Kitabı oku: «Ringelpietz mit Abmurksen», sayfa 2

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»Na und? Verklag mich doch.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bleibe dabei: Ich bin kein Beziehungstyp.«

»Blödsinn. Jeder ist ein Beziehungstyp, wenn der oder die Richtige am Horizont auftaucht.«

Sie hatte gut reden, denn sie hatte sich den nettesten Typen der Welt gekrallt. »Jemand wie dein Okko.«

»Genau.« Sie lächelte verträumt, und ihr Gesicht wurde ganz weich. »So jemand wie mein Okko.«

Zugegeben – ich war von glücklichen Paaren umzingelt, und ich war seit meiner Trennung von Pascal Single. Wir hatten uns zu allem Überfluss nicht etwa getrennt, weil wir uns nicht mehr liebten. Ganz im Gegenteil: Er hatte es nicht mehr ausgehalten, dass ich mich bei meinen regelmäßigen Ausflügen in die Welt der Mordermittlungen immer wieder selbst in Gefahr gebracht hatte. Irgendwann hatte er mir ein Ultimatum gestellt: er oder die Mörderjagd.

Und wofür hatte ich mich entschieden? Genau.

Nun ja, das war die Kurzform der Geschichte, aber im Großen und Ganzen war es letztendlich so abgelaufen.

»Für jeden Topf gibt es den passenden Deckel«, deklamierte Diana pompös, »auch für dich. Davon bin ich zutiefst überzeugt.«

»Sagt die Frau, die mich gerade der Phrasendrescherei bezichtigt hat«, gab ich zickig zurück. »Außerdem glaube ich nicht an dieses lächerliche Ammenmärchen vom Topf und dem Deckel. Wenn etwas ein urbaner Mythos ist, dann das. Es ist lediglich der letzte Trost für Leute, die komplett beziehungsunfähig sind. Die können sich immer noch einreden, dass sie hier sind und ihr passender Deckel leider in Australien wohnt. Oder sonst wo im Universum.«

»Aha!« Diana hob den Finger. »Und warum sind diese Leute beziehungsunfähig? Weil sie vielleicht Auswahlkriterien haben, die niemand erfüllen kann. Oder weil kein Mann auf der Welt alle zehn Punkte auf ihrer Liste schafft. Im Prinzip ein echt toller Typ, aber leider disqualifiziert er sich dadurch, dass er gerne Grönemeyer hört. Oder französische Filme liebt. Oder keinen Espresso mag.«

»Du redest nicht zufällig von mir, oder?«, fragte ich misstrauisch. Grönemeyer, französische Filme … das passte.

»Hm … mal überlegen … Rede ich von dir?« Diana legte die Stirn in Falten und blickte nachdenklich ins Nirgendwo. Dann wandte sie sich wieder mir zu und sagte sanft: »Ja, das tue ich, meine Liebe. Ich unterstelle dir, dass du geradezu nach Gründen suchst, um jeden auch nur halbwegs interessanten Mann abzuschießen, der dir zu nahe kommt.«

»Das ist totaler Blödsinn. Ich bin durchaus offen für Bekanntschaften.«

»Und genau das glaube ich dir nicht«, sagte Diana. »Du hast dich hier schön gemütlich eingerichtet in deiner hübschen Singlewohnung. Baghira begrüßt dich, wenn du nach Hause kommst, und leistet dir Gesellschaft, wenn du abends vor der Glotze sitzt. Stell dir dein Leben ohne ihn vor, na los.«

Unwillkürlich blickte ich am Kratzbaum hoch, wo Baghira auf der obersten Plattform leise vor sich hin schnarchte.

»Wie bitte? Warum sollte ich?«

»Natürlich willst du das nicht. Weil du genau weißt, wie öde und leer dein Leben ohne ihn wäre.« Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Zeit lang musterte sie mich, dann sagte sie: »Na gut. Beweise es.«

Ich verstand kein Wort. »Was soll ich dir beweisen?«

»Dass du für neue Bekanntschaften offen bist. Hol deinen Laptop.«

Kapitel 2

Loretta bricht in ein unbekanntes Land auf – gut, wenn man eine Expertin an seiner Seite hat

Alles Sträuben half nichts: Diana blieb knallhart und befahl mir mit einer knappen Geste, mich neben sie zu setzen. Einerseits war ich zu beschwipst, um mich ernsthaft gegen ihren diabolischen Plan zu wehren, aber andererseits war ich bei Weitem nicht beduselt genug, um nicht zu schnallen, was sie vorhatte.

Und richtig. Sie fuhr den Rechner hoch, wählte eine Suchmaschine an und öffnete schließlich die Website einer Plattform für Singles, die sich ›Liebesgarten‹ nannte.

Ich verdrehte die Augen. »Liebesgarten – wirklich? Wie pornös ist das denn bitte? Das klingt wie der Outdoor-Bereich eines Swingerclubs, so mit versteckten Grotten und Whirlpools und so. Für die Muttis und Vattis, die es mal ganz verrückt im Freien treiben wollen, aber zu feige sind, ihre wilde Fantasie im heimischen Naherholungsgebiet umzusetzen.«

»Häuptling Zynische Zunge hat gesprochen«, murmelte Diana und deutete auf die Abbildung eines opulenten Gemäldes. »Da – der Name bezieht sich auf ein Bild von Rubens, das so heißt. Also doch nicht so niveaulos.«

»Das muss sich noch zeigen«, erwiderte ich. »Ein klassisches Gemälde als Namensgeber reicht nicht aus, um eine niveauvolle Auswahl potenzieller Partner zu gewährleisten.«

»Was du nicht alles weißt … Allmählich kriege ich den Eindruck, dass du schon auf Dutzenden dieser Plattformen unterwegs warst.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nee. Noch auf keiner einzigen. Aber das sagt mir der gesunde Menschenverstand.«

»Okay, lassen wir das für den Moment mal so stehen. Also. Das hier ist schon mal nix für allzu junges Gemüse, sondern ausdrücklich auf Ü30-Klienten ausgerichtet. Passt also perf…«

»Hast du mich gerade alt genannt?«, fiel ich ihr ins Wort.

»Jedenfalls alt genug, um hier mitzuspielen«, gab sie zurück. »Ich finde es gut, dass es Plattformen speziell für Leute … äh … unseres Alters gibt.«

»Freut mich, dass dich diese Tatsache so freut. Offenbar hast du vor, Okko gegen was Frisches austauschen«, sagte ich amüsiert, und sie schüttelte lachend den Kopf.

»Nicht ablenken, Schätzchen. Hier geht es einzig und allein um dich.«

Sie hatte ja recht – es konnte nicht schaden, mich mal unverbindlich umzusehen. Die Chancen, meinen Traummann unter meinen Arbeitskollegen zu finden, waren denkbar gering, das musste ich zugeben. Wie sollte das bei mir auch funktionieren? Ich arbeitete in einem Callcenter mit Sexhotline, und das beinahe ausschließlich unter Frauen.

Die Möglichkeit, dass es zwischen Kunde und Dienstleisterin jemals funken könnte, war auch nicht gegeben. Das Ganze war eine Einbahnstraße: Die Damen an der Strippe erledigten ihren Job professionell und ohne Gefühle zu investieren.

Kaum vorstellbar, dass sich eine meiner Kolleginnen – oder ich selbst – jemals in Deckhengst69 oder in BigBoss1980 verknallen würde. Umgekehrt sah das schon anders aus, denn manche der Anrufer nahmen die geheuchelte Leidenschaft für bare Münze. Zumindest war das vereinzelt schon vorgekommen.

Also blieb mir nur noch mein Boss Dennis, den ich zwar sehr mochte, aber nicht unbedingt als Mann an meiner Seite. Objektiv betrachtet, war er durchaus attraktiv: groß und sehnig mit kleinem, knackigem Hintern, außerdem großzügig, humorvoll und schlagfertig. Aber … Dennis? Unter diesem Aspekt hatte ich ihn noch nie betrachtet.

Außerdem hatte ich erst letztens durch eine Reportage erfahren, dass der Arbeitsplatz als klassischer Hotspot für Beziehungsanbahnung längst vom Internet abgehängt worden war. Mittlerweile gab es einschlägige Plattformen nicht nur für jedes Alter und jede nur erdenkliche Variante von Partnerschaften, sondern auch von seriös bis hin zu unverhohlener Suche nach rein sexuellem, kurzfristigem Vergnügen.

»Hallo? Bist du eingeschlafen?«, fragte Diana mich plötzlich. »Du bist ja völlig weggetreten.«

»Nee, ich hab bloß nachgedacht«, erwiderte ich.

Sie deutete auf dem Monitor, und ich sah, dass sie auf den Menüpunkt ›Profil anlegen‹ klickte. Eine kleine Eingabemaske erschien, und der Cursor blinkte auffordernd in einem leeren Feld, unter dem ›Bitte gib deinen Namen ein‹ stand.

»Hoffentlich hast du über den geheimnisvollen Nickname nachgedacht, den du dir geben willst«, sagte Diana. »Ich nehme nicht an, dass du dein Profil unter deinem echten Namen anlegen willst.«

Ups. Nein, das wollte ich tatsächlich nicht, dazu war mein Name viel zu … hm … besonders. Kaum vorstellbar, dass es im Ruhrgebiet noch eine zweite Frau gab, die Loretta Luchs hieß. So ein ungewöhnlicher Name war Fluch und Segen zugleich, wie ich im Laufe meines Lebens festgestellt hatte. Beinahe jeder erinnerte sich daran, wenn er ihn einmal gehört hatte.

Das könnte die einmalige Gelegenheit sein, dieser Situation zu entwischen, ging mir plötzlich auf. Scheinbar nachdenklich sagte ich: »Ich muss mir also einen Nickname ausdenken. Leider habe ich gerade nicht den Hauch einer Idee. Wie ärgerlich. Aber weißt du was? Lass uns die Sache überschlafen. Bestimmt fällt uns morgen ein schöner Name ein.«

Ich wollte den Laptop zuklappen, aber Diana schob meine Hand weg.

»Netter Versuch, Loretta, aber nicht sehr überzeugend. Uns wird schon etwas einfallen. Los, denk nach. Du bist doch sonst nicht so fantasielos.«

»Dann brauche ich noch mehr Alkohol«, murmelte ich ergeben und stand auf, um den Wein aus dem Kühlschrank zu holen.

Während ich mich abmühte, die Flasche zu entkorken, hatte ich eine Eingebung. »Ich weiß, wie ich heißen will – Diana!«, rief ich aus der Küche zu ihr hinüber.

Verblüfftes Schweigen, dann: »Bitte? Du willst meinen Namen benutzen?«

Mit einem satten Plopp marschierte der Korken aus dem Flaschenhals, und ich ging zurück an den Esstisch. »Unsinn. Nicht ›Diana, meine Freundin‹, sondern ›Diana, Göttin der Jagd‹. Würde doch passen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in die Tüte. Du wirst kein Profil unter meinem Namen anlegen.«

»Nicht dein Name, sondern …«

Diana hob die Hand, um mich zu unterbrechen. »Stopp. Wir denken uns etwas anderes aus, keine Diskussion.«

Ich schenkte uns Wein nach und setzte mich wieder. Ein leises Geräusch ließ mich hoch zum Kratzbaum blicken: Baghiras Kopf erschien über dem Rand seines Schlafkörbchens. Er musterte uns einige Sekunden lang, dann kam er offenbar zu dem Schluss, dass am Tisch gerade nicht gegessen wurde und unsere Aktivitäten für ihn somit nur mäßig interessant waren, denn er verschwand wieder.

Das war es doch! Ich sah Diana an und sagte: »Baghira.«

Offenkundig verstand sie nicht, worauf ich hinauswollte. »Was ist mit ihm?«

»Nichts. Er schläft. Aber wäre Baghira nicht ein perfekter Nickname?«

»Himmel hilf. Wieso denkst du, dass für dich als Frau der Name eines männlichen Panthers perfekt wäre? Du musst immer an die Assoziationen denken, die der Name auslöst. Oder welche er auslösen könnte. Das Dschungelbuch gehört zur Popkultur unserer Generation. Menschen unseres Alters wissen, wer Baghira ist – ganz eindeutig ein Mann. Also: abgelehnt.«

Ich nahm einen großen Schluck aus dem Weinglas. »Herrje, ist das anstrengend. Wie lange hocken wir hier jetzt schon? Eine Stunde? Zwei? Und wir sind noch keinen Schritt weitergekommen.«

»Das liegt daran, dass du einen Namen brauchst, um das Profil anzulegen. Außerdem sind bisher gerade einmal zwanzig Minuten vergangen.«

»Okay. Dann will ich Miss X heißen. Schreib hin: Miss X. Großes X, bitte.«

Diana rollte derart heftig mit den Augen, dass ich befürchtete, sie könnten aus den Höhlen fallen und über den Tisch kollern. »Miss X? Bist du betrunken?«

Ich hob das Glas und kicherte dämlich. »Ja, stell dir vor, das bin ich tatsächlich.«

»Gut, das lasse ich als Entschuldigung gelten.« Sie prostete mir zu, trank einen Schluck und grinste. »Nichts für ungut, aber dank Madonna klingt Miss X nach nietenbesetzter Augenklappe und viel Leder. Und einer Peitsche. Das schürt Erwartungen, die du nicht erfüllen willst. Oder etwa doch? Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nee. Und selbst wenn, bliebe die Frage, ob ich eventuelle diesbezügliche Vorlieben tatsächlich mit dir zu teilen hätte.«

»Ich bin immerhin deine Freundin!«

»Auch Freundinnen müssen nicht alles wissen, Schatz. Aber tatsächlich bin ich keine heimliche Domina. Ach, Mensch, warum ist das so kompliziert?«

»Hm, du könntest dich natürlich auch Putzimausi, Naschkatze, Traumfrau oder dergleichen nennen.«

»Eher möchte ich tot überm Zaun hängen.«

Diana kicherte. »Das dachte ich mir schon. Außerdem verwette ich meinen Arsch, dass es davon schon etliche gibt. Und wer möchte schon Traumfrau128 sein?« Sie dachte einen Moment lang nach, dann hellte ihr Gesicht sich auf. »Hast du ein deutsch-englisches Wörterbuch?«

Natürlich hatte ich eins. Gab es überhaupt Leute, die so etwas nicht besaßen? Ich holte es und gab es Diana.

»Lu…, Lu…, Lu…«, murmelte sie, während sie mit dem Finger auf der letztlich aufgeschlagenen Seite nach unten fuhr. »Da … Luchs! Na, das klingt doch gar nicht schlecht!« Sie blickte mich triumphierend an. »Lynx. Luchs heißt auf Englisch lynx. Mit Ypsilon. Was denkst du?«

»Lynx … aha. Lynx. Tatsächlich nicht schlecht. Irgendwie mysteriös, oder? Wie wäre es mit Miss Lynx? Dann ist sofort klar, dass ich eine Frau bin.«

»Ja, eine Frau mit Peitsche.«

»Quatsch. Was hast du denn bloß immer mit der Peitsche? Daran ist nur deine Domina-Vergangenheit schuld. Lynx finde ich gut, aber irgendwie zu kurz, zu hart. Ich möchte ja schließlich nicht Mistress davorsetzen, das bedeutet doch Herrin, richtig? Vielleicht klingt dir die Miss deshalb zu sehr nach Peitsche.«

»Hm. Könnte sein. Also gut, die Entscheidung ist gefallen: Du bist Miss Lynx. Ich gebe den Namen jetzt ein.«

Gespannt sah ich zu, wie sie einen Buchstaben nach dem anderen eintippte. Dann klickte sie auf Okay, und ein neues Eingabefeld erschien: ›Bitte geben Sie ein Passwort ein‹.

Auffordernd sah sie mich an, und ich musste diesmal nicht lange nachdenken. »Baghira. Das kann ich mir leicht merken.«

Sie runzelte die Stirn, erhob aber keinen Einspruch. Tipptipptipptipp … das Passwort war festgelegt. Es musste zur Bestätigung ein weiteres Mal eingegeben werden, und dann waren wir drin.

»So, es kann losgehen«, sagte Diana und rieb sich die Hände. »Jetzt gehen wir ins Detail.«

Es begann damit, was ich suchte – Mann oder Frau. Einen Mann, natürlich. Wie alt sollte er sein?

»Das Alter ist mir egal«, sagte ich.

»Ist es nicht. Es sei denn, du willst mit Kontaktanfragen von rüstigen Rentnern zugeballert werden, die für später eine Pflegerin suchen. Also wäre es klug, nach oben eine Grenze zu setzen. Anfang fuffzig, würde ich vorschlagen.«

Ich zögerte. Über fünfzig – das hörte sich plötzlich uralt an. Gut, ich ging stramm auf Mitte vierzig zu, aber das waren lediglich die Ziffern meines Geburtsdatums. Wie ich dachte, handelte und fühlte, schien sich seit meinen Twen-Jahren nicht verändert zu haben. Gut – eine Sache hatte sich doch verändert: Mit zwanzig war ich davon überzeugt gewesen, dass Frauen in den Vierzigern keinen Spaß mehr hatten, Faltenröcke trugen und sich beim Optiker randlose Brillen aufschwatzen ließen, von der Dauerwelle ganz zu schweigen.

Ja, so hatte ich es mir in meiner jugendlichen Dummheit damals vorgestellt.

Leute in der Disco, die sichtlich jenseits der dreißig waren, hatten sich – so schien es mir – an einen Ort verirrt, an dem sie eindeutig längst nichts mehr zu suchen hatten.

Haha, ihr haltet euch wohl für jung, hatte ich höhnisch gedacht, aber ihr seid es nicht mehr und werdet es nie wieder sein – findet euch damit ab.

Und jetzt? Mittlerweile zählte ich gut doppelt so viele Jahre wie damals, aber jeder, der es wagen sollte, mich auf die Anzahl meiner Lebensjahre zu reduzieren, würde ratzfatz feststellen, wie viel jugendlicher Schwung noch in meiner rechten Faust steckte. Na ja, vermutlich würde ich nicht wirklich zuschlagen, aber ich wäre maßlos empört.

Und doch empfand ich gerade einen Mann mit über fünfzig Jahren als viel zu alt für mich. Andererseits: Warum sollte es nicht Männer in diesem Alter geben, die sich – genau wie ich – fragten, warum da dieses seltsame Datum in ihrer Geburtsurkunde stand, das so gar nichts mit ihrem Selbstverständnis zu tun hatte? Die unkonventionell waren, zerschlissene Jeans und Rockmusik liebten? Die als Jungspunde genauso gedacht hatten wie ich damals und längst wussten, wie unglaublich dämlich das gewesen war?

Also nickte ich. »Anfang fünfzig passt. Zwischen Anfang vierzig und Anfang fünfzig.«

»Gut so, das dürfte alles unterhalb und oberhalb dieser Altersgrenzen automatisch rausfiltern. Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, Gewicht?«

»Wie … vom Mann?«

»Klar. Kann doch sein, dass du nach einem blonden Hünen mit grünen Augen suchst, der zwingend ein Sixpack haben muss, weil du dich von allem anderen erotisch nicht angezogen fühlst?«

»Das wäre aber reichlich oberflächlich, oder?«

»Mag sein. Aber wenn du ein bestimmtes Beuteschema hättest, könntest du es hier eingeben.« Diana zuckte mit den Schultern und grinste. »Ich glaube, bei jüngeren Frauen sind gerade tätowierte Vollbartträger angesagt, die ihre langen Haare in einem lächerlichen, kleinen Knödelchen tragen, wahlweise eine beknackte Wollmütze, ohne die sie nicht einmal unter die Dusche gehen. Das alles sind Kriterien, die du hier auswählen kannst. Lange Haare, kurze Haare, Glatze …«

»Ist mir sowat von egal.«

»Dann klicke ich hier genau das an. Größe?«

»Nicht unbedingt kleiner als ich, würde ich sagen, aber das ist es auch schon. Alles andere: schnurz.«

Diana nickte und klickte sich weiter durch die Auswahlfragen, während sie murmelte: »Egal … größer als 1,70 Meter … egal … egal …« Sie blickte hoch und fragte: »Bildung? Beruf?«

»Egal! Sag mal, geht es irgendwann auch um mich?«

Diana lachte, schob den Laptop ein Stück von sich weg und lehnte sich zurück. »Kurze Pause, schlage ich vor. Du musst jetzt über deinen Traummann auch nicht unbedingt alles ausfüllen; das kannst du irgendwann nachholen, wenn du willst. Du hast nicht zufällig eine Tüte Chips oder so im Haus?«

Hatte der Papst einen lustigen Hut auf? Natürlich hatte ich für Notfälle wie diesen – also nächtliche Hungerattacken – stets eine kleine Auswahl möglichst ungesunder und fettiger Snacks vorrätig. Ich füllte eine Schüssel mit Paprikachips und stellte sie auf den Tisch.

Sofort griff Diana zu und stopfte sich den Mund voll, dann stand sie auf und holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Die Geräusche weckten Baghira, der umgehend von seinem Kratzbaum geklettert kam. Nachdem er begriffen hatte, dass es bei uns keine Chips zu erschnorren gab, marschierte er zur Terrassentür und quäkte dort vor sich hin. Ich öffnete die Tür für ihn, damit er draußen seine Kontrollrunde drehen konnte.

»Du haschesch hier echschön«, nuschelte Diana mit vollem Mund. Sie schluckte runter und fügte hinzu: »Dass du mitten in der Stadt eine Wohnung mit eigenem Eingang und großer Terrasse gefunden hast – doll.«

»Schwein gehabt. Aber du hast recht, und ich fühle mich superwohl hier.«

»Fehlt also nur noch ein netter Typ, obwohl die Wohnung für zwei Personen eigentlich zu klein ist.«

Ich winkte ab. »Punkt eins: nicht unbedingt. Punkt zwei: Wer sagt denn, dass ich wieder mit einem Kerl zusammenwohnen will? Vielleicht ist es ja viel besser, erst einmal Abstand zu wahren.«

»Hm … könnte sein. Aber wir sprechen hier über einen Partner, den es überhaupt noch nicht gibt. Und deshalb …« Sie zog den Laptop wieder zu sich heran. »Deshalb geht es jetzt mit dir weiter, meine Liebe. Wie ist zum Beispiel dein Kleidungsstil?«

»Wieso ist das denn bitte wichtig?«, fragte ich verblüfft.

»Ganz einfach. Ein Mann, der zum Beispiel sogar seine Wohnung im Anzug putzt, sucht vielleicht nicht unbedingt eine Frau, die selten bis nie etwas anderes anzieht als geringelte Pullis, Jeans mit ausgefranstem Saum und derbe Boots.«

»Das ist halt mein Stil.«

»Eben. Und der bevorzugte Kleidungsstil sagt halt auch was über die Persönlichkeit aus. Hier geht es ja nicht um die Kleidung, die man unter Umständen aus beruflichen Gründen tragen muss. Ein Bankbeamter, der nicht ohne Krawatte vor seine Kunden treten darf, steht in seiner Freizeit vielleicht auf Lederjacke und Cowboystiefel aus Schlangenleder. Wenn er sich allerdings nach Feierabend nicht umzieht, sagt das etwas über ihn aus. Und die Tatsache, dass du nicht ein einziges Kleid besitzt, ist ja schließlich auch irgendwie eine Art Statement, nicht wahr?«

Da hatte sie natürlich recht. Und dennoch: Im Gegensatz zu mir liebte sie wallende Rüschenkleider, und doch verstanden wir uns prächtig. Aber das war vielleicht nicht unbedingt zu vergleichen. Wichtig war, dass der Humor stimmte.

Aber wie sollte ich das bei einem mir völlig unbekannten Mann herausfinden? Ihn mit Gags befeuern und abwarten, wie er reagierte? Würde ich etwas mit einem Mann anfangen können, der die Monty-Python-Jungs nicht witzig fand?

Loretta, du galoppierst dem Stand der Dinge schon wieder meilenweit voraus, dachte ich.

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als Diana zwitscherte: »Konzentration, bitte! Wir brauchen ein Foto von dir!«

Nie im Leben. »Nur über meine verdammte Leiche, Schätzchen«, blaffte ich. »Kein Foto, selbst wenn ich eins hätte – was leider nicht der Fall ist.«

»Ohne Foto wird sich kein Schwein für dein Profil interessieren. Es gibt sogar einen Button, mit dem man alle Profile ohne Fotos aussortieren kann. Wer will schon die Katze im Sack kaufen? Niemand.«

»Also wirklich, ich komme mir ja vor wie auf dem Viehmarkt.«

»Kein Foto, keine Anfragen.«

»Pfff.« Ich zuckte mit den Schultern. »Na und? Dann eben nicht. Wenn ich mir vorstelle, dass da ein Kerl sitzt, der die Fotos anglotzt und dann …«

»Genau das wirst du auch machen«, fiel sie mir ins Wort. »Du willst dir die Typen doch auch angucken. Sonst könnte ja jeder eine Fantasiebeschreibung in sein Profil setzen. Und dann wartest du bei der ersten Verabredung auf deinen Traummann, und es kommt Quasimodo um die Ecke gehumpelt.«

»Wenn der Charakter stimmt, ist mir das Aussehen egal«, murrte ich bockig.

»Schon klar. Darum geht es auch nicht. Aber ich wette, du möchtest auf Quasimodo wenigstens vorbereitet sein. Aber das bist du nicht, wenn dort kein Foto ist und der Typ eine Eins-zu-eins-Beschreibung von George Clooney in sein Profil geschrieben hat. Comprende?«

»Trotzdem …«

»Und umgekehrt? Wäre es dir nicht lieber, wenn ein Mann, der vielleicht nicht auf Frauen mit dicken Hornbrillen steht, sich gar nicht erst um dich bemüht, anstatt beim ersten Date sein entsetztes Gesicht zu sehen? Und mitzuerleben, wie er sich aus reiner Höflichkeit durch das Treffen quält und nur darauf wartet, sich verdrücken zu können?«

»Wie bitte? Wenn jemand derart oberflächlich ist, mich wegen meiner Brille abzulehnen …«

Sie antwortete nicht, sondern wartete einfach ab, bis der Groschen bei mir von ganz alleine fiel.

Das tat er tatsächlich recht schnell: Natürlich war es deutlich cleverer, wenn diese Typen sich vorher selbst aussortierten. Und weniger demütigend, aber das nur nebenbei.

Sie machte also mit dem Handy gefühlt hundert Porträtfotos von mir, bis ich endlich mit einem einigermaßen zufrieden war. Noch besser gefiel es mir, als Diana es der Länge nach halbierte und dann in Schwarzweiß in mein Profil stellte. Ein Brillenglas, ein Auge und ein halber, lächelnder Mund. Beinahe schon künstlerisch, fand ich.

Zufrieden lehnte sie sich zurück und deutete auf den Bildschirm. »Siehst du? Das wirkt spannend und ein bisschen exzentrisch, also entspricht es deiner Persönlichkeit. Mit Sicherheit unterscheidet es sich von den Fotos der meisten anderen Frauen, die ihr Porträt so lange bearbeiten, bis es wie eine utopische Modelversion von ihnen aussieht. Ein Versprechen, das sie nicht halten können. Du versprichst überhaupt nichts. Dein Bild hingegen sagt: Was ihr seht, ist genau das, was ihr kriegt. Ich habe es nicht nötig, mich künstlich zu verschönern.«

Doch, ja, damit konnte ich gut leben. Wem dieses Foto zu schräg war, konnte mir ohnehin gestohlen bleiben, beschloss ich. Und jetzt sollte ich mir Gedanken darüber machen, was ich am liebsten aß – denn diese Frage hatte Diana mir gerade eben gestellt.

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