Kitabı oku: «Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis», sayfa 10
b) Checkliste Rechtmäßigkeit
220
• Tatbestandsvoraussetzungen
• Tatsachen
• (künftige) Begehung einer Straftat
• (Meldeauflage) zur Verhütung der Straftat erforderlich
• Rechtsfolge
• Pflicht zur Meldung an bestimmter Polizeidienststelle an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten
• Ermessen (legitimer Zweck: zur Verhütung von Straftaten)
• Maßnahmenspezifische Verfahrens- und Formerfordernisse
• Schriftform
• Begründung
• Befristung
c) Betroffene Grundrechte
221
Grundrechtlich sind verschiedene Fallgruppen zu differenzieren: Geht es darum, eine Person durch die Meldeauflage von der Teilnahme an einer Versammlung i. S. d. Art. 8 Abs. 1 GG abzuhalten, so ist Art. 8 Abs. 1 GG, die Versammlungsfreiheit, betroffen, wobei der Eingriff je nach Einzelfall gerechtfertigt werden kann. Gleiches gilt für Art. 11 EMRK.416
222
Das BVerwG hat ausgeführt, es komme Art. 11 Abs. 1 GG, die Freizügigkeit, als einschlägiges Grundrecht in Betracht, wenn der Betroffene geltend mache, er habe während der Dauer der Meldeauflage Wohnsitz oder (echten) Aufenthalt an einem Ort im Bundesgebiet nehmen wollen, woran er gehindert worden sei.417 Dies dürfte als Konstellation in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Letztlich findet – soweit es also nicht um Versammlungen geht und nicht um eine geltend gemachte Wohnsitz- oder (echte) Aufenthaltsnahme – Art. 2 Abs. 1 GG, die Allgemeine Handlungsfreiheit, Anwendung. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, die Freiheit der Person, die die „körperliche“ Bewegungsfreiheit und damit vor allem in Fällen der Ingewahrsamnahme schützt,418 spielt im Zusammenhang mit der Meldeauflage im Übrigen keine Rolle.
d) Einzelerläuterungen
aa) Tatbestandsvoraussetzungen
(1) Tatsachen
223
Hinsichtlich des Tatsachenbegriffs kann sinngemäß auf die Ausführungen zu der Vorladung i. S. d. § 11 SOG verwiesen werden, d. h. wesentlich sind konkrete Umstände und Fakten (B.II.1.d.aa.1.). Das OVG Lüneburg hat im Zusammenhang mit einer Meldeauflage für einen Fußball-Hooligan unterstrichen, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung das Tatsachenwissen zugrunde zu legen ist, das der Verwaltungs- oder Polizeibehörde zum Zeitpunkt des Einschreitens bekannt war.419
(2) (Künftige) Begehung einer Straftat
224
Es ist auf Basis der o. g. Tatsachen die Prognose anzustellen, ob der von der Maßnahme Betroffene eine Straftat begehen wird. Insofern geht es beispielsweise darum, ob es wohl durch den Betroffenen z. B. am Rande von Fußballspielen – etwa als gewalttätiger Hooligan – zu einer Verletzung von Rechtsgütern mit strafrechtlicher Relevanz kommen wird (§§ 223 ff. StGB), z. B. mit Blick auf andere an den Auseinandersetzungen Beteiligte oder an unbeteiligten Zuschauern und Passanten. Denkbar sind auch Prognosen dergestalt, dass Betroffene in das Ausland reisen, um sich in Terrorcamps für spätere Anschläge (= künftige Straftaten) ausbilden zu lassen.420 Ähnlich wie bei § 12 b Abs. 2 Satz 1 SOG („Straftat begehen wird“) dürfte auch hier ein im Vergleich zur konkreten Gefahr herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen sein.421
(3) Maßnahme zur Verhütung der Straftat erforderlich
225
Interessanterweise direkt auf Tatbestandsebene ist Voraussetzung, dass die Maßnahme zur Verhütung der Straftat erforderlich sein muss. Hier ist an sich zu prüfen, ob eine Meldeauflage geeignet und erforderlich sowie angemessen ist (vgl. dazu auch das Schrifttum zu § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, der die „Erforderlichkeit“ der Gewerbeuntersagung verlangt)422. Allerdings handelt es sich hier um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, mit der verbindlichen Zwecksetzung der „Verhütung der Straftat“, die ohnehin im Rahmen des Ermessens vorgenommen werden muss („zur Verhütung von Straftaten“). Damit kommt der hier in Rede stehenden Verhältnismäßigkeitsprüfung als Tatbestandsvoraussetzung eine rein deklaratorische Bedeutung zu.
bb) Rechtsfolge
226
In der Rechtsfolge kann eine auf höchstens 6 Monate befristete Meldeauflage angeordnet werden, und zwar von einer Verwaltungsbehörde oder der Polizei. Danach muss sich der Adressat an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten Polizeidienststelle melden. Hierbei steht den Behörden Ermessen zu (Einzelheiten unter B. I.4.). Im Rahmen des Gestaltungsermessens gibt § 11 a Satz 1 SOG für die Verhältnismäßigkeitsprüfung, dort wiederum für die Zwecksetzung, vor, dass die Meldeauflage „zur Verhütung von Straftaten“ erfolgen muss (vgl. auch die zusätzliche, deklaratorische Formulierung in § 11 a Satz 1 SOG: „wenn die Maßnahme zur Verhütung der Straftat erforderlich ist“). Weiterhin stellt sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bei der „Erforderlichkeit“ regelmäßig die Frage, ob es mildere und gleich effektive Mittel gibt.423 Insofern sei auf Alternativen wie Ausreisebeschränkungen oder Platzverweise hingewiesen. Ob sie jeweils milder sind (auch eine Frage des Ausmaßes der Meldeauflage) und ob sie gleich effektiv sind (Einzelfallfrage), kann nicht generell beantwortet, sondern muss in den spezifischen Situationen beurteilt werden. Die Alternativen sollten jedenfalls aber bedacht worden sein. Nicht ausgeschlossen ist, die Meldeauflage ergänzend anzuordnen.424 Eine Frage der Erforderlichkeit ebenso wie der Angemessenheit ist schließlich die zeitliche Dimension der Meldeauflage, d. h. die Bemessung der Dauer der Maßnahme.
227
Im Zusammenhang mit Versammlungen und dem dann betroffenen Art. 8 Abs. 1 GG, der einen besonderen Schutz vermittelt, sind auch Meldeauflagen denkbar. Anschaulich führt das BVerwG im Zusammenhang mit einer Meldeauflage wegen evtl. geplanter Straftaten durch deutsche Staatsbürger beim G8-Treffen in Genua 2001 aus:
„Die Meldeauflage war zur Abwehr der (…) Gefahr geeignet, denn mit ihrer Hilfe konnte der gewünschte Erfolg gefördert werden, den Kläger an der Begehung von Straftaten anlässlich politischer Versammlungen in Genua zu hindern. Die Meldeauflage war auch erforderlich, weil kein milderes Mittel zur Verfügung stand, um das mit ihr verfolgte Ziel gleich wirksam zu fördern. Insbesondere musste der Beklagte sich zur Gefahrenabwehr nicht mit der gegen den Kläger etwa zeitgleich verhängten Personalausweisbeschränkung gemäß § 2 Abs. 2 PersAuswG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG begnügen. Denn die am Wohnort zu befolgende Meldeauflage unterwarf den Kläger einer weitaus wirkungsvolleren Kontrolle als derjenigen, der er aufgrund der Personalausweisbeschränkung bei einem Ausreiseversuch seitens der Grenzkontrollbehörden ausgesetzt war. Entsprechendes gilt im Ergebnis für den Einwand des Klägers, die italienische Polizei sei zu gefahrenabwehrenden Maßnahmen an Ort und Stelle in der Lage gewesen. Denn dem Berliner Polizeipräsidenten stand, nachdem er die vom Kläger ausgehende Gefahr festgestellt hatte, zur Gefahrenabwehr keine andere, gleich wirksame Maßnahme als der Erlass des umstrittenen Bescheids zur Verfügung. Abgesehen davon besteht bei Ausschreitungen einer großen Zahl von Personen, wie sie hier von dem Beklagten befürchtet wurden, stets das Risiko, dass die Polizeibehörden am Ort der Versammlung der Ausschreitungen nicht oder nicht vollständig Herr zu werden vermögen. Diesem Risiko kann am ehesten dadurch begegnet werden, dass die (potenziellen) Gewalttäter schon im Vorfeld identifiziert und von der Versammlung ferngehalten werden.“425
228
Trotz dieser Ausführungen des Gerichts sollten im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 GG Meldeauflagen – um Rechtsrisiken nochmals zu senken – auf Personen mit besonderem Risikopotenzial beschränkt werden. So ist eine Meldeauflage – bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen – gut vertretbar etwa bei reisenden Gewalttätern, d. h. bei folgenden Personenhinweisen in POLAS/INPOL: „Straftäter rechts oder links motiviert“, „Straftäter politisch motiviert mit Bezug zu Ausländerkriminalität“.
cc) Maßnahmenspezifische Verfahrens- und Formerfordernisse
229
Gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG muss die Anordnung – wegen des Schriftformerfordernisses (§ 11 a Satz 2 SOG) – auch begründet werden (Ausnahmen: § 39 Abs. 2 HmbVwVfG, Begründungserfordernis). Gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Da es sich bei der Vorschrift zur Meldeauflage um eine Ermessensentscheidung handelt, soll die Begründung gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Die Meldeauflage ist nach § 11 a Satz 2 SOG auf höchstens sechs Monate zu befristen. Die Befristung ist so lange zu bemessen, wie die Gefahrenlage prognostisch andauern wird. Nach § 11 a Satz 3 SOG sind Verlängerungen möglich, wenn die Voraussetzungen weiter vorliegen.
3. Feststellung der Personalien, § 12 SOG
Tim Holzki
a) Vorbemerkung
230
Die Feststellung der Personalien entspricht inhaltlich der Identitätsfeststellung des § 13 PolDVG.426 Gleichwohl geht § 13 PolDVG in den Fällen, in denen die Polizei die Identität einer Person überprüft, dem § 12 SOG als neuere und speziellere Regelung vor.427 § 12 SOG findet daher nur dann Anwendung, wenn nicht die Polizei, sondern andere Verwaltungsbehörden zur Gefahrenabwehr die Personalien einer Person feststellen wollen.428 Die Norm dient insoweit der Individualisierung von Personen als (Nicht-)Störer, Zeuge, Opfer oder unbeteiligter Dritter, um zielgerichtete Maßnahmen ergreifen zu können.429 Die im Rahmen des § 12 SOG getroffenen Anordnungen erfüllen die Voraussetzungen des § 35 Satz 1 HmbVwVfG und sind daher als Verwaltungsakt zu qualifizieren.430
b) Checkliste Rechtmäßigkeit
231
• Tatbestandsvoraussetzungen
• zur Gefahrenabwehr
• Personalien auf andere Weise nicht/nur unter erheblichen Schwierigkeiten feststellbar oder Verdacht unrichtiger Angaben (bei Verbringung zur Dienststelle)
• Rechtsfolge
• Anhalten der Person und Feststellung der Personalien
• Verbringen zur Dienststelle
• Ermessen (Erforderlichkeit: Beschränkungen, die zur Feststellung der Personalien erforderlich sind)
• Maßnahmenspezifische Verfahrens- und Formerfordernisse
• Bekanntgabe Grund
• Gelegenheit zur Benachrichtigung Dritter
• weitere Modalitäten
c) Betroffene Grundrechte
232
Ein Anhalten gem. § 12 Abs. 1 SOG stellt einen Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar.431 Die Feststellung der Personalien durch Befragen und das Verlangen, die mitgeführten Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen, bewirken hingegen einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).432 Die Intensität des Grundrechtseingriffs ist jedoch jedenfalls dann als verhältnismäßig gering anzusehen, wenn die Feststellung der Personalien weder im Geheimen noch ohne Anlass erfolgt und die Persönlichkeitsrelevanz der erhobenen Daten von vornherein eingegrenzt ist.433 Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn die Feststellung der Personalien auf Situationen beschränkt wird, in denen Umstände des konkreten Ortes oder dokumentierte Lageerkenntnisse einen Anknüpfungspunkt für erhöhte Risiken der Rechtsgutgefährdung oder -verletzung aufweisen und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass diesen Risiken mit der Maßnahme nach § 12 Abs. 1 SOG begegnet werden kann,434 denn auf diesem Wege wird das staatliche Handeln „an vorhersehbare und kontrollierbare Voraussetzungen gebunden“435.
233
Die Sistierung gem. § 12 Abs. 2 SOG ist grundsätzlich als Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG einzuordnen.436 Sie kann jedoch ausnahmsweise die Intensität einer Freiheitsentziehung erreichen.437 In diesen Fällen bemisst sich ihre Zulässigkeit nach Art. 104 Abs. 2 GG.438 Lediglich eine Freiheitsbeschränkung liegt insbesondere dann vor, wenn die Sistierung nur kurzfristig aufrechterhalten wird.439 In der Literatur werden als zeitliche Obergrenze maximal eine440 bzw. zwei441 Stunden vorgeschlagen. Eine zeitliche Obergrenze wird sich jedoch abstrakt kaum festlegen lassen, sondern muss nach den Umständen des Einzelfalls, wie etwa dem Geschäftsanfall oder der Anzahl der Betroffenen, bestimmt werden.442 Nur so wird den handelnden Behörden die nötige Flexibilität für die Vielzahl der in der Praxis zu bewältigenden Sachverhalte eingeräumt. Eine Freiheitsentziehung ist allerdings jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Betroffene in einem Polizeiwagen zur Polizeiwache verbracht und dort in eine Gewahrsamszelle eingesperrt wird.443
234
Im Rahmen des Auswahlermessens ist das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK zu berücksichtigen.
d) Einzelerläuterungen
aa) Tatbestandsvoraussetzungen
(1) Zur Gefahrenabwehr
235
Zu den Voraussetzungen: § 12 Abs. 1 SOG ermächtigt die Verwaltungsbehörden, zur Gefahrenabwehr eine Person anzuhalten und ihre Personalien festzustellen. Die von der Norm vorgesehenen Maßnahmen kommen insoweit nur dann in Betracht, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 SOG vorliegt.444 Weitere tatbestandliche Voraussetzungen nennt die Norm nicht. Insbesondere trifft sie keine näheren Regelungen hinsichtlich der Störereigenschaft des Betroffenen. Mit der Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 SOG wird allerdings auch eine Anknüpfung an die allgemeinen Regeln der §§ 8 ff. SOG verbunden sein, sodass auch deren jeweilige Tatbestandsmerkmale vorliegen müssen.445 Dementsprechend müssen Maßnahmen gegenüber Dritten den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SOG genügen.446
(2) Personalien auf andere Weise nicht/nur unter erheblichen Schwierigkeiten feststellbar oder Verdacht unrichtiger Angaben (bei Verbringung zur Dienststelle)
236
§ 12 Abs. 2 SOG normiert ein Mittel für die Fälle, in denen sich die Personalien der angehaltenen Person vor Ort nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten feststellen lassen oder der Verdacht unrichtiger Angaben besteht.447 Feststellung der Personalien meint (hier als Tatbestandsvoraussetzung) „die offene Erhebung von Daten, die eine natürliche Person von einer anderen Person unterscheiden“448. Vom Begriff der Daten umfasst ist insbesondere der Vor- und Familienname, der Geburtstag und -ort sowie die Wohnanschrift und die Staatsangehörigkeit des Maßnahmenadressaten.449 Im Regelfall wird die Feststellung der Personalien durch Vorzeigen des Personalausweises erfolgen.450 Alternativ kommt etwa auch die Vorlage des Führerscheins, eines Vereinsausweises oder die Aussage eines Zeugen in Betracht.451 Die Pflicht zur Vorlage des Personalausweises folgt bereits aus § 1 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 PAuswG. Aus dieser Norm lässt sich indes keine allgemeine Pflicht ableiten, sich ohne Grund auf amtliche Aufforderung ausweisen zu müssen oder sonstige Angaben zu seinen Personalien zu machen.452 Für die Praxis ist daher anzuraten, die Feststellung der Personalien zu begründen, obwohl § 12 SOG – anders als etwa § 11 Abs. 2 Satz 1 SOG – keine derartige Pflicht vorsieht. Um die Effektivität der Gefahrenabwehr zu gewährleisten und gleichzeitig die handelnden Beamten nicht zu überfordern, wird man an die Begründung keine zu hohen Anforderungen stellen dürfen.
237
Erhebliche Schwierigkeiten meint rechtliche oder tatsächliche Hemmnisse, die zu einer nicht nur marginalen Verzögerung des Überprüfungsverfahrens führen. Der Verdacht unrichtiger Angaben besteht insbesondere dann, wenn im konkreten Fall Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Papiere unecht oder solche dritter Personen sind.453 Nach Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 SOG (Effektivität der Gefahrenabwehr) wird man unter § 12 Abs. 2 SOG auch Situationen fassen müssen, in denen die mitgeführten Dokumente über die Identität des Betroffenen keinen Aufschluss geben.454 Dies ist jedoch nicht bereits dann der Fall, wenn das vorgelegte Dokument lediglich abgelaufen ist,455 denn die Aussagekraft der im Dokument enthaltenen Informationen ist nicht zwingend mit der Gültigkeit des Dokuments selbst verknüpft.
bb) Rechtsfolge
(1) Anhalten
238
Auf Rechtsfolgenseite berechtigt § 12 Abs. 1 SOG die Verwaltungsbehörden zunächst zum Anhalten einer Person. Anhalten ist zu verstehen als Unterbrechung der Fortbewegung,456 worin ein regelmäßig zulässiger, vorbereitender Begleiteingriff zur Feststellung der Personalien liegt.457 Spiegelbildlich besteht die Pflicht des Angehaltenen, sich vor und während der Durchführung der Personalienfeststellung nicht zu entfernen.458
(2) Feststellung der Personalien
239
§ 12 Abs. 1 SOG ermächtigt die handelnde Behörde darüber hinaus zur Feststellung der Personalien. Hinsichtlich der Begriffsdefinition wird auf B.II.3.d.aa.2. verwiesen. Sofern die handelnden Beamten den Adressaten auffordern, seine Personalien anzugeben und seine Ausweispapiere auszuhändigen, handelt es sich auch hierbei um einen zulässigen Begleiteingriff.459
(3) Zur Dienststelle bringen
240
§ 12 Abs. 2 SOG regelt unter dem Merkmal „zur Dienststelle bringen“ die sog. „Sistierung“.460 Aus dem Wortlaut des § 13 b Abs. 1 SOG („wird eine Person auf Grund von § 12 Abs. 2 oder § 13 festgehalten“) folgt, dass § 12 Abs. 2 SOG, sofern dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen, auch zum Festhalten einer Person berechtigt.461 Für diese Einschätzung spricht auch der Blick auf den (für die Polizei spezielleren) § 13 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 PolDVG, der ebenfalls eine solche Ermächtigung beinhaltet.
241
Da § 15 Abs. 2 Satz 1 SOG auf § 12 SOG Bezug nimmt („Eine Person, deren Personalien nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt oder die im öffentlichen Verkehrsraum angehalten und kontrolliert werden soll“), darf der Adressat der Maßnahme nach § 12 Abs. 2 SOG auch nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln durchsucht werden, sofern dies den Umständen nach zum Schutz von Bediensteten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
(4) Ermessen
242
Sowohl § 12 Abs. 1 SOG („sind berechtigt“) als auch § 12 Abs. 2 SOG („darf“) räumen der handelnden Behörde Ermessen ein. Ein Ermessensfehlgebrauch kann zunächst im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 GG aus der Wahl unzulässiger Auswahlkriterien bei der Bestimmung des Maßnahmeadressaten entstehen.462 Dieser Aspekt wird insbesondere unter der Bezeichnung des „racial profiling“ diskutiert, bei dem Merkmale wie Rasse oder ethnische Herkunft im Rahmen des Auswahlermessens mitberücksichtigt werden.463 Die obergerichtliche Rechtsprechung sieht hierin einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 GG.464 Teile der Literatur machen darüber hinaus einen Verstoß gegen Art. 14 EMRK geltend.465 Ungeachtet dessen, aus welcher Rechtsquelle man das genannte Verbot ableitet, wird man es jedenfalls in den Fällen bejahen müssen, in denen sich das Auswahlermessen ausschließlich an den genannten Kriterien orientiert.466
243
Weitere gesetzliche Grenzen der Ermessensausübung ergeben sich auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.467 Dieser wird auf der Ebene der Erforderlichkeit durch § 12 Abs. 3 SOG konkretisiert,468 nach dem der angehaltenen Person nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die zur Feststellung der Personalien erforderlich sind. Das mildeste Mittel im Rahmen des § 12 SOG stellt die Ausweiskontrolle dar,469 sodass diese aus Verhältnismäßigkeitsgründen vor einer Sistierung erfolgen muss.470 Führt die überprüfte Person keinen Ausweis bei sich, so kommt als milderes Mittel zur Sistierung auch die Vorlage anderer Dokumente, wie beispielsweise des Führerschein,471 in Betracht, solange diese ein Lichtbild, das Geburtsdatum und den vollständigem Namen beinhalten.472 Dies gilt jedoch nicht, wenn spezifische Anhaltspunkte für Unstimmigkeiten (wie beispielsweise Verfälschungen oder den unrechtmäßigen Besitz der Papiere) gegeben sind.473 Ebenfalls als milderes Mittel zur Sistierung kommt die Durchsuchung des Betroffenen und der von ihm mitgeführten Sachen in Frage.474 Hierfür spricht der systematische Blick auf § 13 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 PolDVG, der die Polizei zur Durchsuchung des Betroffenen und der von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die zur Identitätsfeststellung dienen können, ermächtigt.475 Soll der Betroffene gefesselt werden, so ist dies nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 23 SOG zulässig.476
244
Bereits an der Angemessenheit des Anhaltens fehlt es schließlich, wenn der Betroffene am Anhalteort auf die Feststellung der Personalien über die Maßen warten muss, während sich die handelnden Beamten anderen Aufgaben zuwenden.477 Gleiches gilt im Rahmen der Sistierung nach § 12 Abs. 2 SOG, wenn der Betroffene mehrere Stunden zur Identitätsfeststellung auf der Wache untergebracht wird.478 Diesem Aspekt trägt auch § 13 c Abs. 2 SOG („Dauer der Freiheitsentziehung“) Rechnung, dessen Voraussetzungen mit guten Gründen nicht nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, sondern auch innerhalb der maßnahmenspezifischen Verfahrensvorschriften geprüft werden können. Aus der in der Regelung festgelegten Obergrenze von 12 Stunden folgt, dass darunter liegende Wartezeiten – sofern nicht weitere Aspekte hinzukommen – einer Angemessenheitsprüfung in der Regel standhalten.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.