Kitabı oku: «Mit der Wut des Überlebens», sayfa 3

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Das sind die Geldbeutel. Die sind vollkommen durchtränkt und stinken unerträglich!“

Batya nahm ihre Hand vom Mund, lachte ungeniert los: „Genau so hat Moshe auch gestunken! Der konnte sich selbst nicht mehr riechen – und ich ihn auch nicht!“

Hm!“ Izaak wandte sich wieder Therese zu, „Das kommt von den Fellen?“

Nur von den Fellen!“ Sie hob die Schultern, sah ihn an, ratlos.

Hm.“ Er straffte sich entschlossen, blickte Batya direkt an, „Sobald Moshe zurück ist, sollen sie das Geld rüberbringen – ohne Beutel!“ Sich abwendend zu Therese: „Seid ganz beruhigt: Das Geld ist bei uns sicher, es bleibt euch!“

Er verschwand in der Tür, ehe sie etwas erwidern konnte, stieß dieselbe aber im nächsten Augenblick wieder auf. Den Kopf leicht vorgestreckt blieb er in der geöffneten Tür stehen:

Wir könnten euer Geld gut anlegen! Die Gelegenheit ist günstig wie selten!“

Wo?“

Er löste sich aus der Tür, kam noch einmal zurück, „Magdburg braucht Geld. Viel Geld! Mehr als wir heranschaffen können! Und das ist gut so! Im Frühjahr fahren Moshe und ich rüber, und dann werden wir euer Geld an die richtigen Leute bringen!“

In Magdeburg?“ Jetzt legte sie ihr Gesicht in Falten, „Magdeburg ist doch total zerstört! Da kann doch niemand mehr Geschäfte machen, da ist doch kein Geld mehr! Außerdem ist immer noch Krieg!“

Er schob den Kopf leicht in den Nacken, setzte ein Gesicht auf, hinter dessen wissendem Lächeln sich offensichtlich Geheimnisse verbargen: „Das stimmt. Leider ist immer noch Krieg! Aber auch im Krieg geht das Leben weiter, nur anders! Und das Geld ist ja nicht verschwunden, das ist da und will angelegt werden!“

Nachdenklich, eher unsicher forschte sie in seinem Gesicht, „Ich würde meinen, das meiste Geld ist beim Brand verloren gegangen oder geraubt worden?“

Um seine Augen herum zuckte es, eine kurze Regung nur, einen Atemzug lang, während dem das Gespräch stockte. Ihm war offensichtlich klar, dass sie genau wusste, wovon sie sprach.

Sie wandte ihren Blick nicht ab, zuckte mit den Schultern, „Ich habe meinen Preis bezahlt!“

Die dicken Lippen fest aufeinander gepresst, nickte er ruhig einmal vor sich hin.

Die meisten Leute, die wirklich Geld hatten, waren beim Sturm gar nicht in der Stadt. Jetzt sind sie zurück, und jetzt brauchen sie Geld, viel Geld! Und wir wollen es ihnen leihen! Wir können euer Geld also gut gebrauchen!“

Sie sah mit schmalen Augen auf den Boden, versuchte rasch, ihre Gedanken zu ordnen. So blieb sie immer abhängig! Sie selbst musste lernen, mit ihrem Geld umzugehen!

Lieber wäre mir, ich könnte euch begleiten. Ich möchte lernen, bei welchen Leuten Ihr euer Geld anlegt und bei welchen nicht. Und ich möchte lernen, was ihr verhandelt, wie ihr das Geld anlegt. All das muss ich selbst einmal können.“

Von einem Augenblick zum anderen verschwand alle Euphorie über die bevorstehenden Geschäftsmöglichkeiten aus Izaaks Gesicht, machten einer entschlossenen, distanzierten Kühle Platz: „Da gibt es für euch nichts zu lernen! Frauen haben in diesem Geschäft nichts zu suchen! Entweder wir machen das Geschäft für euch, oder wir machen es gar nicht. Dann bleibt auf eurem Geld sitzen, bis es sich von selbst davonmacht!“ Er zuckte die Schultern, wandte sich um und verschwand nun endgültig im Haus.

Nachdenklich blickte sie ihm einen Augenblick nach, wandte sich Batya zu, die sie jetzt ernst mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.

Das hast du nicht gut gemacht! Izaak überlegt sich gut, was er sagt und was er macht. Widerspruch duldet er nicht, und du bist noch dazu eine Frau! Izaak meint es wirklich gut mit dir, verdirb dir das nicht!“

Zögernd löste sie sich von Batyas warnendem Blick, sah hinüber zu den Stallungen, „Batya, es kann aber doch nicht immer so weitergehen!“ Ihr Blick kehrte zurück, „Ich lebe hier bei euch, wie ein gut aufgehobenes Kind. Mir fehlt es an nichts, du umsorgst mich wie eine Schwester. Aber ich muss doch irgendwann auch wieder mein eigenes Leben leben!“

Das kannst du doch jetzt!“ Batya streckte ihr das hübsche Gesicht verschwörerisch entgegen, machte große Augen: „Lass Izaak doch dein Geld vermehren. Ihm macht das Freude, und du kannst unbeschwert leben – mache es dir doch nicht so schwer!“

Ich kann das nicht so, Batya!“ Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, legte ihren Kopf soweit zurück, bis er anstieß, „Irgendwann muss ich doch auch zu meinen Kindern zurück! Ich muss und ich will jetzt wieder lernen, mein Leben selbst zu regeln!“

Batya sagte einen Augenblick gar nichts, sah sie nur an, nachdenklich, besorgt. Dann ratlos, fast ein wenig unsicher: „Aber du bist eine Frau …! Sie werden dir da draußen alles nehmen, wenn dich niemand mehr schützt!“

Da hast du wohl Recht!“ Sie nahm ihren Kopf von der Wand, nickte überlegend vor sich hin, „Wer wüsste das nicht besser als ich!“ Ganz langsam beugte sie der anderen den Oberkörper entgegen, wirkte jetzt klar und fest entschlossen: „Aber gerade deshalb will ich es ja lernen, wie man da draußen mit Geld umgeht, wie man es vermehrt und richtig einsetzt. Izaak kann mein Geld anlegen, wo und wie er es für richtig hält. Ich möchte nur dabei sein, wenn er seine Geschäfte abwickelt. Ich will es sehen und hören Ich will von ihm lernen, mehr nicht!“

Mit dem Anflug eines mitleidigen Lächelns schüttelte Batya langsam ihren Kopf: „Für Izaak ist schon das unerhört! Izaak würde mit dir noch nicht einmal im gleichen Wagen zu einem anderen Händler fahren! Undenkbar! Ganz einfach, weil du eine Frau bist! Für uns Frauen ist diese Welt verschlossen.“

Sie lehnte sich wieder zurück an die Wand, „Dann brauche ich Moshe wohl auch gar nicht erst fragen.“

Das weißt du doch inzwischen: Was Izaak sagt ist Gesetz!“

Sie schloss die Augen, legte den Kopf weit zurück, „Batya, es ist zum Verzweifeln.“ Sie nahm den Kopf von der Wand, sah Batya direkt an, „Mein Mann hätte das Geld verwalten müssen. Mein Mann ist aber tot. Er hat mir das Geld übertragen, auch in der Verantwortung für unsere Kinder. Verstehst du? Seitdem ich aus Eichstätt fliehen musste, kann ich nicht mehr über mein eigenes Leben entscheiden, immer bin ich auf andere angewiesen. Aber ich muss doch irgendwann wieder für mich und für meine Kinder Verantwortung übernehmen. Kannst du das nicht verstehen?“

Nachdenklich, hilflos die vollen Lippen zusammengepresst, sah die andere sie an, nickte ganz leise vor sich hin, „Ich weiß nur nicht, wie ich dir helfen soll.“ Sie sah hinüber zu Daniel, der immer noch seinen Reifen über den Hof trieb und gerade den Brunnen umrundete. „Wahrscheinlich würde ich genauso denken wie du.“

Daniel trieb seinen Reifen jetzt wieder auf sie zu, trieb ihn an ihnen vorbei und ließ ihn einen Moment später wieder klackend gegen die Hauswand laufen.

Ich werde eine günstige Gelegenheit abwarten und dann mit Moshe darüber sprechen. Moshe weiß bestimmt einen Rat.“ Und so, als wäre ihr plötzlich eine Idee gekommen, sah sie überlegend seitwärts zu Boden, blickte dann aber im nächsten Augenblick zu ihr auf, die Augen leicht zusammengekniffen, „Vielleicht gibt es eine Lösung!“ Sie schob ihre Zungenspitze spielerisch zwischen die Schneidezähne und forschte mit einem unergründlichen Lächeln in ihrem Gesicht, „Eine gute Lösung! Die hätte auch noch andere Vorteile für dich.“ Im nächsten Augenblick strahlte sie übers ganze Gesicht, hob aber sofort abwehrend beide Hände, als sich Therese fragend, mit vorsichtigem Lächeln von der Wand abstieß und leicht vorbeugte. „Löchere mich jetzt nicht. Ich muss erst mit Moshe darüber reden. Komm! Lass uns die Beutel rüber bringen in den Pferdestall. Da stinkt es sowieso, da werden die paar Beutel nicht auffallen.“

In den Pferdestall?“ Therese sah skeptisch zu den Stallungen hinüber.

Klar! Weiß doch keiner, dass du dein Geld dort versteckt hast! Warum sollte jemand neben dem Abtritt nach Geld suchen!“ Zielstrebig ging sie voraus, blieb nach dem ersten Schritt, den sie in Thereses Kammer gemacht hatte, stehen, verzog angewidert das Gesicht, „Bäh!“ Sie hielt sich die Hand vor Mund und Nase, wandte sich um, „Das müssen wir aber gleich neben den Abtritt legen und dann alles Heu darüber, was wir haben!“

3. Teil Die Geldanlage – keine Geschäfte für Frauen?

Eigentlich hatte der Tag vielversprechend begonnen. Sie waren zeitig an der Herberge losgekommen, es war ein schöner Frühlingstag, die alte Handelsstraße von Leipzig nach Magdeburg war also trocken und so kamen sie zügig voran.

Überhaupt war alles schneller und einfacher gegangen, als es nach dem Gespräch mit Izaak und später mit Batya anzunehmen war.

Schon zwei Tage später stellte ihr Moshe so ganz nebenbei Ulrich Wandecki vor. Einen vornehmen jungen Mann etwa im Alter von Batya, aber zu ihm musste sie aufschauen, wollte sie ihn beim Reden ansehen. Ulrich Wandecki war groß, stattlich, sein Gesicht war bartlos, eher kantig mit einem ausdrucksstarken Mund, einer kräftigen Nase und einem eckigen Grübchenkinn. Gekleidet war er wie die meisten vornehmen Kaufleute, die sie in diesem Hause gesehen hatte, und die es sich offensichtlich leisten konnten, ihre Kleidung in einem gewünschten Stil passend nähen zu lassen. Obwohl eigentlich noch jung an Jahren, vermittelte er den Eindruck großer innerer Sicherheit und Ruhe.

Ulrich habe ihm dabei geholfen, sie aus Magdeburg heraus zu bringen, er sei der zweite Mann gewesen. Sie konnte sich nicht erinnern, wusste noch, dass es zwei Männer waren, die sie über die Trümmerhaufen zogen und schoben. Alles andere, die stattliche Größe etwa oder diese beruhigende, tiefe Stimme Ulrich Wandeckis, all dies hatte sie gar nicht wahrgenommen.

Ulrichs Vater hat unser Geschäft in Magdeburg geführt, vor dem Brand. Ulrich kennt unsere Kunden dort und soll im Frühjahr hinüberfahren. Vielleicht ergibt sich ja eine Gelegenheit, euer Geld dort sicher anzulegen.“

Überlegend sah sie von einem zum anderen. Ulrich Wandecki war also über das ihr plötzlich zugewachsene Vermögen informiert.

Ihr könnt Ulrich vertrauen! Er hat für uns schon andere Geldsummen sicher verhandelt und transportiert.“ Moshe nickte ihr aufmunternd zu und sie entschloss sich, das Spiel mitzuspielen.

Und so war sie jetzt unterwegs mit Ulrich Wandecki, an den sie keine Erinnerung hatte, der ihr fremd war, dem sie merkwürdigerweise dennoch vertraute.

Aber nun standen sie! Ulrich Wandecki hatte den Wagen unvermittelt angehalten, und zwischen Bäumen und Buschwerk eines kleinen Wäldchens standen sie wie verloren mitten auf der Straße.

Ihr Begleiter wies mit ausgestrecktem Arm voraus: Magdeburg!

Von einer kleinen Anhöhe sahen sie schweigend auf das herab, was Magdeburg hieß und was von der einstigen Perle des Reiches übrig geblieben war: ein nicht zu überschauendes Ruinen- und Trümmerfeld.

An vielen Stellen sah es so aus, als stauten sich hinter der Stadtmauer die Reste der Zerstörung, würden so daran gehindert, in den vorbeifließenden Fluss oder in die Landschaft hinauszurollen. Kein Haus schien mehr ganz, allerorten ragte auch jetzt und immer noch schwarzes, verkohltes Gebälk aus dem Schutt hervor.

Aufgewühlt und ohne es zu bemerken führte sie beide Hände vor das Gesicht, legte sie vor Mund und Nase. Sorgsam Verdrängtes wurde jäh lebendig, alles sah sie wieder vor sich, die Wütenden und die vielen Toten, Feuer, Rauch, zusammenstürzende Häuser, den Staub, die Ausweglosigkeit alleine zwischen den Trümmern, den totwunden Johannes. Weiter links von ihrem Standort erkannte sie die Anhöhe, von der aus sie damals zusammen mit den anderen Frauen zur Stadt hinunter gelaufen war. Erkannte die Brücke, unter der heute wie damals der Fluss dunkel und ruhig dahin strömte. Nur, jetzt herrschte Stille: Totenstille!

Ich glaube, ich kann da nicht rein!“ Ohne die Hände herunter zu nehmen, wandte sie sich um, „Ich habe alles wieder vor Augen!“

Brauchen wir auch nicht!“ Ulrich sah sie an, ruhig, verstehend. „Die Händler kommen zu uns in die Herberge. Das ist so üblich!“

Sie nahm langsam ihre Hände herunter, sah wieder zur Stadt hinüber,

Wie sind wir da nur herausgekommen? Ich kann mich an alles erinnern bis zu dem Punkt, wo ihr mich in einen dunklen Raum geschoben habt. Mehr weiß ich nicht mehr!“

Er beugte sich leicht zu ihr herüber, wies mit dem ausgestreckten Arm voraus, „Dort drüben, die Holzbrücke über dem Fluss, die zum Haupttor der Stadt führt! Rechts von der Brücke seht ihr die größere Kirche mit den zwei Türmen.“ Sie folgte seinem Arm, erkannte das große Gemäuer, dass sich über die niedrigen Trümmerhaufen erhob wie eine riesige Schachtel ohne Deckel. An der ihnen abgewandten Seite ragten zwei Türme wie abgebrochene Zähne über das Gemäuer hinaus.

Das ist die Johanniskirche: ausgebrannt! Auf dieser Seite der Kirche gibt es eine Gruft, in der wir damals gewartet haben, bis der Brand und das Rennen draußen vorbei war. Ihr habt solange geschlafen, zwei Tage lang. Und dann mussten wir euch noch wecken! Nachts sind wir über den Fluss und dann diese Straße entlang gelaufen, einen ganzen Tag und eine Nacht.“

Er stieß die Luft durch die Nase aus, lehnte sich schweigend zurück. „Wir hatten Glück! Die meisten anderen hatten das nicht!“

Die Herberge lag nicht weit von ihrem Weg entfernt direkt am Fluss, war einfach und ordentlich, die Wirtsleute freundlich, aber schweigsam.

Ohne besonderen Hinweis gab ihnen der Wirt zwei Kammern, die klein, zweckmäßig eingerichtet und durch eine Tür miteinander verbunden waren.

Ihr wart schon mal hier?“ Sie fragte ohne aufzusehen, schob ihr Bündel mit dem Fuß in die Kammer.

Nein, aber die Herberge hat einen guten Ruf. Seid unbesorgt!“

Sie schloss die Tür, blieb einen Augenblick stehen und musterte die Kammer. „Immerhin hat er uns ohne nachzufragen diese Kammern mit dem Durchgang überlassen.“

Hm, der Mann hat so seine Erfahrungen und wartet gar nicht mehr darauf, dass man ihn belügt!“ Ulrich stand leicht vorgebeugt im zu niedrigen Türrahmen, beobachtete schmunzelnd wie sie ihr Bündel zwischen Truhe und Tür an die Wand schob.

Vielleicht solltet ihr mir dann lieber helfen, die Truhe vor die Tür zu schieben.“ sie wandte sich ihm zu, die Augenbrauen hochgezogen.

Das Schmunzeln wurde zum schelmischen Lächeln, „Warum sollte ich so etwas tun?“

Ruhig richtete sie sich auf, sah ihn an, ernst, forschend.

Besänftigend hob er beide Hände, „Nein! Ich habe ja gesagt, seid unbesorgt! Ihr habt mein Wort!“ Bestätigend und wie zur Beruhigung nickte er ihr zu, „Könnt ihr schreiben?“

Ein wenig!“

Wir wollen sehen, ob es reicht. Kommt!“ Er drehte sich herum ging in seine Kammer hinüber.

Wozu soll ich schreiben? Ich denke ihr verhandelt!“ Über ihr Bündel gebeugt verharrte sie, die Stirn gerunzelt, wartete auf seine Antwort, sah auf, als er wieder in der Türfüllung erschien, diese komplett ausfüllte.

Anders geht es zunächst auch gar nicht! Die Händler werden nicht mit euch verhandeln!“ Er sah sie ernst an, hielt ihr aufzählend zunächst den kräftigen Daumen hin, „Ihr seid eine Frau, und in diesem Geschäft gibt es keine Frauen – soweit ich weiß! Außerdem:“ er entfaltete seinen wohlgeformten Zeigefinger, „Ihr seid keine Jüdin! Als Christin dürft ihr also, wenn man es genau nimmt, kein Geld gegen Zins verleihen. Wenn sich ein Händler hierauf beruft ...!“ Einen Moment lang sah er sie mit großen Augen an, sah dann wieder zur Hand, um dort den dritten Finger zu entfalten. „Die Händler, mit denen wir es hier vornehmlich zu haben werden, arbeiten, solange ich denken kann, mit meinem Vater zusammen. Sie wissen, woher das Geld kommt und sie kennen mich und werden deshalb mit mir handeln wollen. So ist das!“

So ist das! Seine ruhige, dunkle Stimme schloss das Gesagte ab, als wäre es unumstößlich!

Hm!“ Mit einem Ruck öffnete sie die Verschnürung ihres Bündels, „Wo ist euer Vater jetzt?“

In Dresden! Eigentlich sollte ich dorthin und er sollte seine Kunden in Magdeburg weiter bedienen. Aber dieser Überfall hier hat ihm ganz schön zugesetzt, er wollte nicht mehr!“

Verstehe ich nur zu gut! Und warum soll ich jetzt etwas schreiben, wenn ihr verhandelt?“ Sie richtete sich vollends auf, krauste die Stirn.

Es muss doch einen Grund geben, weshalb ihr bei den Verhandlungen anwesend seid. Wenn um viel Geld verhandelt wird, duldet niemand überflüssige Zeugen! Ich werde also morgen früh zwar verhandeln, aber ich werde nicht schreiben können und benötige deshalb eure Hilfe!“

Verstehe! Schreibe ich jedes Wort mit?“

Nur die Ergebnisse, nicht jedes Wort! Aber das müssen wir heute Abend noch lernen!“

Und sie lernte! Bis spät in die Nacht saßen sie bei Kerzenlicht, übten wieder und wieder die Methode des Aufschreibens. Izaak hatte hierzu ein ganz einfaches graphisches Schema entwickelt, bei dem alle wichtigen Vertragsdaten wie etwa die Namen, die Kreditsumme, der Zinssatz, die Laufzeit und die zurück zu zahlende Summe in einem Dreieckgebilde erfasst wurden.

Das Ganze war übersichtlich und auch für jemanden eindeutig, der nicht besonders gut schreiben konnte und wurde am Ende von den Verhandlungspartnern unterschrieben.

Alles dies und das Schreiben von Zahlen in den unterschiedlichen Bereichen übten sie wieder und wieder und noch einmal mit immer neuen Beispielen.

Irgendwann legte sie die Feder vorsichtig nieder, legte beide Unterarme auf dem Tisch ab und schloss für einen Augenblick die Augen, „Ulrich, ich muss aufhören. Mein Kopf ist voll!“

Es blieb still im Raum.

Und als sie bemerkte, dass er sie ruhig und nachdenklich betrachtete, sah sie ihn direkt an, sah, dass er hellblaue, im Kerzenlicht glänzende Augen hatte, genoss für einen Augenblick diese kribbelnde Stille. Sie wandte sich ab, erhob sich, „Du hast mich geschafft! Ich bin todmüde.“

Er griff nach ihrer Hand, „Bleib noch!“

Es geht nicht, Ulrich! Es geht noch nicht!“ Sie sah ihn nicht an, sah zu Boden, ging in ihre Kammer hinüber und schloss die Tür.

Am nächsten Morgen waren sie früh auf. Ulrich schien wirklich verletzt zu sein, trug seinen rechten Arm in einer Schlinge unter dem Wams, wobei der rechte Ärmel überflüssig und gut sichtbar herabbaumelte.

Sie ließen sich vom Wirt ein deftiges Frühstück bringen, beantworteten dessen Fragen nach der plötzlichen Verletzung ausweichend und schlenderten dann hinunter zum Fluss. Der Fußweg endete direkt am Wasser. Ein Ruderboot lag dort halb auf der Seite, war so weit aufs Land gezogen worden, dass nur noch der hintere Teil ins Wasser ragte. Einen Augenblick standen sie still, sahen hinüber zur Stadt.

Dieser ganze Tag, damals: Bis heute ist er mir unwirklich geblieben. Von allen Seiten donnerte es und krachte es, überall wurde geschossen. Alle um einen herum brüllten, schrien oder jammerten. Vermutlich habe ich auch geschrien; ich weiß es nicht mehr. Und dann das Feuer, das Heulen und Knistern und dann das Krachen, wenn die Häuser zusammenbrachen.“ Sie hatte die Schultern hochgezogen, die Arme vor der Brust her gelegt, zog sich zusammen. „Und jetzt ist es so still, nirgendwo ein Mensch zu hören oder zu sehen.“ Sie blickte hinüber zur Anhöhe, von der aus damals die Kanonen unentwegt in die Stadt schossen.

Einen kurzen Moment sah er sie schweigend von der Seite an, nachdenklich, interessiert, wandte sich dann um, „Kommt! Wir müssen wieder hoch!“

Und dann kam es, wie Ulrich es vorausgesehen hatte: Aufgeräumt und unternehmungslustig traf schon bald nach ihnen der erste Händler in der Herberge ein. Ebenso vornehm gekleidet, etwas kleiner als Ulrich und wohl mit der doppelten Lebenszeit gesegnet, begrüßte er diesen mit offensichtlich echter Freude und zeigte sich dann besorgt über Ulrichs Armverletzung. Immer noch stehend erkundigte er sich nach Ulrichs Vater, nach dessen Ergehen. Hatte Verständnis dafür, dass dieser eher nach Dresden gezogen war, als noch einmal nach Magdeburg zurückzukehren.

Als er sich endlich vorbeugte, um den Sitzhocker unter dem Tisch hervor zu ziehen, fiel sein Blick auf Therese, auf Papier, Feder und Tinte, die arbeitsbereit vor ihr lagen. Alle Heiterkeit verschwand aus seinem eher hageren Gesicht, als würde sie unter die Haut gesogen, würde im Bart um Mund und Kinn versickern. Statt ihrer stellte sich ablehnendes Erstaunen ein.

Er sah über den Tisch zu Ulrich hinüber, ließ den Hocker wo er war, richtete sich auf, „Eine Frau am Verhandlungstisch? Was soll das, Ulrich?“

Sie muss für mich das Schreiben übernehmen und ich bin froh, dass sie mitgekommen ist. Moshe Goldberg hat sie mir empfohlen. Ihr könnt ihr also vertrauen!“

Einer Frau in Gelddingen vertrauen?“ Sein Gesicht bekam einen überheblichen, spöttisch-mitleidigen Ausdruck, „Ulrich, du bist noch sehr naiv!“ Er beugte sich leicht über den Tisch, belehrend: „Dein Vater hätte eher mit den Füßen geschrieben, als dass er einer Frau die Anwesenheit am Tisch erlaubt hätte.“ Er richtete sich ganz auf, „Wenn du mit mir verhandeln willst, komme morgen in mein Haus. Wir finden dort einen Weg, ohne dass sie mitschreibt. Wenn du das nicht möchtest, suche ich mir einen anderen Geldverleiher. Also.“ Ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen wandte er sich um und verließ den Raum, so als würde er von einer Bühne abtreten.

Ulrich sah einen Atemzug lang hinter ihm her, blickte dann zu ihr, die Augenbrauen hoch, die Mundwinkel herabgezogen, „Ich habe es geahnt! Der Wolferding weiß, was er wert ist. Das war schon immer ein harter Brocken!“ Er setzte sich auf seinen Hocker, wollte beide Arme auf den Tisch legen und erinnerte sich dann unwillig an seinen festgebundenen Arm.

Wer ist dieser Wolferding?“

Ein Silberschmied und Büchsenmacher hier aus Magdeburg.“ Einen Augenblick sah er sie nachdenklich an, beugte sich dann leicht zu ihr herüber.

Seitdem Krieg herrscht, hat er sich auf die Beschaffung von Waffen spezialisiert und macht riesige Geschäfte. Zur Vorfinanzierung braucht er immer wieder Geld, große Mengen mit Risiko Zuschlägen und kurzen Laufzeiten. Für uns ist er wichtig!“

Das scheint er zu wissen.“

Natürlich! Deshalb kann er auch so auftreten, und deshalb werde ich morgen auch zu ihm müssen. So ist das eben!“ Er hielt inne, legte den Kopf schräg, um so besser in Richtung Tür hören zu können. Durch die geöffnete Tür drangen Geräusche herein, die sonst nicht da waren, Rufen, Johlen, Kindergeschrei, dazwischen das gleichmäßige, dumpfe Schlagen, mit dem Pflöcke in die Erde getrieben werden.

Therese kannte diese Geräusche nur zu genau, wusste, was sie bedeuteten und ging rasch zum Eingang, um hinaus zu sehen.

Oben auf dem breiten Absatz, von dem aus damals die Kanonen Schuss auf Schuss in die Stadt abfeuerten, entfaltete sich buntes Leben scheinbar aus dem Nichts, und das mit rasender Geschwindigkeit. Noch vor wenigen Minuten war der Absatz leer, war es dort still gewesen. Jetzt rollte es wie Wellen von der Seite heran. Planwagen auf Planwagen bezog seinen Platz auf dem Absatz, Kinder sprangen heraus, wuselten schreiend zwischen den Wagen herum, Pferde wurden angepflockt, Zeltplanen aufgespannt. Nur zu gut kannte sie diese Vorgänge, wusste, dass jeden Moment die ersten Rauchsäulen der unvermeidlichen Lagerfeuer aufsteigen würden.

Ihr solltet euer Pferd zu meinem in den Stall stellen. Ist zwar eng, aber es wird schon gehen.“ Sie hatte den Wirt nicht bemerkt, der, die kräftigen Arme vor der Brust verschränkt, jetzt neben ihr stand.

Sie sah ihn von der Seite an, wie er mit finsterer Miene das Treiben auf dem Absatz beobachtete. „Ihr habt eure Erfahrung mit den Leuten gemacht?“

Das sind keine Leute, das ist Gesindel! Wir werden Ärger mit denen bekommen!“ Er nahm die Arme herunter, wandte sich entschlossen ab.

Das ist wirklich schlecht!“ Ulrich stand hinter ihr, sah mit fest zusammengepressten Lippen und hochgezogenen Augenbrauen hinüber. „So lange die dort sind, wird kaum ein Händler zu uns herüber kommen.“

Sie drehte sich um, sah ihn kurz an, nachdenklich, sah wieder nach oben und suchte nach Worten, um Partei für „die da oben“ zu ergreifen und verstand plötzlich: Sie verspürte eine brennende Wehmut, wünschte sich, Zita, Margret und Mikola wiederzusehen. Aber das war es dann auch! Das Leben im Lager war schon damals nicht ihr Leben gewesen. Jetzt war dieses Leben so weit von ihr weg, wie es das gerade war, war Vergangenheit. Sie hatte noch einmal Glück gehabt!

Und dann wagte sich doch ein Händler zu ihnen herüber.

Sie saßen schon eine ganze Weile auf der schmalen Bank vor der Tür, lehnten in der warmen Sonne an der Hauswand, und beobachteten ohne besonderes Interesse das Treiben oben am Wald. Ulrich war gerade drauf und dran, den Arm unter dem warmen Wams loszubinden und ordnungsgemäß durch den Ärmel zu stecken, als er abrupt innehielt, „Ich denke, der will zu uns!“ Er ließ den Arm wie und wo er war, zupfte sein Wams wieder zurecht, setzte sich aufrecht und beobachtete aufmerksam einen dunklen Wagen, der in ruhigem Schritttempo herankam.

Der Wagen fuhr an ihnen vorbei und hielt dann neben dem Haus, wo er im Schatten einiger großer Erlen stehen konnte.

Ah, das kann lustig werden!“ Ulrich sah sie grinsend, mit hoch gezogenen Augenbrauen von der Seite an, während er sich erhob. „Das ist der Eberlein! Ein Energiebündel! Aber der wird uns nicht einfach abhauen, kommt aus Quedlinburg rüber.“

Der Händler Eberlein war ein kleiner Mann, gerade in der zweiten Lebenshälfte, klein und von konsequenter Rundheit. Sein Kopf, im Verhältnis zum Körper eher groß, zeigte die vollende Rundung eines Balles, die nur von einem dunklen, krausen Haarkranz am Hinterkopf unterbrochen wurde. Die Inkonsequenz eines Halses leistete sich Herr Eberlein nicht, dafür ruhte sein Kopf auf einem mächtigen Leib. Selbst die Beine ließen in ihrer Kürze eine logische Weiterführung der obigen Formen vermuten.

Ganz offensichtlich steckte aber in diesem Körper eine unverwüstliche Vitalität: Sie hatten mit wenigen Schritten die Hausecke erreicht, und der Wagen konnte nach stundenlanger, holperiger Fahrt gerade erst angehalten haben, er aber kam ihnen schon mit kurzen, raschen und energischen Schritten entgegen.

Ulrich, mein Lieber! Gut, dass es in diesen Zeiten noch Menschen gibt, auf die man sich verlassen kann! Schön dich zu sehen!“ Damit war er bei ihnen, hatte mit seinen kleinen Schweineaugen die Gesamtsituation schon erfasst. „Was ist mit deinem Arm?“ Er schob das Kinn weisend vor, warf dann einen schelmischen Blick zu ihr, „Hast es wohl zu toll getrieben!“

Ulrich wollte auf den Scherz eingehen, grinste, kam aber gar nicht erst zu Wort.

Deinem Vater geht es doch gut, oder? Ich war sicher, ihn hier zu treffen.“ Bei diesen Worten war er weiter gegangen, steuerte zielstrebig auf den Eingang zu. Und ehe Ulrich die Frage beantworten konnte, stand er schon im Haus, sah sich suchend um, „Wo sitzen wir?“

Ulrich ging wortlos an ihm vorbei, zog den Hocker hervor, der dem quirligen Menschen zugedacht war, ging dann um den Tisch herum zu seinem Platz, während Therese hinter ihren Papieren, hinter Feder und Tinte Platz nahm.

Eberlein sah sie, immer noch stehend, einen Augenblick an, nicht ablehnend, eher interessiert und mit einer Spur Hochmut, „Du übertreibst, Ulrich!“ Er sah Ulrich direkt an, „Alles zu seiner Zeit! An diesem Tisch hat eine Frau jedenfalls nichts zu suchen!“

Ulrich beugte sich vor, stützte sich auf den freien Arm ab, so als wolle er dem anderen etwas anvertrauen, „Würde es euch etwas ausmachen, wenn das Geld für den Kredit, den ihr benötigt, von einer Frau käme?“

Der andere verharrte eine winzigen Augenblick, warf ihr einen schnellen, aber hochkonzentrierten Blick aus den Augenwinkeln zu, „Woher das Geld kommt, ist mir egal! Wichtig sind die Bedingungen,“ und jetzt lehnte er sich, soweit es seine Rundungen zuließen, bedeutungsvoll über den Tisch, „die wir beiden aushandeln! Mit einer Frau werde ich nicht verhandeln!

So sei es!“ Verbindlich, aber ohne jede erkennbare Gefühlsregung ging Ulrich auf die humorvolle Art des anderen ein. Therese wusste um Ulrichs Triumph, hatte soeben die erste Lektion gelernt.

Ulrich sah kurz am Eberlein vorbei, nickte dem Wirt zu, bemerkte dabei, dass jemand den Raum betreten und sich auf der Bank direkt neben der Tür niedergelassen hatte. Sie würden leiser sprechen müssen.

Der weitere Verlauf entsprach deutlich einem eingefahrenen Ritual: Die beiden Männer saßen sich gegenüber, plauderten über dies und das, berichteten sich über Neuigkeiten aus unterschiedlichen Regionen des Reiches. Geschäftliches spielte offenbar keine Rolle. Und die Frau an ihrem Tisch auch nicht. Sie war einfach nicht da!

Das galt dann auch für das vom Wirt aufgetragene Mahl, Sauerfleisch und Brot! Mit wässrigem Mund und wachsender Wut musste sie den beiden beim Essen und Palavern zusehen. Ging es hier nicht um ihr Geld? Sie presste die Lippen zusammen, wandte sich ab, begegnete dem beobachtenden Blick des Fremden neben der Tür und stand auf. Sie musste raus aus diesem Raum.

Und während sie sich rasch vom Tisch entfernte, nahm sie das Innehalten der beiden durchaus wahr, das kurze Aussetzen des genüsslichen Kauens, Schmatzens und miteinander Redens. Sie war wieder aus der ihr zugedachten Rolle ausgebrochen, und die beiden hatten´s gemerkt. Gut so!

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