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2. Rechtsfolge
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In der Rechtsfolge verweisen die meisten IPR-Normen auf die anzuwendende Rechtsordnung unter Verwendung sog. Anknüpfungsmomente (gleichbedeutend: Anknüpfungspunkte[7]),[8] wie die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz, der Handlungsort, der Belegenheitsort oder der gewöhnliche Aufenthalt. Wie diese Anknüpfungsmomente zu verstehen sind, ist nicht immer offensichtlich und bedarf daher der Erläuterung. Das zeigt folgendes
Beispiel
Der tschechische Lebensmittelhändler L beauftragt den belgischen Handwerker H mit der Dachsanierung seines im deutschen Breisach gelegenen Einkaufsmarktes. Bevor der H vor vier Wochen vorübergehend ins französische Mulhouse zog, hatte er jahrelang in Salzburg gelebt und gearbeitet. Zwei Monate nach Abschluss der Arbeiten tropft es im Einkaufsmarkt von der Decke. Daraufhin verklagt L den H auf Nachbesserung. Nach welchem Sachrecht würden deutsche bzw. französische Gerichte das Bestehen eines solchen Anspruchs beurteilen?
Der Fall spielt im Internationalen Vertragsrecht. Das Kollisionsrecht dafür ist europäisch einheitlich durch die Rom I-VO geregelt, die dem nationalen IPR Frankreichs und Deutschlands vorgeht. Sowohl deutsche wie auch französische Gerichte würden daher Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO heranziehen. Danach unterliegen Dienstleistungsverträge (= Anknüpfungsgegenstand) dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt (= Anknüpfungsmoment) hat. Der Vertrag über die Dachsanierung ist zwar nach deutschem Recht ein Werk- und kein Dienstvertrag, doch ist der Begriff des Dienstleistungsvertrages wegen seines europarechtlichen Ursprungs europäisch autonom und in diesem Sinne – Art. 57 AEUV entsprechend – weit auszulegen. Auch die Erbringung von Werkleistungen wird davon erfasst.[9]
Auf Rechtsfolgenseite kommt es bei Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO weder auf die tschechische Staatsangehörigkeit des L noch auf die belgische des H an (lassen Sie sich in der Klausur von solchen Angaben nicht verwirren). Allein der gewöhnliche Aufenthalt des H entscheidet über das anwendbare Recht. Als gewöhnlicher Aufenthalt des H kommt hier entweder das österreichische Salzburg oder das französische Mulhouse, wo der H seit vier Wochen lebt, in Frage. Doch wann kann von einem gewöhnlichen Aufenthalt gesprochen werden? Nach zwei Tagen? Nach zwei Jahren? Für Fragen dieser Art ist Wissen um die Auslegung der Anknüpfungsmomente erforderlich.
a) Staatsangehörigkeit
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Das häufigste Anknüpfungsmoment im EGBGB ist die Staatsangehörigkeit (vgl. z.B. Art. 7, 9, 13 Abs. 1, 24).[10] Zu den zahlreichen Vorteilen[11] dieser Anknüpfung gehören insbesondere die einfache Feststellbarkeit der Staatsangehörigkeit (steht in jedem Personalausweis) und ihre relative Kontinuität (die Staatsangehörigkeit wechselt eher selten). Vermittelt wird die Staatsangehörigkeit grundsätzlich entweder nach dem sog. ius soli (lat.: Recht des Bodens) durch Geburt innerhalb des jeweiligen Landes oder nach dem sog. ius sanguinis (lat.: Recht des Blutes) durch Geburt von einem Elternteil, der die jeweilige Staatsangehörigkeit besitzt. Welchem dieser beiden Grundprinzipien gefolgt wird, entscheidet jeder Staat grundsätzlich selbst.[12] Deutschland folgt in § 4 Abs. 1 S. 1 StAG im Grundsatz dem Abstammungsprinzip (ius sanguinis), sieht aber innerhalb der engen Grenzen des § 4 Abs. 3 StAG auch den Staatsangehörigkeitserwerb nach dem ius soli vor.
Hinweis
In der Klausur wird die Staatsangehörigkeit der Personen in aller Regel vorgegeben sein.
Schwierigkeiten können sich bei Personen ergeben, die zwei oder mehr Staatsangehörigkeiten (Doppel- bzw. Mehrstaater) oder gar keine Staatsangehörigkeit haben (Staatenlose).
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Hier hilft der allgemeine Teil des EGBGB weiter: Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 kommt es bei Doppel- und Mehrstaatern allein auf die Staatsangehörigkeit desjenigen Staates an, mit dem die Person am engsten verbunden ist (sog. effektive Staatsangehörigkeit), insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. Wenn jedoch eine der Staatsangehörigkeiten die deutsche ist, so erklärt Art. 5 Abs. 1 S. 2 unabhängig von der effektiven Staatsangehörigkeit immer die deutsche für maßgeblich.[13]
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Für Staatenlose kommt es nach Art. 5 Abs. 2 auf deren (gewöhnlichen) Aufenthalt an, doch ist die Vorschrift weitgehend durch Art. 12 des New Yorker UN-Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen[14] verdrängt, das in ähnlicher Weise den Wohnsitz des Staatenlosen für maßgeblich erklärt.[15]
Hinweis
Art. 5 Abs. 1 und 2 sind – typisch für den allgemeinen Teil des IPR – bloße Hilfsnormen, die als unselbstständige Kollisionsnormen bezeichnet werden. Sie führen im Unterschied zu den sog. selbstständigen Kollisionsnormen (Verweisungsnormen) im besonderen Teil (z.B. Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 1) nicht zu dem letztlich auf den Sachverhalt anwendbaren Recht, sondern helfen nur bei der Konkretisierung der Verweisungsnormen.[16]
b) Gewöhnlicher Aufenthalt, Wohnsitz
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Der gewöhnliche Aufenthalt ist das wichtigste Anknüpfungsmoment im europäischen Verordnungsrecht und taucht seit der Reform von 1986 auch im deutschen IPR mehrfach auf.
Unter gewöhnlichem Aufenthalt wird der Ort des Lebensmittelpunktes einer Person verstanden.[17]
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Um zu klären, wo eine Person ihren Lebensmittelpunkt hat, ist auf die familiären, beruflichen und freundschaftlichen Bindungen (kurz: die soziale Integration) abzustellen.[18] Dabei liefert v.a. die Aufenthaltsdauer als objektives Merkmal ein wichtiges Indiz. Es gibt zwar keine feste Frist, nach deren Verstreichen auf den gewöhnlichen Aufenthalt geschlossen werden kann; doch wird nach einer Faustregel ab einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten die Gewöhnlichkeit des Aufenthalts vermutet.[19]
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Andererseits kann auch schon nach kurzer Aufenthaltsdauer von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen sein, wenn der Aufenthaltswille (sog. animus manendi) auf ein dauerhaftes Verweilen abzielt.[20]
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Da es letztlich auf die soziale Integration ankommt, führen zeitweise Abwesenheit, etwa durch Reisen oder vorübergehende Studienaufenthalte, nicht zu einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts.[21] Nur der (sog. schlichte) Aufenthalt (vgl. etwa Art. 5 Abs. 2 a.E.; Art. 24 Abs. 1 S. 2), der allein auf die tatsächliche Anwesenheit ohne Anforderungen an die soziale Integration oder Verweildauer abstellt, wechselt in diesen Fällen.
Beispiel
Für das obige Beispiel (Rn. 32) bedeutet dies, dass H, der erst vier Wochen und nur vorübergehend in Mulhouse verweilt, zwar schlichten Aufenthalt in Frankreich hat, der gewöhnliche Aufenthalt aber weiterhin in Salzburg liegt, wo er jahrelang gelebt und gearbeitet hat. Im Ergebnis richtet sich der Nachbesserungsanspruch daher nach österreichischem Recht.
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Der Wohnsitz als Anknüpfungsmoment ist zwar nicht vollständig identisch mit dem gewöhnlichen Aufenthalt,[22] wird aber mitunter nach den gleichen Kriterien bestimmt und fällt meist mit ihm zusammen. Ob ein Wohnsitz begründet wurde, entscheidet die jeweilige Rechtsordnung, deren IPR angewendet wird (für das deutsche Recht: § 7 BGB).[23]
Hinweis
Während die nicht immer einfache Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts gelegentlich in Klausuren verlangt wird, ist der Wohnsitz meist vorgegeben.
c) Parteiwille
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Etliche Kollisionsnormen lassen zu, dass die Parteien das anwendbare Recht selbst wählen (z.B. Art. 3 Rom I-VO; Art. 14 Rom II-VO; Art. 5 Rom III-VO; Art. 22 EuErbVO; Art. 22 EuGüVO). Wenn von diesen Rechtswahlmöglichkeiten Gebrauch gemacht wird, geht diese sog. subjektive Anknüpfung der objektiven Anknüpfung vor.[24]
Beispiel
Die Schwedin S verpachtet dem Norweger N ihr in Stockholm belegenes Grundstück. Sie vereinbaren, dass sich der Vertrag nach dänischem Recht richten soll.
Nach der objektiven Anknüpfung in Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO wäre hier das Recht des Ortes der unbeweglichen Sache, also schwedisches Recht, anzuwenden. Da S und N aber eine wirksame Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO getroffen haben, ist nach der vorrangigen subjektiven Anknüpfung dänisches Recht anzuwenden.
JURIQ-Klausurtipp
Das IPR folgt teilweise einer eigenen, zu Beginn schwer verständlichen Sprache. Auf manche Begriffe, wie objektive oder subjektive Anknüpfung, können Sie in der Klausur auch verzichten. Andererseits kann die Verwendung der Fachbegriffe dem Korrektor im Examen anzeigen, dass Sie sich mit dem IPR befasst und nicht wie andere „auf Lücke gesetzt“ haben.
d) Sonstige Anknüpfungsmomente
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Es gibt eine Reihe weiterer Anknüpfungsmomente, wie den Handlungsort, den Erfolgsort, den Abschlussort und den Belegenheitsort einer Sache.[25] Sie sind bereichsspezifisch im besonderen Teil des IPR verstreut, weshalb jeweils an dortiger Stelle auf sie einzugehen ist.
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e) Kombination von Anknüpfungsmomenten
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Kollisionsnormen verwenden nicht immer nur ein Anknüpfungsmoment, sondern kombinieren oft mehrere Anknüpfungsmomente miteinander. In diesen Fällen stellt sich die Frage ihrer Reihenfolge. Hierüber geben die verschiedenen Anknüpfungstechniken Aufschluss.
aa) Subsidiäre Anknüpfung (Anknüpfungsleiter)
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Erinnern Sie sich, was der gewöhnliche im Unterschied zum schlichten Aufenthalt meint? Wiederholen Sie ggf. die Begrifflichkeiten unter Rn. 36 ff.
Die subsidiäre Anknüpfung (z.B. Art. 14 Abs. 1) gibt eine Hierarchie zwischen den Anknüpfungsmomenten vor. Nur wenn die vorrangige Anknüpfung nicht passt, darf auf die dahinter liegende abgestellt werden.
Beispiel
Art. 5 Abs. 2 EGBGB knüpft bei Staatenlosen an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Nur wenn kein gewöhnlicher Aufenthalt feststellbar ist, kommt es subsidiär auf den schlichten Aufenthalt an.
bb) Alternative Anknüpfung (Günstigkeitsprinzip)
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Bei alternativen Anknüpfungen (z.B. Art. 11 Abs. 1 und 2) sind Rechtsgeschäfte bereits dann formgültig, wenn sie nach einer der alternativ berufenen Rechtsordnungen formwirksam sind. Dadurch wird die Formwirksamkeit einzelner Rechtsgeschäfte begünstigt.
Beispiel[26]
M und F leben in Deutschland. Sie schließen 2018 auf Mauritius die Ehe. Dabei erklären sie vor dem dortigen Standesbeamten, im Güterstand des „Legal system of separation of goods/Régime légal de séparation de beins“ leben zu wollen, was dem Güterstand der Gütertrennung im deutschen Recht entspricht. Wurde die Gütertrennung aus deutscher Sicht formwirksam vereinbart, wenn Gütertrennung nach mauritischem Recht (Art. 1475 Code Civil Mauricien) durch gemeinsame Erklärung gegenüber dem Standesbeamten bei der Eheschließung möglich ist?
Das deutsche Recht lässt es zu, durch Ehevertrag vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft abzuweichen (§ 1408 Abs. 1 BGB). Allerdings bedarf ein solcher Ehevertrag der notariellen Form (§ 1410 BGB). Indes lässt es Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 genügen, wenn die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt sind, in der es vorgenommen wird (sog. Ortsform). Da Art. 1475 Code Civil Mauricien die Vereinbarung von Gütertrennung durch Erklärung vor dem Standesbeamten zulässt, wurde die Gütertrennung wirksam vereinbart.
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Hinweis
Ab dem 29.1.2019 richtet sich die Formwirksamkeit einer Güterstandsvereinbarung nach europäischem Kollisionsrecht (Art. 23 EuGüVO). Art. 23 Abs. 2 EuGüVO gibt vor, dass bei gemeinsamem gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten auch die Formvorschriften des Heimatstaates eingehalten sein müssen. Daher wäre das obige Beispiel (Rn. 45) anders zu beurteilen, wenn M und F erst nach dem 28.1.2019 die Güterstandsvereinbarung auf Mauritius geschlossen hätten. Da M und F ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und das deutsche Recht für Güterstandsvereinbarungen die notarielle Form in § 1410 BGB vorschreibt, wäre die zwischen M und F getroffene Güterrechtswahl formwidrig und damit unwirksam, vgl. Art. 23 Abs. 2 EuGüVO, § 1410 BGB.
cc) Kumulative Anknüpfung
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Bei der kumulativen Anknüpfung wird eine bestimmte Rechtsordnung nur dann angewendet, wenn zwei oder mehr Anknüpfungsmomente kumulativ vorliegen.
Beispiel
Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 kommt es auf das Recht des Staates an, dem beide Ehegatten angehören oder zuletzt angehörten. Nur wenn beide zumindest irgendwann einmal dieselbe Staatsangehörigkeit hatten, verweist die Norm auf dieses Recht.
dd) Distributive Anknüpfung
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Bei der distributiven Anknüpfung (z.B. Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 1) wird für jede Person gesondert an eine Rechtsordnung angeknüpft.
Beispiel
Der Belgier B und die Deutsche D wollen heiraten. Für die Eheschließungsvoraussetzungen verweist Art. 13 Abs. 1 hinsichtlich B auf belgisches, hinsichtlich D auf deutsches Recht. Die Ehe kann nur geschlossen werden, wenn sie nach beiden Heimatrechten zulässig ist.
ee) Akzessorische Anknüpfung
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Die akzessorische Anknüpfung (z.B. Art. 19 Abs. 1 S. 3; 22 Abs. 2) verweist nicht selbst auf eine Rechtsordnung. Sie hängt sich vielmehr „wie ein abgeschlepptes Auto“ an eine andere Kollisionsnorm an, die die Richtung vorgibt.
ff) Unwandelbare und wandelbare Anknüpfung; Statutenwechsel
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Neben dem Anknüpfungsmoment enthalten Verweisungsnomen auch ausdrückliche oder implizite Aussagen über den Zeitpunkt, der für die Anknüpfung maßgeblich ist. Hierbei kann zwischen solchen Verweisungsnormen unterschieden werden, die fix auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellen (sog. unwandelbare Anknüpfung) und solchen, die zeitlich variabel sind (sog. wandelbare Anknüpfung).[27] Nur letztere berücksichtigen Änderungen der Anknüpfungsmomente, etwa durch Wechsel der Staatsangehörigkeit oder Verlegung des Wohnsitzes.
Beispiel
M und F waren bei ihrer wirksam geschlossenen Ehe im Jahre 2009 deutsche Staatsangehörige. 2012 nahmen M die spanische und F die französische Staatsangehörigkeit jeweils unter Aufgabe der alten Staatsangehörigkeit an. Beide lebten bis 2018 gemeinsam in Paris, dann reicht M die Scheidung ein. Auf welches Recht verweist das EGBGB für die allgemeinen Ehewirkungen und das Ehegüterrecht?
Für die allgemeinen Ehewirkungen beurteilen sich die Anknüpfungsmomente nach dem jeweils aktuellen Zeitpunkt, da Art. 14 Abs. 1 wandelbar ist. Aktuell haben M und F keine gemeinsame Staatsangehörigkeit; Deutsche sind beide nicht mehr. Daher greift Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 nicht. Der subsidiären Anknüpfung folgend, ist sodann auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 abzustellen. Danach ist der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt entscheidend. Dieser liegt in Paris. Hinsichtlich der allgemeinen Ehewirkungen wird also auf französisches Recht verwiesen.
Der Güterstand unterliegt hingegen einer unwandelbaren Anknüpfung in Art. 15 Abs. 1 (die Vorschrift wird Anfang 2019 aufgehoben, gilt aber nach Art. 220 Abs. 3 S. 5 in der bis einschließlich 28.1.2019 geltenden Fassung fort, wenn die Ehe – wie hier – nach dem 8.4.1983 und vor dem 29.1.2019 geschlossen wurde). Danach gilt das Recht, das im Zeitpunkt der Eheschließung für die allgemeinen Ehewirkungen maßgeblich war. Zu jenem Zeitpunkt im Jahr 2009 waren sowohl M als auch F Deutsche. Daher verwies Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 damals auf deutsches Recht. Und da das zu diesem fixen Zeitpunkt berufene Recht für Art. 15 Abs. 1 maßgeblich ist, verweist Art. 15 auf deutsches Ehegüterrecht.
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Hinweis
Auch die ab dem 29.1.2019 geltende EuGüVO sieht in Art. 26 Abs. 1 lit. b für den ehelichen Güterstand eine unwandelbare Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung vor. Vorrangig knüpft jedoch Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO den ehelichen Güterstand an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach der Eheschließung an, sofern keine (wirksame) Rechtswahl nach Art. 22 EuGüVO getroffen wurde.
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Nur bei wandelbaren Verweisungsnormen kann es zu sog. Statutenwechseln kommen.[28] Damit ist gemeint, dass ein Rechtsverhältnis im Laufe der Zeit mal der einen und mal einer anderen Rechtsordnung unterliegt.
Wer mit dem Begriff Statut etwas anzufangen weiß (siehe Rn. 9), dem wird der Begriff Statutenwechsel keine Verständnisprobleme bereiten.
Beispiel
Im obigen Beispiel (Rn. 50) etwa richteten sich die Ehewirkungen von 2009 – 2012 gem. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 zunächst nach deutschem Recht. Mit dem Wechsel der beiden Staatsangehörigkeiten 2012, kam es zu einem Statutenwechsel, da von diesem Zeitpunkt an gem. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 auf französisches Recht verwiesen wurde.
gg) Ausweichklauseln
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Die dargelegten Anknüpfungstechniken sorgen für Rechtssicherheit. Zugleich führen sie im Regelfall zu der Rechtsordnung, zu der die engste Verbindung besteht. In Ausnahmefällen ist das berufene Recht allerdings derart weit von der engsten Verbindung des Sachverhalts entfernt, dass durch sog. Ausweichklauseln (z.B. Art. 46 EGBGB; Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO) eine Ergebniskorrektur erforderlich wird. Dies dient zwar – wie etwa § 242 BGB im materiellen Recht – der Gerechtigkeit im Einzelfall, schadet jedoch der Rechtssicherheit. Daher sind Ausweichklauseln eng auszulegen.
Hinweis
Die Mischung aus festen Anknüpfungsregeln und Auflockerungen durch Ausweichklauseln ist den Zielen des IPR (siehe Rn. 4 ff.) geschuldet.
Beispiel
Die Inländer A und B reisen mit einem deutschen Busunternehmen von Heidelberg nach Barcelona. Auf der Höhe von Marseille veräußert A dem B ein Handtuch. Der Eigentumsübergang würde sich nach Art. 43 Abs. 1 an sich nach französischem Recht richten. Da Frankreich aber nur Durchreiseland ist und der Sachverhalt deutlich engere Verbindungen zu Deutschland aufweist (deutsches Busunternehmen, Staatsangehörigkeiten von A und B), ist nach der Ausweichklausel in Art. 46 deutsches Recht anzuwenden.
JURIQ-Klausurtipp
Das Verständnis für die beschriebenen Anknüpfungstechniken wird Ihnen in der Klausur helfen, das Gesetz richtig anzuwenden. Dabei wird es nicht darauf ankommen, ob Sie sich an die Bezeichnungen der verschiedenen Anknüpfungstechniken erinnern. Entscheidend ist vielmehr, dass Sie das Gesetz genau lesen und entscheidende Worte, wie „im Zeitpunkt der Eheschließung“ (unwandelbare Anknüpfung), nicht unterschlagen. Bei genauem Lesen und wortgetreuem Anwenden des Gesetzes folgen Sie den beschriebenen Anknüpfungstechniken völlig von selbst!
Anmerkungen
[1]
Vgl. Herbert JuS 2000, 254, 256 f.
[2]
Weiterführend Rauscher Rn. 469 ff., insbesondere Rn. 468 ff.; Sendmeyer JURA 2011, 588, 589 f.; Herbert JuS 2000, 254 ff.
[3]
Darauf, dass manche Autoren die lex-fori-Theorie ablehnen (Nachweise bei Hoffmann/Thorn § 6 Rn. 18 ff.; Bröderman/Rosengarten Rn. 135 ff.), ist in einer Klausur grundsätzlich nicht einzugehen.
[4]
Dieser Aspekt war Gegenstand der dritten Zivilrechtsklausur der Ersten juristischen Staatsprüfung in Baden-Württemberg im Frühjahr 2005.
[5]
Im Einzelnen siehe Rn. 162.
[6]
Vgl. MüKo-Dutta Art. 3 Rn. 6 und Rn. 9.
[7]
Sendmeyer JURA 2011, 588, 589; Brödermann/Rosengarten Rn. 20 bevorzugen den Begriff des Anknüpfungspunktes.
[8]
Manche Autoren rechnen die Anknüpfungsmomente dem Tatbestand zu, vgl. Looschelders Vorbem. Art. 3–6 EGBGB, Hoffmann/Thorn § 4 Rn. 4. Einen praktischen Unterschied macht das nicht.
[9]
MüKo-Martiny Art. 4 Rom I-VO Rn. 26.
[10]
Zur Verwendung der Staatsangehörigkeit in der EU-Gesetzgebung Basedow IPRax 2011, 109 ff.
[11]
Sie sind aufgeführt und erläutert bei Hoffmann/Thorn § 5 Rn. 10 ff.
[12]
Hoffmann/Thorn § 5 Rn. 37.
[13]
Zur Behandlung von Mehrstaatern im Unionsrecht Fuchs in: FS Martiny 2014, 303, 310 ff.
[14]
New Yorker UN-Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen v. 28.9.1954 [J/H Nr. 12].
[15]
Auf das New Yorker UN-Übereinkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen ist auch im europäischen und völkerrechtlichen IPR zurückzugreifen, siehe näher MüKo-v. Hein Art 5 EGBGB Rn. 106.
[16]
Looschelders Vorbem. Art. 3–6 Rn. 3; MüKo-v. Hein Einl. IPR Rn. 88; zur Unterscheidung zwischen einseitigen und allseitigen Kollisionsnormen MüKo-v. Hein Einl. IPR Rn. 89.
[17]
Hoffmann/Thorn § 5 Rn. 73.
[18]
BGH NJW 1993, 2047.
[19]
OLG Stuttgart NJW 2012, 2043, 2044; Palandt-Thorn Art. 5 EGBGB Rn. 10 jeweils m.w.N.
[20]
Erman-Hohloch Art. 4 EGBGB Rn. 52 m.w.N.; Hoffmann/Thorn § 5 Rn. 77 m.w.N.
[21]
Erman-Hohloch Art. 4 EGBGB Rn. 51 m.w.N.
[22]
Zu den Unterschieden Rauscher Rn. 283.
[23]
Hoffmann/Thorn § 5 Rn. 68.
[24]
Zur Unterscheidung zwischen kollisions- und materiellrechtlicher Rechtswahl v. Hein in: FS Martiny 2014, 365, 369 ff.
[25]
Zu weiteren Anknüpfungsmomenten im Überblick MüKo-v. Hein Einl. IPR Rn. 58.
[26]
Nach BGH NJW-RR 2011, 1225 ff.
[27]
Sendmeyer JURA 2011, 588, 591.
[28]
Sendmeyer JURA 2011, 588, 591.