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1. Multilaterale Verträge

18

Die multilateralen Regelwerke werden überwiegend von der 1893 gegründeten Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (HccH) konzipiert und von Mitgliedern[34] der HccH ratifiziert.[35]

Manche dieser Verträge sind nicht mehr in Geltung oder von Deutschland nicht ratifiziert.[36] Für Klausuren kommt aber ohnehin nur eine überschaubare Anzahl der von Deutschland ratifizierten Übereinkommen in Frage, insbesondere folgende, auf die zum Teil später näher eingegangen wird:



2. Bilaterale Verträge

19

Auf dem Gebiet des IPR sind bilaterale Abkommen höchst selten. Beispiele bilden das deutsch-türkische Nachlassabkommen vom 28.5.1929 sowie das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929. Prüfungsrelevant dürfte am ehesten der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954 sein.[45]

1. Teil Einführung und Überblick › F. Rechtsquellen des IPR und ihre Rangfolge › III. Nationales Recht

III. Nationales Recht

1. EGBGB

20

Wichtigste Rechtsquelle des deutschen IPR ist das EGBGB, das mit dem BGB am 1.1.1900 in Kraft trat. Tiefgreifende Änderungen erfuhr es durch Reformen vom 1.9.1986 und 1.6.1999. Durch die Reform von 1999 wurden die Art. 38–46 geschaffen.[46] 2009 ist das EGBGB insbesondere durch die Neufassung der Art. 3 und 3a sowie den Wegfall der Art. 27–37 EGBGB a.F. umgestaltet worden.[47] 2015 wurden die Art. 25 und 26[48] neu gefasst, 2017 wurde Art. 8[49] eingefügt.[50]

Auch außerhalb des EGBGB finden sich vereinzelt deutsche Kollisionsnormen (etwa in Art. 91 ff. WechselG, § 32b UrhG, § 17a DepotG und §§ 335 ff. InsO), die jedoch kaum prüfungsrelevant sind.

2. Richterrecht

21

Nationales Richterrecht ist v.a. für den allgemeinen Teil des IPR prägend, welcher durch Art. 3–6 nur fragmentarisch geregelt ist. Dort finden sich beispielsweise keine Normen zu Qualifikation und Vorfragen (dazu unten Rn. 29 f., 59 f.). Jene Lücken werden durch Richterrecht gefüllt.[51] Ebenso wird das Internationale Gesellschaftsrecht durch Richterrecht geprägt.

1. Teil Einführung und Überblick › F. Rechtsquellen des IPR und ihre Rangfolge › IV. Rangfolge

IV. Rangfolge

22

Über die Rangfolge der Rechtsquellen gibt Art. 3 Aufschluss. Nach dieser deklaratorischen Norm genießen gemeinschaftsrechtliche Regelungen (Nr. 1) und staatvertragliche Regelungen (Nr. 2) Vorrang gegenüber dem EGBGB.

23

Komplizierter ist das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und Staatverträgen.[52] Die Verordnungen legen es jeweils in ihren schwer erschließbaren Formulierungen in Art. 25 Rom I-VO bzw. Art. 28 Rom II-VO selbst fest. Vereinfachend genügt es sich diejenigen prüfungsrelevanten Staatsverträge zu merken, die dem Unionsrecht vorgehen, und im Übrigen immer von der vorrangigen Anwendung des Verordnungsrechts auszugehen:

Vorrangig gegenüber der Rom I-VO ist insbesondere das Fragen des Warenkaufs betreffende CISG.[53]

Vorrangig gegenüber der Rom II-VO ist v.a. das Haager Straßenverkehrsunfall-Übereinkommen.[54]

Hinweis

Letzteres Übereinkommen dürfte allenfalls im Schwerpunkt IPR geprüft werden. Die Kenntnis des CISG und dessen Vorrang gehören dagegen zum wichtigen Grundlagenwissen, weshalb später näher darauf einzugehen ist (Rn. 138 ff.).

Anmerkungen

[1]

Magnus IPRax 2010, 27, 30; auch das Vereinigte Königreich beteiligt sich in jüngerer Zeit kaum noch an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, siehe R. Wagner NJW 2012, 1333, 1338.

[2]

Obergfell IPRax 2005, 9, 10.

[3]

Dazu sogleich unter Rn. 16 ff.

[4]

Knöfel RdA 2006, 269, 270; R. Wagner EuZW 1999, 709, 710.

[5]

Vgl. Hohloch in: FS Stoll 2001, 533, 547.

[6]

Siehe Schaub JURA 2017, 611, 618.

[7]

Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) [J/H Nr. 101; A/S Nr. A10]; dazu Rn. 172 ff.

[8]

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) [J/H Nr. 80; A/S Nr. A13]; dazu Rn. 145 ff.

[9]

Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18.12.2008 [J/H Nr. 161].

[10]

Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts [J/H Nr. 34]; dazu Rn. 111 ff.

[11]

Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses [J/H Nr. 61]; dazu Rn. 128 ff.

[12]

Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstandes [J/H Nr. 33].

[13]

Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften [J/H Nr. 39].

[14]

Gesetz zum Internationalen Güterrecht und zur Änderung von Vorschriften des Internationalen Privatrechts vom 17.12.2018 (BGBl. 2018 I 2573).

[15]

Teilweise sind die Ende 2018 beschlossenen Neuregelungen in der vorherigen Entwurfsfassung bereits abgedruckt in Jayme/Hausmann Textausgabe Internationales Privat und Verfahrensrecht, 19. Auflage 2018 (Rechtsstand: 1. September 2018). So finden sich etwa die neuen Art. 3 Nr. 1 f) und g) in Fn. 4 bei J/H Nr. 1.

[16]

Einen Überblick zu den meisten dieser Verordnungen gibt Sujecki EuZW 2010, 448 ff.

[17]

Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten vom 13.11.2007 [J/H Nr. 224; A/S Nr. A12]; knapp dazu Finger FuR 2006, 56, 65 f.; ausführlicher Rauscher Rn. 1716 ff.

[18]

Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens vom 12.12.2006 [J/H Nr. 185; A/S Nr. A8]; dazu Rauscher Rn. 2543 ff.

[19]

Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen vom 28.5.2001 [J/H Nr. 225; A/S Nr. A4]; dazu Rauscher Rn. 2323 ff.

[20]

Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vom 11.7.2007 [J/H Nr. 186; A/S Nr. A9]; dazu Rauscher Rn. 2567 ff.; da die EuBagatellVO in der Praxis kaum zur Anwendung kommt, unterliegt sie einer Reformdiskussion, siehe hierzu R. Wagner NJW 2014, 1862, 1863 f.

[21]

Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21.4.2004 [J/H Nr. 184; A/S Nr. A7]; dazu Rn. 296 ff. sowie Rauscher Rn. 2490 ff.

[22]

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29.5.2000 [J/H Nr. 260; A/S Nr. A2]; dazu Ehricke/Ries JuS 2003, 313-320; Flessner RabelsZ 70, 2006, 453-457.

[23]

Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.6.2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen; dazu knapp R. Wagner NJW 2014, 1862.

[24]

Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968; dazu Hoffmann/Thorn § 3 Rn. 182 ff.

[25]

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.12.2012 [J/H Nr. 160b]; dazu Rn. 228 ff.

[26]

Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980.

[27]

Vgl. EuGH NJW 2014, 1648, 1649.

[28]

M. Stürner in: FS R. Stürner 2013, 1071, 1072 ff.

[29]

Kropholler IPR § 9 IV 1 S. 66.

[30]

Rauscher Rn. 95.

[31]

Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung vom 12.6.1902 [J/H Nr. 30].

[32]

Nach OGH JBl. 1984, 505.

[33]

Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971 [J/H Nr. 100].

[34]

Die Konferenz hat um die 80 Mitgliedstaaten. Die genaue aktuelle Zahl der Mitgliedstaaten findet sich unter: http://www.hcch.net/index_de.php?act=states.listing. Seit 2007 ist auch die Europäische Union Mitglied, siehe Kadner Graziano AD LEGENDUM 2013, 136, 139.

[35]

Weiterführend zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, die im Jahre 2018 ihr 125-jähriges Bestehen feiert, R. Wagner JURA 2011, 891 ff.

[36]

Auflistung bei Rauscher Rn. 98 f.

[37]

Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 [J/H Nr. 53]; dazu Rn. 117 ff. und Rn. 273.

[38]

Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961 [J/H Nr. 52]; dazu Rn. 120 ff. und Rn. 281.

[39]

Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13.1.2000 [J/H Nr. 20]; dazu Rn. 125 und Rn. 281; umfassend dazu Ludwig DNotZ 2009, 251 ff.

[40]

Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 [J/H Nr. 41].

[41]

Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956 [J/H Nr. 40].

[42]

Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 [J/H Nr. 60].

[43]

Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung vom 12.6.1902 [J/H Nr. 30].

[44]

Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 [J/H Nr. 222]; dazu Rauscher Rn. 983 ff. sowie Martiny FPR 2010, 493 ff.

[45]

Dazu später unter Rn. 77.

[46]

Näher dazu Spickhoff NJW 1999, 2209; Kegel/Schurig § 4 II S. 205 ff.

[47]

Vgl. die beiden Gesetze zur Anpassung an die Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 („Rom II“) und Nr. 593/2008 („Rom I“) vom 10.12.2008 bzw. vom 25.6.2009.

[48]

Durch das Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 29.6.2015, BGBl. 2015 I 1042.

[49]

Durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts vom 11.6.2017, BGBl. 2017 I 1607.

[50]

Art. 8 war seit 1990 aufgrund der Abschaffung der Entmündigung unbesetzt, siehe MüKo-Spellenberg Art. 8 Rn. 8.

[51]

Dazu näher unter Rn. 69 ff. und Rn. 74 ff.

[52]

Hierzu knapp Brödermann/Rosengarten Rn. 13 und Rn. 53.

[53]

Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 [J/H Nr. 77; A/S Nr. B1]; dazu unter Rn. 138 ff.

[54]

Vgl. G. Wagner IPRax 2008, 1, 3.

1. Teil Einführung und Überblick › G. Nachbargebiete

G. Nachbargebiete

1. Teil Einführung und Überblick › G. Nachbargebiete › I. Rechtsvergleichung

I. Rechtsvergleichung[1]

24

Wie es der Begriff nahelegt, stellt die Rechtsvergleichung verschiedene Rechtsordnungen gegenüber und vergleicht sie. Dies ist für das IPR v.a. deshalb von Interesse, weil am Ende der Ermittlung des anwendbaren Rechts häufig ausländisches Recht steht, das durch die Rechtsvergleichung näher beleuchtet wird. Aber auch innerhalb der kollisionsrechtlichen Prüfung kann ausländisches Recht von Bewandtnis sein.[2] Die Rechtsvergleichung wird daher zu den „Hilfswissenschaften“ des IPR gezählt.[3]

1. Teil Einführung und Überblick › G. Nachbargebiete › II. Recht der Schiedsgerichtsbarkeit

II. Recht der Schiedsgerichtsbarkeit[4]

25

In der Praxis ist das Recht der Schiedsverfahren häufig mit internationalprivatrechtlichen Fragen verwoben. Über 60 Prozent der großen europäischen Unternehmen ziehen schiedsgerichtliche Verfahren einer Streitbeilegung durch staatliche Gerichte vor. Das Recht der Schiedsgerichtsbarkeit betrifft die Streitbeilegung durch ein nicht-staatliches Gericht, das in der sog. Schiedsvereinbarung von den Beteiligten ausgewählt wird. In der Schiedsvereinbarung wird i.d.R. zugleich das Recht festgelegt, das die Schiedsgerichte anzuwenden haben.[5]

1. Teil Einführung und Überblick › G. Nachbargebiete › III. Internationales Zivilverfahrensrecht

III. Internationales Zivilverfahrensrecht[6]

26

Im Unterschied zum IPR befasst sich das Internationale Zivilverfahrensrecht (IZVR) mit der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Ansprüchen. Es geht also anders als im IPR nicht um die Ermittlung des anwendbaren Rechts, sondern um Prozessrecht, das bei Sachverhalten mit Auslandsberührung das gerichtliche Verfahren, insbesondere die internationale Zuständigkeit, regelt.

Hinweis

Im Unterschied zur Rechtsvergleichung und zum Schiedsverfahrensrecht wird das Internationale Zivilverfahrensrecht in Ausbildung und Literatur meist zusammen mit dem IPR behandelt. Diesem Aufbau wird auch hier gefolgt, denn (Fall-)Klausuren suchen oft den Einstieg über das IZVR („Wo kann X klagen?“), um sich im Anschluss schwerpunktmäßig dem IPR zuzuwenden („Welches Sachrecht wird das Gericht anwenden?“).

Anmerkungen

[1]

Knappe Darstellung mit Übungsfällen dazu bei Koch/Magnus/Mohrenfels § 13-§ 16.

[2]

Etwa für Fragen der Rück- und Weiterverweisung, dazu später Rn. 56 ff.

[3]

So Hofmann/Thorn § 1 Rn. 98.

[4]

Einführend hierzu Schmidt-Ahrendts/Schmitt JURA 2010, 520 ff.; Bechte ZJS 2011, 307 ff.; Rudkowski JuS 2013, 398 ff.; zu Entwicklungen in der Rechtsprechung Kröll NJW 2011, 1265 ff.; zu Vor- und Nachteilen der Schiedsgerichtsbarkeit Markgraf JuS 2013, 1090 ff. sowie Hamann/Lennarz JA 2012, 801 ff.

[5]

Zu Grenzen dieser Möglichkeit unter der Rom I-VO Mankowski RIW 2018, 1 ff.

[6]

Dazu hier ab Rn. 225.

2. Teil Allgemeiner Teil des IPR

Inhaltsverzeichnis

A. Kollisionsnormen

B. Qualifikationsprobleme

C. Rück- und Weiterverweisung

D. Vorfrage

E. Ordre public

2. Teil Allgemeiner Teil des IPR › A. Kollisionsnormen

A. Kollisionsnormen

2. Teil Allgemeiner Teil des IPR › A. Kollisionsnormen › I. Unterschied zu Sachnormen

I. Unterschied zu Sachnormen

27

Sachnormen als materiell-rechtliche Regelungen betreffen die Rechtslage unmittelbar. Demgegenüber bestimmen Kollisionsnormen als Verweisungsregeln die Rechtsordnung, die auf den Sachverhalt Anwendung findet. Im Unterschied zu Sachnormen beeinflussen die Rechtsfolgen von Kollisionsnormen die Rechtslage allenfalls mittelbar (vgl. Beispiel Rn. 3).

2. Teil Allgemeiner Teil des IPR › A. Kollisionsnormen › II. Struktur von Kollisionsnormen

II. Struktur von Kollisionsnormen

28

Die Struktur von Kollisionsnormen gliedert sich in einen Tatbestand und eine Rechtsfolge.

1. Tatbestand

29

Der Tatbestand wird durch den sog. Anknüpfungsgegenstand geprägt (z.B. die Rechtsfähigkeit in Art. 7, die Eheschließung in Art. 13, die Rechtsnachfolge von Todes wegen in Art. 21 EuErbVO, die Beförderung von Gütern in Art. 5 Abs. 1 Rom I-VO).

JURIQ-Klausurtipp

Dieser Anknüpfungsgegenstand ist bei der Klausurbearbeitung für das Auffinden der einschlägigen Kollisionsnorm entscheidend. Geht es im Fall um eine Eheschließung, so schauen Sie vorrangig in Art. 13, geht es um Rechte an einer Sache, blicken Sie zunächst in Art. 43. Dieser an sich selbstverständliche Subsumtionsvorgang wird im IPR als Qualifikation bezeichnet.[1]

Denken Sie beim Qualifizieren stets an vorrangige Staatsverträge und Europarecht! Wenn es etwa um unerlaubte Handlungen geht, bleiben Sie gedanklich nicht bei Art. 40 stehen, sondern prüfen zunächst Art. 1 ff. Rom II-VO. Wenn Sie eine offenbar passende Norm gefunden haben, prüfen Sie die davor- und darauffolgenden Vorschriften auf ihre Einschlägigkeit, indem Sie zumindest ihre Überschriften lesen.

30

Auslegungsbedürftige Anknüpfungsgegenstände im nationalen Recht werden mit nationalem Rechtsverständnis begriffen und ausgelegt. Dieser internationalprivatrechtliche Grundsatz wird als „Qualifikation nach der lex fori“ bezeichnet.[2] Das bedeutet, dass der Tatbestand der Kollisionsnorm nach dem Recht des Gerichtsstandes (= lex fori) verstanden wird.[3]

31

Bei Anknüpfungsgegenständen im europäischen Kollisionsrecht ist das anders. Hier ist die europäische Sichtweise maßgebend. Was also etwa ein Dienstleistungsvertrag i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO oder eine unerlaubte Handlung i.S.d. Art. 4 Rom II-VO ist, darüber entscheidet nach der sog. europäisch autonomen Auslegung nicht das nationale, sondern das europäische Rechtsverständnis. Dies kann aus nationaler Perspektive zu überraschenden Abweichungen vom deutschen Recht führen: So fallen etwa unter Dienstleistungsverträge i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO nicht nur Verträge i.S.d. § 611 BGB, sondern auch Werkverträge i.S.d. § 631 BGB[4] und andere Vertragstypen.[5] Ein gemeinschaftliches Testament nach den §§ 2265 ff. BGB ist regelmäßig nicht als ein gemeinschaftliches Testament i.S.d. Art. 3 Abs. 1 lit. c der neuen europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) anzusehen; vielmehr ist ein gemeinschaftliches Testament nach den §§ 2265 ff. BGB regelmäßig als Erbvertrag i.S.d. EuErbVO zu verstehen![6]

Zusammenfassend lässt sich deshalb festhalten, dass sich im Anwendungsbereich des Unionsrechts eine Auslegung nach dem nationalen Rechtsverständnis verbietet.


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