Kitabı oku: «Nur dämlich, lustlos und extrem?», sayfa 4
Finden die anderen Bandmitglieder die Texte immer sofort gut oder seid ihr euch manchmal auch uneinig?
Carl: Wir sind keine Demokratie! [lachen] Nein, keine Ahnung. Weiß ich nicht. Findet der Rest der Band die Texte gut?
Ruben: Doch ja! Natürlich! Ich glaub. Ich weiß nicht …
Carl: Es ist bei uns tatsächlich nicht so, dass wir am laufenden Band neues Material produzieren. Ich schreib schon mehr Texte, als nachher in Songs verwurstet werden. Aber ich geh nicht mit jedem Text zu Ruben und frag, ob er den cool findet. Sondern wenn ich einen hab, den ich richtig geil find, dann bring ich den zur Probe mit. Natürlich ändert man dann noch Zeilen. Aber im Großen und Ganzen ticken wir ja schon ähnlich. ’ne Band ist ja ein sehr komplexes Gefüge. Es würde nicht funktionieren, wenn wir nicht alle auf einer Wellenlänge wären. Das harmoniert gut, denn wir haben alle ähnliche politische Ansichten. Und wir wissen auch, was mit dem Subtext gemeint ist, oder auch wenn man mal so ’nen zynischen Kommentar abgibt oder so, fühlt sich niemand persönlich angegriffen. Der Rest der Band weiß das dann schon immer einzuordnen.
Ruben: Wenn wir irgendwas mal nicht so gut fanden, was jemand geschrieben hat, dann war das nie inhaltlicher Natur, sondern höchstens irgendwie stilistisch, dass man z. B. gesagt hat: »Willst du das Wort da wirklich benutzen?« Solche Sachen. Aber es war jetzt nie so, dass mal jemand gesagt hat: »Worüber schreibst denn du da? Das interessiert mich nicht«, oder: »Das interessiert niemanden. Was für komische Themen sind das?« Dass man sich über Stil mal auseinandersetzt, das ist ja völlig legitim. Das ist ja der Songwriting-Prozess. Aber dass jemand mal gesagt hätte: »Deine Meinung, die du da verkörperst in dem Text, die find ich scheiße …
Carl: … da kann ich nicht für auf die Bühne gehen. Das geht gar nicht, so was.
Ruben: … das gabs nicht. Da sind wir schon ziemlich d’accord, meinungstechnisch.
Das heißt, auch in eurer Nicht-Demokratie haben die anderen noch ein kleines Stimmrecht? [lacht]
Ruben: Fairerweise muss man dazu sagen, dass man schon richtig aktiv nach der Meinung anderer Mitglieder fragen muss, um eine Meinung zu bekommen.
Carl: Kann man schon sagen. Diverse Leute brauchen manchmal ’nen Arschtritt. Unser Bassist tickt ähnlich wie wir, aber der hat die grandiose Eigenschaft, dass er selten eine Meinung hat. Oder der ist extrem reflektiert. Der wägt immer ab. Weil er immer die Ambivalenz in sämtlichen Themen sieht. Der enthält sich quasi immer.
Ruben: Für ’ne funktionierende Demokratie braucht es ja auch die Partizipation des Volkes. Und wenn die nicht da ist, dann ist es ja keine Demokratie mehr. [lachen] Es ist bei uns quasi ’ne Demokratie auf Nachfragen.
Carl: Wenn der nix sagt und sich enthält, ist es eigentlich ganz gut, weil dann sinds zwei Stimmen gegen eine und sonst sind es zwei gegen zwei, das ist dann auch schwierig.
Gibt es eine Hauptmessage, ein Oberthema, das ihr über eure Songs stellen könnt?
Ruben: Ich glaube, es ist wirklich schwierig, ’ne Headline oder so zu finden. Ich würde sagen, es ist eine Mischung aus Politik aus dem linken Spektrum, was auch immer das jetzt bedeuten mag, das ist ja breit gefächert, das ist Konsum- und Kapitalismuskritik, und das ist aber auch Lifestyle, wenn man so will. Rock’n’Roll Lifestyle.
Hattet ihr schon mal Diskussionen in der Öffentlichkeit wegen euren Texten?
Ruben: Nicht direkt, aber ich würde fast behaupten, dass wir schon mal in Läden gespielt haben, wo wir schon deutlich Gefahr gelaufen sind, mit den Texten nicht alle im Publikum zu begeistern. Aber ich glaub, in den Läden haben wir einfach auch mit so einer beschissenen Anlage gespielt, dass man es nicht verstanden hat.
Carl: Sowieso. Textverständlichkeit ist eh immer schwierig. Dadurch, dass es immer in ’nem gewissen Kostüm verpackt ist, sei es ’ne Alltagsgeschichte, sei es Humor, macht es natürlich nicht sofort erkennbar, worum es sich dreht. Was ja auch teilweise das Problem ist mit Bands, die rechtes Gedankengut transportieren. Es ist ja so, dass die es noch viel mehr perfektioniert haben, das wolkig zu umschreiben, und man ja wirklich teilweise ganz genau hinhören muss, um bei manchen Bands die politischen Positionen rauszuhören. Ist kein Zufall, dass der Song »Eure Mütter haben versagt« an die Nazis geht, die irgendwelche Terrorzellen in der AfD gründen oder sich zum Beispiel für so was im Rems-Murr-Kreis treffen. Das Thema Nazis ist ja gerade bei uns im Rems-Murr-Kreis kein wirklich kleines Thema. Da positionieren wir uns auf der Bühne schon ganz klar, aber die meisten Leute, die dann da sind, sehen das genauso. Deswegen sind wir jetzt nach Konzerten noch nicht in irgendwelche politischen Diskussionen … also natürlich schon in politischen Diskussionen, aber nicht in dem Sinne, dass unsere Texte hinterfragt wurden oder mega Kritik kam.
Ruben: Wir positionieren uns ja auch in unseren Texten nicht so extrem, dass wir damit Leute total vor den Kopf stoßen würden, die sich, sag ich mal, politisch in der Mitte wiederfinden. Ich glaube, die Leute, die wirklich von unseren Texten angepisst wären, das wären dann schon auch die Richtigen. Das wären schon die Nazis. Und ich glaub, wir haben noch nie vor Nazis gespielt. Ich brauch das auch nicht. Und ich glaub, wenn uns mal Leute wegen unseren Texten angreifen würden, dann würden die das nicht mehr mit Worten machen. Aber das ist noch nicht passiert.
Carl: Und wenn sie es mit Worten machen würden, dann fänden wir das geil. Bzw. würden wir es als Kompliment verstehen, dass die Message richtig angekommen ist.
Ruben: Richtig. Getroffene Hunde bellen einfach. Und ich glaube, wir sind sicherlich kontrovers, aber nicht so kontrovers, dass Leute auf uns zukommen und sagen: »Ich wähl CDU, und ich find das mega scheiße, was ihr macht.« Und wenn sie es machen wollen, dann ist es legitim …
Carl: …. Dann trifft die Message ja auch wieder die Richtigen …
Ruben: … Das ist ja dann auch angekommen …
Carl: … sollen die uns doch scheiße finden.
Ist Musik zu machen für euch eine Form von Politik machen?
Ruben: Ja.
Carl: Ja. Wir können Botschaften, die uns am Herzen liegen, elegant präsentieren. Und ohne, dass einer direkt nachfragt. Weil, ich bin nicht der absolut stärkste Diskussionspartner. Ich war nie im Debating oder so. Weil mir die besten Argumente immer meistens nach der Diskussion einfallen, ist es ganz anstrengend, bei nervigen Freunden dagegenzuhalten, wobei das ja auch total gut ist, weil das ja Demokratie im Prinzip belebt. Was Demokratie ausmacht, sind die Diskussionen, aber ich finds schon geil, dass ich einfach mal meine Message rüberbringen kann, ohne dass jemand direkt im nächsten Satz mir ins Wort fährt und ich mich im nächsten Satz direkt dafür rechtfertigen muss.
Würdet ihr sagen, die Message mit dem Medium Musik rüberzubringen, bringt mehr oder weniger als Partei- oder Gremienarbeit, Demos, Unterschriften sammeln oder Ähnliches?
Carl: Ich glaub, dass beides total wichtig ist. Ich denk schon, dass viele Leute ihre politische Identifikation auch über Musik suchen, auch mit deren Texten. Wir sind ja jetzt nicht die einzige Band, die Texte mit Botschaften macht.
Ruben: Man muss sich ja nicht entscheiden für nur Politik über Musik oder nur Politik über Unterschriften. Ich geh auch gerne demonstrieren, ich informier mich auch so über Politik, ich geh wählen, ich versuch auch verschiedenste Kanäle zu nutzen, um meine politische Meinung populärer zu machen. Und dann ist es doch auch nur logisch, wenn ich sag: Okay, dann nutz ich die Band auch als Plattform, um ’ne politische Meinung breitzumachen. Und jeder wird sich am Ende auch das Medium aussuchen, das einen am ehesten anspricht. Wenn jemand sagt: Ich find eure Mucke scheiße, ich find eure politische Einstellung aber gut, dann zwing ich den nicht dazu, unsere Musik zu hören, sondern dann sag ich: Dann geh doch raus und demonstrier oder dann geh doch wählen und äußere so deine politische Meinung oder diskutier mit deinem Onkel, der die AfD wählt, das bringt dann vielleicht mehr.
Macht ihr denn auch noch was anderes Politisches neben der Musik?
Carl: Ich studier Erneuerbare Energien, und das hab ich schon als Studienfach ausgewählt aufgrund ’ner politischen Einstellung oder dem Anliegen, dem Thema Klimawandel was entgegenzusetzen oder mich daran aktiv zu beteiligen. Ich könnte mir auch vorstellen, auf dem Feld politisch aktiv zu sein. Ich bin im Moment in keiner Partei Mitglied, schließ es aber nicht aus für die Zukunft; ich geh wählen und ich geh auch auf Demos, wenn es sich anbietet.
Ruben: In ’ne Partei eintreten? Überlegt hab ich das sicher mal, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau, woran es letzten Endes immer gescheitert ist. Ich bin schon politisch, aber ich bin halt so politisch für mich und für Leute, mit denen ich zusammen diskutier, und ja klar, dass man dann ab und zu auf ’ne Demo geht und wählen geht, aber ich hab da momentan nicht so die Ambitionen. Aber wer weiß, vielleicht Berufspolitiker, warum nicht?
Ich denk schon, dass viele Leute ihre politische Identifikation auch über Musik suchen.
Carl: Das ist natürlich auch immer ’ne Zeitfrage, weil wenn ich Mitglied in ’ner Partei wäre, wäre mein Anspruch, dann auch aktiv zu sein.
Was würdet ihr anderen sagen, warum es sich lohnt, sich überhaupt politisch zu interessieren und/oder zu engagieren, egal wie?
Ruben: Wenn man nichts macht, dann ändert sich ja auch nichts. Wenn du unzufrieden bist, dann sag das und dann mach auch was dagegen und erwarte nicht, dass sich alles von allein regeln wird oder dass es Leute für dich machen! Wer sich nicht politisch engagiert, darf sich auch nicht beschweren darüber, dass irgendwas nicht so läuft, wie er es wünscht. Seien wir doch froh, dass wir in einer Demokratie leben, wo wir das dürfen und wo uns Möglichkeiten eingeräumt werden, unsere Meinung frei zu äußern, und wir dafür nicht direkt Repressionen fürchten müssen wie in anderen Staaten. Ich sag jetzt nicht, dass hier alles perfekt ist, aber es könnte schlimmer sein, und wem was nicht passt, der darf gerne den Mund aufmachen …
Wenn man nichts macht, dann ändert sich ja auch nichts.
Carl: … natürlich bin ich auch über Musik mit Politik in Berührung gekommen, ganz früh. Weil ich natürlich auch Bands gehört hab wie Die Ärzte, mit denen ich mich total gut identifizieren kann, weils auch immer irgendwie über Humor geht, über Alltagsgeschichten, und die ganz klar politisch positioniert sind. Ärzte hab ich wirklich extrem viel gehört früher.
Wenn die Menschen dann durch eure Musik so richtig wachgerüttelt werden würden, was müsste auf jeden Fall passieren, dass sich was zum Positiven verändern könnte, hier in Deutschland und in der Welt überhaupt?
Carl: Wir malen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Meine Eltern z. B. sind in Berufen tätig, die chronisch unterbezahlt sind: Erzieherin und Koch. Das sind Jobs, die super stressig sind, die aber total wichtig sind, weil, mit wem die Kinder in Kontakt sind, das ist mega wichtig, und jeder will auch mal gut essen gehen. Im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen ist das Lohngefälle bei diesen Jobs einfach zu groß. Man kann ja ganz naiv fragen, warum in solchen Berufen, die ja wirklich total wichtig sind für die Gesellschaft, dermaßen wenig verdient wird. Das wäre auf jeden Fall was, was ich hoffe, in meinen Texten irgendwie zu platzieren, und was mir auf jeden Fall ein Anliegen ist.
Ruben: Ich möchte, dass Leute aufhören, andere Leute schlecht zu behandeln, weil es denen schlechter geht als ihnen. Warum habt ihr was gegen Flüchtlinge? Die gehen nicht aus Spaß aus ihrer Heimat weg. Warum habt ihr was gegen Leute, die eh schon an der Armutsgrenze kratzen, und tretet immer noch drauf? Wenn das aufhören würde und Leute verstehen, dass die nicht aus Spaß zu uns kommen, und Leute, die wenig verdienen, es eben nicht verdient haben, noch mal eins oben drauf zu bekommen vom Vorgesetzten oder wem auch immer. Menschen müssen anfangen, sich Gedanken zu machen darüber: Warum gehts den Leuten schlecht? Und vielleicht mal ’nen kleinen Teil dazu leisten, was an der Situation zu ändern.
Carl: Man kann immer was machen. Wenn jemand dumm angemacht wird im Bus oder so, dann kann man immer was sagen, und das bringt natürlich was. Ich bin ganz klar der Meinung, dass es immer was bringt, wenn man irgendwo Ungerechtigkeit sieht, dagegen aufzustehen.
Menschen müssen anfangen, sich Gedanken zu machen darüber: Warum gehts den Leuten schlecht? Und vielleicht mal ’nen kleinen Teil dazu leisten, was an der Situation zu ändern.
Ruben: So siehts aus. Wenn man schon von Anfang an sagt: »Hat alles keinen Zweck«, dann könnte ich das auch an den Nagel hängen.
Carl: Und wenn es der Onkel ist, der AfD wählt und dem du beim Weihnachtsessen einfach mal Kontra gibst.
»Man muss halt manchmal einfach die Leute nerven, damit verstanden wird, warum man wütend ist«
Anna (27)
Werkzeugmechanikerin, ist Herausgeberin eines feministischen Magazins
Wie kam es dazu, dass du einen queerfeministischen Blog betreibst?
Angefangen hat das Ganze 2014. Damals habe ich in Jugendhäusern und auf Konzerten gearbeitet. Ich hab Konzerte veranstaltet, war hinter der Kasse oder an der Bar. Da ist mir einiges aufgefallen im sexistischen Bereich und mir haben oft Frauen von ihren Erfahrungen erzählt. Z. B. wenn Freundinnen von mir auf der Bühne standen, Kommentare kamen wie: »Oje, was macht denn die Kleine da oben? Die sollte lieber nicht auf der Bühne stehen.« Schlimme Dinge, schlimme Kommentare.
Warst du davon auch selbst manchmal betroffen?
Absolut. Nicht, dass ich selbst auf der Bühne war, denn ich fange jetzt erst an, Musik zu machen. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich im Publikum angemacht wurde, wenn ich vorne getanzt habe oder hinter der Kasse oder hinter der Bar stand. Da waren unangebrachte Kommentare echt Standard. Es hat mich wütend gemacht, und irgendwann wollte ich die ganze Wut, die ich in mir hatte, mal rauslassen. Aber ich wusste nie wie, weil ich nie eine Person war, die auf andere zugegangen wäre und denen erklärt hätte, wie sie es richtig machen sollen. Deswegen habe ich mich mit anderen Leuten zusammengesetzt, und die haben mir dann auch Beiträge geschickt, teilweise aus der ganzen Welt.
Irgendwann wollte ich die ganze Wut, die ich in mir hatte, mal rauslassen.
Dann ist das so ein Selbstläufer geworden?
Absolut. Ich habe nie damit gerechnet. Ich dachte, ich lege die Printausgabe mal bei einem Konzert in den Eingangsbereich, und dann nimmt sich da wer eins mit. Dann hat sich die erste Ausgabe gleich mit 200 Stück verkauft. Da dachte ich: Okay, die Nachfrage ist doch ein bisschen größer, als ich dachte. [lacht]
Es gibt also auch eine Printausgabe?
Genau. Am aktivsten bin ich zwar auf Instagram, aber die Printausgabe ist auf jeden Fall mein Hauptaugenmerk.
Viele meiner Freunde sind halt Trans – das Thema ist in meinem Alltag immer da.
Wie kommt es, dass du deinen Blog gerade dem Queerfeminismus widmest?
Das hat sich mit der Zeit so entwickelt. Am Anfang waren das noch eher die typischen feministischen Themen, die alle betreffen. Mit der Zeit hat sich aber herauskristallisiert, dass ich als weiße Person doch nicht über alles reden kann, und dann habe ich mich auf das konzentriert, mit dem ich mich auch auskenne. Da habe ich dann auch persönlich mehr Sicherheit und verbreite keine falschen Sachen. Wenn mir jemand Beiträge schickt, kann ich das jetzt auch selber erkennen, ob da was Schwieriges mitgeteilt wird. Bei anderen Themen fällt mir das schwer, das musste ich dann immer durch andere Personen prüfen lassen, und das war mir dann zu schwierig. Deswegen konzentriere ich mich jetzt auf ein Thema, mit dem ich mich sicher fühle. Außerdem ist Queerfeminismus für mich ein wichtiges Thema, über das ich reden möchte.
Was ist dir am Queerfeminismus besonders wichtig?
Es ist mir ziemlich schnell aufgefallen, dass es sehr krasse Unterschiede im Feminismus gibt. Dass da z. B. die ganze Zeit von weiblichen Geschlechtsorganen die Rede war. Ich habe aber gemerkt, dass viele meiner Freundinnen gar kein weibliches Geschlechtsorgan haben. Ich habe mich dann auch selbst hinterfragt. Das Thema Transidentifikation ist sehr präsent geworden in meinem Leben, weil viele meiner Freunde sind halt Trans – das Thema ist in meinem Alltag immer da, ich kann mich jeden Tag dazu austauschen, kann jeden Tag Freunde fragen und mich selber hinterfragen, wie ich mich da einordne. Deswegen ist das Thema persönlich wichtig für mich.
Du organisierst das alles allein. Was für Arbeit steckt denn hinter so einem Blog?
Ich habe nie studiert, deswegen fiel es mir am Anfang schwer, die richtigen Worte zu finden. Das war für mich anfangs die größte Arbeit. Deswegen hatte ich immer ganz viele Leute an meiner Seite, die mir geholfen haben beim Wording. Aber die Personen waren nie wirklich am Medium Zine, Blog und Informationsübermittlung allgemein interessiert. Deswegen waren das immer Leute, die nur temporär dabei waren. Der Aufbau und der Werdegang von femtrail war immer von verschiedenen Leuten begleitet. Es gab da eine Person aus meinem Umfeld, die hat mir zwei Jahre lang die Zines in ihrer eigenen Druckerei kostenlos gedruckt, aber hatte sonst nichts mit femtrail zu tun. Ich habe von daheim aus gelayoutet, was ich mir selbst beigebracht habe. Aber es gab auch immer Leute, die mir die Homepage eingerichtet haben, die mir den Text umgeschrieben haben und mir gesagt haben: »Hey, das ist das falsche Wording, das du da benutzt hast.« Ich würde also nie sagen, dass femtrail nur ich allein bin, aber ich bin die Herausgeberin. Ich bin die, die sich dann daheim hinsetzt und alles organisiert, um alle Inputs auf einen Nenner zu bringen.
Queerfeminismus
Die Vorstellung, es gäbe nur zwei Geschlechter, die man klar voneinander abgrenzen könne, nennt man Geschlechterdichotomie. Das würde heißen, dass es klare Merkmale der Identität, des Körpers und des sexuellen Begehrens gäbe, die in zwei Geschlechter teilbar wären.
In der Vorstellung einer Geschlechterdichotomie gibt es spezielle Rollenerwartungen an beide Geschlechter. Sie müssen in allen drei Dimensionen, also Identität, Körper und Begehren, den Rollenerwartungen des Geschlechts entsprechen, das ihnen zugewiesen wurde.
Eine Trans-Person kann sich nicht mit dem Geschlecht, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, identifizieren. Manche Transpersonen nehmen Veränderungen an ihrem Körper vor, um sich besser mit diesem identifizieren zu können und damit dieser von anderen richtig identifiziert wird.
Eine Cis-Person hingegen kann sich mit dem Geschlecht, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, identifizieren.
Im Queerfeminismus geht man davon aus, dass Geschlecht durch Handlungen hergestellt wird, eine Geschlechterdichotomie also nicht »von Natur aus« existiert. Besonders seit den 90er-Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler*innen wie z. B. Judith Butler damit, wie Geschlecht hergestellt wird.
Wie viel von deiner Zeit nimmt denn die Gestaltung des Blogs und der Zines in Anspruch?
2016, 2017 hatte ich eigentlich kaum Freizeit. Da habe ich mich direkt nach der Arbeit hingesetzt, geschrieben, mit Menschen Kontakt aufgenommen, E-Mails bearbeitet und saß dann bis abends oder nachts am PC. Mein Hobby hatte sich zu Arbeit entwickelt. Aber es gibt natürlich auch Ruhephasen, wo ich dann mal zwei Monate lang meine Ruhe habe. Dann gibts aber auch Phasen wie beim Festival-Sommer, da bin ich dann wirklich fast jedes Wochenende unterwegs in ganz Europa. Ich habe 2017, 2018 angefangen, ganz viele Leute zu treffen und zu filmen, wie sie ihre Kunst machen. Vielleicht werde ich irgendwann mal was Großes daraus schneiden.
Was hat es mit dem Namen femtrail auf sich?
Der Name entspricht meiner Wut von damals. Das war auf das Thema bezogen, mit dem ich mich befasst habe. Da ging es viel um Verschwörungstheorien mit ganz viel Antisemitismus, Chemtrails und so was. Ich habe dann mit einem Freund rumgewitzelt, dass ich meinen Blog femtrail nenne. Das ist dann die Kontrolle der Frauen von oben, die sich da Macht holen. Ich habe einfach versucht, mit dem Wort ein bisschen zu spielen. Das kam auch ganz gut an und bis heute versuchen Menschen den zu klauen. Das hätte ich so nicht gedacht. Aber es ist einfach was Provokantes. Das sehen dann die Rechten und ärgern sich: Oh man, die blöden Frauen schon wieder!
Das ist dann die Kontrolle der Frauen von oben, die sich da Macht holen.
Du fährst oft in Europa herum. Ist dein Blog deswegen auch auf verschiedenen Sprachen?
Genau. Ich habe ab der zweiten oder dritten Ausgabe versucht, alles auf Englisch zu machen. Ich hatte dann auch Personen, die mir alles übersetzt haben, oder habe auch mal selber übersetzt. Ich habe dann ganz schnell einen Onlineshop eingerichtet, wie mir von Leuten angeraten wurde, und dann kamen so viele Bestellungen aus den Niederlanden oder aus Frankreich, wo ich dann ein ganz schlechtes Gewissen hatte, dass die das nicht lesen können. Ganz am Anfang war die Reichweite tatsächlich sehr weit verteilt im Ausland anstatt in Deutschland, obwohl das gar nicht meine Zielgruppe war. Aber ich fand es dann gar nicht so schlecht, dass das überall so gut ankommt. Mittlerweile wird es aber in Deutschland auch bestens verkauft. Ich habe auch schon in die USA verschicken können. Ich bin schon sehr glücklich, dass das so eine Reichweite bekommen hat.
Was ist denn deine Zielgruppe, wer liest deinen Blog oder deine Zines?
Ich habe mich schon darum bemüht, das mal rauszufinden. Online kann man das ja auch ganz gut einsehen. Nach dem, was ich auf Veranstaltungen mitbekommen habe, sind das meistens Menschen von 16 bis 30, die meistens auch in der Musik aktiv sind oder in der alternativen Szene. Es sind fast ausschließlich Frauen und Transpersonen. Wenige Männer! Wenn, dann vereinzelt Transmänner. Ich glaube, das liegt daran, dass viele Beiträge von Personen sind, die nicht viel Relevanz haben im männlichen Umfeld. Ich habe dann versucht, mehr Beiträge von bekannteren Personen reinzubringen oder Personen, die für Männer mehr Relevanz haben. Das hat teilweise auch geklappt, dass dann mehr Männer dazukamen, aber viele tun sich immer noch schwer, das ernst zu nehmen.
Was sind das für Leute, die dir Beiträge schicken?
Es kommt auf die Ausgabe drauf an. Am Anfang waren es noch unterschiedliche Leute aus jeder Ecke. Mittlerweile sind da viel mehr musik- und kunstrelevante Themen drin, z. B. viele Graffiti-, Hip-Hop- und Punk-Sachen, das heißt, es sind dann auch Personen aus dieser Bubble.
Wie entscheidest du, welche Beiträge du veröffentlichst und welche nicht?
Ich habe selten Texte inhaltlich abgelehnt. Im Einzelfall gabs schon Texte, die so oberflächlich geschrieben waren, dass ich sie nicht mit gutem Gewissen teilen konnte. Ich sage dann nicht einfach, dass das nicht geht, sondern versuche, darüber mit den Personen zu reden. Ich erkläre dann auch, wo das Problem war, z. B. gab es Fälle, wo Wording benutzt wurde wie »biologische Frau« oder »Frau*«, die ich in meinem Sprachgebrauch nicht benutzen möchte. Ich lege denen dann ans Herz, das noch mal zu reflektieren.
Gerätst du dann manchmal in Konflikte mit den Leuten?
Seltener mit meiner Community, aber ich habe schon viele, viele, viele Hassnachrichten bekommen. Da kamen viele Meninists, viele Männerrechtsbewegungen und rechte Menschen, die mir geschrieben haben. Die schreiben mir dann klischeehafte Sachen wie: »Deine Zines zerstören die Geschlechterrollen!«, oder dass ich mich aufspielen würde, was ich alles kaputt machen würde. Teilweise kommen auch Drohnachrichten, aber die konnte ich schnell löschen, blockieren und dann auch schnell vergessen.
Ich habe schon viele, viele, viele Hassnachrichten bekommen.
»Deine Zines zerstören die Geschlechterrollen!«
Wie gehst du mit solchen Hassnachrichten um?
Am Anfang war das noch schlimmer für mich als heute, da war ich ja auch noch ein bisschen jünger. Jetzt mache ich das ja schon sechs Jahre. Ich habe mich daran gewöhnt, aber es ist auch besser geworden dadurch, dass meine Community größer geworden ist. Eigentlich ist es traurig, dass man sich so auf seine Bubble verlassen muss, aber es ist auch gut, dass sie mir den Rücken stärken.
Was hat dir geholfen, trotzdem weiterzumachen, besonders am Anfang?
Das war wirklich der Zuspruch. Ich habe sehr viele Erfolge erzielt. 2017 habe ich drei Workshops geleitet, wie man Zines macht. Da habe ich so viel Liebe bekommen und Zuspruch, dass das, was ich mache, gut und wichtig ist. Auch wenn es nur mein kleines Zine ist, mein kleines DIY-Projekt, ist es doch relevant und macht mir Spaß. Das hat mich immer weiter motiviert.
Denkst du, Queerfeminismus ist eher eine Sache, die besonders junge Menschen bewegt?
Ja, absolut. Die meisten Leute, die mitgemacht haben, waren jünger. Das waren Leute, die sich noch nicht sicher waren oder sich gerade noch so wie ich in einer Selbstfindungsphase befinden. Als ich noch in Stuttgart gewohnt habe, habe ich auch ganz viele Leute kennengelernt, die schon 40 plus waren und gesagt haben: »Hey, das ist voll cool, was du da machst!«, aber es waren nie Personen, die selbst mitgemacht, sondern das eher im Hintergrund unterstützt haben. Die, die mitgemacht haben, waren eher jüngere Leute, die einen Anker gesucht haben, um auch in diese Bubble reinzukommen. Femtrail hat auf jeden Fall eine schöne Community erzeugt.
Hast du auch mal in deinem Umfeld Widerspruch bekommen zu dem, was du machst?
Das eigentlich weniger. Meine Mutter ist selber schon immer feministisch aktiv gewesen, aber eher im gesellschaftlichen Bereich. Mit Queerfeminismus kann sie nicht viel anfangen, aber sie ist trotzdem mein größter Fan, auch wenn sie nicht so viel Ahnung hat. Sie hört mir zu, wenn ich erzähle. Sonst hatte ich sehr wenige Probleme, vielleicht vereinzelt im Freundeskreis. Das sind dann aber auch Personen, von denen ich mich schnell getrennt habe. Es gab eher Leute, die das Thema toll fanden und Teil davon sein wollten, aber gar nicht Interesse an einer Freundschaft hatten, sondern nur am Erfolg. Das hätte ich gar nicht gedacht. Die haben dann versucht, bei femtrail mitzumachen, und wenn ich sie mal nicht gelassen habe, haben die dann anderen Leuten hinter meinem Rücken erzählt: »Voll die blöde Kuh, was soll das?!«, wo ich mir dann gedacht habe: Rede doch da einfach mit mir drüber! Es ist halt mein Zine. Wenn man schon fünf Jahre lange dran arbeitet, ist es nicht einfach, Verantwortung abzugeben. In der Hinsicht gab es Probleme, aber nicht mit dem Thema.
Was hast du bisher mit dem Format des Zine erreichen können?
Ich habe in dem Sinne sehr viel erreicht, dass aus meinem Zine fünf andere Zines entstanden sind. Das ist echt schön. Es sind auch unterschiedliche Personen, es ist sogar ein Mann darunter, was mich sehr gefreut hat. Der ist wirklich auch nur Herausgeber und kommt nicht selbst die ganze Zeit zu Wort, sondern fragt in seinem Umfeld viele Frauen und Transpersonen. Ja, es sind wirklich viele schöne, kleine Zines entstanden, die dann auch geschrieben haben: »Dank dir und deinem Workshop habe ich den Mut gefasst, selber was zu machen!« Das ist auf jeden Fall mein größter Erfolg. Vielleicht außerdem noch, dass ich viele Personen getroffen habe, die ich interviewt und von denen ich Fotos gemacht habe. Die fanden es gut, dass ich denen die Chance geben konnte, mal ihre Meinung zu sagen.
Verfolgst du die anderen Zines?
Ja, mit einem anderen arbeite ich eng zusammen, und wir tauschen uns regelmäßig aus, wenn eine neue Ausgabe rauskommt. Ich wurde interviewt für eine Ausgabe von dem Zine, und da war es richtig schön zu sehen, wie meine Community auch zu ihr rübergewachsen ist, weil wir uns so austauschen können, und ein kleines Kollektiv aus unterschiedlichen Zines entstanden ist. Wir stehen immer in Kontakt und können Erfahrungen teilen.
Was macht Musik für dich politisch?
Eine meiner Lieblingsbands, Dregs aus Wien, haben eine behinderte Person in der Band und eine Sängerin, die auch viele Erfahrungen gemacht hat mit sexueller Gewalt. Diese Themen werden auch in den Texten verarbeitet und an das Publikum weitergegeben. Das finde ich unfassbar wichtig und toll, weil es auch so beim Publikum ankommt. Das wird dann nicht belächelt oder nicht ernst genommen, nur weil das jetzt ein Lied ist und kein sachlich ausformulierter Text. Musik ist eine ganz tolle Art, eine politische Message an Personen zu bringen.
Machst du auch selbst Musik?
Ich habe mir selber das Schlagzeugspielen beigebracht. Ende letzten Jahres habe ich angefangen, eine Band zu gründen, aber das hat gerade keine Priorität. Nebenher veranstalte ich noch Konzerte und daher bin ich in ständigem Kontakt mit Bands und Musiker*innen.
Gibts noch andere Formen, wie du deine politischen Werte vertrittst, außer im Blog und in den Zines?
Ja, ich habe angefangen zu filmen. Viele sagen: »Ich traue mich nicht, was zu schreiben und dir zu schicken, weil ich einfach eine fehlende Bildung habe, um die richtigen Worte zu finden.« Als ich solche Leute beobachtet und gemerkt habe, dass sie auf der Bühne oder beim Kunst machen total aufblühen, dass sie, ohne ein Wort zu sagen, trotzdem eine Kraft ausstrahlen, da ist mir die Idee gekommen, sie zu fragen, ob ich sie dabei filmen darf. Ich finde, das ist ein ganz schönes Medium, aber es ist auch schwierig, das alles zusammenzuschneiden und auch die technischen Mittel dafür zu haben. Ich habe eine schöne Sammlung auf meinem PC von Leuten, die ganz tolle Kunst machen. Ich hoffe, dass ich daraus mal was machen kann.