Kitabı oku: «Luft an Land», sayfa 4
Kapitel 3
Izaak
Oh, das war zu viel des Guten. Den letzten Satz hätte er sich sparen sollen. Nein. Das war nicht gut. Fabian war zum Ende des Gesprächs endlich aufgetaut und hatte nicht mehr den Eindruck gemacht, er würde zur Schlachtbank geführt werden – mit Izaak als Henker. Und er musste es übertreiben. Ah, verdammt. Wieso konnte er nicht erkennen, wann es genug war?
Er selbst hatte gedacht, er würde träumen, als er ins Besprechungszimmer gekommen war. Er hatte den Namen Fabian Maier gelesen und sogar an »seinen« Fabian gedacht. Wie so oft in den vergangenen Wochen. »Seinen« Fabian – was für ein Unfug. Aber der Vorname hatte die Erinnerung natürlich wieder wachgerüttelt.
Für einen Moment hatte er gedacht, seine Vorstellungskraft hätte Fabian vor ihm materialisiert. Aber nein. Wie groß war der Zufall, dass der Kerl, der ihn so innig geküsst hatte, dass er Wochen danach noch immer davon träumte, ein Problem mit Geschwindigkeiten hatte. In Nicks Büro hatte Izaak davon nichts feststellen können. Fabian hatte in allem, was er getan hatte, das perfekte Tempo an den Tag gelegt.
»Alles klar?« Izaak drehte sich zu Bernadette um, die am Empfang saß und ihn fragend ansah. »Du stehst hier und beobachtest die geschlossene Aufzugtür wie … ich weiß nicht wie. Stimmt was nicht mit dem Mandanten?«
»Oh, nein. Alles Bestens. Ich hab nur kurz überlegt.« Unschlüssig, ob er es dabei belassen sollte, konnte es sich dann aber nicht verkneifen, sicher zu gehen, dass sie abgelenkt war. »Berni«, setzte er den von ihr so verhassten Spitznamen hinterher. Das obligatorische Schnauben der Empfangsdame kam prompt und zufrieden schritt er in sein Büro.
Der Rest des Tages verging wie im Flug. Da seine Gedanken ohnehin immer wieder zu Fabian und ihrer überraschenden Begegnung zurückkehrten, beschloss Izaak, entgegen seiner üblichen Gewohnheiten an einem Wochentag, die Kanzlei ungewöhnlich früh zu verlassen. Damit hätte er noch Zeit zu Nadines Pilates-Stunde im Fitnessstudio zu gehen. Er packte seine Sachen und verließ schnellen Schrittes das Bürogebäude.
Er musste dringend mit seinen Freunden über die Ereignisse des Tages reden. Wie vom Donner gerührt blieb er mitten auf dem Gehweg stehen. Eine Frau mit großen Einkaufstaschen an beiden Händen drehte sich zu ihm um, während sie ihn überholte und blinzelte ihn böse an. »O mein Gott«, formulierten seine Lippen lautlos und sie zog ihre Stirn in Falten. »O mein Gott«, sprach er etwas lauter und die Dame blieb stehen.
»Sind Sie in Ordnung?«
Izaak schüttelte sich und setzte ein geschäftsmäßiges Lächeln auf. »Entschuldigen Sie, ich blockiere den Weg.« Hastig lief er davon. Er konnte wegen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht niemandem davon erzählen. Fabian war sein Mandant und so unwillig, wie er mit seinen privaten Details rausgerückt war, wäre er vermutlich nicht erfreut, falls Izaak seine Verschwiegenheit brechen würde. Nein! Innerlich schrie er auf. Er würde platzen, wenn er nicht darüber reden konnte, Fabian wiedergesehen zu haben.
In welche Misere hatte er sich da geritten? Fieberhaft überlegte er, wie er Tobi und Nadine davon erzählen konnte, ohne seine Standespflichten zu verletzen. Er griff sich ins gestylte Haar und verstrubbelte es energisch. Es war völlig ausgeschlossen, einen Weg zu reden zu finden, ohne dass seine Freunde ihm jedes Detail aus der Nase zogen. Vielleicht sollte er statt ins Pilates zum Kickboxen gehen. Die nervöse Energie, die sich durch seinen Körper zog, fühlte sich ungesund an.
Als Izaak und seine beiden Freunde drei Stunden später aus dem Übungsraum gingen, hielt ihn Tobi am Arm fest. »Okay, was ist los mit dir? Du bist ein Nervenbündel.«
»Es ist nichts. Gar nichts. Stress in der Arbeit.«
»Seit wann lässt du dich von der Arbeit stressen?«
»Gar nicht – es ist quasi schon vorbei.«
Mit skeptischer Miene betrachtete ihn Tobi von oben bis unten. Nadine hakte sich bei Izaak unter und zog ihn in den Flur in Richtung der Umkleiden. »Sollen wir noch in die Sauna? Du wirkst wirklich etwas angespannt.«
Izaak pustete die Luft lange über seine Lippen aus. »Warum geht ihr nicht in die Sauna und ich mach mich in Ruhe fertig und warte auf euch?«
Nadine seufzte und Izaak setzte an, etwas zu sagen, als Tobi ihn unterbrach: »Du musst loslassen, Izi. Er ist nicht da. Du denkst, wir merken das nicht, dass du hier sitzt und nach Fabian Ausschau hältst? Auch wenn es nichts für mich ist – deine romantische Ader in allen Ehren –, ich will dir nicht reinreden. Aber das wird langsam ungesund. Vor allem musst du endlich mal lernen, was casual sex bedeutet. Das war das nämlich. Nicht mehr.«
In Izaak brodelte es. Wie oft hatte ihm Tobi genau dieselbe Rede gehalten? Aber darum ging es nicht. Oder nicht genau. Also irgendwie schon, aber doch nicht. Und er konnte nichts sagen. Es war zum Mäuse melken. »Du sagst doch immer, ich solle mehr unverbindlichen Sex haben, seit wann soll ich das nicht mehr?«
Tobi hob abwehrend die Hände. »Ich habe mich getäuscht. Ich gebe es zu – ich habe von mir auf andere geschlossen. Vor allem dachte ich, du könntest es lernen, aber das ist wohl nicht möglich. Dein letzter Versuch hat gezeigt, dieses Unterfangen ist zum Scheitern verurteilt. Manche Menschen sind nicht für Gelegenheitssex geschaffen – es ist unerklärlich. Entweder der Sex ist schrecklich für dich oder du hängst dich an den Typen auf. Es gibt keine gesunde Mitte für dich. Ich gebe auf mit dir. Und ich ertrage es nicht, dass du weiterhin so einen Flunsch ziehst.« Nachdenklich tippte sich Tobi mit dem Finger auf der Lippe herum. »Was sag ich denn jetzt zu dir? Am liebsten würde ich dir raten: Lenk dich ab. Aber wie macht man das, wenn man keinen neuen Mann unter oder über sich will, um den Letzten zu vergessen?«
Izaak und Nadine lachten beide und Tobis Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Keine Ahnung, Tobi. Was könnten wir machen, außer noch mehr Sex zu haben, um uns von Sex abzulenken?« Tobi schubste Nadine leicht an der Schulter und schüttelte lachend den Kopf.
»Hi!«
Ruckartig schnellten alle drei Köpfe herum, zur Quelle der tiefen Stimme, die hinter ihnen aus dem Nichts aufgetaucht war.
Fabians Gesicht zeigte wieder diese verspannte Konzentriertheit, die Izaak als Erstes an ihm aufgefallen war. Die grauen Augen fest auf Izaak gerichtet wurde der intensive Blick jedoch durch Fabians Lippen, um die ein kaum wahrnehmbares Lächeln spielte, aufgeweicht.
»Na wen haben wir denn da?« Izaak erschrak über Tobis Worte und versetzte ihm einen kleinen Schubs.
Fabians Mund presste sich leicht zusammen und sein Ausdruck nahm etwas um Entschuldigung Bittendes an. »Ich dachte, ich nehme mir deine Worte gleich zu Herzen und schau mal wieder vorbei.« Dabei sah er Izaak weiter an.
»Was für Worte?« Tobi hatte Blut geleckt. Er würde nicht lockerlassen.
Aus dem Augenwinkel konnte Izaak sehen, wie Nadine Tobi am Arm nahm und die Treppen zum Empfang hinabzog. »Wir holen uns jetzt die Saunatücher. Tobi komm, du wolltest mit mir in die Sauna.«
Tobi murmelte einen grummelnden Protest vor sich hin, während die beiden über die Treppe verschwanden.
Fabian fuhr sich verstohlen über den Kopf. »Ich dachte, du hättest ihnen vielleicht erzählt, dass wir uns getroffen haben.«
Durch sein Kopfschütteln flogen Izaaks Strähnen in sein Gesicht und er wischte sie sich energisch wieder heraus. »Nein, das darf ich gar nicht wegen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht.« Er musste ja nicht hinzufügen, dass er bereits wenige Stunden nach dem Treffen in der Kanzlei nicht mehr wusste, wie er diese Pflicht einhalten sollte.
Mit einem Schmunzeln deutete Fabian mit dem Daumen über seine Schulter die Treppe hinab. »Du willst mir sagen, Engelshaar mit Teufelszunge konnte dir diese Info noch nicht entreißen?«
»Du nennst Tobi Engelshaar?« Was Izaak eigentlich wissen wollte, war: Hast du einen Spitznamen für mich? Wie nennst du mich, wenn du an mich denkst? Diese Fragen verkniff er sich aber tunlichst, um nicht den Anschein zu erwecken, dass – ja, was eigentlich? – dass er selbst dauernd an Fabian dachte und hoffte, ihm ginge es genauso. Tobi hatte recht. Er war ein hoffnungsloser Fall.
»Du hast die Teufelszunge unterschlagen. Er sieht aus wie ein Engelchen, aber er kann mich nicht täuschen.« Erschrocken riss Fabian die Hände abwehrend zwischen sie beide. »Nicht, dass ich was gegen deinen Freund habe.«
Izaak winkte ab. »Schon gut. Er ist mein bester Freund, mir fällt schon was ein, wie ich ihn ablenken kann. Aber da er uns nun gesehen hat, gibt er sich vielleicht damit zufrieden.«
Fabian atmete schwer aus. »So ganz haben wir das nicht durchdacht, oder?«
Zerknirscht musste Izaak ihm recht geben. Das war alles keine gute Idee. Heute Nachmittag schien es alles so einfach. Fabian wäre sein Mandant. Dass sie beide über Izaaks Hand gekommen waren, war eine Nebensache, die sie als reife Mitglieder der Gesellschaft beiseiteschieben konnten. Er selbst würde niemals das Vertrauen eines Mandanten verletzen, egal, welches dringende Mitteilungsbedürfnis er hatte. Izaak nickte. Es war das Beste, wenn Fabian sich einen neuen Anwalt suchen würde. Dass er dann wiederum keine Gelegenheit hatte, Fabian außerhalb ihrer »zufälligen« Treffen im Studio, zu sehen, durfte ohnehin nie Grund gewesen sein, dass er das Mandat angenommen hatte. Izaak schluckte schwer. »Ich habe schon ein paar Sachen zusammengestellt. Also wenn du wechseln willst, gebe ich dir einfach alles und …«
Fabian starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Du willst mich nicht weiter vertreten?«
»Was? Doch, natürlich! Ich dachte, du wolltest das nicht mehr?«
»Nein. Überhaupt nicht. Ich wollte dir vorschlagen, dass du den beiden ruhig erzählen kannst, dass du mich vertrittst, wegen einer Verkehrssache. Nur bitte ich dich, keine Details über meine Schwester zu erzählen. Und über meine Mutter. Sie mögen der Grund sein, wieso ich meinen Schein brauche, aber ich will nicht, dass Details über ihre Gesundheit breit getratscht werden.«
Izaak wusste, was es bedeutete, wenn Familieninterna nach außen getragen wurden, wo sie nichts verloren hatten. Fabian hatte wieder diese stoische Intensität angenommen. Dieser Gesichtsausdruck, der keinen Widerspruch duldete und nur abgeklärte Überzeugung ausdrückte.
»Das würde ich niemals tun. Ich verspreche es dir!«
Fabians Gesichtsmuskeln um seinen Kiefer entspannten sich etwas und er nickte kurz. »Gut. Danke.«
Unschlüssig standen sich beide gegenüber, um schließlich gleichzeitig zu reden zu beginnen.
»Du willst sicher auch in die Sauna«, sagte Fabian, während Izaak über den Fall redete.
Fabian bat ihn fortzufahren.
»Ich habe schon einige Sachen zusammengetragen, aber ich glaube, es wäre besser, wenn du mir zu einigen Punkten etwas sagen könntest. Nicht nur wann und wie oft die Termine Lenas sind, sondern auch, warum ihr nicht in einer näheren Einrichtung seid und dergleichen.«
»Okay. Kein Problem. Schickst du mir eine Liste und ich schreibe dir zu jedem Punkt was auf?«
Izaak gab einen undefinierbaren Laut von sich, der eine gewisse Ablehnung ausdrückte. »Hm, ich dachte eher, wir könnten das vielleicht persönlich besprechen. Bevor wir hundert Mal hin und her schreiben, ist es vielleicht besser, einfach alles Punkt für Punkt durchzugehen. Das klappt meist besser.«
Fabian nickte zustimmend. »Sicher, alles, was du denkst, was dem Fall hilft.«
Izaak krümmt sich innerlich. Er war sich nicht sicher, ob dieser Vorschlag rein der Bearbeitung des Falles geschuldet war; aber es war mit Sicherheit auch nicht hinderlich. Wow, er schreckte wirklich vor nichts zurück. »Ich bin überzeugt, es ist dem Fall dienlich.« Dienlich war so ein schönes Wort. Es war nicht gelogen und lenkte hoffentlich von der Röte ab, die mit Sicherheit über seine Wangen kroch, wenn die Hitze, die er spürte, ein Indikator dafür war, wie sehr er sich hier zum Affen machte.
»Dann soll ich noch mal in der Kanzlei vorbeikommen?«
»Hm. Vielleicht lässt sich das in anderer Umgebung besser besprechen. Bei einem Essen?« Es war absolut nicht ungewöhnlich, mit Mandanten essen zu gehen. Die Bewirtungsbelege, die Berni jeden Monat abrechnen musste, bewiesen dies. Fabian war vielleicht nicht der typische Mandant, mit dem ein Kanzleimitarbeiter essen ging. Aber das war Izaak egal.
Fabians »okay« war Frage und Antwort gleichermaßen, doch Izaak strahlte innerlich. Er würde Fabians Führerschein retten – auch wenn der Weg etwas unkonventionell schien. Es lohnte sich, diesen Extraeinsatz zu zeigen. Dass vielleicht auch eigennützige Motive eine Rolle spielen könnten, drängte er von sich.
»Wann passt es dir denn diese Woche? Mal abends gegen 19:00 Uhr?«
»Abends?« Das Erstaunen in Fabians Stimme konnte Izaak nicht ausblenden und so biss er die Zähne zusammen.
»Ich dachte, das wäre einfacher für dich.« Diesmal hörte sich Izaak an, als ob er eine Frage stellte. Fabians Miene verriet ihm nicht, wie er seine Erläuterung aufnahm.
Dieser nickte nur kurz. »Okay. Gib mir doch einfach Bescheid, wo und wann. Ich bin jeden Abend frei.«
Diese Info hätte Izaak nicht so freuen sollen, wie sie es tat. »Dann geb ich dir Bescheid. Deine Kontaktdaten habe ich ja.« Und wieder zog die untrügliche Hitze über seinen Kopf. Er musste sich am Riemen reißen. Der einzige Grund, wieso er diese Daten hatte, war, weil Fabian sein Mandant war. Der einzige. Das durfte er nicht vergessen. Seine Position auszunutzen, wäre unverzeihlich, und kurz überlegte er, das ganze abzublasen. Doch Fabian lächelte ihn so frei an, wie seit ihrem Stelldichein in Nicks Büro nicht mehr. Es sprach nichts gegen dieses Essen. Izaak hatte sich schon unzählbare Male mit Mandanten getroffen.
»Mach das. Und Izi …« Fabian sog seine Unterlippe ein und blickte schnell an Izaak vorbei, bevor er ihm wieder ins Gesicht sah. »Es ist kein Zufall, dass ich heute hier bin. Ich habe mir deine Worte wirklich zu Herzen genommen. Ich kann nicht einerseits dich als meinen Anwalt beauftragen und andererseits versuchen, dir aus dem Weg zu gehen. Das war von vornherein nicht in Ordnung.« Er seufzte tief. »Allerdings hatte ich wirklich viel um die Ohren. Egal. Das war es eigentlich, was ich dir sagen wollte.«
Izaak versuchte, sich die Freude darüber nicht zu sehr ansehen zu lassen. Es sollte ihm egal sein. Aber er konnte nichts dagegen tun. Er konnte die Sonne auch nicht am Aufgehen hindern. Jedoch würde er nicht zu viel Bedeutung in diese Aussage legen. Fabian ging ihm nicht mehr aus dem Weg. Ja, dies erhellte seine Laune. Und ein bisschen gute Laune hatte er verdient.
Kapitel 4
Fabian
Nur zwei Tage nach ihrem nicht so ganz zufälligen Treffen im Fitnessstudio hatten sie bereits einen Termin für ihr Abendessen. Fabian hatte noch nie einen Anwalt gebraucht und er wusste nicht, ob es normal war, sich mit seinem Anwalt abends zum Essen zu treffen.
Was er aber sicher wusste, war, dass es nicht normal war, sich derart auf diese Verabredung zu freuen. Verabredung? Ein Treffen mit seinem Anwalt. Er musste bei der Sache bleiben. Das letzte Mal, als er sich dazu hatte verleiten lassen, seinen Wünschen und Trieben nachzugehen, hatte ihn überhaupt in die Situation gebracht, einen Anwalt zu brauchen. Aber es war schwierig, wenn er an Izi dachte.
Im Studio hatte er seine Haare wieder ohne irgendwelche Produkte getragen. Sie fielen ihm immer wieder wie ein Schleier ins Gesicht und mehr als einmal hatte Fabian seine Hand bewusst zurückhalten müssen, damit er Izi die Strähnen nicht aus den Augen strich. Die Erinnerung an ihre Textur führte zu Erinnerungen an seine Haut, an sein Tattoo, an seine Piercings und Fabian war wieder hart. Energisch zog er sich die Jeans an und knöpfte sie zu. Diese Gedanken brachten alles nichts und verspäten würde er sich auch noch.
»Warum ziehst du dich so schick an?«
Fabian ließ vor Schreck einen spitzen Schrei los. Sein Herz schlug so schnell und sollte sich vor Sekunden noch eine Erektion in seiner Hose versteckt haben, hatte diese einen fürchterlichen erschlafften Niedergang gefunden. »Lena. Erschreck mich nicht so.«
»Mama sagt immer, ich bin laut. Wieso kannst du mich nicht hören?«
»Ich war in Gedanken. Da hab ich nicht mitgekriegt, was um mich rum passiert.«
»An was hast du gedacht?«
Hm. Wie sagte man seiner kleinen Schwester, dass man eine gewisse Vorliebe für seinen Anwalt hegte? Wenn diese weder wissen sollte, dass man überhaupt einen Rechtsvertreter benötigte. Noch, dass sich die Vorliebe auf gewisse körperliche Reize besagten Rechtsvertreters bezog – die zu ausführlichen Sinnesreisen führten.
»Hast du deine Übungen schon gemacht?« Er hob seinen Fuß und kreiste ihn mit bedeutungsschwerem Blick auf Lena gerichtet.
»Nein, keine Lust«, pflaumte sie ihn an und stapfte durch sein Zimmer.
Die Ablenkung war unfair, aber Lena musste tatsächlich ihre physiotherapeutischen Übungen machen, um ihre Muskeln beweglich zu halten und zu stärken. Sie hob das eine Bein an, drehte es in einem Halbkreis. Setzte es ab. Hob ihr anderes Bein, drehte es ebenso und wandte sich von Fabian ab. »Fertig.«
Beinahe, beinahe musste er lachen. Er ging auf sie zu und hob sie hoch. Er war achtzehn Jahre älter als sie und sie würde immer ein Baby für ihn bleiben.
Sie fing an zu quietschen und zappelte. »Lass mich runter.«
»Niemals. Du bist meine Gefangene.«
»Bin ich nicht. Hilfe, Hilfe, Mama.«
Von unten hörten sie ihre Mutter in der Küche mit Geschirr herumhantieren, die ihnen anscheinend keinerlei Bedeutung zumaß.
»Na gut. Ich werde dich loslassen.«
Gemeinsam gingen sie die Treppe ins Erdgeschoss, wo ihnen ihre Mutter entgegenkam. »Wo wollt ihr denn hin?«, fragte sie erstaunt.
»Fabian sagt mir nicht, wieso er sich so schick anzieht.«
Er schaffte es gerade so, nicht die Augen zu verdrehen. Wieso hatte er gedacht, sie hätte ihre Fragen vergessen? Seine Mutter abzulenken, würde deutlich schwieriger werden, zumal er sie nicht einfach hochheben konnte und um sich schleudern.
»Ich geh nur mit einem Freund was essen.«
»Triffst du dich mit Leon?« So unschuldig Lenas Stimme war, die Frage hatte es in sich.
Obwohl sich seine Mutter bemüht hatte, weder sie noch seine kleine Schwester waren mit seinem Ex klargekommen. Er war froh, dass er ihn los war. Auch wenn die Trennung von ihm geschmerzt hatte, zumindest hatte er gelernt, was wirklich zählte. Nun. Er hatte es fast gelernt. Aber er war auch nur ein Mensch und die blauen Augen, die seine Aufmerksamkeit so vereinnahmt hatten, würden ihm gleichermaßen wieder aus der Patsche helfen.
»Nein. Ich treffe mich ganz sicher nicht mit Leon.«
»Gut.« Lena hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie Leon nicht mochte. Nie gemocht hatte. »Mit wem triffst du dich?«
Amüsiert beobachtete ihre Mutter das Gespräch zwischen ihnen. Fabian wusste, von ihr war keine Hilfe zu erwarten. »Ja. Mit wem triffst du dich?«
Er hatte nun die Wahl, sie zu beunruhigen, indem er ihr sagte, dass er sich mit einem Anwalt traf oder er nahm die Neckereien auf sich, von denen er wusste, dass sie ihn erwarten würden. Die Wahl war getroffen, bevor er die Alternativen überhaupt zu Ende gedacht hatte. »Ich treffe mich mit Izaak.« Der Name kam ungewohnt über seine Lippen. Er hatte nie jemanden gehört, der Izi Izaak nannte. Ihn aber bei seinem Spitznamen zu nennen, schien viel zu persönlich.
»Ist das dein Freund?«
»Nein, du neugierige, kleine Hexe, das ist nur ein Freund.«
»Aber er könnte dein Freund sein.«
Fabian seufzte. Nein, Izi könnte nicht sein Freund sein. Oder doch? Unfug. »Er ist nur ein Freund. Den ich warten lasse, weil ihr mich aufhaltet.«
Lena umarmte ihn und drückte die Stelle, an die sie rankam, ihren Kopf gegen seinen Bauch gedrückt.
»Viel Spaß.« Seine Mutter war deutlich entspannter. »Und vergiss nicht: Du darfst Spaß haben!«
Nun musste nur noch er seine Gelassenheit an den Tag legen. Doch bevor er das konnte, lief er noch mal schnell die Treppe zu seinem Bad hoch und besprühte sich mit dem Eau de Toilette, das er sich selbst zu Weihnachten geschenkt hatte. Es konnte nie schaden, gut zu riechen.
Als Fabian vor der Adresse stand, die Izi ihm genannt hatte, sah er voller Zweifel durch die Glasfenster. Den Umschlag, den er dabeihatte, wechselte er von einer in die andere Hand. Die Gegend, in der sich das Restaurant befand, sprach bereits Bände. Die Preise auf der Speisekarte wollte er am liebsten gar nicht sehen. Es würde ihm vermutlich aber nichts anderes übrigbleiben, wenn er sich nicht entschied, unverrichteter Dinge wieder zu gehen. Mit einem Grummeln im Bauch, das nichts mit seinem Hunger zu tun hatte, und einem Drücken auf der Brust, das ihm das Atmen erschwerte, ging er in das elegante Restaurant.
Ein Kellner stand am Eingang an einer Art Stehpult und lächelte ihn freundlich an. »Haben Sie reserviert?«
»Ja. Nein. Das heißt, Izaak Galea müsste reserviert haben.«
Der Kellner behielt sein Lächeln bei und drehte seinen Oberkörper leicht mit einer angedeuteten Verbeugung, ohne den Blick von Fabian zu wenden. »Sie werden schon erwartet. Folgen Sie mir bitte.«
Fabian ging ihm hinterher und musterte die anderen Gäste an deren Tischen.
Dieses Restaurant war nicht eines, das er ausgewählt hätte. Er hatte noch nie davon gehört.
Auf jedem Tisch standen brennende Kerzen. Die Tische waren in weiß eingedeckt und es lag so viel Besteck darauf, das ihn schier blendete, als er daran vorbeiging.
Der Kellner lotste ihn an das hintere Ende des Restaurants. An einem der großen Fenster, die zur Seitenstraße zeigten, entdeckte Fabian Izi. Er war über sein Handy gebeugt und schien konzentriert darauf herum zu tippen. Dies gab Fabian die Gelegenheit, ihn auf seinem kurzen Weg zu beobachten.
Sein schwarzes Haar fiel über eine Seite in seine Augen. Das weiße Hemd, das er trug, war genau so enganliegend, wie das, was er im Fincken angehabt hatte. Fabian fragte sich, ob er durch den weißen Stoff die Brustwarzenpiercings erkennen würde. Bei dem Gedanken lief ein Kribbeln über seinen Rücken. Schnell streifte er seine freie Handfläche über seinen seitlichen Oberschenkel, in der Hoffnung, niemand bemerkte es. Egal, was er sich einredete, Izi war nicht nur sein Anwalt. Izi war der Kerl, den er seit Wochen nicht aus seinen Gedanken verbannen konnte. Die Erinnerung daran, wie nah sie sich in dem Büro im Fincken gekommen waren, führte für ihn regelmäßig zu intimen Momenten mit seiner Hand. Mittlerweile machte es schier den Eindruck, sein Penis und seine Hand seien unzertrennlich.
Er würde sich endlich zusammenreißen müssen, sonst würde dieser Abend eine Wendung nehmen, die niemand von ihnen wirklich wollte. Dachte er.
Als sie am Tisch ankamen, sah Izi zu ihm hoch. Er legte sein Handy sofort weg und sprang auf. Seinen Stuhl schob er nach hinten und trat seitlich heraus. Seine Jeans lag eng an und Fabian musste sich zwingen, seinen Blick nicht an jeder einzelnen Kontur Izis verweilen zu lassen. Verdammt, der Kerl wurde jedes Mal heißer, wenn er ihn sah.
Und als sich ihre Blicke trafen, zerbröselte etwas in Fabian. Der Glaube, er könnte sich gegen Izis Charme wehren, der Wille, ihn nicht näher an sich herankommen zu lassen, hielt diesem Blick nicht Stand. Dieses unglaubliche Blau schien ihm Frage und Antwort gleichzeitig zu sein.
Und dennoch wusste Fabian, er würde diesem, was immer es war, was ihn so zu Izi zog, nicht nachgeben. Es war schlimm genug, dass dieser ihm helfen musste, überhaupt seinen Führerschein zu behalten. Izi kam aus und lebte in einer völlig anderen Welt als er selbst. Egal, wie sehr er sich zu ihm hingezogen fühlte. Er könnte Izi nicht einmal zum Essen ausführen. Den Lifestyle, den Izi offensichtlich hatte und die finanziellen Möglichkeiten, die Fabian blieben, lagen so weit auseinander, dass ihm ein Vergleich fehlte. Er könnte niemals der Mann sein, den Izi brauchte und verdiente.
Izi nahm seine Hand und zog ihn zum Tisch, doch Fabian fühlte sich, als drückte jemand seine Rippen zusammen. Das Atmen wurde schwer und eine Resignation setzte sich tief in ihm fest. Schnell zog er seine Hand zurück und Izi sah überrascht auf. Er trat einen Schritt zurück, während er dem Kellner dankte, der sofort verschwand. Ohne ihn weiter anzusehen, setzte sich Fabian auf seinen Stuhl und ihm gegenüber ließ sich Izi ebenfalls nieder.
»Ist alles in Ordnung?«
Fabian fühlte sich sofort schlecht. Er war unhöflich und er hatte keine andere Entschuldigung als seine eigene Unsicherheit. Vehement schüttelte er den Kopf. »Selbstverständlich. Es war ein langer Tag.«
Izi nickte mit verständigem Blick. »Ich habe fast alles vorbereitet. Es sind nur noch Details, die ich wissen muss.«
Fabian legte den Umschlag, den er noch in der Hand hielt, auf den Tisch. »Hier sind ein paar der Arztberichte, die du wolltest.«
Ohne das Kuvert zu öffnen, steckte Izi es in eine Tasche neben sich.
Fabian biss sich auf die Lippen. Nun kamen sie zum unangenehmen Teil, den er dringend besprechen musste, vor dem ihm aber bereits einfach nur graute.
»Du hast mir …« Er räusperte sich und schüttelte den Kopf. »Ähm. In den Unterlagen, die du mir mitgegeben hast – in dem Vertrag – war auch ein Beispiel einer Ratenzahlung für die ganzen Kosten. Ich befürchte, bei dem Betrag, der da steht, was es ungefähr kosten kann, denke ich …« Am liebsten hätte Fabian die Augen geschlossen, um auf irgendeine Weise der Situation zu entfliehen. Nein. Zwischen ihm und Izi würde nie mehr als ein Anwalt-Mandantenverhältnis bestehen. Und selbst dafür würde er eine Ratenzahlungsvereinbarung benötigen. Es war lächerlich. Allein die Vorstellung, wie eine Beziehung zwischen ihnen aussehen könnte. Eine Beziehung? War er von allen guten Geistern verlassen? »Ich denke, ich würde gerne von dieser Ratenzahlungsmöglichkeit Gebrauch machen.«
»Oh. Natürlich! Tut mir leid, dass ich gar nicht daran gedacht habe. Ich werde den Fall einfach als pro bono Fall laufen lassen.«
»Pro was?«
»Pro bono. Das kostet dann gar nichts.«
Fabian zuckte wie von einem Schlag getroffen zusammen. »Nein. Das will ich auf keinen Fall. Ich kann bezahlen. Es ist nur. Weißt du was, vergiss es.«
»Was? Nein. Wirklich, das ist kein Problem. Wir sind angehalten, ein paar Fälle im Jahr pro bono zu übernehmen. Das ist Firmenpolitik.«
»Nein. Nein, das will ich nicht. Du musst jemanden anderen pro bono nehmen.« Völlig entgeistert schob sich Fabian vom Tisch weg. »Ich werde bezahlen. Vergiss, dass ich was gesagt habe.«
Izi wrang seine Hände vor sich auf dem Tisch. »Aber …«
Fabian schüttelte den Kopf.
Die Augen mittlerweile auf seine Hände gerichtet nickte Izi. »Okay. Dann gebe ich Berni Bescheid, damit sie dir die Details zu den Raten zukommen lässt.«
»Das ist gut.«
Seufzend streckte Izi seine Finger über die Tischdecke. »Wollen wir was bestellen?«
»Wer ist Berni?«
Das Strahlen seines Lachens reichte bis in Izis Augen. »Berni? Die Frau am Empfang. Aber verpfeif mich bloß nicht, dass ich das gesagt habe. Sie hasst den Namen.«
Nickend stimmte Fabian zu. »Das versteh ich. Berni klingt jetzt nicht wirklich, ähm, schmeichelhaft. Hat was von einem Hund. Einem Berner Sennenhund oder so.«
Izi hielt sich die Hand vor den Mund, doch sein Lachen schaute an den Seiten unverkennbar hervor. »Lass sie das bloß nicht hören. Oh, Gott. Ich hätte nichts sagen sollen.«
Amüsiert beobachtete Fabian Izi. »Dein Geheimnis ist sicher bei mir.«
Die Anspannung, die das Gespräch über Geld in ihm ausgelöst hatte, ließ langsam nach und Fabian erlaubte sich, Izi genauer zu betrachten. Er hatte sein Hemd bis zur Mitte seiner Unterarme aufgekrempelt. Mit jeder Bewegung konnte Fabian die feinen Muskeln, die bis zu Izis Hand entlangliefen, erkennen. Die eleganten Finger schoben den Kerzenständer auf der Tischdecke hin und her.
»Dann bin ich beruhigt.« Izi sah Fabian mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Schalk an. »Hast du Hunger?«
»Lass uns bestellen.«
Wie aus dem Nichts trat ein Kellner an ihren Tisch heran, wobei Izi das nicht zu irritieren schien. »Salvatore. Was gibt es denn heute?«
Salvatore legte zwei Karten auf den Tisch und erzählte etwas über Weine. Fabian machte sich keine Mühe, dem Gespräch über Getränke zu folgen und zog die Karte zu sich heran. Statt einzelner Gerichte standen Zutaten in den unterschiedlichen Absätzen. Ohne jegliche Preisangabe.
Nachdenklich las er sich durch die Gerichte. Es war nicht möglich, zu erfragen, wieviel die einzelnen kosteten. Er würde versuchen, zu erschließen, was die billigsten Einzelbestandteile hatte und dann einfach hoffen, das Günstigste zu erwischen. Augen zu und durch würde sein Motto sein, wenn die Rechnung kam.
»Weißt du schon, was du willst?«
Kopfschüttelnd sah Fabian auf. »Nicht wirklich. Ich bin mir nicht sicher … «
»Darf ich was vorschlagen?«
Unterm Strich würde es die bessere Lösung sein. Bevor er irgendeinen Unfug bestellte. »Salvatore, bring uns doch bitte das Tagesspezial. Irgendwelche Unverträglichkeiten? Magst du Wasser? Wein?«
»Wasser ist gut und nein, ich esse alles.«
Salvatore nickte alles ab, was Izi vorschlug und verschwand so unauffällig, wie er gekommen war.
»Ich hoffe, du magst, was ich bestellt habe. Das heutige Spezial ist mein Lieblingsessen hier.«
»Da mach ich mir keine Sorgen.«
Izi sah ihn mit einem leichten Lächeln an. »Wie geht es deiner Schwester?«
»Gut. Gut, danke.« Fabian konnte seine Überraschung über die Frage kaum unterdrücken. Das Gespräch entwickelte sich ab dann so leicht, dass die Zeit nur so verflog. Salvatore brachte ihnen Wasser, da sich Izi dem angeschlossen hatte. Izis interessierte Fragen gaben Fabian den Eindruck von Vertrautheit. Mit jedem zustimmenden Nicken Izis auf seine Antworten öffnete sich Fabian weiter.
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