Kitabı oku: «Verteidigung in der Hauptverhandlung», sayfa 10
b) Schöffen
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Zur Überprüfung, ob die Auswahl der Schöffen dem Gesetz entspricht, benötigt der Verteidiger die Vorschlagsliste der Gemeinde (§ 36 Abs. 1 GVG), die Protokolle und Unterlagen über die Aufstellung und öffentliche Auslegung der Vorschlagslisten (§ 36 Abs. 3 GVG), den Geschäftsplan des Amtsgerichts, die Unterlagen, aus denen sich die von der Landesregierung zu bestimmenden Verwaltungsbeamten und das Protokoll über die Wahl der Vertrauenspersonen (§ 40 Abs. 2 GVG) ergeben, sowie das Schöffenwahlprotokoll nebst Schöffen- und Hilfsschöffenlisten (§ 44 GVG).
Hinweis
Da die Überprüfung der Schöffenwahl sehr zeitaufwändig sein kann, empfiehlt sich noch mehr als bei der Besetzungsprüfung bezüglich der Berufsrichter, die Beschaffung der Unterlagen so früh wie möglich vor Beginn der Hauptverhandlung zu veranlassen. Der Verteidiger hat einen Rechtsanspruch auf Einsicht in die genannten Unterlagen.[29]
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Muster 7 Antrag auf Einsicht in die Schöffenwahlunterlagen
An das
Landgericht
…
In der Strafsache
gegen …
b e a n t r a g e
ich zur Überprüfung der Gerichtsbesetzung Einsicht in die Schöffenvorschlagsliste der Gemeinde X, das Protokoll der Gemeinderatssitzung über die Aufstellung der Vorschlagsliste, die Unterlagen über die Auslegung der Vorschlagsliste, den Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts, die Unterlagen, aus denen sich die von der Landesregierung zu bestimmenden Verwaltungsbeamten und das Protokoll über die Wahl der Vertrauenspersonen ergeben, sowie das Schöffenwahlprotokoll nebst Schöffen- und Hilfsschöffenlisten.
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Bei der Überprüfung der Besetzung hinsichtlich der Schöffen hat der Verteidiger Folgendes zu beachten: Die Mitwirkung eines nach § 32 GVG wegen gerichtlicher Verurteilung (Nr. 1), schwebendem Ermittlungsverfahren (Nr. 2) oder behördlicher Beschränkung über das Vermögen (Nr. 3) zur Amtsausübung unfähigen Schöffen führt zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts und auf entsprechende Rüge zur Urteilsaufhebung nach § 338 Nr. 1.[30] Die §§ 33, 34 GVG stellen dagegen bloße Ordnungsvorschriften dar, deren Nichtbeachtung die Revision nicht begründen kann.[31]
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Nach § 36 Abs. 2 GVG soll die Vorschlagsliste der Gemeinden zwar alle Gruppen der Bevölkerung angemessen berücksichtigen. Allerdings machen Mängel der Vorschlagslisten nicht die Besetzung des Gerichts fehlerhaft.[32]
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Das Verfahren der nach § 42 GVG vorzunehmenden Schöffenwahl ist nicht geregelt. Es muss jedoch auf jeden Fall eine echte Wahl stattfinden, die den Ausschussmitgliedern Gelegenheit gibt, die angemessene Berücksichtigung aller Bevölkerungsgruppen zu beachten.[33] Unzulässig ist daher die pauschale Übernahme der von anderen Gremien getroffenen Auswahl,[34] ebenso die Auslosung der Schöffen anstelle einer Wahl.[35] Zulässig soll es dagegen sein, wenn der Ausschuss zunächst, als den Wahlakt vorbereitende Handlung, die Schöffen auslost und sodann förmlich wählt,[36] oder wenn der Ausschussvorsitzende jeden zweiten Schöffen aus der Vorschlagsliste zur Wahl stellt.[37] Die Schöffenwahl ist zu wiederholen, wenn sie fehlerhaft war und sich der Wahlfehler auf die Besetzung der gerichtlichen Spruchkörper auswirken kann.[38]
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Wesentliche Fehler beim Auslosungsverfahren gemäß § 45 Abs. 2, Abs. 3 GVG, etwa die fehlende Öffentlichkeit, führen zur fehlerhaften Besetzung des Gerichts.[39] Dasselbe gilt, wenn eine Auslosung überhaupt nicht stattgefunden hat.[40] Nicht gerügt werden kann dagegen die Auslosung durch einen unzuständigen Richter.[41]
Anmerkungen
[1]
Ausführlich hierzu Schlothauer Hauptverhandlung, Rn. 237 ff.
[2]
BVerfGE 18, 345, 349; 19, 52, 59; BGH 28, 290; OLG Hamm StV 1998, 6, 7.
[3]
BGHSt 27, 209, 210.
[4]
KK-Barthe § 16 GVG Rn. 3.
[5]
BGH NStZ 1990, 138 m.w.N.
[6]
BVerfGE 18, 344, 350; 22, 282, 286; BGHSt 33, 234.
[7]
BVerfGE 18, 344, 350; BGHSt 33, 234.
[8]
BVerfG NJW 2004, 3482; BGH StV 2005, 2 m. Anm. v. Döllen/Meyer-Mews und Anm. Weber JR 2004, 306.
[9]
BGHSt 25, 54; 28, 290, 292.
[10]
BGH StV 1988, 194, wonach die Bestellung von insgesamt vier Vertretern für drei ordentliche Mitglieder einer großen Strafkammer als nicht ausreichend angesehen wird.
[11]
BGH StV 1989, 338.
[12]
BGH StV 1989, 338.
[13]
BGH NStZ 2006, 298 m. Anm. Rieß; BGH StV 2007, 562.
[14]
Vgl. BGH JR 2004, 170; BGH StV 2011, 463, 465.
[15]
Vgl. etwa BGH StraFo 2003, 134; BGH StV 2004, 250; BGH StV 2011, 463, 465.
[16]
BGH StV 2003, 657 m. Anm. Husheer; Haller/Janßen NStZ 2004, 469.
[17]
Dies entspricht der Rechtsprechung zu § 76 Abs. 2 GVG a.F., vgl. BGH StV 2011, 463, 465 (obiter dictum).
[18]
BGHSt 44, 361; BGH NStZ-RR 1999, 212.
[19]
BGH NStZ 2005, 465.
[20]
BGHSt 53, 268.
[21]
Ausführlich hierzu Schmitz StraFo 2016, 397.
[22]
BGH NStZ 2016, 562.
[23]
BGH NStZ 2014, 226.
[24]
BGH NStZ 2014, 287; LG Bonn B. v. 6.3.2014, 27a KLs 1/13 (mitgeteilt von Schmitz StraFo 2016, 401).
[25]
BGH NJW 2015, 2597.
[26]
BGH NStZ 2015, 716 m. Anm. Ventzke.
[27]
Nach Schmitz StraFo 2016, 397, 403 seien bei der Umverteilung von Zuständigkeiten „Entgleisungen an der Tagesordnung“ und die standardmäßige Überprüfung der Geschäftsverteilung durch die Verteidigung „die Mühe wert“.
[28]
BGH NStZ 2016, 562.
[29]
BGHSt 33, 126, 130.
[30]
BGHSt 35, 28.
[31]
BGHSt 30, 255, 257; 33, 261, 269.
[32]
BGHSt 30, 255, 257; BGH NStZ 1986, 210; a.A. Katholnigg StV 1982, 7, 8 für den Fall der wiederholten Verletzung des § 36 Abs. 2 GVG.
[33]
Meyer-Goßner/Schmitt § 42 GVG Rn. 6.
[34]
BGHSt 35, 190.
[35]
BGH NStZ 1985, 82; BGH NStZ 1985, 495.
[36]
BGHSt 33, 261, 264.
[37]
BGH NJW 1986, 1358.
[38]
BGH NStZ-RR 1999, 49.
[39]
BGH StV 1983, 446.
[40]
BGH NStZ 1984, 274.
[41]
BGHSt 25, 257.
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › IX. Besetzungsrügen › 5. Form der Besetzungsrüge
5. Form der Besetzungsrüge
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Der Einwand der fehlerhaften Gerichtsbesetzung, der nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache zulässig ist (§ 222b Abs. 1 S. 1), ist innerhalb der Hauptverhandlung mündlich zu erheben.[1] Der mündlich erhobene Einwand ist als wesentliche Förmlichkeit gemäß § 273 zu protokollieren. Der Besetzungseinwand ist zu begründen, sonst ist er unzulässig.[2] Ebenso wie bei der Revisionsbegründung müssen bei der Besetzungsrüge alle Tatsachen, die die vorschriftswidrige Besetzung belegen sollen, gleichzeitig und vollständig vorgetragen werden.[3] Die Bezugnahme auf Vorgänge außerhalb der Besetzungsrüge, z.B. Geschäftsverteilungspläne und Präsidialbeschlüsse, ist nicht zulässig. Für die Präklusion kommt es entscheidend darauf an, dass der Besetzungsfehler zu dem Zeitpunkt, als der Besetzungseinwand zu erheben war, objektiv erkennbar (nicht notwendigerweise offensichtlich) war.[4] Dasselbe gilt für den Fall, dass die dem Verteidiger vorliegenden Unterlagen unvollständig waren; die Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 bleibt für diesen Fall erhalten.[5] Diese Grundsätze gelten auch für den Einwand, die Strafkammer habe entgegen § 76 Abs. 2 GVG mit nur zwei anstatt drei Berufsrichtern entschieden,[6] und zwar selbst dann, wenn die Gerichtsbesetzung entgegen § 222a nicht mitgeteilt worden ist.[7]
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Muster 8 Besetzungsrüge bzgl. der Berufsrichter
An das Landgericht
......
In der Strafsache
gegen …
rüge ich die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich der Zahl der mitwirkenden Berufsrichter.
1. | An der heutigen Sitzung der III. Großen Strafkammer nehmen der Vorsitzende Richter am Landgericht A und Herr Richter am Landgericht B sowie die Schöffen Frau X und Herr Y teil. Diese Besetzung entspricht dem Beschluss der Kammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens. |
2. | Die Besetzung des Gerichts ist vorschriftswidrig. Die Mitwirkung von lediglich zwei Berufsrichtern bei einer Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer ist nur dann zulässig, wenn sie nicht als Schwurgericht zuständig ist (Nr. 1), wenn keine Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist (Nr. 2) oder nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters nicht notwendig erscheint (Nr. 3). Die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters ist im vorliegenden Fall notwendig. Mein Mandant und die beiden Mitangeklagten C und D werden beschuldigt, die Stieftochter meines Mandanten und deren Freundinnen über mehrere Jahre hinweg in Hunderten von Fällen sexuell missbraucht zu haben. Mein Mandant bestreitet die Tat und stellt die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeuginnen in Frage. In der Hauptverhandlung werden mehr als 40 weitere Zeugen sowie zwei medizinische Sachverständige und zwei Gutachter zur Glaubwürdigkeit der Zeuginnen zu vernehmen sein. Die Verhandlung ist auf 12 Tage angesetzt. Bereits dies entspricht der Regelvermutung des § 76 Abs. 3 Nr. 3 GVG, der hier keine Gründe entgegenstehen. Für den Fall der Verurteilung meines Mandanten stellt sich überdies die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung, was einen Regelfall des § 76 Abs. 3 Nr. 2 GVG darstellt. Unter diesen Umständen kann schlechterdings nicht davon ausgegangen werden, die Mitwirkung eines dritten Richters sei nicht notwendig. Der Beschluss der Kammer, lediglich mit zwei Berufsrichtern zu verhandeln, ist daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu vertreten. |
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Muster 9 Besetzungsrüge bzgl. eines Schöffen
An das
Landgericht
…
In der Strafsache
gegen …
rüge ich die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen X.
1. | Herr X nimmt an der heutigen Sitzung der III. Großen Strafkammer als Schöffe teil. Herr X wurde durch Urteil des Amtsgerichts F. am 27.2.2015 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Die Entscheidung ist rechtskräftig. |
2. | Herr X ist nicht der gesetzliche Richter. Gemäß § 32 Nr. 1 GVG ist Herr X unfähig zur Ausübung des Amts eines Schöffen. Dies begründet die fehlerhafte Besetzung des Gerichts (BGH 35, 28). |
Anmerkungen
[1]
KK-Gmel § 222b Rn. 5.
[2]
BGHSt 44, 161; BGH NStZ 2001, 491.
[3]
BGH StV 1999, 1, 2; Meyer-Goßner/Schmitt § 222b Rn. 7; LR-Jäger § 222b Rn. 18.
[4]
BGH NStZ 1996, 48; BGH StV 1997, 59.
[5]
Meyer-Goßner/Schmitt § 222b Rn. 7.
[6]
BGHSt 44, 361.
[7]
BGH NStZ 2005, 465.
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › X. Ablehnungsanträge
X. Ablehnungsanträge
Der Umstand, ob ein Richter dem Angeklagten gewogen sei,oder nicht, ist für letzteren höchst bedeutungsvoll(Vargha Die Vertheidigung in Strafsachen, 1879, § 405) |
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › X. Ablehnungsanträge › 1. Ablehnung eines Richters
1. Ablehnung eines Richters
a) Vorüberlegungen des Verteidigers
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Ob der Verteidiger einen Ablehnungsantrag stellt oder nicht, wird nicht zuletzt von seiner prinzipiellen Haltung gegenüber diesem strafprozessualen Instrument bestimmt. Diese lässt sich nicht vorschreiben. Allerdings sollte der Verteidiger sich bereits grundsätzliche Gedanken hierzu gemacht haben, bevor er in einer konkreten Situation – wegen des Gebots der unverzüglichen Geltendmachung eines Ablehnungsgesuchs unter Zeitdruck – eine vielleicht weitreichende Entscheidung zu treffen hat. Nur wer für sich selbst bestimmte Kriterien entwickelt hat, an denen er das Für und Wider eines Ablehnungsantrages messen kann, ist in der Lage, im konkreten Fall eine rasche Entscheidung zu treffen.
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Übergeordnetes Kriterium für den Verteidiger ist das Interesse des Mandanten. Die erste Frage lautet daher: Welchen Nutzen und welchen Schaden kann ein Ablehnungsantrag dem Angeklagten bringen? Nur durch diese Objektivierung der Fragestellung kann es gelingen, die häufig zu beobachtende übergroße Ängstlichkeit im Umgang mit dem Befangenheitsantragsrecht auf der einen Seite, andererseits die (oft sehr verständliche, durch das Prozessgeschehen aufgeheizte) Emotionalität im Umgang damit in den Griff zu bekommen. Der Befangenheitsantrag sollte, jedenfalls aus der Sicht des Verteidigers, eine vom wohl verstandenen Mandanteninteresse geleitete Reaktion auf einen prozessual relevanten Sachverhalt sein, kein Routineantrag und keine unüberlegte Reaktion auf jede emotionale Regung des Richters, aber auch nicht auf eine solche des Mandanten. Diese rationale Sichtweise hindert nicht, den Befangenheitsantrag, wenn rechtliche oder psychologische Gründe dafür vorliegen, auch als prozesstaktisches Mittel einzusetzen.
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Bei der Beantwortung der Ausgangsfrage nach Schaden und Nutzen des Befangenheitsantrages für den Mandanten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Tatsächliche Befangenheit des Richters und die Möglichkeit einer erfolgreichen Ablehnung überschneiden sich nur teilweise. Voreingenommenheit ist ein innerer Vorgang, der nicht unbedingt nach außen, etwa durch abfällige Bemerkungen o.Ä. im Sinne eines Ablehnungsgrundes zum Ausdruck kommen muss. Auf der anderen Seite erfordert die begründete Richterablehnung nur die Besorgnis der Befangenheit, nicht deren tatsächliches Vorliegen. Die wirkliche Voreingenommenheit des Richters zu Ungunsten des Angeklagten (die gegenteilige sollte für die Verteidigung kein Problem sein und widerspruchslos akzeptiert werden) ist in vielen Fällen offensichtlich, bedarf in anderen Fällen aber einer durchaus guten Menschenkenntnis. Es erleichtert die Beurteilung, wenn der Verteidiger den Richter bereits aus anderen Verfahren kennt. Es gibt Richter, die dem Angeklagten an jedem Verhandlungstag mehrere stichhaltige Ablehnungsgründe bieten, von denen der Verteidiger aber weiß, dass der Mandant in der Sache eine günstige Entscheidung bekommen wird. In einem solchen Fall des tatsächlich nicht befangenen Richters, der (z.B. durch eine besonders raubeinige Art oder durch seine Offenheit im Dialog mit den anderen Prozessbeteiligten) ausreichend Ablehnungsgründe schafft, sollte es sich der Verteidiger sehr genau überlegen, ob er einen (voraussichtlich sogar erfolgreichen) Befangenheitsantrag stellt.
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Keiner großen Überlegung bedarf dagegen die Frage, ob ein Befangenheitsantrag gegen einen vom Verteidiger als tatsächlich befangen eingeschätzten Richter gestellt wird, wenn zudem auch noch ein Ablehnungsgrund vorliegt. Einen solchen Antrag zu unterlassen, wäre, falls nicht ausnahmsweise gewichtigere Gründe gegen den Antrag sprechen (etwa die Vermeidung einer Verfahrensverzögerung mit der Folge weiterer Inhaftierung des Angeklagten) ein schwerer Kunstfehler. Problematisch sind die Fälle, in denen bei einem tatsächlich befangenen Richter die Erfolgsaussicht des Ablehnungsantrages fraglich ist. In einem solchen Fall ist m.E. zu große Zurückhaltung fehl am Platz. Bei einem Richter, von dem der Angeklagte ohnehin keine Milde zu erwarten hat, ist der oft beschriebene Stimmungsverlust[1] auch für den Fall der Ablehnung des Befangenheitsantrags kein zusätzlicher großer Schaden. Inwieweit die Empfindlichkeit des durch einen Befangenheitsantrag „beleidigten“ Richters[2] auf seine Entscheidung Einfluss hat, kann ohnehin nur gemutmaßt werden. Untersuchungen hierzu sind nicht bekannt. Unterschätzt wird dagegen sicherlich die Wirkung, die ein solcher „Schuss vor den Bug“ zugunsten des Angeklagten haben kann. Der abgelehnte Richter weiß jedenfalls, dass die Verteidigung sich nicht alles gefallen lassen wird, abgesehen von dem (oft durchaus beabsichtigten) Nebeneffekt des Befangenheitsantrags, dass die dort vorgebrachten Gründe und dienstlichen Erklärungen für die Ablehnung aktenkundig gemacht werden.[3] Es dürfte einem Richter kaum angenehm sein, eine Stellungnahme dazu abgeben zu müssen, warum er etwa die Sacheinlassung des Angeklagten als „schwachsinnig“ bezeichnet hat,[4] oder wie er dazu kam, den Verteidiger als „Amokläufer“ zu titulieren.[5]
Hinweis
Unsinnige Anträge sollte der Verteidiger unterlassen. Gesuche, die von vornherein aussichtslos sind und die auch im Sinne einer Sachverhaltsfestschreibung nichts bringen (z.B. die Ablehnung mit dem Argument, der Richter sei befangen, weil der Angeklagte im Betreff des Strafverfahrens nur mit Vor- und Nachnamen, aber nicht mit „Herr“ und der Berufsbezeichnung genannt werde)[6] wirken inkompetent und schwächen dadurch die Verteidigungsposition. Es darf dann nicht verwundern, wenn der Verteidiger sich schwer tut, auch mit ernsthaften Anträgen durchzudringen.
b) Ablehnungsgründe
aa) Ablehnung bei gesetzlichem Ausschluss
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Gemäß § 22 ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, wenn er selbst Verletzter der Tat ist (Nr. 1). Dies ist dann der Fall, wenn er durch die Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist, also nicht erst während der Hauptverhandlung begangen wurde,[7] unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist. Eine nur mittelbare Betroffenheit, etwa durch Parteimitgliedschaft, reicht nicht aus,[8] ebenso wenig die Betroffenheit als Mieter bei Schädigung des Grundstückseigentümers.[9] Ausgeschlossen ist der Richter auch, wenn er zum Beschuldigten oder Verletzten in bestimmten rechtlichen oder persönlichen Beziehungen steht (Nr. 2, 3), wenn er in der gleichen Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig war (Nr. 4), oder wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist (Nr. 5). Dies gilt selbst dann, wenn über seine Anhörung kein förmliches Protokoll erstellt wurde und diese kein relevantes Wissen erbracht hat.[10] Ob seine Tätigkeit bei der Strafverfolgung als Staatsanwalt oder Polizeibeamter wesentlich war, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, ob er, wenn auch in untergeordneter Weise, irgendetwas zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Beeinflussung des Verfahrensablaufs getan hat.[11] Der Richter ist auch in bestimmten Fällen richterlicher Vorbefassung von der Mitwirkung bei der Entscheidung ausgeschlossen (§ 23).[12] Ein ehrenamtlicher Richter, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist gemäß § 33 Nr. 5 GVG vom Richteramt ausgeschlossen.[13]
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Der Ausschluss des Richters wirkt kraft Gesetzes. Die Bedeutung der zusätzlichen Ablehnungsmöglichkeit nach § 24 Abs. 1 liegt daher lediglich darin, dass die Behauptung des Antragstellers, es sei ein Fall der Ausschließung gegeben, überprüft werden muss.[14] Der Verteidiger muss wissen, dass die Ausschließung des Richters die Fehlerhaftigkeit sämtlicher Amtshandlungen in dem Verfahren zur Folge hat. Allerdings sind diese nicht unwirksam, sondern lediglich anfechtbar, insbesondere mit der Revision nach § 338 Nr. 2.[15] Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für den Eröffnungsbeschluss, an dem ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat.[16] Entsteht ein Ausschließungsgrund erst während der Hauptverhandlung, so muss diese vollständig wiederholt werden, weil § 226 verletzt ist.[17]