Kitabı oku: «Mit der Wut des Überlebens», sayfa 2

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Es ist gleich dort oben! Wartet hier noch einen Augenblick. Manchmal lagert dort Gesindel, und dem solltet ihr nicht unbedingt vor die Füße laufen.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten wandte er sich um, stieg weiter hügelan und war unversehens verschwunden.

Moshe warf ihr einen kurzen Blick zu, mit krauser Stirn, aus den Augenwinkeln, blickte dann sofort wieder zu der Stelle, wo der andere soeben verschwunden war, misstrauisch! „Mir traute er gar nicht, aber wir haben ihm alles anvertraut! Hoffentlich war das auch der richtige Rupert!“ Und einen Moment später: „Kommt, lasst uns mal langsam weiter nach oben steigen. Wir sind ja gewarnt und können selber aufpassen, aber ich möchte nicht dumm hereingelegt werden.“

Beunruhigt stieg sie hinter ihm her, keuchend: „Wenn ich noch nicht einmal einem Einsiedler vertrauen kann! Außerdem hat Johannes ihm ja auch vertraut!“

Scheinbar ja nicht so ganz!“ Er blieb stehen, konzentrierte sich mit zusammengekniffenen Augen auf einen Bereich, der nur etwas höher und wenige Schritte vor ihnen lag. „Immerhin hat er ihm die genaue Lage des Verstecks nicht anvertraut.“ Er wies mit dem Kinn voraus, „Da vorn ist es!“

Seinem Blick folgend konnte sie zwischen Bäumen und Gesträuch grobes Mauerwerk erkennen, grün bemoost, teilweise wild überwuchert. „Da ist er verschwunden und noch nicht wieder aufgetaucht.“ Und schon nach einem kurzen Augenblick: „Ich gehe da jetzt rein und sehe nach ihm! Bleibt noch ein wenig und haltet Augen und Ohren auf.“ Die ganze Zeit über hatte er konzentriert zum Gemäuer hinüber gesehen, wandte seinen Blick auch jetzt nicht ab, sah sie nicht an, ging einfach entschieden los.

Einen Moment blieb sie verschnaufend stehen, sah hinter ihm her, sah hinüber zur Mauer, sah ihn entschlossen darauf zustapfen und setzte sich ebenso entschlossen in Bewegung: Zu allererst war es ihre Sache! Außerdem war ihr unbemerkt ein neuer Nerv gewachsen, dessen Empfindlichkeit sich jetzt zum ersten Mal bemerkbar machte: das Misstrauen! „Johannes vertraute in dieser Sache niemandem!“ Sie würde es zukünftig ebenso machen!

Vor ihr verschwand Moshe zwischen den Mauerresten, hatte sich nicht einmal umgedreht, hatte gar nicht bemerkt, dass sie ihm dichtauf gefolgt war. Sie beeilte sich, wollte ihn nicht aus den Augen verlieren. Stieg direkt hinter dem Fragment einer Mauerecke mit beiden Armen balancierend über die bemoosten Reste der einstigen Burgmauer und sah ihn wieder vor sich. Ohne Hast bewegte er sich jetzt vorbei am eingestürzten Speicher und zwischen den überall herumliegenden Gesteinsbrocken auf das ehemalige Herrenhaus zu. Ein mächtiges, hohles Gemäuer, dessen nicht mehr ganz spitz zulaufenden Giebelwände auf die übrigen Mauerreste hinabschauten und in dessen tiefen Fensterhöhlungen sich gelber Löwenzahn, Stechpalmen und Kiefernschösslinge nach der Sonne reckten. Und vor dieser Ruine stand groß und hager, mit verschränkten Armen der Einsiedler, stand dort in einer Aura, als wäre er der Herr dieses morbiden Ortes.

Sie beeilte sich, Moshe noch einzuholen, kam nur wenige Schritte nach ihm an und hörte ihn fragen: „Nun?“

Der andere wartete einen Moment, bis sie ganz herangekommen war, sah mit einem angedeuteten Lächeln mehr zu ihr: „So hatte ich mir das gedacht, und das ist gut so!“ Mit einer andeutenden, flüchtigen Handbewegung wies er irgendwo und nirgends hin: „Wir haben das Gemäuer für uns allein! Machen wir uns an die Suche!“

Er wandte sich um, ging zielstrebig los. Mosche rührte sich einen Atemzug lang nicht von der Stelle, sah hinter ihm her, kopfschüttelnd, das Gesicht zornig knitternd.

Sie brauchten nicht lange zu suchen. Zwischen den wirr herumliegenden, von Gras überwachsenen Gesteinsbrocken war die planmäßige Anordnung der sieben Erhebungen leicht zu erkennen. Überwuchert von dichtem Efeu, von Holunder- und Faulbeersträuchern reihten sie sich entlang der Mauer, nur wenige Schritte seitwärts vom Herrenhaus.

Erwartungsvoll zwängten sie sich durchs Gesträuch, räumten Trümmer von der steinernen, flachen Oberfläche der Gräber, zerrten das Gras mitsamt den Wurzeln hoch, um endlich die Inschriften zu entziffern.

Da war im ersten Grab ein >Maximilian von Blankenburg< begraben worden, der Name verwittert, nur schwer zu entziffern, das Ritterwappen nur noch als mal vorhanden zu erkennen.

Im Grab daneben ruhte die >Frau Margarta<. Sie brauchten einige Zeit, bis sie den Namen mehr geraten als entziffert hatten, anderes war nicht zu erkennen.

Mühsam legten sie so Grabplatte für Grabplatte frei, und wussten endlich, das gesuchte Grab war an dieser Stelle nicht zu finden.

Noch einmal gingen sie um das Haus herum, suchten entlang der Mauer, entlang von Speicher und Stallungen, nichts!

Seid ihr sicher, dass es ein Grab hier an der Burg ist?“

Wo sollte es sonst sein?“

Vielleicht auf einem Friedhof in der Nähe. Jedes Dorf braucht einen Friedhof.“ Moshe wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht, blickte fragend zum Einsiedler.

Die Dörfer hier oben sind Friedhöfe, da lebt heute keiner mehr, aber Johannes ist hier an der Burg geblieben. Ich bin mir sicher!“ Er wandte sich um, betrachtete aufmerksam die nähere Umgebung außerhalb des Burgbereichs.

Er hat immer gesagt „Ich gehe hoch zur Burg, muss was begraben!“ und war dann auch immer bald wieder zurück. Es ist hier! Aber vielleicht suchen wir an der falschen Stelle.“ und wie in Gedanken und an jemanden anders gerichtet: „Es wäre ja auch zu einfach!“

Sie folgten seinem Blick nach außen, sahen über die mit niedrigem Buschwerk und Gesträuch zugewachsene Fläche vor der Burg hinweg. Dahinter, gut hundert Schritte von ihnen entfernt, der Wald.

Außerhalb?“

Er nickte ruhig, ging voran, stieg mit seinen bloßen Füßen über die bemoosten Steinquader hinweg, und hielt sich sogleich zielstrebig nach links, auf das Herrenhaus zu.

Moshe blieb unschlüssig stehen, sah über das vor ihm liegende Gelände hinweg, „Ihr scheint eine bestimmte Vorstellung zu haben!“

Der andere blieb stehen, drehte sich zu ihm herum, „Nur eine Vorstellung: Wenn wir die kurze Nachricht richtig verstanden haben, waren es nur drei Gräber. Man wird sie vom Haus aus sehen können. Hier am Burgtor würde ich sie nicht suchen!“ Er wandte sich um und ging entschlossen ausschreitend weiter.

Und während zu ihrer Linken die Mauer mit jedem Schritt in die Höhe wuchs, bald über Mannshöhe, fiel das Gelände auf der anderen Seite rasch ab. Schon nach wenigen Schritten versanken die Bäume unter ihnen, und sie konnten ins Land hinaussehen. Sahen unter sich im warmen Licht des späten Nachmittags den Wald und, in einiger Entfernung, mehrere Häuser und eine Kirche, klein wie Spielzeug. Auf schmalem, wohl nur noch drei Schritt breitem Weg näherten sie sich dem Haus, und Therese spürte deutlich, wie hinter ihr mit jedem Schritt der Widerwille und der Zorn Moshes anwuchs.

Da vorn, das könnte es sein!“ Der Einsiedler sah sich zu ihnen um, wies weitergehend mit ausgestrecktem Arm wohl fünfzig Schritt voraus. Dorthin, wo die von Efeu überwucherte Mauer vor blauem Himmel endete. Ein schmaler Vorsprung schob sich dort ins Nichts. Schob sich wie eine von der Sonne warm beschienene Halbinsel aus blankem Fels ein ganzes Stück aus dem Abbruch hinaus. Im vorderen Teil des nur mit kniehohem Buschwerk bewachsenen Vorsprungs eine mächtige Kiefer. Zäh und tief hatte sie sich im Stein festgekrallt, hielt ihn vermutlich in gleichem Maße, wie er sie, und reckte ihre gebogenen Arme weit über den Abgrund hinaus.

Zunächst interessiert, betrachtete Moshe den Vorsprung mit jedem Schritt skeptischer, „Sieht eher aus, wie eine ideale Hinrichtungsstätte, wie ein Galgenort.“

Die schroffen Abbruchkanten des Vorsprungs musternd, registrierte Therese die Nähe zum Haus, „Wer will schon einen Halunken vor seinem Fenster baumeln sehen? Gräber könnten dort schon einen Sinn ergeben.“

Und offensichtlich gab es einen Sinn: Deutlich, und noch bevor sie den Vorsprung erreichten, konnten sie die drei gleichen Erhebungen erkennen. Dicht nebeneinander lagen sie im flachen Kraut und Gras direkt unter der Kiefer, vom Haus aus gut einzusehen.

Verdutzt standen sie dann einen Moment vor den kleinen Vierecken. Keine zwei Schritte lang und weniger als einen Schritt breit wirkten sie, wie verschlossene Kisten. Vergessen, in den Boden eingesunken und nur eine handbreit herausschauend.

Kindergräber!“ Therese musterte die grauen Steinplatten, die jedes Grab bedeckten und deren Inschrift noch gut zu lesen war. „Alle drei Kinder sind im Jahr des Herrn 1525, im Mai gestorben!“ Sie sah auf, „Vielleicht war da auch Krieg.“ „Sieht mir eher nach Pest aus!“ Moshe wies mit dem Kopf über die Schulter zurück zur Burg. „Warum sollte man sie sonst hier draußen begraben?“

Hier außen ist das Grab!“

Der Einsiedler beugte sich über das Grab auf der rechten Seite, wischte sorgfältig mit der flachen Hand über die Grabplatte, „LUCIA–BENEDICTA“, so hieß das arme Kind.“ Lächelnd sah er auf, vermied es Moshe anzusehen, „Wir haben es gefunden! Ein gutes Versteck!“

Er beugte sich wieder vor, tastete mit den Fingern unter dem Überstand der Steinplatte entlang nach einer Stelle, an der er gut angreifen konnte. Mit einiger Anstrengung hob er die Steinplatte an, löste sie ungehindert vom Untergrund und schob sie ein Stück zur Seite. Ein starker Geruch nach Pech entströmte der kleinen dreieckigen Öffnung. Der Einsiedler kniete nieder, versuchte unter der Öffnung etwas zu erkennen.

Ich sehe nur schwarzen Grund, sieht wie Bretter aus!“ Aufstehend zu Moshe: „Lasst uns die Platte ganz abheben und aufs andere Grab hinüber schieben.“

Es waren tatsächlich Bretter. Roh und pechgetränkt lagen sie dicht nebeneinander, füllten den Innenraum des kleinen Vierecks aus, erinnerten an eine sorgfältig gefertigte Luke, unter der eine Holztreppe in die Tiefe führen könnte.

Der Einsiedler zog im Niederknien ein Messer aus seinem Gewandt, schob es zwischen Holz und Außenwand, hebelte so eines der ersten Bretter heraus, hob danach die nächsten Bretter einfach ab und sah vornübergebeugt in die schmale Öffnung, zunächst interessiert, dann ungläubig, reglos. Langsam, so als stemme er dabei ein schweres Gewicht in die Höhe, erhob er sich, sah sie einen Augenblick schweigend an, ernst.

Wir haben es gefunden, und ich fürchte, da liegt genug, um alles Unheil der Welt auf sich zu ziehen!“

Sie hatte jede seiner Bewegungen mit Spannung verfolgt, sah ihn jetzt an, unsicher, während Moshe neben ihr niederkniete, in die Öffnung hineinlangte und einen prallen, schweren Lederbeutel heraushob. Beide sahen sie zu, wie Moshe den Lederriemen löste, den Beutel ganz öffnete, vorsichtig hineingriff, zwei Münzen heraushob und sie aufmerksam betrachtete.

Florentiner!“ Ohne den Blick von den Münzen abzuwenden, hob er sie auf der flachen Hand hoch, „Wertvoller geht’s nicht!“ Er sah sie kurz an, sah dann hinunter in die Öffnung, aus der er den Beutel hervorgehoben hatte, ohne die Hand herunter zu nehmen. „Da liegen noch mindestens drei Beutel. Wenn die alle das Gleiche enthalten …!“ Er nahm die Hand herunter, ließ die Geldstücke zurück in den Beutel fallen, verschloss ihn wieder und wandte sich dann erneut der Öffnung zu. Nacheinander hob er ein Brett nach dem anderen ab und setzte sich dann kopfschüttelnd auf seine Fersen zurück.

Warum hat der Mann nur weiterhin seinen Kopf hingehalten? Das ist mehr, als man in einem Leben erwirtschaften kann!“

Weil er es aussprach, pflichtete sie ihm still bei, sah jedoch schweigend und fassungslos auf drei Tongefäße herunter, die einen Großteil der Öffnung ausfüllten. Tief in den Boden eingelassen, sahen sie nur mit dem gewölbten Rand heraus und waren bis zu diesem mit den Beuteln gefüllt, das heißt, im dritten Gefäß fehlte noch die obere Schicht von drei Beuteln. Sie wandte den Kopf, blickte direkt in das Gesicht des Einsiedlers, der sie offenbar mit fest zusammengepressten Lippen beobachtet hatte, besorgt, ratlos, „Wofür braucht man so viel Geld?“

Was sollte sie antworten? Sie schwieg, nachdenklich. Unsicher dann: „Ihr habt es selbst gesagt, Johannes wollte nicht mehr abhängig sein, wollte frei sein.“

Er zog die Lippen nach unten, geringschätzig, zuckte mit den Schultern, „Ich habe kein Geld, gar nichts! Und ich bin nicht weniger frei, als die Tiere des Waldes. Um frei zu sein braucht man besser kein Geld.“

Aber es kann auch nicht jeder so leben wie ihr!“ Moshe sagte es bestimmt, mit einem unüberhörbar ärgerlichen Unterton und erhob sich dabei aus seiner knienden Haltung. „Ich denke nur darüber nach, wie wir solch eine Menge hier unauffällig wegtransportieren wollen.“ Er sah zurück zur Burg, überflog rasch die Umgebung.

Der andere neben ihm folgte seinem Blick, nickte ruhig, „Mit solch einer Menge Geld im Rücken wollte ich nicht übers Land fahren. Ich hätte ständig Sorge, es würde die Halunken anlocken wie Schmeißfliegen.“

Moshe sah ihn gerade heraus an, verstand nicht, „Wie sollte es das? Ist doch nichts anderes, als hätte ich Stroh oder Rüben auf dem Wagen, sie wissen es doch nicht, dass ich da irgendwo Geld auf dem Wagen habe!“

So richtig eingefleischte Halunken können Geld vielleicht riechen, oder sie haben ein Gespür! Ich würde mir das jedenfalls so vorstellen.“

Moshe zog grinsend die Mundwinkel nach unten, schüttelte den Kopf, „Wenn das so wäre, dann brauchten diese armseligen Hungerleider ja nicht immer wieder ihren Kopf für ein paar Groschen riskieren. Sie wären in der Mehrzahl längst reich. Geld ist genug unterwegs! Sie erkennen es eben nicht!“…

2. Teil Ein übel riechendes Vermächtnis

„Uiih“ Quiekend und mit einer hastigen Bewegung zog Margret ihr zuvor ausgestrecktes Bein an, wischte dabei erschrocken einen großen, glühenden Holzspan zurück in die Glut, von wo er gerade zuvor mit lautem Knacken zu ihr herüber gesprungen war.

„Gut hast du das gemacht!“ Eben noch ganz ernst blitzte Thereses jetzt humorvoll zu ihr herüber, während sie den restlichen Inhalt ihres Bechers auf den Boden tropfen lies.

„Was habe ich gemacht?“ Erschrocken, fragend, ihr Schienbein reibend, sah Margret sie an, lachte dann aber im nächsten Augenblick laut auf: Franz, neben Therese sitzend, erhob sich langsam auf die Knie, zog mit spitzen Fingern seine im Schoß und am Oberschenkel durchnässte Hose von der Haut.

„Gut gemacht, ja!“ Franz sah zu ihr herüber, gespielt ärgerlich, den Schalk in den Augenwinkeln.

Als wäre es unten in der Gegend des Bauchnabels entstanden, sprang Margret ein tiefes, sattes Lachen aus dem Hals, während sie ihren Kopf übermütig nach hinten warf und dabei irre schnell über ihre Schienbeine rieb.

„Setz dich ruhig wieder hin, mein Junge! Wir halten hier dicht! Wir erzählen das nicht weiter!“ Zita hatte ihn nur über ihre Schulter hinweg betrachtet, sagte das, ohne ihre verschrumpelte Miene zu verziehen, während Margret ihn immer noch breit lächelnd ansah.

„Ja ja, macht mich nur zum Dussel! Das gefällt euch!“ Er schaute immer noch ärgerlich drein, ließ dem Schalk aber schon mehr Raum und griff nach Thereses Becher, „Ich füll dir nach. Aber achte auf Margret, die hat scheinbar ihre Glieder nicht in der Gewalt!“

Margret lachte wieder ihr tiefes Lachen, zeigte mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf seine Hose, „Du aber wohl auch nicht!“

„Sag mal,“ Mikola sah hinter Zitas Rücken herüber, bemühte sich wieder ernst zu sein, „du hast vorhin gesagt, Johannes hätte es geschafft und wäre vermögend und frei aus dem Krieg zurückgekommen. Hatte er denn wirklich so viel Geld dort in dem Grab zusammen getragen?“

Sie rührte mit dem Holzspatel ruhig und ausdauernd ihren Honig in das heiße Wasser, nahm langsam und bedächtig einen Schluck, und fast sah es so aus, als wolle sie die Stille, das Innehalten, welches sich plötzlich im Zelt ausgebreitet hatte, nicht durchbrechen, wolle gar nicht antworten. Als sie ihn endlich ansah, waren ihre Augen ernst. So ernst, als wollten sie leugnen, vor einem Moment noch gelächelt zu haben.

„Siebenundzwanzig Beutel lagen in dem Grab! In jedem Beutel waren genau vierhundert Florentiner, Gulden oder Golddukaten.“

Für einen Augenblick sagte niemand etwas, schaute sie nur jeder an, unbeweglich, wie eingefroren, horchte dem Klang des Gesagten noch einmal nach.

„Das haben wohl nur wenige geschafft! Wirklich! …“

Mikola legte sich wieder ruhig zurück auf seine Ellbogen, sah sinnend auf die gegenüberliegende Zeltwand. „Wirklich! Zu dumm! Das hätte gereicht!“

„Mein Gott! Wo lässt man so viel Geld?“ Franz setzte sich ruhig wieder hin, sah sie von der Seite an, beeindruckt, fassungslos. Nach einer Pause dann, in der nur das leise Schaben der Holzspatel in den Bechern zu hören war, „Vermutlich kann man siebenundzwanzig prall gefüllte Geldbeutel nicht gut in seinem Bett unterbringen.“

„Im Bett? Soviel Geld unterm Hintern macht unruhig. Außerdem wäre das auch ziemlich ungeschickt. Selbst du würdest ja drauf kommen. Nein: Izaak Goldberg hat das Geld für mich in Sicherheit gebracht.“

„Über zehntausend Gulden!“ Sein Gesicht fror förmlich ein, mit geöffnetem Mund, in absolutem Unverständnis.

„Ich glaube, ich hätte so viel Geld auch nicht aus der Hand gegeben.“ Margret sah sinnend zu ihr herüber, „Ich hätte es immer sehen müssen, um zu wissen, dass es noch da wäre.“

„Hm!“ Therese sah hinüber zu Mikola, „Und Johannes glaubte, viel Geld würde frei machen.“

„Na ja,“ Auf den Ellenbogen abgestützt sah er zu ihr herüber, „das wird wohl auch so sein, denke ich. Zumindest musst du dir nicht von jedem der Herren was sagen lassen und vor ihnen buckeln!“

Einen Moment lang sah sie ihn nachdenklich an, die Augenbrauen hochgezogen, nickte ruhig und bestätigend, „Schön wäre es. Aber das Haben alleine nutzt dir ja noch gar nichts.“

„Ho-ho! Das will ich aber wohl meinen, Mädchen! Wirklich! Wenn ich einmal so viele Goldfische haben sollte, dann kann ich auch davon leben!“ Bequem zurück gelehnt, reckte er ihr wissend und überzeugt das Kinn entgegen.

„Kaum! Solange die Herren in dir den Einfachen sehen, zwingen sie dich auch zum Buckeln.“

„Natürlich wollen sie das gerne, aber ich tu´s dann nicht mehr. Wirklich! Nicht wenn ich so viel Geld irgendwo im Baum hätte!“

„Und wie willst du denen erklären, woher du das Geld hast? Die luchsen dir deine Kröten schnell ab, wenn sie erst einmal davon wissen.“

Mikola verstand nicht, zog die Stirne kraus, „Das wäre das erste Mal, Trissa! Wirklich! So schnell luchst mir keiner mein Geld ab! Ich würde diese schönen Beutel einfach vergraben. Genauso wie Johannes das auch gemacht hat. Oder ich würde sie irgendwo in einen hohlen Baum stopfen. Da könnte ich doch ganz in Ruhe leben!“

Wissend, die Augenbrauen weit hochgezogen, blickte sie zu ihm herüber.

„Hört sich erst mal gut an, aber auf die Idee kommt jeder und deshalb ist es wohl wirklich die schlechteste aller Möglichkeiten.“

„Was willst du denn anders machen? Das ist doch wohl die einzige Möglichkeit, die du hast, wenn du plötzlich so eine Menge Geld in die Finger bekommst, oder?“ Mikola reckte wieder sein Kinn vor, wartete auf eine Antwort.

„Und wenn dich jemand beobachtet? Ausschließen kannst du das nie! Auf jeden Fall bist du dein Geld dann los.“ Sie sah hinüber zum Feuer, wo die Holzscheite bis auf die Glut heruntergebrannt waren. „Ich hätte es wohl auch so gemacht, aber da waren, gottlob, die Goldbergs davor …

Moshe zügelte das Pferd, stoppte den Wagen fast ruckartig. Und für einen Augenblick standen sie auf dem holprigen Weg, sahen sich an. Er verstand nicht, furchte die Stirne, und sein forschender Blick zeigte deutlich, dass er nicht an ihren Worten, sondern an ihr zweifelte!

Vergraben wollt ihr das Geld?“ Erstaunt und durch seine Reaktion verunsichert, hob sie kurz die Schultern und nickte nur. Er wandte sich langsam wieder um, kopfschüttelnd, und gab dem Pferd die Zügel frei.

So viel Geld zu vergraben wäre nicht nur bodenlose Dummheit, es wäre geradezu Sünde!“ Eine Zeitlang sprach er nicht mehr, fuhren sie schweigend den holperigen Weg entlang, der jetzt etwas anstieg und sie in weitem Bogen um einen Wald herumführte.

Unvermittelt dann: „ Schlagt euch das aus dem Kopf! Geld kann man nicht vergraben! Man kann Abfall vergraben, und man kann Tote vergraben, aber Geld kann man nicht vergraben!“

Warum sollte ich das Geld nicht vergraben können?“ Ihr Oberkörper bog sich leicht nach hinten und dabei etwas von ihm weg. Nicht verstehend, auch ein wenig ärgerlich zog sie ihre Augenbrauen zusammen. „Johannes hatte das Geld auch vergraben, und es hat doch funktioniert.“

Jetzt zog er das ganze Gesicht ungeduldig in Falten, „Seid vernünftig, Frau! Das war etwas ganz anderes! Hätte euer Mann das Geld abholen können, so hätte er das Geld ganz sicher nicht an anderer Stelle wieder vergraben. So viel Geld muss man anlegen!“

Sie blickte ihn von der Seite an, verständnislos, „Anlegen.“ warf das Wort einfach so dahin.

Ja, anlegen!“ Er wandte sich ihr kurz zu, immer noch ungeduldig, „Geld ist nicht einfach nur totes Metall, das man vergraben kann. Glaubt das doch nicht!“ Mitten auf dem Weg vor ihnen lag ein dicker Felsbrocken, der vom Wald herunter gerollt war. Moshe hielt den Wagen schon weit vor dem Stein an, gab ihr die Zügel, „Verschwindet wenn es ernst wird!“

Wenn es ernst wird?“ Sie sah zu, wie er vom Wagen herunterstieg, zog die Stirn in Falten.

Der Stein.“ Er stand jetzt vor dem Wagen, wies mit der Hand voraus, „Ein guter Platz für einen Hinterhalt. Würde mich nicht wundern, wenn da schon jemand ausgenommen wurde.“

Und was mache ich dann?“

Er hatte sich schon abgewandt, war schon los gelaufen, „Dann wartet unten hinterm Berg auf mich!“ Lief dann soweit den Hang hinauf, dass er hinter den Stein sehen konnte. Beruhigt kam er wieder zurück und bugsierte den Wagen vorsichtig über den schrägen Hang am Stein vorbei. Wieder auf dem Weg sah er sie mit hoch gezogenen Augenbrauen an:

Das sind diese harmlos aussehenden, aber wirklich gefährlichen Stellen!“

Vermutlich haben uns die Halunken schon von weitem gerochen und sich dann lieber aus dem Staub gemacht.“ Sie sah zurück, warf einen kurzen, angewiderten Blick über die Schulter auf den Haufen frisch abgezogener Schaf- und Kuhfelle, die sich hinter ihnen auf der keinen Ladefläche zu einem unansehnlichen Haufen türmten. Der Gestank, der von diesem verwesenden Haufen ausging, hatte sich in der warmen Mittagssonne so verdichtet, dass er ihnen den Atem verschlug, sobald der Wagen zu langsam fuhr oder sie anhalten mussten. Angelockt von diesem Duft schwirrten hunderte von Fliegen aufgeregt um sie herum, schlossen sich irgendwann dem grün schillernden, summenden Heer an, welches den blutverschmierten Haufen als Brutstätte entdeckt hatte.

Wahrscheinlich stinkt das Geld nachher genauso, und ich werde den Gestank nie mehr los.“

Na, wenn ihr das Geld vergraben wollt, dann seid ihr Geld und Gestank bald los!“

Sie ruckte ein Stück zur Seite, „Mein Gott! Ich weiß halt nicht, was ich anderes mit dieser Menge machen soll. Und ich habe Sorge, dass mir das Geld, das Johannes in Jahren zusammengetragen hat, einfach aus den Händen rinnt. Warum versteht ihr das nicht?“

Natürlich verstehe ich das! Aber eine solche Menge Geld zu vergraben ist und bleibt falsch!“ Er nahm den Zügel in eine Hand, wandte sich ihr mehr zu,

Ihr könnt Geld mit Getreide vergleichen: Wenn man es vergräbt oder zu lange liegen lässt, verliert es an Wert und wird vom Ungeziefer aufgefressen. Sät man es aber auf einen guten Acker, dann bringt es vielfachen Gewinn. So müsst ihr das verstehen!“

Ah ja, Getreide.“ Sie verstand nichts!

Er wandte sich ab, nahm die Zügel wieder in beide Hände.

Habt keine Sorge, wir helfen euch schon!“

Einen Moment lang sah sie ihn noch von der Seite an, unsicher, nachdenklich. ´Wie Getreide!´ Hörte sich ganz einfach an. ´Getreide´ hatte sie ja jetzt genug, fehlte nur noch der Acker. Sie sah hier keinen Weg für sich, atmete resigniert durch und sah wieder nach vorn.

Zurück in Leipzig half alles gute Zureden nichts: Unbelehrbar und eigensinnig bestand sie darauf, die Geldbeutel in ihrer winzigen Kammer zu verstauen.

Allein in ihrer Kammer ging sie zielstrebig zu Werke, zerrte den Bettkasten von der Wand und begann, die nach Kadaver stinkenden Beutel zwischen Wand und Kasten zu stapeln. Verbissen schleppte sie einen schweren Beutel nach dem anderen über ihr Bett, hielt dabei die Luft an, wandte zum Atmen das Gesicht ab. Endlich wurde der Ekel übermächtig: Sie drohte in einer dicken Suppe aus Aas- und Fäulnisgestank zu ertrinken, musste an die Luft.

Draußen, vor der Tür, rutschte sie an der Wand herunter, atmete durch. Nicht einmal die Hälfte der Beutel hatte sie verstauen können, es war unmöglich. Die Beutel mussten weg! Wie? Wohin? Gedankenverloren stierte sie geradeaus ins Nichts.

Wenige Schritte neben ihr wurde die Tür aufgestoßen. Izaak Goldberg kam aus dem Haus, stapfte mit festen, schweren Schritten hinüber zum Pferdestall und zog ihren Blick hinter sich her.

Sie bekam Izaak selten zu Gesicht. Tagsüber hielt er sich im Hause auf, plante, rechnete, erhielt Besuch von wohlhabenden Bürgern aus Magdeburg, Leipzig und dem Umland und empfing immer wieder Händler, für die er auf ihren Reisen eine fest eingeplante Handelsstation war. Lediglich, wenn er irgendwann und notgedrungen zum Abtritt musste, dann konnten sie sich schon mal begegnen; der Abtritt befand sich im Pferdestall.

Ungerufen drängte sich ihr das Bild auf, wie er damals im Wald vor ihr kniete, entblößt an Leib und Seele. Ein Haufen Elend mit einem Rosshaar in der Zunge.

Der Gedanke riss unversehens ab: Gackernd kam ein Huhn schnurstracks auf sie zu gerannt, versuchte sich und sein ungelegtes Ei vor einem heranstürmenden, unberechenbar hüpfenden Reifen in Sicherheit zu bringen. Neben dem Reifen rannte Daniel, Moshes Sohn. Das Gesicht von dunklen, krausen Haaren eingerahmt, die Unterlippe im Eifer zwischen den Zähnen festgehalten, trieb er den Reifen mit einem kleinen Stöckchen diagonal über den Hof.

Sie wandte sich ab, ließ ihren Blick gedankenlos über den Hof schweifen, hörte den Reifen, nur wenige Schritte entfernt, mit einem trockenen Klacken gegen die Wand stoßen.

Auf der anderen Seite des Hofes, am Brunnen, vielleicht fünfzehn Schritte von ihr entfernt, begegnete sie einem anderen Blick. Batya, Moshes Frau lehnte dort im Schatten der großen Kastanie und beobachtete sie offensichtlich. Den Kopf leicht schräg gelegt verharrte sie noch einen Augenblick, löste sich dann vom Brunnen und kam zu ihr herüber geschlendert.

Batya war einige Jahre jünger als sie, vielleicht achtundzwanzig. Eher klein und mit ausgeprägten Rundungen war sie ein Energiebündel, deren vermeintliche Gelassenheit von einem Augenblick zum anderen in Flammen aufgehen konnte.

Vom ersten Tag an, den sie im Hause der Goldbergs erlebte, hatte ihr Batya geholfen, zurück ins Leben zu finden. Was immer ihr fehlte, Batya blieb nur wenig verborgen und so empfand sie kaum einen Mangel.

Manchmal wurde sie nachts wach, wenn sich Batya und Moshe liebten. Dann drangen Laute zu ihr herüber, die den beiden in Momenten größten Wohlbehagens entströmten, die sich allmählich klärten, um dann mit zunehmender Leidenschaft stakkatisch einem gemeinsamen Höhepunkt zuzustreben. Sie lag dann wach, erinnerte sich und drohte zu zerreißen. Es waren die Momente, in denen das Gefühl, vom normalen Leben ausgeschlossen, vergessen zu sein, übermächtig wurde. Oft stand sie dann auf, setzte sich draußen vor die Tür, so wie sie jetzt auch dort saß, und starrte einfach in die Dunkelheit.

Daniel rannte an ihr vorbei, trieb seinen Reifen wieder zurück auf die andere Hofseite.

Ihr gegenüber kam Izaak wieder aus dem Stall, und stapfte, ohne mehr als notwendig von seiner Umgebung wahrzunehmen, festen Schrittes zum Haus zurück.

In der Höhe etwa, in der er die Hand ausstrecken musste, um die Haustüre zu öffnen, wurden seine vertrackten Gedankengänge unterbrochen. Die ruhige, fließende Bewegung, mit der sich Batya auf ihn zu bewegte, ließ ihn einhalten. Mit einer raschen Bewegung hob und wandte er den Kopf, erfasste nicht nur Batya, sondern gleichzeitig auch die an der Wand Kauernde.

Aha, drückt euch euer plötzlicher Reichtum schon zu Boden?“Aus seiner geringen Höhe sah er amüsiert zu ihr herab.

Nein!“ Eher unwillig drückte sie sich aus der Hocke hoch, sah ihn dabei nicht an, „Ich konnte den Gestank da drin nicht mehr ertragen.“ Mit einer kleinen, launigen Bewegung wies ihr Kopf über die Schulter zurück.

Izaak schob den Kopf vor, forschte in ihrem Gesicht, „Gestank?“ Er machte zwei schnelle Schritte vor, stützte sich mit der Linken an der Wand ab und schob Kopf und Oberkörper entschlossen durch die geöffnete Tür in die Kammer. Langsam, geradezu nachdenklich zog er sich wieder zurück, machte ein angewidertes Gesicht, sah sie einen Augenblick ruhig an.

Was habt ihr da gemacht? Das stinkt nach Katzen- oder Hundebalg!“

Hundebalg!“ Sie sah auf, blickte Batya an, die sich die Hand vor den Mund hielt, um nicht loszuprusten, wandte sich Izaak zu.

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