Kitabı oku: «Soldatengesetz», sayfa 38
II. Erläuterungen im Einzelnen
1. § 11 Abs. 1 als Grundlage für Grundrechtseinschränkungen
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§ 11 Abs. 1 weist als Grundlage für Grundrechtseinschränkungen der Soldaten vielfältige Bezüge zum GG, insbes. zu den Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 4 und Art. 5 GG sowie den Art. 17a, 19 und 65a GG auf. Dabei ist allerdings zu beachten, dass durch die neuere Rspr. des BVerwG die Qualifikation von Weisungen und Erl. als Befehle im förmlichen Sinn deutlich verengt wurde.[48] Viele früher als Befehl eingestufte Maßnahmen haben danach nur noch allg. Weisungs- und Anordnungscharakter. Dies ändert nichts an ihrer Bindungswirkung und der Möglichkeit, damit auch grundrechtl. Schutzbereiche verhältnismäßig einzuschränken.
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Ein Befehl ist gem. Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, 1. Alt. unverbindlich, wenn er die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt.
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Befehle können das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) berühren. Dieses Grundrecht findet seine Schranken in der verfassungsmäßigen Ordnung, zu der unstr. das „Wehrwesen“ gehört. Die „volle Einsatzbereitschaft der Truppe“ als deren wesentliches Element fordert z.B., dass der (männliche?) Soldat bei der Ausübung seines Dienstes nicht in vermeidbarer Weise durch langes Haar behindert wird. Der sog. Haarerlass[49] war und ist daher rechtmäßig.[50] Er verstößt nach Auffassung des BVerwG[51] weder gegen die Menschenwürde noch gegen den Gleichheitssatz des GG.
Beide Grundrechte sind zwar ebenfalls berührt, jedoch nicht verletzt, wenn durch Dienstvorschriften[52] für Soldaten der Bw eine generelle Grußpflicht gegenüber allen Generalen und Admiralen der deutschen und der alliierten SK befohlen wird.[53]
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Problematisch war und ist das Verhältnis der soldatischen Gehorsamspflicht zum Grundrecht der Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG.[54]
Art. 4 Abs. 1 GG steht nicht wie andere Grundrechte unter Gesetzesvorbehalt. Art. 4 Abs. 3 GG verdrängt Art. 4 Abs. 1 nicht; Abs. 1 soll über Abs. 3 hinausreichen und jeden Dienst des Soldaten betreffen, auch soweit dieser nicht Dienst mit der Waffe ist. Von daher seien erteilte Befehle auch an ihrer Vereinbarkeit mit diesem Grundrecht zu messen; berufe sich ein Soldat auf Art. 4 Abs. 1 GG, sei der Befehl unverbindlich; dem Soldaten sei eine „gewissensschonende Handlungsalternative“ bereitzustellen.[55]
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Diese Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 1 GG ist insbes. aus zwei Gründen nicht frei von Bedenken:
– | Der zwingend erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem konkreten Befehl, der „Gewissensnot“ des Soldaten und seiner Gewissensfreiheit ist im Einzelfall nur schwer herzustellen. |
– | Die isolierte, d.h. ohne das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG einbeziehende, Berufung des Soldaten auf Art. 4 Abs. 1 GG ist mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 nicht zu vereinbaren. Schließlich stellt nicht jeder Grundrechtseingriff eine Verletzung der Menschenwürde dar.[56] Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum lediglich Verstöße gegen Art. 4 Abs. 1 GG die Unverbindlichkeitsgründe erweitern sollen, nicht aber Verletzungen anderer Grundrechte unabhängig von der jew. Schwere des Eingriffs. |
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Mit seinem Urt. vom 21.6.2005 (BVerwGE 127, 302) hat das BVerwG eine Debatte angestoßen, erhebliche Auswirkungen auf die Truppe sind jedoch bislang ausgeblieben.
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Die Informationsfreiheit des Soldaten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG steht unter dem Vorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG, wonach dieses Grundrecht seine Schranken u.a. in den allg. Gesetzen und dem Recht der persönlichen Ehre findet. Das in der Zentral-RL A 2-2630/0-0-2 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ enthaltene Verbot[57], verfassungsfeindliches Propagandamaterial in dienstl. Einrichtungen und Unterkünfte einzubringen, ist mit diesen Best. vereinbar.[58]
2. Absatz 1
a) Satz 1
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Satz 1 begründet die gesetzl. Verpflichtung des Soldaten zum Gehorsam. Er markiert eine der „zentralen Pflichten eines jeden Soldaten“.[59] Fehlt dem Soldaten die Bereitschaft zum Gehorsam, kann die Funktionsfähigkeit der SK „gelähmt oder jedenfalls in Frage gestellt werden“.[60]
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Der vom SG geforderte Gehorsam ist nicht, wie vor 1945, „blind“ oder „unbedingt“, sondern ein „mitdenkender Gehorsam“.[61] § 11 Abs. 2 selbst definiert die Ausnahmen, unter denen ein Befehl nicht ausgeführt zu werden braucht oder nicht ausgeführt werden darf. Klarstellend ist Satz 1 daher so zu verstehen:
Der Soldat hat grundsätzlich seinen Vorgesetzten zu gehorchen.
Gehorsam bedeutet, ein Gebot auszuführen oder ein Verbot zu beachten.[62] Formale Voraussetzungen für das Auslösen der Gehorsamspflicht sind:
– | Ein Befehl i.S.v. § 10 Abs. 4 und 5 sowie § 11 Abs. 1 Satz 2, |
– | der durch einen mil. Vorg. erteilt worden ist. Die Weisung eines anderen (ziv., alliierten) Vorg. löst die Gehorsamspflicht nicht aus. Ihr ist – lediglich – gem. § 7 Folge zu leisten. |
Bei inhaltsgleicher Wiederholung einer Verpflichtung des Soldaten, die sich bereits aus einer anderen Gesetzesnorm als aus § 11 ergibt, kommt nur ein Verstoß gegen die Gesetzesnorm in Betracht.[63] Handelt es sich hierbei um eine im SG festgelegte Pflicht, geht diese als lex specialis dem § 11 vor.[64] Enthält die Anweisung des Vorg. allerdings einen über den Gesetzesbefehl hinausgehenden eigenständigen Regelungsinhalt, weil der Vorg. den Gesetzesbefehl konkretisiert, so liegt ein Befehl vor.[65]
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Zu den Maßstäben der disziplinaren Maßnahmebemessung im Falle der Verletzung der Gehorsamspflicht umfassend BVerwG v. 28.9.2018, 2 WD 14.17.[66]
b) Satz 2
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Auszuführen hat der Soldat gem. Satz 2 „Befehle“. Hierunter sind Anweisungen eines mil. Vorg. i.S.v. § 2 Nr. 2 WStG zu verstehen.[67]
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Die bloße Ankündigung eines Soldaten, einen Befehl nicht ausführen zu wollen, verstößt nicht gegen Satz 2, da dieser auf den Zeitpunkt der Befehlsausführung abstellt. Eine solche Ankündigung kann jedoch eine Verletzung der Treuepflicht (§ 7) darstellen.[68]
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Satz 2 gibt dem Soldaten drei Bedingungen vor, unter denen er Befehle auszuführen hat:
– | „Nach besten Kräften vollständig“. Der Soldat muss – unter Anspannung all seiner Kräfte – zumindest versuchen, den Befehl auszuführen. Objektiv Unmögliches wird nicht verlangt. Erkennt der Soldat, dass er einen Befehl nicht ausführen kann, muss er dies unverzüglich seinen Vorg. melden.[69] „Vollständig“ meint den Wortlaut und den Sinn des Befehls sowie das mit ihm erstrebte Ziel.[70] |
– | „Nach besten Kräften gewissenhaft“: Dies bedeutet ein höchstmögliches Maß an Sorgfalt[71], an verantwortlichem Handeln i.S.d. „mitdenkenden Gehorsams“. Aus dieser Verpflichtung des Befehlsempfängers (und aus § 7) wird die Pflicht[72] abgeleitet, ggf. eine Meldung zu erstatten oder Gegenvorstellungen zu erheben.[73] Dies soll z.B. gelten, wenn die Ausführung eines Befehls unmöglich ist[74], wenn ein zweiter Befehl den ersten Befehl unmöglich macht[75] oder wenn sich die Lage so geändert hat, dass die Ausführung des Befehls „sinnwidrig“ wäre.[76] Richtig ist, dass die Gegenvorstellung zu den „altüberkommenen“ Rechten des Soldaten zählt[77], aber von der beamtenrechtl. Remonstrationspflicht (§ 63 Abs. 2 BBG) systematisch zu unterscheiden ist.[78] |
– | „Nach besten Kräften unverzüglich“: Entspr. der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB bedeutet „unverzüglich“ zunächst „ohne schuldhaftes Zögern“[79], d.h. nicht unbedingt „sofort“. In vielen Fällen, insbes. bei schriftl. erteilten Befehlen, wird dem Befehlsempfänger ein exakter Termin gesetzt. Wird dieser eingehalten, ist das Merkmal „unverzüglich“ erfüllt. |
c) Satz 3
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§ 11 differenziert zwischen Befehlen, die befolgt werden müssen (verbindliche Befehle), solchen, die nicht befolgt zu werden brauchen, und solchen, die nicht befolgt werden dürfen (unverbindliche Befehle). Rechtmäßige Befehle i.S.v. § 10 Abs. 4 sind stets verbindlich. Dies gilt grds. auch für rechtswidrige Befehle. Diese sind unverbindlich, wenn sie die Menschenwürde verletzen, nicht zu dienstl. Zwecken erteilt worden sind oder die Begehung einer Straftat zur Folge haben. Weitere Unverbindlichkeitsgründe sind durch die Rspr. entwickelt worden. Im Einzelnen gilt Folgendes:
aa) Halbsatz 1, 1. Alt
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Ein Befehl ist nicht verbindlich und muss daher nicht befolgt werden, wenn er die Menschenwürde verletzt. Damit korrespondiert die Strafbarkeit der entwürdigenden Behandlung von Untergebenen nach § 31 WStG.[80]
Unter der gem. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG unantastbaren Würde des Menschen werden die elementaren Bedingungen des Menschseins verstanden. Hierzu gehören insbes. die körperliche Integrität, menschengerechte Lebensgrundlagen, Rechtsgleichheit und die personale Identität.[81] Geschützt wird der Mensch als Subjekt; unzulässig ist es, ihn zum bloßen Objekt zu degradieren.[82] Unter „Menschenwürde“ i.S.d. Best. ist sowohl die Würde des Untergebenen als auch die eines Dritten zu verstehen, der durch den Befehl betroffen ist.[83]
Die Menschenwürde wird verletzt, wenn aufgrund des Befehls der Untergebene oder ein Dritter einer Behandlung ausgesetzt wird, die eine Verachtung oder Geringschätzung des dem Menschen kraft seines Person-Seins zukommenden Wertes zum Ausdruck bringt.[84]
bb) Halbsatz 1, 2. Alt
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Ein Befehl ist ferner nicht verbindlich und braucht nicht befolgt zu werden, wenn er nicht zu dienstl. Zwecken erteilt worden ist. Wer als Vorg. vorsätzlich einen solchen Befehl erteilt, kann sich nach § 32 WStG strafbar machen.
Der Begriff des dienstl. Zwecks ist hier identisch mit seiner Verwendung in § 10 Abs. 4. Zu den Einzelheiten und bestimmten Streitpunkten vgl. die dortige Komm. Zusammengefasst dient ein Befehl dienstl. Zwecken, wenn ihn der mil. Dienst erfordert, um die durch das GG festgelegten Aufgaben der SK zu erfüllen.[85] Primärer Anwendungsfall eines nicht-dienstl. Befehls ist es, wenn ein Vorg. für seine privaten Angelegenheiten den Einsatz von Personal und/oder Material des Dienstherrn befiehlt.[86] Eine scharfe Trennung beider Bereiche ist in der Praxis oft schwierig.[87]
cc) Weitere Unverbindlichkeitsgründe
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§ 22 Abs. 1 Satz 1 WStG bestimmt, dass ein Befehl nicht verbindlich ist, „insbesondere“ wenn er nicht zu dienstl. Zwecken erteilt worden ist, die Menschenwürde verletzt oder durch ihn eine Straftat begangen würde. Aus dieser Formulierung wird allg.[88] gefolgert, dass die Unverbindlichkeitsgründe des § 11 nicht erschöpfend sind. Obwohl der Einwand von Vogelgesang[89], alle weiteren Unverbindlichkeitsgründe ließen sich „ohne Zwang“ unter die nicht-dienstl. Zwecke einordnen, dogmatisch zutrifft, dienen diese doch der Klarstellung und damit der sicheren Handhabung in der Praxis.
Unverbindlich sind danach auch Befehle[90],
– | deren Ausführung objektiv unmöglich ist, |
– | die sich inhaltl. widersprechen, |
– | die wegen einer grundlegenden Änd. der Sachlage sinnlos geworden sind, |
– | deren Ausführung dem Soldaten nicht zugemutet werden kann,[91] |
– | die gegen eine allg. Regel des Völkerrechts verstoßen. |
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Der Auffassung, ein Befehl, der mit dem Verbot des Angriffskrieges gem. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG kollidiere, sei unverbindlich, weil dieses Verbot ein (eigenständiger?) Unverbindlichkeitsgrund sei[92], kann nicht gefolgt werden. Ein derartiger Befehl verstieße gegen § 13 VStGB und wäre damit gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 unverbindlich.[93]
dd) Halbsatz 2
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Irrt sich der Soldat über das Vorliegen der zit. Unverbindlichkeitsgründe, handelt er nicht pflichtwidrig, wenn er trotz „Einsatz aller seiner Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen“ zu keinem anderen Ergebnis kommen konnte.[94]
Dem Soldaten ist zuzumuten, vor einer entspr. Gehorsamsverweigerung Rechtsbehelfe einzulegen. Hierunter sind z.B. die Beschwerde nach der WBO, die Dienstaufsichtsbeschwerde, die Gegenvorstellung und die Eingabe zu verstehen.
3. Absatz 2
a) Satz 1
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Unverbindlich ist ferner ein Befehl, dessen Begehung eine Straftat bedeuten würde. Ein solcher Befehl braucht nicht nur nicht befolgt zu werden; er darf nicht befolgt werden.
„Straftaten“ i.S.d. Vorschrift sind alle Verbrechen und Vergehen gem. § 12 Abs. 1 und 2 StGB und entspr. Straftatbestände der strafrechtl. Nebengesetze.
Ordnungswidrigkeiten nach dem OWiG fallen nicht hierunter.[95] Befehle, welche die Begehung einer Ordnungswidrigkeit bedeuten, sind unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 3 verbindlich und müssen ausgeführt werden. Für die Folgen haftet der Vorg. dann aber grds. allein (§ 10 Abs. 5 Satz 1). Damit unterscheidet sich die Rechtslage nach § 11 Abs. 2 von der im Beamtenrecht: Nach § 63 Abs. 1 und 2 BBG trägt der Beamte grds. für die Rechtmäßigkeit seiner dienstl. Handlungen die volle persönliche Verantwortung. Befolgt er eine dienstl. AO, die für ihn erkennbar auch nur ordnungswidrig[96] ist, ist er trotz vorangegangener Remonstration und Bestätigung der AO durch Vorgesetzte straf-, disziplinar- und haftungsrechtl. selbst verantwortlich.[97]
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Ein Befehl, dessen Befolgung die Gefahr einer fahrlässigen Straftat (insbes. im Straßenverkehr) bedeuten kann (sog. gefährlicher Befehl)[98], ist als verbindlich auszuführen, wenn ein Schaden an einem strafrechtl. geschützten Rechtsgut realistischerweise nicht eintreten kann. Hierüber soll eine Gefahrenprognose entscheiden.[99] Ob das Handeln bzw. Unterlassen des untergebenen Soldaten an einer solchen perspektivischen Betrachtung gemessen werden kann, bleibt zweifelhaft.[100] Handelt der Vorg. entspr. § 10 Abs. 4, treten solche Fälle in der Praxis nicht auf.
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Völkerrechtswidrige Befehle sind dann wie strafrechtswidrige Befehle zu betrachten, wenn ihre Befolgung gegen eine allg. Regel des Völkerrechts oder gegen einen nationalen Straftatbestand, insbes. gegen die Vorschriften der §§ 6 ff. VStGB, verstieße. Seit dem Inkrafttreten des VStGB sind früher[101] gegen die Einbeziehung des völkerrechtswidrigen Befehls geltend gemachte Bedenken gegenstandslos geworden. Auf die Intensität der Rechtsverletzung[102] kommt es ebenfalls nicht mehr an.[103]
b) Satz 2
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Befolgt der Soldat einen gem. Satz 1 unverbindlichen, strafrechtswidrigen Befehl, ist er grds. hierfür nicht verantwortlich.
Ausnahmsweise haftet der Soldat in solchen Fällen für sein Handeln, wenn er in der sog. Parallelwertung in der Laiensphäre[104] weiß, dass die Befehlsausführung einen Straftatbestand erfüllt. Dasselbe gilt für den Fall, dass der Befehl offensichtlich – für jedermann – strafrechtswidrig ist. Eine Prüfungspflicht obliegt dem Soldaten nicht.[105] Er darf sich grds. auf die Rechtmäßigkeit des Befehls verlassen.
4. Absatz 3
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Soldaten können nicht nur dem Befehl mil. Vorg., sondern – insbes. wenn sie außerhalb der SK verwendet werden – auch anordnungsbefugten sonstigen Vorg. (z.B. Beamten) unterstehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit werden die Pflicht, auch eine dienstl. AO auszuführen, und die Regelung zur Verantwortung anordnender Vorg. durch einen Verweis auf die entspr. Best. des BBG klargestellt.[106] Siehe hierzu auch die Erl. und Verweise o. bei Rn. 15, 17 ff.
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Hat ein Soldat eine dienstl. AO ohne Befehlscharakter eines anordnungsbefugten Vorg. auszuführen, gestaltet sich das weitere Verfahren für ihn nach beamtenrechtl. Grds. wie folgt:
Regelmäßig ist der Soldat (Beamte) aufgrund seiner Weisungsgebundenheit[107] verpflichtet, die dienstl. AO des anordnungsbefugten Vorg. auszuführen und dessen allg. RL zu befolgen (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG).
Grds. trägt der Soldat (Beamte) aber die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstl. Handlung (§ 63 Abs. 1 BBG). Um in nicht berechtigten Fällen von dieser Verantwortung freigestellt werden zu können und nicht für von ihm unverschuldet verursachte Folgen seiner Handlung einstehen zu müssen, steht dem Soldaten (Beamten) allerdings ein stufenweises Remonstrationsverfahren zur Seite:
– | Hat der Soldat (Beamte) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der ihm erteilten dienstl. AO, muss er diese Bedenken unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorg.[108] geltend zu machen. Ihn trifft in solchen Fällen daher eine Remonstrationspflicht, § 63 Abs. 2 Satz 1 BBG. Diese Pflicht besteht schon dann, wenn der Soldat (Beamte) die AO als möglicherweise rechtswidrig ansieht. |
– | Hält der unmittelbare Vorg. seine AO aufrecht, hat der Soldat (Beamte), wenn er seine Bedenken nicht als ausgeräumt ansieht, sich an seinen nächsthöheren Vorg. zu wenden (§ 63 Abs. 2 Satz 2 BBG). Bestätigt auch dieser (auf Verlangen schriftl., vgl. § 63 Abs. 2 Satz 5 BBG) die AO, muss der Soldat (Beamte) sie ausführen; er ist dann aber von eigener Verantwortung befreit (§ 63 Abs. 2 Satz 3 BBG). |
– | Ausnahmsweise entfällt für den Soldaten (Beamten) die Pflicht zur Ausführung auch einer nach § 63 Abs. 2 Satz 3 BBG bestätigten dienstl. AO gem. § 63 Abs. 2 Satz 4 BBG dann, wenn diese auf ein erkennbar strafbares oder ordnungswidriges Verhalten abzielt, die Menschenwürde verletzt oder sonst die Grenzen des Weisungsrechts überschreitet. Kommt der Soldat (Beamte) einer solchen AO gleichwohl nach, so ist er trotz der vorangegangenen Remonstration und Bestätigung der AO straf-, disziplinar- und haftungsrechtl. verantwortlich. |
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Festzuhalten bleibt, dass den betroffenen Soldaten die auf sie entspr. anwendbaren beamtenrechtl. Vorschriften (§ 62 Abs. 1 und § 63 BBG) rechtzeitig ausführlich zu erläutern sind. Ihnen muss vermittelt werden, welche erweiterte Verantwortung sie für die Rechtmäßigkeit dienstl. Handlungen zu übernehmen haben, die sie aufgrund einer AO ohne Befehlscharakter vornehmen. Die gesetzl. Regelung in § 11 Abs. 3 reicht hierzu nicht aus; sie ist nur der erste Schritt. Sie bedarf zur Implementierung dieser Vorschrift im dienstl. Alltag der Soldaten zeitgerecht einer rechtl. Unterrichtung.
Anmerkungen
[1]
Vgl. hierzu die Komm. zu § 10 Rn. 42.
[2]
Aus juristischer Sicht s. Dietz: Das Primat der Politik in kaiserlicher Armee, Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr, 2011, S. 516 ff.
[3]
Vgl. Dau, WStG, § 5 Rn. 4.
[4]
Rittau, SG, § 11 vor Nr. 1 spricht vom „militärischen Verwaltungsrecht“.
[5]
RGBl. 1922 S. 141.
[6]
Vgl. Rittau, SG, § 11 passim; BT-Drs. II/1700, 19 ff.
[7]
BT-Drs. II/1700, 5.
[8]
BT-Drs. II/1700, 19 ff.
[9]
BT-Drs. II/1700, 38.
[10]
BT-Drs. II/1700, 43.
[11]
Sten. Ber. 5787 (D). Vgl. ergänzend die Abg. Feller (GB/BHE), Sten. Ber. 5791 (B) u. v. Manteuffel (FDP), Sten. Ber. 5794 (A).
[12]
Prot. Nr. 86, 26 ff.; Drs. 18 des Ausschusses für Beamtenrecht, 2.
[13]
BT-Drs. II/2140, 7, 31 f.
[14]
BGBl. I S. 469/579 f.
[15]
Vgl. allg. Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, Einl. Rn. 6.
[16]
BGBl. I S. 232.
[17]
BT-Drs. 17/9340, 47.
[18]
Zum demokratischen Prinzip i.S.d. GG u. seinen Konsequenzen für den Staatsaufbau grundlegend Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR II (3. Aufl. 2004) § 24; vgl. auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 41.
[19]
S. GKÖD I L, § 62 Rn. 7 ff., wo aber stärker auf das eher faktische als rechtl. Hierarchieprinzip abgestellt wird; hierzu Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, HStR V, § 107.
[20]
So die Festlegung im Dresdner Erl. (s. hierzu u. Rn. 21) Ziff. II.6.
[21]
Dreist, NZWehrr 2013, 221 (223).
[22]
Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65a Rn. 7; Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl 2013, Art. 65a Rn. 11.
[23]
Z.T. umstritten, a.A. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 154 ff.
[24]
In der wehrrechtl. Lit. u. Rspr. werden häufig die staatsorganisationsrechtl. Bereiche SK (Art. 87a GG), BwVerw (Art. 87b GG) o. andere Institutionen nicht sauber abgegrenzt v. den dienstrechtl. Verhältnissen des in diesen OrgBereichen tätigen Personals. Exemplarisch hierfür ist BVerwGE 132, 110, wo der Einsatz v. Soldaten beim BND danach bewertet wird, ob er gegen die Beschränkung des Art. 87a Abs. 2 GG verstößt, obwohl sich diese Best. nicht auf Soldaten, sondern auf die SK bezieht. Ein Schluss vom dienstrechtl. Status auf das OrgRecht u. umgekehrt verbietet sich jedoch; differenzierter, aber ebenfalls Soldatenstatusrecht und OrgRecht stark vermengend, Maaß, NZWehrr 2020, S. 1/4 ff.
[25]
Insoweit zur Recht BVerwG 132, 110; vgl. auch BVerwG ZBR 2019, 420.
[26]
So wohl Dreist, NZWehrr 2013, 133 (137); unklar Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl 2013, Art. 65a Rn. 12.
[27]
So auch der Sachverständige J. Ipsen gem. Prot. der 117. Sitzung des VertA am 7.5.2012 (Öff. Anhörung zum Entw. des BwRefBeglG), S. 38.
[28]
S. auch BVerwG NZWehrr 2011, 256 mit Anm. von Bayer (S. 259).
[29]
Vgl. BWV 2012, 83 ff. u. die Komm. zu § 90 Rn. 16 ff.
[30]
G über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öff. Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (s. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/uzwg/gesamt.pdf).
[31]
Strafvollzugsgesetz (s. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stvollzg/gesamt.pdf).
[32]
Die Amtspflichtverletzung wird dann regelmäßig der befehlende Vorg. begangen haben, so dass für einen betroffenen Dritten gleichwohl die Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB, Art. 34 GG erfüllt sind.
[33]
Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, Vor § 32 Rn. 8; Walter, JR 2005, 279 (280); Schönke/Schröder (Lenckner/Sternberg-Lieben), StGB, 29. Aufl. 2014, Vorb. § 32 Rn 89 f.; sehr str., a.A. z.B. MüKO/WStG-Dau, § 2 Rn. 43 ff., wenn auch nur auf das Strafrecht bezogen; Lingens/Korte, WStG, § 2 Rn. 33; zum Streitstand siehe Lehleiter, 158 ff., 180.
[34]
Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, Vor § 32 Rn. 16.
[35]
BVerwGE 127, 302 Ls 2 fordert nicht von ungefähr einen mitdenkenden u. insbes. die Folgen der Befehlsausführung bedenkenden Gehorsam.
[36]
SchAPL, § 11 Rn. 7 ff.; GKÖD I YK § 11 Rn 9, jew. m.w.N.
[37]
Missverständlich insoweit GKÖD I Yk, § 11 Rn. 10.
[38]
So rechtsdogmatisch zutr. SchAPL, SG, § 11 Rn. 7.
[39]
BT-Drs. II/1700, 21.
[40]
Insbes. in § 47 MStGB.
[41]
Vgl. BT-Drs. II /1700, 20 f.
[42]
Ein guter Überblick findet sich bei Weigend in: MüKo-StGB, Band 8, Nebenstrafrecht III, VStGB, 2. Aufl. 2013, § 3 Rn. 2 ff.
[43]
S. Art. 8 IMT-Statut („Die Tatsache, dass ein Angeklagter auf Befehl seiner Regierung oder eines Vorgesetzten gehandelt hat, gilt nicht als Strafausschließungsgrund, kann aber als Strafmilderungsgrund berücksichtigt werden, wenn dies nach Ansicht des Gerichtshofes gerechtfertigt erscheint.“).
[44]
Vgl. Art. 7 Nr. 4 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (abrufbar unter: http://www.un.org/depts/german/internatrecht/jugostat2000.pdf).
[45]
Vgl. Art. 6 Nr. 4 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (abrufbar unter: http://www.un.org/depts/german/internatrecht/ruandastat2000.pdf).
[46]
Abgedruckt in BGBl. 2000 II S. 1393.
[47]
Vgl. MüKo/WStG-Dau, § 5 Rn. 1.
[48]
BVerwG 127, 1 = NZWehrr 2007, 79; zum Ganzen vgl. die Komm. zu § 10 Rn. 53.
[49]
Vom 5.2.1971. Abgelöst durch ZDv A-2630/1 Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen u. Soldaten der Bw. Zur Frage, ob diese Vorschrift als Befehl zu werten ist, vgl. BVerwGE 127, 203 = NZWehrr 2007, 160.
[50]
BVerwGE 149, 1; zuvor bereits BVerwGE 43, 353 (355 f.); TDG Süd – 1. Kammer – NZWehrr 2008, 40; BVerwG (EA) 1 WRB 2.12, 1 WRB 3.12 = NVwZ 2014, 1327 nach z.T. unterschiedlichen Urt. der TDG. Einschränkender für das Beamtenrecht BVerwGE 125, 85. Danach ist ein 15 cm langer Pferdeschwanz eines Polizeibeamten zulässig (hiergegen Wahlers, ZBR 2009, 116).
[51]
BVerwGE 43, 353; BVerwGE 103, 99 = NZWehrr 1994, 161.
[52]
Zentralerl. A2-2630/0-0-3, Kap. 7.
[53]
BVerwGE 43, 312.
[54]
Vgl. BVerwGE 127, 302 = DVBl. 2005, 1455 mit Anm. Battis, 1462 f.; NZWehrr 2005, 254 mit Anm. Dau, 255; RiA 2005, 288; Lemhöfer, ebd., 292; BVerwG (EA) 2 WRB 3.12. Ablehnend Sohm, NZWehrr 2006, 1, u.a. unter Hinw. auf die abschließende Regelung des § 11 Abs. 2.
[55]
So BVerwGE 127, 302 (304, 371).
[56]
Vgl. Sohm, NZWehrr 2006, 1.
[57]
Nr. 411; der Rechtsnatur nach handelt es sich bei diesem Erl. des BMVg nicht um einen Befehl im Rechtssinne, vgl. BVerwGE 127, 203 = NZWehrr 2007, 160; s. auch BVerwG (EA) 2 WD 44.09 Rn. 18 = NZWehrr 2011, 121 u. VG Schleswig openJur 2015, 301 (http://openjur.de/u/748462.html).
[58]
BVerwGE 119, 206 (213 ff.).
[59]
BVerwG NZWehrr 1994, 75; BVerwG NZWehrr 2004, 34; NZWehrr 2004, 80; BVerwG NZWehrr 2005, 83 („Kernpflicht des Soldaten“); BVerwG NZWehrr 2009, 119 (120); BVerwG (EA) 2 WD 12.13 Rn. 31.
[60]
BVerwG NZWehrr 1994, 75; BVerwG (EA) 2 WD 12.13 Rn. 31.
[61]
BVerwGE 127, 302, Ls 2.
[62]
GKÖD I Yk, § 11 Rn. 1; SchAPL, SG, § 11 Rn. 2.
[63]
Lingens/Korte, WStG, § 2 Rn. 17; MüKo/WStG-Dau/Schütz, § 2 Rn. 10 m.w.N.; a.A. Lingens, NZWehrr 1992, 58 (60 f.)
[64]
BVerwG ZBR 2005, 132; SchAPL, SG, § 11 Rn. 2a.
[65]
Lingens/Korte, WStG, § 2 Rn. 17 m.w.N.
[66]
Rn. 95 nach juris.
[67]
BVerwGE 127, 302 (310). Vgl. im Übrigen die Komm. zu § 10 Rn. 44 ff. m.w.N. A.A. Stauf I, § 11 SG Rn. 2.
[68]
BVerwGE 103, 361 = NZWehrr 1997, 117; BVerwGE 120, 105 = NZWehrr 2004, 169; GKÖD I Yk, § 11 Rn. 3.
[69]
BVerwGE 86, 18 = NZWehrr 1989, 35; GKÖD I Yk, § 11 Rn. 5; Rittau, SG, 115; SchAPL, SG, § 11 Rn. 3.
[70]
GKÖD I Yk, § 11 Rn. 6; Rittau, SG, 115; SchAPL, SG, § 11 Rn. 4.
[71]
GKÖD I Yk, § 11 Rn. 7; SchAPL, SG, § 11 Rn. 5.
[72]
Rittau, SG, 114, hielt nur ein Recht, nicht eine Pflicht zur Gegenvorstellung für begründbar. So auch die amtl. Begr. (vgl. o. Rn. 3).
[73]
GKÖD I Yk, § 11 Rn. 9 f.; SchAPL, SG, § 11 Rn. 7 ff.; Stauf I, § 11 SG Rn. 18 f.
[74]
BVerwGE 86, 18 = NZWehrr 1989, 35.
[75]
Vgl. BVerwGE 46, 108 = NZWehrr 1973, 228; GKÖD I Yk, § 11 Rn. 11.
[76]
SchAPL, SG, § 11 Rn. 10. Vgl. auch BGHSt 19, 231 = NZWehrr 1964, 125.
[77]
Stauf I, § 11 SG Rn. 18.
[78]
Vgl. hierzu o. Rn. 27.
[79]
GKÖD I Yk, § 11 Rn. 8; SchAPL, SG, § 11 Rn. 6.
[80]
Beispiel: Dem Soldaten wird befohlen, Regenwürmer zu essen. Vgl. BVerwGE 93, 108 = NZWehrr 1991, 254. Weitere Beispiele entwürdigender Behandlung bei Lingens/Korte, WStG, § 31 Rn. 5.
[81]
Vgl. im Einzelnen Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 19 ff.
[82]
St. Rspr seit BVerfGE 30, 1 (26). Vgl. BVerwGE 127, 302 (311). Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, GGK I, Art. 1 Rn. 22 f.; GKÖD I Yk, § 11 Rn. 15.
[83]
GKÖD I Yk, § 11 Rn. 15; SchAPL, SG, § 11 Rn. 14.