Kitabı oku: «Strafrecht Allgemeiner Teil», sayfa 11

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2. Leitentscheidungen

208BGHSt 14, 132, 133ff.; Nachträglicher Bedingungseintritt bei § 231 StGB: Ein Jugendlicher nimmt an einer Schlägerei auf einer Kirmes teil. Nachdem er sich wieder vom Ort der Schlägerei entfernt hat, wird einer der an der Schlägerei Beteiligten tödlich verletzt. – Der BGH bejahte die Voraussetzungen des § 231 Abs. 1 StGB, obgleich die objektive Bedingung der Strafbarkeit zu einem Zeitpunkt eintrat, in dem der Jugendliche nicht mehr an der Schlägerei mitwirkte. Die durch die eigene Mitwirkung erhöhte Gefährlichkeit einer Schlägerei wirke regelmäßig über die Dauer der eigenen Beteiligung fort, so dass das Verhalten des Jugendlichen vom Schutzzweck des § 231 Abs. 1 StGB erfasst werde.

209BGHSt 16, 130, 131ff.; Vorzeitiger Bedingungseintritt bei § 231 StGB: Ein Gastwirt gerät durch eine nach § 32 Abs. 1 StGB gerechtfertigte Verteidigungshandlung in eine Schlägerei. Im Verlauf der Schlägerei überschreitet er sein Notwehrrecht, ohne die Voraussetzungen des § 33 StGB zu erfüllen. Eine der an der Schlägerei beteiligten Personen wird tödlich verletzt, zu diesem Zeitpunkt hatte der Gastwirt sich noch auf zulässige Verteidigungshandlungen beschränkt. – Auch hier bejahte der BGH die Voraussetzungen des § 231 Abs. 1 StGB und stellte fest, dass eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer Schlägerei generell auch dann in Betracht komme, wenn die objektive Bedingung der Strafbarkeit in einem Zeitpunkt eintritt, in dem der Täter sich der Schlägerei noch nicht angeschlossen hat. Mit dem Zweck des § 231 StGB sei es nicht zu vereinbaren, den Zeitpunkt der Beteiligung über die Strafbarkeit entscheiden zu lassen.

|74|VIII. Zusammenfassung

 Grundlage für die Bestimmung der Kausalität ist die sog. Äquivalenztheorie. Danach ist jede Handlung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele (Conditio-sine-qua-non-Formel).

 Hypothetische Kausalverläufe sind bei Begehungsdelikten für den Kausalverlauf grundsätzlich unbeachtlich. Der Rückgriff auf einen hypothetischen Kausalverlauf ist ausnahmsweise zulässig zur Erfassung der Fallgruppe des Abbruchs rettender Kausalverläufe.

 In Fällen der abgebrochenen bzw. überholenden Kausalität besteht kein Kausalzusammenhang zwischen dem Täterverhalten und dem Erfolg, weil eine neue Ursachenreihe die Fortwirkung des Täterverhaltens beseitigt und ihrerseits den Erfolg herbeigeführt hat.

 Die Formel der Äquivalenztheorie wird für Fälle der alternativen Kausalität modifiziert: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, nicht jedoch kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, ist jede ursächlich für den Erfolg.

 Kumulative Kausalität ist gegeben, wenn mehrere unabhängig voneinander vorgenommene Handlungen den Erfolg erst durch ihr Zusammenwirken herbeiführen.

 Die Definition der objektiven Zurechnung lautet: Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr für den Erfolgseintritt geschaffen hat, die sich in tatbestandsmäßiger Weise im konkreten Erfolg realisiert hat.

 Eine rechtlich missbilligte Gefahr wird nicht geschaffen, wenn der Handelnde das Risiko einer bereits anderweitig in Gang gesetzten Kausalkette lediglich verringert.

 Nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit scheidet eine objektive Zurechnung bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Verletzten aus.

 Ein tatbestandlicher Erfolgseintritt ist trotz pflichtwidrigem Verhalten des Täters unter dem Aspekt des fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs objektiv nicht zurechenbar, wenn auch ein pflichtgemäßes Verhalten zu dem Erfolg geführt hätte.

 Die objektive Zurechenbarkeit fehlt, wenn der Erfolg außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Verhaltensnorm liegt.

 Der Vorsatz setzt sich nach überwiegender Auffassung aus zwei Elementen zusammen, dem Wissen (kognitives Element) und dem Wollen (voluntatives Element) der Tatbestandsverwirklichung.

 Absicht ist der bestimmte, auf die Herbeiführung eines Erfolgs gerichtete Wille.

 Wissentlichkeit ist gegeben, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht.

 Bedingter Vorsatz liegt nach der Ernstnahmetheorie vor, wenn der Täter die Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung ernst nimmt und sich damit abfindet.

 |75|Ein Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB) liegt vor, wenn das Wissenselement des Vorsatzes im Hinblick auf ein Merkmal des objektiven Tatbestands fehlt.

 Ein umgekehrter Tatbestandsirrtum ist gegeben, wenn der Handelnde irrtümlich annimmt, dass ein Tatbestandsmerkmal vorliegt. In diesem Fall kommt ein untauglicher Versuch in Betracht.

 Der Vorsatz des Täters muss sich auch auf den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen erstrecken.

 Eine aberratio ictus liegt vor, wenn der vom Täter erwünschte Erfolg nicht bei dem von ihm anvisierten Objekt, sondern bei einem anderen, in der Tatsituation nicht anvisierten Objekt eintritt. Mit einer in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Auffassung ist die aberratio ictus in jeglicher Konstellation als erheblich und der Vorsatz als ausgeschlossen anzusehen.

 Der error in persona vel obiecto ist der Irrtum über die Identität der Person oder des Tatobjekts. Bei Gleichwertigkeit der Tatobjekte liegt im Fall des error in persona vel obiecto ein unbeachtlicher Motivirrtum vor.

IX. Übungsfälle

1 A wusste, dass er mit HIV infiziert war. Er klärte seine Freundin F, eine 17-jährige Gymnasiastin, über seine Infektion, die Übertragungsmöglichkeiten und die möglicherweise tödlichen Risiken auf. F drängte dennoch darauf, den Geschlechtsverkehr ungeschützt auszuüben. A und F hatten daraufhin mehrfach ohne Schutz durch Kondome Geschlechtsverkehr. Strafbarkeit des A wegen Körperverletzung gem. § 223 StGB, wenn F sich angesteckt hat?

2 A will B töten. Er lauert ihm in der Dunkelheit vor einer Gaststätte auf. Als C, der B ähnlich sieht, die Gaststätte verlässt, hält A diesen für B. A zielt auf C und schießt. Der Schuss verfehlt den C und trifft den B tödlich, der in diesem Moment hinter C aus der Gaststätte herausgetreten ist. Strafbarkeit des A wegen Tötungsdelikten?

[Zum Inhalt]

|76|3. Kapitel Rechtswidrigkeit
I. Grundlagen

210Das an die Verwirklichung eines Straftatbestandes geknüpfte Unwerturteil führt nicht zur Strafbarkeit des Täters, wenn sein Verhalten gerechtfertigt ist. Dies ist der Fall, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Rechtfertigungsgründe können dem StGB, aber auch der gesamten übrigen Rechtsordnung, selbst dem Gewohnheitsrecht entnommen werden. Ist ein Verhalten nach bürgerlichem oder öffentlichem Recht erlaubt, kann es im Strafrecht nicht als verboten angesehen werden. Die bedeutsamsten Rechtfertigungsgründe im StGB sind die Notwehr in § 32 StGB und der (rechtfertigende) Notstand in § 34 StGB. Von den außerhalb des StGB existierenden Rechtfertigungsgründen weisen das Festnahmerecht in § 127 StPO sowie die zivilrechtlichen Notstände in §§ 228, 904BGB die größte Prüfungsrelevanz auf. Ein gewohnheitsrechtlich begründeter Rechtfertigungsgrund ist die mutmaßliche Einwilligung.

211In der Klausur ist die Frage, ob der Täter gerechtfertigt ist, in der Regel nur dann ausführlich zu erörtern, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür existieren, dass die Voraussetzungen eines oder mehrerer Rechtfertigungsgründe vorliegen. Ist dies eindeutig nicht der Fall, kann die Prüfung auf den schlichten Hinweis beschränkt werden, dass die Tatbestandsverwirklichung mangels Eingreifen von Rechtfertigungsgründen auch rechtswidrig erfolgte. Bei einigen wenigen sog. offenen Tatbeständen des Strafrecht BT muss die Rechtswidrigkeit hingegen stets positiv festgestellt werden. Wichtigstes Bsp. ist die Nötigung nach § 240 StGB.[217] Gemäß § 240 Abs. 2 StGB ist eine Nötigung nur dann rechtswidrig, wenn die Anwendung von Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Der Täter einer Nötigung ist hiernach gerechtfertigt, wenn ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift (mit der Folge, dass die Tat zugleich nicht verwerflich i.S.v. § 240 Abs. 2 StGB ist), oder wenn die Tathandlung im Hinblick auf das von ihm anvisierte Ziel nicht als verwerflich anzusehen ist.[218]

212|77|Kann sich ein Täter hinsichtlich derselben Tatbestandsverwirklichung (möglicherweise) auf mehrere Rechtfertigungsgründe berufen, so sind diese grundsätzlich nebeneinander anwendbar.[219] Wenn in der Fallbearbeitung festgestellt wurde, dass der Täter nach einem Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt ist, ist daher in der Regel gleichwohl auch auf weitere Rechtfertigungsgründe einzugehen, wenn deren Verwirklichung hinreichend wahrscheinlich erscheint. Hierbei ist jedoch zunächst zu berücksichtigen, dass bestimmte Rechtfertigungsgründe eine Sperrwirkung entfalten, was insbesondere für die zivilrechtlichen Notstände in §§ 228, 904BGB gilt, neben denen § 34 StGB nicht anwendbar ist. Auch die Notwehr in § 32 StGB wird infolge der von ihr vermittelten weitreichenden Eingriffsbefugnisse mehrheitlich als spezielle Regelung gegenüber § 34 StGB angesehen, so dass eine Rechtfertigung wegen Notstands zumindest dann nicht anzusprechen ist, wenn bereits festgestellt wurde, dass der Täter nach § 32 StGB gerechtfertigt ist.[220] Aber selbst wenn ein entsprechendes Konkurrenzverhältnis nicht eingreift und daher mehrere Rechtfertigungsgründe nebeneinander zur Anwendung kommen, ist zu beachten, dass es im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob die Tatbestandsverwirklichung des Täters nach einem oder nach mehreren Rechtfertigungsgründen erlaubt ist. Die Prüfung und Bejahung mehrerer Rechtfertigungsgründe darf daher nicht auf Kosten einer ausführlichen Bearbeitung sonstiger Prüfungsschwerpunkte erfolgen. Soweit in der Fallbearbeitung festgestellt wurde, dass der Täter gerechtfertigt ist, sollte die Prüfung weiterer Rechtfertigungsgründe daher in der Regel nur noch knapp erfolgen.

213Eine Rechtfertigung kommt nicht nur bei Vorsatztaten, sondern auch bei Fahrlässigkeitsdelikten in Betracht, wobei die Prüfung des jeweiligen Rechtfertigungsgrundes regelmäßig nach den gleichen Grundsätzen vorzunehmen ist, wie beim Vorsatzdelikt.[221] Ferner können sich grundsätzlich auch Amtsträger auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe und insbesondere auf die §§ 32, 34 StGB berufen, soweit nicht spezielle Vorschriften existieren, welche für ihr Verhalten engere und abschließende Sonderregeln normieren.[222] Besonders umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob Polizisten in Form der Nothilfe nach § 32 StGB gerechtfertigt sein können, wenn Sie einen Straftatbestand verwirklichen, um Dritten zu helfen (hierzu noch Rn. 275ff.).

214Auch bei der Prüfung von Rechtfertigungsgründen können in der Regel objektive und subjektive Voraussetzungen unterschieden werden. Während objektiv regelmäßig eine bestimmte Situation (Rechtfertigungslage) vorliegen und der Täter diejenige Handlung vornehmen muss, die ihm in dieser Situation gestattet ist (Rechtfertigungshandlung), ist subjektiv in der Regel zumindest erforderlich, dass er die Rechtfertigungshandlung in Kenntnis der Rechtfertigungslage vornimmt.

|78|II. Notwehr (§ 32 StGB)

215Dem Notwehrrecht liegen zwei Prinzipien zugrunde, das Selbstschutzprinzip und das Rechtsbewährungsprinzip.[223] Das Selbstschutzprinzip (oder Individualschutzprinzip) besagt, dass der Angegriffene in der Notwehrsituation seine angegriffenen Güter selbst schützen darf. Nach dem überindividualistischen Rechtsbewährungsprinzip dient die Notwehr (auch) der Verteidigung des Rechts gegen Unrecht. § 32 StGB rechtfertigt sowohl die Notwehr zugunsten eigener Rechtsgüter als auch die sog. Nothilfe zur Verteidigung eines anderen.[224]

216Ob der Täter wegen einem Handeln in Notwehr gemäß § 32 Abs. 1 StGB gerechtfertigt ist, ist nach dem in Tab. 6 dargestellten Schema zu prüfen:

Tab. 6:

217Notwehrvoraussetzungen


Voraussetzung Definition
I. Notwehrlage Gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff
Angriff Durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen
Gegenwärtig Unmittelbar bevorstehend, bereits stattfindend oder noch fortdauernd
Rechtswidrig Angriff steht als objektiv pflichtwidriges Verhalten im Widerspruch zur Rechtsordnung
II. Notwehrhandlung Erforderliche Verteidigungshandlung
erforderlich Zur Abwehr des Angriffs geeignet und relativ mildestes Mittel
III. Gebotensein Sozialethische Einschränkungen des Notwehrrechts in bestimmten Fallgruppen (Tab. 8 auf S. 94)
IV. Verteidigungswille Kenntnis der die Notwehrlage begründenden Umstände

1. Notwehrlage

218Die Rechfertigung über § 32 StGB setzt zunächst voraus, dass eine Notwehrlage in Form eines gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriffs besteht.

|79|a) Angriff
aa) Grundlagen

219Angriff wird definiert als jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen.[225] Da hiernach eine Notwehrlage stets an das Vorhandensein eines menschlichen Verhaltens anknüpft, kommt regelmäßig keine Rechtfertigung über § 32 StGB in Betracht, wenn der Täter ein Tier verletzt oder tötet. Wendet der Täter einen Tierangriff ab, ist vielmehr an eine Rechtfertigung nach § 228BGB zu denken. Ausnahmsweise kann auch ein Vorgehen gegen ein Tier über § 32 StGB gerechtfertigt sein, wenn dieses von einem Menschen wie eine Waffe zum Angriff eingesetzt, also bspw. auf einen Menschen „gehetzt“ wird.[226]

220Ein Angriff liegt nur vor, wenn dem menschlichen Verhalten Handlungsqualität zukommt, Notwehr gegen nicht kontrollierbare Reflexbewegungen bzw. „Zuckungen“ im Schlaf ist nicht möglich.[227] Nicht erforderlich ist indes, dass der Angriff vorsätzlich und schuldhaft erfolgt. Auch gegen eine Bedrohung rechtlich geschützter Interessen, die durch ein fahrlässiges und/oder entschuldigtes Verhalten verursacht wird, kann nach zutreffender Ansicht Notwehr ausgeübt werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Vorliegen einer Notwehrlage nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 2 StGB allein von der Gegenwärtigkeit und Rechtswidrigkeit des Angriffs abhängt.[228] Ein Angriff kann schließlich auch in einem pflichtwidrigen Unterlassen eines Garanten bestehen, was bspw. dann der Fall ist, wenn Eltern ihr minderjähriges Kind nicht mehr ernähren.[229]

221Der Angriff muss sich gegen rechtlich geschützte Interessen richten.[230] Hierunter fallen insbesondere sämtliche Individualrechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Eigentum. Auch zivilrechtlich geschützte Rechtspositionen wie das Persönlichkeitsrecht oder der Besitz sind notwehrfähig, nicht jedoch relative Rechte (Forderungen und sonstige vertragliche Ansprüche). Das geschützte Rechtsgut muss nicht dem Verteidiger selbst, sondern kann auch einem Dritten zustehen.[231] Die zulässige Nothilfe findet nach h.M. aber dort ihre Grenzen, wo sie gegen den Willen des Dritten verstoßen, diesem also aufgedrängt werden würde. Wenn das bedrohte Rechtsgut der Dispositionsbefugnis des Dritten unterliegt und er vom Einschreitenden |80|nicht verteidigt werden will, ist letzterer nicht über § 32 StGB gerechtfertigt.[232] Ebenfalls nicht nothilfefähig sind in der Regel Rechtsgüter der Allgemeinheit und überindividuelle Rechtsgüter.

bb) Sonderproblem: Die Abwehr von „Scheinangriffen“

222Uneinheitlich wird beantwortet, ob der Anwendungsbereich des § 32 StGB nur eröffnet ist, wenn tatsächlich ein Angriff vorliegt, oder ob auch demjenigen ein Notwehrrecht zustehen kann, der von einem „Scheinangriff“ betroffen ist. Die Auseinandersetzung betrifft zum einen Konstellationen, in denen objektiv keinerlei Rechtsgutsverletzung bevorsteht (A bedroht den O „zum Scherz“ mit einer Schreckschusspistole), zum anderen aber auch solche Fälle, in denen objektiv ein Angriff vorliegt und der Angreifer durch eine Täuschung versucht, diesen intensiver darzustellen als er tatsächlich ist (A fordert O auf, ihm seine Geldbörse herauszugeben und bedroht ihn mit einer Spielzeugpistole, um dem O den Eindruck zu vermitteln, sein Leben wäre in Gefahr).[233] Erkennt der (vermeintlich) Angegriffene die Täuschung, begründet diese unproblematisch keinen Angriff. In der ersten Konstellation würde O in diesem Fall gar kein Notwehrrecht zustehen, während in der zweiten Fallgruppe nur ein Angriff auf seine Willensentschließungsfreiheit (nicht aber auf sein Leben) vorläge, so dass sein Notwehrrecht insoweit beschränkt wäre[234]. Umstritten ist demgegenüber, ob vom Vorliegen eines Angriffs auszugehen ist, wenn der von der Täuschung Betroffene diese ernst nimmt, also in den Beispielsfällen davon ausgeht, dass sein Leben tatsächlich bedroht ist.

223Nach einer teilweise vertretenen Auffassung ist das Vorliegen eines Angriffs aus einer ex post Betrachtung der objektiven Gegebenheiten festzustellen.[235] Geht der Täter irrtümlich vom Vorliegen eines Angriffs aus, kommt hiernach eine Rechtfertigung über § 32 StGB nicht in Betracht, vielmehr soll eine von ihm vorgenommene Verteidigung als sog. Putativnotwehr[236] zu behandeln sein. In letzter Konsequenz führt dies dazu, dass die Fehlvorstellung des Täters hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines Angriffs stets nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums zu behandeln ist (hierzu noch Rn. 437ff.). Nach dieser Auffassung dürfte sich O auch dann im ersten Beispielsfall gar nicht verteidigen, wenn er die Aussagen des A ernst nimmt und im zweiten Beispielsfall nur solche Verteidigungshandlungen vornehmen, die der Verteidigung gegen den Angriff auf seine Willensentschließungsfreiheit dienen. Für diese Sicht der Dinge wird insbesondere angeführt, dass das Notwehrrecht im Hinblick auf die weiten Eingriffsbefugnisse, die es vermittelt, nur unter |81|engen Voraussetzungen und damit nur soweit zulässig sein kann, wie ein Angriff tatsächlich vorliegt.[237]

224Die in der Literatur mehrheitlich vertretene Auffassung möchte bei der Lösung der Scheinangriffproblematik demgegenüber nach den einzelnen Fallgruppen differenzieren.[238] In der ersten Konstellation, in der objektiv kein Angriff existiert, soll die Fehlvorstellung unbeachtlich und eine Verteidigung des Getäuschten als Putativnotwehr zu bewerten sein. Demgegenüber soll in der zweiten Fallgruppe, in der der Täter durch seine Täuschung einen tatsächlich existierenden Angriff intensiver erscheinen lässt, als dieser objektiv ist, darauf abzustellen sein, wie sich die Situation für einen durchschnittlichen Dritten bei ex ante Betrachtung des Geschehens darstellt. Ist für diesen unter den gegebenen Umständen die Unrichtigkeit der Täuschung nicht erkennbar, soll der Getäuschte so zu behandeln sein, als wäre die Aussage des Täuschenden zutreffend. Erkennt O in den Beispielsfällen nicht, dass A die Unwahrheit sagt, so läge nach dieser Auffassung im ersten Fall kein Angriff vor, während es in der zweiten Konstellation auf die Erkennbarkeit der Täuschung ankäme. Soweit ein durchschnittlicher Dritter in der Situation des O die Täuschung des A ernst nehmen würde, läge ein Angriff auch auf das Leben des O vor, gegen den er sich genauso verteidigen dürfte, wie wenn A ihn tatsächlich mit einer echten Waffe bedrohen würde.

225Der zuletzt genannten Auffassung ist zuzustimmen. Steht fest, dass das Verhalten einer Person als Angriff zu bewerten und daher die Ausübung von Notwehr grundsätzlich zulässig ist, so hat der Angreifer das Risiko zu tragen, dass seine Täuschung ernst genommen wird. Insofern gestaltet sich die Situation anders als beim bloßen Scherzangriff, von dem keinerlei Bedrohung für ein rechtlich geschütztes Interesse ausgeht, und der daher nach den Kriterien der Putativnotwehr zu behandeln ist.[239] Dem Einwand, dass das Notwehrrecht durch eine enge Auslegung der gesetzlichen Voraussetzungen zu begrenzen sei, ist zu entgegnen, dass auch die hier befürwortete Sicht nicht zu einer „Ausuferung“ der Notwehrbefugnis führt, da zur Täuschung über die Intensität des Angriffs noch die fehlende Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Dritten hinzutreten muss, damit die Fehlvorstellung des Angegriffenen zu einer Erweiterung des zulässigen Verteidigungsverhaltens führt.

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