. In dieser Zeit erreichten mehr als 65.000 UMF die Bundesrepublik Deutschland, wovon über 80 % männlich und zwischen 15 und 17 Jahre alt waren (Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen 2017). Unbegleiteten Minderjährigen wird im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe Schutz gewährt im Rahmen einer Inobhutnahme durch das Jugendamt gemäß §42 KJHG. Sie bekommen in der Regel einen Amtsvormund (nach § 55 KJHG) an die Seite gestellt, der die rechtliche Stellung eines Erziehungsberechtigten vertritt. Häufig erfolgt dann eine Unterbringung der jungen Menschen im Rahmen der stationären Jugendhilfe in Heimgruppen oder in Pflegefamilien. Durch die hohe Anzahl ankommender Geflüchteter und damit auch unbegleiteter Minderjähriger, nahm die Zahl der Unterbringungen in stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe in den Jahren 2015/2016 deutlich zu. Im Jahr 2015 wurden 42.309 unbegleitete minderjährige Geflüchtete (davon 91% männlich) im Rahmen der Jugendhilfe in Obhut genommen (Statistisches Bundesamt 2016). Die Einrichtungen mussten sich auf eine hohe Nachfrage nach stationären Plätze einrichten, was zu einer Neugründung von Gruppen, aber auch freien Trägern führte und teilweise Übergangslösungen und Notgruppen notwendig machte (Muss 2019, S. 49). Neben der quantitativ gestiegenen Zahl an Plätzen musste außerdem den besonderen Bedarfen der UMF gerecht werden. So waren z. B. Sprachbarrieren zu überwinden, aber auch die Eingewöhnung in das Leben in Deutschland zu erleichtern. Besondere rechtliche Kenntnisse z. B. im Bereich von Asylrecht wurden notwendig, um die UMF entsprechend beraten bzw. an entsprechende Stellen verweisen zu können. Inzwischen ist die Zahl der UMF zwar wieder deutlich zurückgegangen (im Jahr 2017 wurden ca. 20.910 Jugendliche aufgrund unbegleiteter Einreise nach Deutschland in Obhut genommen, s. Statistisches Bundesamt 2018), da sich die Politik gegenüber geflüchteten Menschen wieder verschärft hat, dennoch ist es sinnvoll, die Bedarfe dieser speziellen Gruppe einmal aus ihrer Sicht genauer zu betrachten und Fachkräfte in der (stationären) Kinder und Jugendhilfe im Hinblick auf die Notwendigkeit interkultureller Schlüsselkompetenzen zu sensibilisieren.

Im Rahmen eines transdisziplinären Praxisforschungsprojektes zur Situation von UMF in stationärer Jugendhilfe (Nowacki/Remiorz/Muss 2018) wurden 44 männliche Jugendliche im Alter von durchschnittlich 17,05 Jahren (min 15 max 18), die ohne familiäre Begleitung nach Deutschland geflüchtet waren, zu ihrer Lebenssituation in der Jugendhilfe befragt. Es konnten insbesondere eine hohe Bildungsaffinität und der Wille, sich in die deutsche Gesellschaft einzufügen, festgestellt werden (Nowacki/Remiorz/Mielke 2019).

„Ich möchte was in meinem Leben erreichen. Ausbildung, Weiterbildung vielleicht und … Ja, es gibt viele Dinge, an die ich mich nicht erinnern möchte. Aber als ich hier nach Deutschland kam, dachte ich, dass alles gut für mich wird. Ich möchte hier bleiben und leben“ (Nowacki et al. 2019, S. 98).

Auch der Wunsch selber etwas für andere zu tun wurde deutlich: „Ich gehe regelmäßig in die Schule, dann gehe ich auch dreimal in der Woche zum Sport. Dann habe ich aber auch noch selber ein Projekt ‚Flüchtlinge für Flüchtlinge‘“ (Nowacki et al., 2019, S. 97).

Es konnte eine positive Einstellung der jungen Menschen insbesondere zu ihren Betreuer*innen festgestellt werden. So betont ein junger Mann im Hinblick auf die Betreuerin in seiner Gruppe: „Sie (meine Mentorin) betreut mich, wenn ich Probleme habe … Sie hilft mir überall und beschützt mich, wie meine Eltern mich beschützen würden“ (Nowacki et al. 2019, S. 99).

Gleichzeitig wurden aber auch erhöhte psychische Belastungen und Traumatisierungen aufgrund der Fluchtgeschichte deutlich, mit gleichzeitig deutlich erhöhtem Bedarf an entsprechend geschultem Personal mit einschlägigen und weiteren kulturellen Kenntnissen und einem Mangel an Therapieplätzen (Nowacki/Remiorz/Nyrabia 2019, S. 83).

Die Ergebnisse zeigten sich vergleichbar in einer weiteren Untersuchung. Auch Bohn und Rada (2019) betonen, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche zentrale Kompetenzen mitbringen, die für ihre Integration in Deutschland wichtig sind (S. 109 ff.). Auch sie haben eine hohe Freude der Jugendlichen gefunden, zur Schule zu gehen und sich z. B. in Sportvereinen zu engagieren. Gleichzeitig stellen sie aber auch heraus, dass es Barrieren für die jungen Menschen gibt, die ein Einleben erschweren. Dies betrifft auch junge Geflüchtete, die mit ihren Eltern eingereist sind und in Notunterkünften leben. Diese erführen häufig Diskriminierung seitens der Ämter und das Gefühl der Nichtbeachtung, Ablehnung und Rechtlosigkeit. Die Kinder fühlten sich isoliert, teilweise aggressiv und sehr unglücklich (S. 116).

Auch in einer aktuellen Umfrage des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (2019) zeigt sich eine vermehrte Angst vor Abschiebungen, eine Zunahme des Erlebens von Rassismus und Angst vor der Zukunft.

Die positiven Ergebnisse der Studien im Hinblick auf Bildungsaffinität und Integrationswillen der jungen Menschen mit Fluchtgeschichte stehen im Gegensatz zu den geschilderten negativen Erfahrungen von Diskriminierungen und unklaren Zukunftsperspektiven. Insbesondere bei den jungen Männern mit Fluchtgeschichte wird häufig eine erhöhte Kriminalität vermutet und ihnen werden häufig mit Erreichen des Erwachsenenalters viele Möglichkeiten der Integration erschwert (Graebsch 2019). Konkrete Zahlen zur Kriminalität von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte müssen im Gesamtzusammenhang verstanden werden. So ergibt sich zwar ein höherer Anteil von Straftaten auch bei den jungen Menschen mit Fluchtgeschichte, dies ist zum einen aber vergleichbar mit den Alters- und Geschlechtsgenossen ohne Migrationshintergrund (junge Männer sind überzufällig häufig vertreten), zum anderen ist die Anzeigebereitschaft gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund deutlich größer. Hinzu kommen Straftaten im Rahmen des Migrationsrechts, die für Menschen ohne Migrationshintergrund gar nicht gelten. Pfeiffer, Baier, Kliem et al. (2018, S. 82 ff.) betonen, dass insbesondere junge Männer aus Bürgerkriegsländern wie Syrien oder Afghanistan einen deutlich geringeren Anteil an Straftaten junger Männer insgesamt ausmachen. Dies liegt u. a. an der besseren Bleibeperspektive, die junge Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte seltener in die Illegalität drängt.

Den jungen Menschen mit Fluchtgeschichte sollte also individuell und abgewogen begegnet und ihre humanitären Bedürfnisse unabhängig von ihrer Herkunft berücksichtigt werden. Eine Integration in die Mehrheitsgesellschaft ist eine Bereicherung im Hinblick auf Vielfältigkeit.

Insgesamt kann für die Betreuung von unbegleiteten, aber auch begleitet nach Deutschland eingereisten Kindern und Jugendlichen festgehalten werden:

•Berücksichtigung der individuellen Geschichte im Hinblick auf die Familie, Fluchtgründe und Fluchtgeschichte,

•erhöhte Wahrscheinlichkeit traumatischer Erfahrungen bedenken und ggf. weitere therapeutische Hilfe vermitteln,

•Beachtung von Sprachbarrieren und einer schnellen Unterstützung, die deutsche Sprache zu erlernen,

•Hilfe und Unterstützung beim Zurechtfinden in der deutschen Mehrheitsgesellschaft,

•Unterstützung bei Schule und Ausbildung,

•Hilfe und Vorbereitung auf die Zeit nach der stationären Erziehungshilfe (Wohnungssuche, Beantragung weiterer Hilfe nach §41 KJHG).

Hilfen für junge Volljährige und „Care Leaver“

Junge Menschen, die einen wesentlichen Teil ihres Lebens in Heimerziehung aufgewachsen sind und deren Herkunftsfamilien keine große Unterstützung darstellen können, sind mit dem Erreichen der Volljährigkeit u.U. sehr stark auf sich alleine gestellt. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz sieht zwar eine Möglichkeit vor, nach dem 18. bis zum 21. Lebensjahr „Hilfe für junge Volljährige“ und in begründeten Einzelfällen sogar darüber hinaus nach §41 KJHG zu beantragen, eine Bewilligung hängt allerdings von vielen Faktoren ab. Häufig werden zum einen Bedingungen an einen regelmäßigen Schuloder Ausbildungsbesuch geknüpft, zum anderen müssen aber noch genügend Defizite formuliert werden, sonst wird die Notwendigkeit der Hilfe unter Umständen nicht gesehen. Gerade öffentliche Träger, die kreisfreien Städten oder Kreisen angehörig sind und sich in schwieriger finanzieller Situation befinden, bekommen ggf. hohe Auflagen, gerade im Bereich der jungen Volljährigen Geld einzusparen. Nüsken (2008) spricht hier von regionalen Disparitäten, also großen kommunalen Unterschieden, was die Bewilligung von Hilfen zur Erziehung im Allgemeinen, aber insbesondere auch bei jungen Volljährigen betrifft.

In der Praxis führt dies teilweise dazu, dass junge Menschen in einer Wohngruppe, die durch verschiedene Jugendämter zugewiesen wurden, unterschiedlich lange Zeit für die Verselbstständigung haben. Natürlich liegen hier individuelle Hilfepläne zugrunde, die sich ausschließlich an den Ressourcen und Bedarfen der jungen Menschen orientieren sollten, aber in der Praxis der Jugendhilfe kommt es eben auch darauf an, wie die Bewilligungspraxis der örtlichen Träger für junge Volljährige aussieht (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017). Diese Aspekte gelten auch bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, u. U. sogar noch verstärkt, da ihnen aufgrund der gelungen Flucht nach Deutschland von vorneherein eine stärkere Selbstständigkeit zugesprochen wird (Nowacki/Remiorz/Muss 2018). Bei diesem Argument wird wenig berücksichtigt, dass die Flucht mit potenziell traumatischen Erlebnissen einhergeht und die jungen Menschen ohne familiäre Unterstützung in einem für sie fremden Land zurechtkommen müssen. Hier muss eine selbstverständliche Unterstützung mit Erreichen der Volljährigkeit möglich sein und wird teilweise auch umgesetzt. Allerdings zeigen die politischen Debatten eher eine Verschärfung der Unterstützung der jungen Menschen und die Bleibeperspektive ist häufig unklar (Graebsch 2019, S. 8). Aus Sicht eines freien Trägers der Jugendhilfe stellen sich teilweise folgende Probleme:

„Wir haben erlebt, dass ein gerade volljährig gewordener afghanischer Flüchtling in eine Sammelunterkunft des Sozialamtes ziehen musste und sein Zimmer in der Wohngruppe von einem 19-jährigen afghanischen Flüchtling bezogen wurde, der eine weitere stationäre Hilfe erhalten hatte, obwohl die Hilfebedarfe vergleichbar waren. Dies war den jungen Menschen gegenüber kaum darstellbar und sie konnten nicht verstehen, dass der entscheidende Faktor zur Weiterführung einer Hilfe davon abhängig sein kann, welches Jugendamt zuständig ist“ (Muss 2019, S. 60).

Die finanziellen Engpässe diverser Kommunen sind sicherlich Realität, allerdings sind die Hilfen gerade auch in Hinsicht auf einen Ausgleich prekärer Lebensbedingungen verschiedener Gruppen von jungen Menschen zu sehen, die auf die Unterstützung der Gemeinschaft angewiesen sind. In diesem Zusammenhang wird auch argumentiert, dass Kinder, die in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen, im Schnitt erst mit 23,7 Jahren den elterlichen Haushalt verlassen (Statista 2018). Dies ist deutlich über dem Alter, in dem von jungen Menschen mit schwierigen Startbedingungen eine Selbstständigkeit erwartet wird. Eine Verlängerung des Hilfeprozesses böte eine größere Chance zur psychischen Stabilisierung und positiven Entwicklung. Dies zeigt sich auch in einer Analyse von Macsenaere und Arnold (2015), die herausstellen, dass Hilfen, bei denen Verselbstständigung gelingt, durchschnittlich doppelt so lange andauerten als solche, in denen dies nicht gelungen ist (S. 18). Im Hinblick auf weitere Wirkfaktoren einer gelungenen Verselbstständigung zeigt sich, dass sich insbesondere höhere Ressourcen im Lernbereich einerseits und keine dissozialen Probleme sowie Straffälligkeit oder Suchtgefährdung andererseits als förderlich für eine gelungene Verselbstständigung herauskristallisierten. Gerade die förderlichen Faktoren wurden häufiger bei Mädchen bzw. jungen Frauen gefunden, während die Schwierigkeiten stärker bei den Jungen und jungen Männern auftraten (S. 18). Wenn die Weitergewährung von Hilfen also an strengen Auflagen, wie dem regelmäßigen Schul- bzw. Ausbildungsbesuch hängt, haben Jugendliche mit psychischen Schwierigkeiten, die aufgrund ihrer Geschichte deutlich häufiger zu erwarten sind, eine geringere Chance auf ein gelungenes selbstständiges Leben. Dies findet sich auch in weiteren, zum Teil internationalen Studien, die deutlich machen, dass die Bildungssysteme im jungen Erwachsenenalter wenig auf diverse Biographien eingestellt sind. Die Notwendigkeit der Aufarbeitung von schwierigen Lebenserfahrungen und der Ausgleich eines geringeren finanziellen und kulturellen Kapitals für junge Menschen, die stationäre Erziehungshilfen verlassen, wird oft nicht ausreichend zur Verfügung gestellt (Schroer/Köngeter/Zeller 2012, S. 274).

Aufgrund der erläuterten Probleme müssen neben der Forderung nach einer verstärkten Förderpraxis für junge Volljährige weitere Konzepte für die jungen Menschen überdacht werden.

So gibt es mittlerweile neben dem Einzelengagement von Mitarbeitenden der Jugendhilfe mehr und mehr Angebote und Programme für junge Menschen, die in stationärer Erziehungshilfe aufgewachsen sind. Dies können z. B. regelmäßige stattfindende Treffen in Räumlichkeiten des Trägers sein, die von Mitarbeitenden begleitet werden. Aber auch Sprechstunden für praktische Fragen, z. B. im Hinblick auf Antragsstellungen etc., sind möglich. Der Einbezug bereits bekannter Bezugspersonen aus der Einrichtung (Betreuer*innen, aber auch Peers) ist ein wichtiger Aspekt für das Gelingen einer solchen fortgesetzten Hilfe (Thomas 2017). Hilfen für die stärkere Verortung in den Sozialraum sind ebenfalls sinnvoll, um die soziale Anbindung der jungen Menschen außerhalb der eigenen Institution zu stärken.

Diese Möglichkeiten der weiteren, informellen Unterstützung und persönlichen Ansprachen sind wichtige Elemente, um die jungen Menschen nicht vollkommen alleine zu lassen. Auch junge Menschen, die in Herkunftsfamilien aufgewachsen sind, haben in der Regel noch erwachsene Ansprechpersonen und einen Ort, der für sie ein Zuhause ist. Junge Menschen, die über viele Jahre in einer Wohngruppe aufgewachsen sind, betrachten diesen Ort mit hoher Wahrscheinlichkeit auch als ihr Zuhause, mit dem sie viele emotionale Erlebnisse verbinden und das in gewisser Weise Halt und Ansprache gegeben hat (Remiorz/Nowacki 2018). Natürlich wird dies von den jungen Menschen unterschiedlich empfunden und ggf. spielen die Herkunftsfamilien auch noch wichtige Rollen, aber das darf nicht über die Bedeutsamkeit von Wohngruppen hinwegtäuschen, auch wenn es sich um professionelle Einrichtungen mit darin arbeitenden Fachkräften handelt. Das menschliche Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und Wichtigkeit für andere Personen ist hoch und muss in der Sozialen Arbeit berücksichtigt werden.

1Nationalsozialistische Volkswohlfahrt

2Reichsjugendwohlfahrtsgesetz

Türler ve etiketler

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9783784133041
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