Kitabı oku: «Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis», sayfa 9
cc) Auswahlermessen
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Ist eine Maßnahme im Sinne des Gestaltungsermessens auch verhältnismäßig, steht in Fällen mehrerer Störer (§§ 8, 9 SOG) oder potenziell mehrerer in Anspruch nehmbarer Dritter (Nichtstörer, § 10 SOG) noch nicht fest, gegen wen die Maßnahme konkret zu adressieren ist. Die Einzelheiten zur Auswahl von einer Person unter mehreren Störern/Nichtstören sind unter B. I.3.e. beschrieben. Wird aber gegenüber einer Vielzahl von Personen gleichermaßen eine Maßnahme ergriffen, z. B. ein Platzverweis per Lautsprecher gegenüber einer Menschenmenge erteilt, weil beispielsweise aufgrund eines möglichen Terroranschlages für alle Personen eine Gefahr besteht, stellt sich keine Auswahlproblematik (Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 Satz 2 Alt. 1 HmbVwVfG).
c) Ermessensfehler
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Die Überprüfung der Ermessensbetätigung durch spätere Gerichtsverfahren ist eingeschränkt, weil der Verwaltung ein Ermessensspielraum zukommt. Nach § 114 Satz 1 VwGO überprüft das Gericht nur, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Im Übrigen können die Verwaltungsbehörden ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gem. § 114 Satz 2 VwGO ergänzen. Diese eingeschränkte Überprüfbarkeit des Ermessens ist nicht zu verwechseln mit der richterlichen Überprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite (wie „Gefahr“) – hier besteht eine volle Überprüfungskompetenz und -pflicht der Gerichte.
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Kurz gefasst lässt sich sagen, dass nur schwerwiegende Fehler zugleich einen Ermessensfehler begründen und insoweit gerichtlich anfechtbar sind. Bildlich gesprochen darf der Richter bei der Ermessensfrage seine Lupe „etwas unscharf“ stellen. Sind dann immer noch Fehler erkennbar, so handelt es sich um Ermessensfehler. Die Kategorisierung von Ermessensfehlern erfolgt weder in Literatur noch in Rechtsprechung einheitlich. Anerkannt ist jedenfalls folgende Systematisierung:
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Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn eine nicht mehr im Rahmen der Ermessensvorschrift vorgesehene Rechtsfolge gewählt wird.368 Wird z. B. ein Platzverweis, der nur vorübergehend gem. § 12 a SOG gelten kann, auf 3 Monate ausgesprochen, liegt ein Fall einer Ermessensüberschreitung vor.
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Beim Ermessensnichtgebrauch (Ermessensunterschreitung) übt die Behörde irrtümlich kein Ermessen aus, weil sie nicht erkannt hat, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt.369
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Bei dem Ermessensfehlgebrauch (Ermessensmissbrauch) lässt sich die Verwaltung nicht von dem Zweck der Norm, sondern von anderen Zwecken leiten, sie lässt wichtige Gesichtspunkte unberücksichtigt oder sie berücksichtigt falsche Gesichtspunkte.370 Wenn z. B. eine polizeiliche Maßnahme nicht der Gefahrenabwehr dient, sondern nur dazu, einem Bürger „einen Gefallen“ zu erweisen, liegt Ermessensfehlgebrauch vor.
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Ermessensfehlerhaft ist auch ein Verstoß gegen Grundrechte und allgemeine Verwaltungsgrundsätze371, etwa ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Insofern ist eine Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes essenziell.
II. Personenbezogene Standardmaßnahmen
1. Vorladung, § 11 SOG
Tim Holzki
a) Vorbemerkung
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Die §§ 11 ff. SOG enthalten unter der Abschnittsüberschrift „Besondere Maßnahmen“ die sog. Standardmaßnahmen.372 Bei diesen Normen handelt es sich um Ermächtigungsgrundlagen für in der Praxis häufig wiederkehrende Sachlagen, in denen ein schnelles und situationsadäquates behördliches Handeln gefordert ist.373 Die Regelungen lassen sich nach ihrer Wirkungsrichtung in personenbezogene und objektbezogene Vorschriften unterscheiden. Sie gehen aufgrund ihrer spezielleren Voraussetzungen sämtlich der Generalklausel des § 3 Abs. 1 SOG vor.374
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Die Vorladung gem. § 11 SOG stellt eine geradezu „klassische“ Maßnahme des Polizei- und Ordnungsrechts dar,375 die von den vergleichbaren (repressiven) Maßnahmen der StPO (§§ 161 a, 163 a Abs. 3 und 133) abzugrenzen ist.376 Hieraus folgt die Unzulässigkeit einer Vorladung im Rahmen der Gefahrenabwehr, wenn das mit ihr verfolgte Ziel die Aufklärung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ist.377
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Statthafter Rechtsbehelf gegen die Vorladung ist im Hauptsacheverfahren die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, denn bei der Vorladung handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt.378
b) Checkliste Rechtmäßigkeit
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• Tatbestandsvoraussetzungen
• Tatsachen und Annahme bezüglich sachdienlicher Hinweise
• erkennungsdienstliche Maßnahmen
• Rechtsfolge
• Vorladung
• Ermessen (legitimer Zweck: zur Gefahrenabwehr)
• Maßnahmenspezifische Verfahrens- und Formerfordernisse
• Begründung
• Festsetzung des Zeitpunktes
• Zwang
• Entschädigung
c) Betroffene Grundrechte
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In grundrechtlicher Hinsicht stellt die Vorladung zwar einen Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG dar, sie tangiert jedoch nicht automatisch die körperliche Bewegungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.379 Für einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG fehlt es nämlich an der vom BVerfG geforderten Eingriffsintensität.380 Die Vorladung stellt daher auch keine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG dar.381
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Da Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG vor unmittelbarem Zwang schützt,382 wird durch die Durchsetzung der Vorladung mittels Vorführung auch ein Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) bewirkt.383 Die Vorführung ist aber grundsätzlich nur als Freiheitsbeschränkung (Art. 104 Abs. 1 GG) und nicht als Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) zu qualifizieren.384 Sie kann daher aufgrund eines formellen Gesetzes unter Wahrung der darin festgelegten Form von der zuständigen Behörde angeordnet werden, solange die jeweilige landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage keine richterliche Entscheidung fordert.385 Eine Freiheitsentziehung kann aber dann in Betracht kommen, wenn die Vorführung von der Intensität ihrer Eingriffswirkung her über das Maß einer bloßen Freiheitsbeschränkung hinausgeht.386 Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn der Vorführungsadressat über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum einstweilen in einem Gewahrsamsraum festgehalten wird.387
d) Einzelerläuterungen
aa) Tatbestandsvoraussetzungen
(1) Tatsachen und Annahme bezüglich sachdienlicher Hinweise
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Die Vorladung darf nur erfolgen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Vorzuladende sachdienliche Hinweise machen kann, die für die Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Der Begriff der Vorladung meint das an eine konkrete Person gerichtete rechtliche Erfordernis, zu einer gewissen Zeit an einem gewissen Ort zu erscheinen und dort bis zur Erledigung des in der Vorladung bezeichneten Sachverhalts zu verweilen.388 Zweck der Vorladung kann zunächst die Informationserlangung im Wege der polizeilichen Befragung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SOG) sein. Einen Ort, an dem sich der Vorgeladene einzufinden hat, nennt § 11 SOG nicht. Es kommen daher nicht nur eine Dienststelle der Polizei (wohl der Regelfall), sondern auch andere Orte in Frage.389
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Zu den Voraussetzungen: Der Begriff der „Tatsachen“ ist von dem der „tatsächlichen Anhaltspunkte“, wie sie etwa § 15 a Abs. 1 Satz 2 SOG und auch § 12 Abs. 1 PolDVG fordern, abzugrenzen.390 Tatsachen im Sinne des § 11 SOG sind konkrete Umstände und Fakten.391 An das Vorliegen der Tatsachen sind strengere Konkretisierungsanforderungen zu stellen, als an „tatsächliche Anhaltspunkte“.392 Gegen eine Gleichsetzung beider Begriffe spricht, dass der Hamburger Gesetzgeber beide Begriffe (teilweise gar innerhalb derselben Norm) parallel verwendet,393 so etwa in § 12 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 29 Abs. 1 Nr. 2 und § 13 Abs. 4 Satz 3 PolDVG. Außerdem ergibt sich bereits aus den Gesetzgebungsmaterialien, dass der Gesetzgeber beiden Begriffen eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen hat und sie bewusst differenziert verwendet.394
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Als zweite tatbestandliche Voraussetzung fordert § 11 Abs. 1 Satz 1 SOG, dass die Person sachdienliche Hinweise machen kann, die für die Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Es handelt sich anders ausgedrückt um eine Prognoseentscheidung, ob die entscheidenden Tatsachen unter Berücksichtigung der polizeilichen Erfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss zulassen, dass sachdienliche Hinweise gemacht werden können.395
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Dass den Vorladungsadressaten im Rahmen des § 11 SOG jedenfalls eine Pflicht zum Erscheinen und Bleiben trifft, folgt bereits aus der Normierung der Zwangsmittel (Zwangsgeld oder Vorführung) in § 11 Abs. 3 SOG. Bestünde eine derartige Pflicht nämlich nicht, so wäre die Formulierung dieser Zwangsmaßnahmen überflüssig. Die Erscheinens- und Bleibepflicht des Vorgeladenen besteht dabei unabhängig davon, ob ihn gleichzeitig eine Auskunftspflicht trifft.396 Der letztgenannte Aspekt bemisst sich nämlich nach den Voraussetzungen der §§ 12 ff. PolDVG397 und ist insoweit von den Anforderungen des § 11 SOG zu trennen.398
(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen
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Das Tatbestandsmerkmal der erkennungsdienstlichen Maßnahmen bezieht sich auf § 16 Abs. 3 PolDVG. Es müssen deshalb im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 2 SOG auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 PolDVG erfüllt sein.399 Sind die genannten Tatbestandsvoraussetzungen gegeben, ist die Vorladung erforderlich.400 Die Rechtmäßigkeit einer verbindlichen Vorladung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung „eventuell auf freiwilliger Basis“ ist hingegen diskutabel.401 In der Vorladung ist schließlich aufzuführen, welche konkrete erkennungsdienstliche Behandlung erfolgen soll.402
bb) Rechtsfolge
(1) Vorladung
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Mit Blick auf die Rechtsfolge sieht § 11 SOG als Maßnahme zur Gefahrenabwehr die Möglichkeit vor, eine Vorladung zu erlassen. Aus der Formulierung „darf“ wird deutlich, dass die Norm den handelnden Behörden Ermessen einräumt (s. ausführlich zum Ermessen: B. I.4.).
(2) Ermessen
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Das eingeräumte Ermessen bezieht sich nicht nur auf die Frage, ob die Behörde die Vorladung erlässt (Entschließungsermessen), sondern grundsätzlich auch darauf, wie sie die Rechtsfolge gestaltet (Gestaltungsermessen) sowie auf das Auswahlermessen bei mehreren in Betracht kommenden Personen (s. dazu B. I.4.b.). In der Ausübung ihres Gestaltungsermessens ist sie jedoch nicht vollkommen frei, denn § 11 Abs. 1 Satz 1 SOG legt fest, dass eine Vorladung nur „zur Gefahrenabwehr“ ergehen darf. Insoweit konkretisiert die Norm die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Vorladung, indem sie deren Zwecksetzung näher ausgestaltet. Es ist durchaus diskutabel, das Merkmal „zur Gefahrenabwehr“ nicht auf der Ebene der Rechtsfolge, sondern bereits auf Tatbestandsebene zu prüfen und in diesem Zuge außerdem das Vorliegen einer konkreten Gefahr zu fordern.403 Gegen eine Prüfung auf Tatbestandsebene spricht jedoch der systematische Blick auf § 4 Abs. 1 SOG, der die Eignung der behördlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gerade auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit verortet (s. zur Verhältnismäßigkeit B. I.4.b.bb.). Der Forderung nach der Prüfung einer konkreten Gefahr lässt sich entgegenhalten, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 SOG gerade eine spezifische Gefahrensituation regelt („wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass…“), deren Voraussetzungen sich abschließend aus dem Wortlaut der Norm ergeben und es deshalb schon keines Rückgriffs auf die Anforderung der „konkreten Gefahr“ bedarf. Anderenfalls drohen nicht nur Redundanzen, sondern es besteht auch das Risiko, die vom Gesetzgeber bewusst geschaffenen, speziellen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 SOG zu unterlaufen. Insofern erscheint eine eher allgemein gehaltene Prüfung der Voraussetzung „zur Gefahrenabwehr“ im Ermessen ausreichend.
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In der Praxis dürften sich diese dogmatischen Fragen kaum auswirken, denn nach allen Ansichten muss die Voraussetzung „zur Gefahrenabwehr“ (entweder im Tatbestand oder im Ermessen) geprüft werden. Außerdem dürfte bei Vorliegen der eigentlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 SOG eine konkrete Gefahr in der Regel zugleich vorliegen.
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An der Erforderlichkeit der Vorladung fehlt es, wenn die handelnde Behörde auch auf andere Weise die begehrte Auskunft erlangen kann.404 Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr, sodass die Anforderungen an die Erforderlichkeit nicht überspannt werden dürfen. Da eine Vorladung von vornherein insbesondere in den Fällen nicht in Betracht kommt, in denen die erhofften Erkenntnisse der Aufklärung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit dienen sollen, ist in der Praxis schließlich darauf zu achten, dass bei der Befragung ausreichend deutlich wird, dass gefahrenabwehrrechtliche, aber keine strafprozessualen Zwecke verfolgt werden.405
cc) Maßnahmenspezifische Verfahrens- und Formerfordernisse
(1) Form und Begründung (§ 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SOG)
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Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SOG darf die Vorladung schriftlich oder mündlich ergehen. Die Vorschrift ist somit enger gefasst, als § 37 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVfG, der auch den Erlass von Verwaltungsakten „in sonstiger Weise“ ermöglicht. Ferner soll gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 SOG bei der Vorladung deren Grund angegeben werden. Ob eine Begründung erfolgt, steht somit im intendierten Ermessen der handelnden Behörde. Unter Zugrundelegung der allgemeinen Regeln (hier: „Soll-Vorschrift“) bedeutet dies, dass nur in Ausnahmefällen von einer Begründung abgesehen werden kann.406 Darüber hinaus streiten auch rein praktische Erwägungen für ein Begründungserfordernis im Regelfall: Je konkreter nämlich der Vorzuladende über den Grund der Vorladung informiert ist, desto eher weiß er, was von ihm gefordert wird407 und desto zielgerichteter kann er ggf. Auskunft geben.408 In diesem Zusammenhang ebenso zu berücksichtigen ist das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Dieses steht einer allgemein gehaltenen oder floskelhaften Begründung wie „zur Aufklärung eines Sachverhalts“ ebenso entgegen, wie einer Vorladung allein zum Zwecke der Ausforschung.409 Für den Betroffenen muss nämlich bereits aus der Begründung deutlich werden, in welchem Kontext und aus welchem Grund die Vorladung erfolgt und warum sie gerade ihm gegenüber ergeht.410
(2) Festsetzung des Zeitpunkts (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SOG)
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Gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 SOG soll bei der Festsetzung des Zeitpunkts der Vorladung auf den Beruf und die sonstigen Lebensverhältnisse der betroffenen Person Rücksicht genommen werden. Dieses Tatbestandsmerkmal lässt sich, sofern man es nicht als maßnahmenspezifisches Verfahrenserfordernis einordnet, ebenso als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes prüfen.411 Hinsichtlich der Berufsdefinition kann auf Art. 12 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden. Problematische Abgrenzungsfragen sind an dieser Stelle kaum zu erwarten, denn unter das sehr weit gefasste Merkmal der sonstigen Lebensverhältnisse dürften sich die meisten für den Vorladungszeitpunkt relevanten tatsächlichen Konstellationen subsumieren lassen. Denkbar sind etwa familiäre, erzieherische oder gesundheitliche Aspekte. Um den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 Satz 2 SOG nicht ausufern zu lassen und so die zeitlichen Dispositionsmöglichkeiten der Behörde über die Maßen einzuschränken, sind bei dessen Auslegung der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Korrektiv zu berücksichtigen.
(3) Zwang (§ 11 Abs. 3 SOG)
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Leistet die betroffene Person der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann die Vorladung mittels Zwangsgeld oder Vorführung durchgesetzt werden. Ein hinreichender Grund liegt vor, wenn unter Abwägung der beteiligten Interessen und unter Berücksichtigung der Effektivität der Gefahrenabwehr vom Vorgeladenen nicht verlangt werden kann, am Ort der Vorladung zu erscheinen. Eine Vorführung kommt als Zwangsmittel allerdings nur dann in Betracht, wenn die Angaben der betroffenen Person entweder zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind oder wenn die Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen notwendig ist (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SOG). Betrachtet man § 11 Abs. 3 SOG im Ländervergleich, so wird deutlich, dass die Hamburger Regelung an die Zulässigkeit der Vorführung höhere Anforderungen stellt, als etwa ihr bayerisches oder sächsisches Pendant. So statuiert Art. 15 BayPAG zwar ebenfalls das Erfordernis einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, die Norm lässt es aber bereits ausreichen, wenn eine solche Gefahr nur droht. § 14 Abs. 2 Nr. 1 SächsPVDG fordert hingegen lediglich eine erhebliche Gefahr, lässt aber offen, auf welches Rechtsgut sich diese beziehen muss. Beide Ausgestaltungen weisen in verfassungsrechtlicher Hinsicht Spannungspotential auf.
(4) Entschädigung (§ 11 Abs. 5 SOG)
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§ 11 Abs. 5 SOG ordnet die entsprechende Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen an.
2. Meldeauflage, § 11 a SOG
Sven Eisenmenger
a) Vorbemerkung
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Die Vorschrift ist durch Gesetz vom 12. 12. 2019412 eingeführt worden. Die Meldeauflage wurde bislang auf die Generalklausel gestützt, ist aber klarstellend nunmehr in § 11 a SOG geregelt. Sie bezweckt in der Regel zu verhindern, dass sich eine Person an einen bestimmten Ort begibt. So kann sich die Meldeauflage z. B. an Hooligans richten, die gehindert werden sollen, an bestimmten Fußballspielen teilzunehmen, oder an potenzielle Attentäter, bei denen ohne die Auflage die Gefahr bestünde, dass sie sich im Ausland in Terrorcamps ausbilden lassen.413 Rechtstatsächlich wurden in Hamburg z. B. im Rahmen der Fußballeuropameisterschaft 14 Meldeauflagen erteilt,414 im Rahmen der FIFA-WM 2006 insgesamt 8415.
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In ihrer Struktur ist die Vorschrift klar aufgebaut. Sie setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person eine Straftat begehen wird und die Maßnahme zur Verhütung dieser Straftat erforderlich ist, § 11 a Satz 1 SOG. Die Meldeauflage bedarf der Schriftform und ist auf höchstens sechs Monate zu befristen, § 11 a Satz 2 SOG. Eine Verlängerung ist aber möglich, § 11 a Satz 3 SOG. Mit der Anordnung der Schriftform ist zugleich auch ein grundsätzliches Begründungserfordernis ausgelöst (§ 39 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG). Bei der Befristung handelt es sich um eine Nebenbestimmung i. S. d. § 36 Abs. 2 Nr. 1 HmbVwVfG.