Kitabı oku: «Ringelpietz mit Abmurksen», sayfa 3
Kapitel 3
Der Zug ins Ungewisse nimmt langsam Fahrt auf, und Loretta muss eine erste Auswahl treffen
Sonntagvormittag – strahlendes Wetter.
Wir deckten den Frühstückstisch auf der Terrasse unter dem Dach des Pavillons, dessen Seitenwände ich gar nicht erst installiert hatte. Das Gestänge mit Dach reichte mir völlig als Regenschutz oder Schattenspender, je nachdem, was benötigt wurde. Sogar mitten im Winter saß ich dort manchmal mit einer heißen Tasse Kakao, gemütlich in eine warme Decke gekuschelt, und schaute den tanzenden Schneeflocken zu.
Ich hatte blühende Sträucher und schöne Gräser in große Kübel gepflanzt, und es gab zwei hölzerne Gestelle in Treppenform, auf denen diverse Kräutertöpfe und Balkonkästen mit Blumen standen, die Bienen und zahlreiche andere Bestäuber anlockten.
Diana saß bereits draußen am Tisch, als ich die frisch aufgebackenen Brötchen aus dem Ofen holte und mich zu ihr gesellte.
»Hast du gut geschlafen?«
Diana nickte. »Ganz hervorragend. Zwar hat Baghira versucht, mich vom Sofa zu vertreiben, aber wir haben relativ schnell geklärt, wer wo schläft.«
»Er wollte nur in deiner Nähe sein. Er pennt nämlich nur dann auf dem Sofa, wenn er Gesellschaft sucht, schließlich hat er sein Krähennest.«
»Verstehe. Dann war das nervtötende Herumtrampeln auf mir also ein Kompliment.« Lächelnd sah sie dem Kater dabei zu, wie er am anderen Ende der Terrasse halbherzige Versuche unternahm, eine beeindruckend dicke Hummel zu fangen. »Hast du keine Angst, dass er gestochen wird?«
»Nicht die Bohne. Erstens stechen Hummeln meines Wissens nur im alleräußersten Notfall, und zweitens hat er noch nie ein Insekt gefangen. Er ist ja nicht wirklich ambitioniert; Baghira agiert lediglich uralte, archaische Instinkte aus, die irgendwo in den Tiefen seines limbischen Systems vergraben sind. Reines Triebverhalten, das ihn nach etwas schlagen lässt, das durch die Luft fliegt. Ich wette, er hat keinen Schimmer, was er da tut. Oder warum er es tut. Glaub mir, gleich wird sein Interesse an dem hübschen Spiel schlagartig nachlassen.«
Und richtig – als hätte er meine Worte verstanden, kam Baghira zu uns getrottet, reckte die Nase interessiert hoch und inhalierte. Dann setzte er sich auf seine vier Buchstaben, guckte ungeheuer niedlich und miaute los.
»Darf er ein Fitzelchen Kochschinken haben?«, wollte Diana wissen. Als ich nickte, riss sie ein schmales Stückchen von der Scheibe ab und hielt es dem Kater hin, der sich sofort possierlich auf den Hinterbeinen aufrichtete und mit den Vorderpfoten nach dem Schinken tatzelte.
Ich hätte jetzt sagen können, dass er normalerweise natürlich nichts direkt vom Tisch bekam, aber wem wollte ich etwas vormachen? Schließlich kam es auch bei mir vor, dass ich ihn so fütterte, anstatt besondere Leckereien in seinen Fressnapf zu tun, wo sie hingehörten. Außerdem wurden meine Erziehungsversuche ohnehin regelmäßig von Doris und Erwin torpediert, die manchmal auf den Kater aufpassten und ihn dann nach Strich und Faden verwöhnten. Ich hatte sie sogar im Verdacht, dass er bei diesen Gelegenheiten seine eigene Miniportion ihres normalen Mittagessens bekam. Gulasch mit Kartoffeln, Möhreneintopf … na gut. Solange er nicht ausschließlich mit Currywurst oder Stulle mit Nutella gefüttert wurde, würde er diese Ausrutscher überleben. Und ein wenig Kochschinken vom Biometzger würde dem Kater ganz sicher nicht schaden.
»Das Sortiment in Bärbels und Franks Geschäft ist klasse«, sagte Diana, »ich bin beeindruckt. Klein, aber erlesen. Läuft der Laden gut?«
»Soweit ich weiß, können sie gut davon leben. Sie haben von Gitti ja nicht nur das Geschäft, sondern auch einen riesigen Kundenstamm übernommen, der nicht abgewandert ist. Und die Lieferanten, mit denen sie teilweise schon seit Jahrzehnten zusammengearbeitet hat.«
»Glück gehabt. So, wie ich es verstanden habe, war Gitti hier die graue Eminenz im Viertel, oder?«
Ich registrierte sehr wohl, dass sie Baghira unter dem Tisch heimlich weiterhin mit Schinkenstückchen beglückte, aber ich tat so, als würde ich es nicht bemerken.
»Das stimmt. Viele Leute sind praktisch mit ihr aufgewachsen, sie haben schon als Kinder von ihr diese Kirschlollis bekommen, die jetzt ihr Nachwuchs abstaubt. Aber sie haben bei Gitti nicht nur deshalb eingekauft, weil sie bei allen so beliebt war, sondern auch, weil die Kunden qualitativ hochwertige Ware zu schätzen wissen. Alles ziemlich gutbürgerlich hier in der Gegend; die geben für Koteletts vom Biobauern mit Freude ein paar Euro mehr aus, als sie beim Discounter zahlen würden. Und es gibt zwar nicht zwölf verschiedene Sorten Äpfel, aber dafür weiß man, woher das Obst stammt – und dass es nicht mit Pestiziden besprüht ist.«
»Ich freue mich so für die beiden«, sagte Diana, »ich habe ihnen gestern Abend angemerkt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben und wie unglaublich dankbar sie dir sind.«
Ich seufzte. »Zu dankbar für meinen Geschmack. Mir ist das mittlerweile schon ein bisschen peinlich.«
»Aber vergiss nicht: Sie haben mit dem Geschäft eine echte Zukunftsperspektive; es bietet schon ein wenig mehr Stabilität als der kleine Kiosk. Kleine, gut sortierte Tante-Emma-Läden sind wieder voll im Trend. Und ich wette, Gitti hat ihnen gute Konditionen gemacht.«
»Ich kenne keine Details, aber ich denke schon. Gitti benötigt die Pacht nicht für ihren Lebensunterhalt; außerdem kennt sie die Umsätze und somit Franks finanzielle Möglichkeiten. Ganz sicher hat sie null Interesse daran, ihn ausbluten zu lassen. Ihr war besonders wichtig, dass der Laden nicht dichtgemacht werden muss, wenn sie in Rente geht – deshalb hatte sie sich ja bisher nicht dazu entschließen können. Jetzt hat sie endlich Zeit, ihre frisch erblühte Liebe mit Herrn Wüllenhorst – Alfie – zu genießen.«
Diana griff nach ihrem zweiten Brötchen und schnitt es auf. »Gutes Stichwort, Schätzchen. Wir werden gleich nach dem Frühstück mal nachsehen, was sich in der Zwischenzeit bei Miss Lynx getan hat.«
Verdutzt ließ ich die Tasse sinken, aus der ich gerade hatte trinken wollen. »Jetzt schon? Bist du sicher?«
»Na klar. Wir haben Wochenende. Was glaubst du wohl, wie viele einsame Herren gerade im Liebesgarten unterwegs sind und nach interessanten Damen Ausschau halten? Hunderte. Ach, was sag ich: Tausende!«
»Du machst Witze.«
Diana schüttelte den Kopf. »Niemals war mir etwas ernster.« Sie kicherte. »Na ja, zugegeben, das war vielleicht etwas übertrieben formuliert. Aber es wird bereits etliche Anfragen geben, darauf wette ich jede Summe.«
»Ich kapiere noch immer nicht, wieso du darüber derart gut Bescheid weißt, meine Liebe. Ist es das, womit du dich beschäftigst, wenn Okko mal keine Zeit für dich hat?«
»Oh nein, dann hält Heini mich auf Trab. Außerdem finde ich deine Frage reichlich frech. Ich weiß deshalb so gut Bescheid, weil ich die ganze Ochsentour vor ein paar Monaten mit einer alten Freundin von Okko durchexerziert habe. Sie war seit drei Jahren Single, weil ihr Mann sie verlassen hatte. Und sie war todunglücklich. Sie hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, ihr dabei zu helfen, ein Profil bei einer ähnlichen Plattform anzulegen und sie beim Bewerten der Anfragen zu unterstützen.«
Ich verstand nur Bahnhof. Und realisierte, dass ich wirklich überhaupt keine Ahnung hatte, wie das mit diesen Single-Plattformen funktionierte. Das schien ja eine richtige Wissenschaft zu sein … »Wie darf ich das denn verstehen? Was gibt es denn daran zu bewerten?«
Diana stierte mich entgeistert an. »Herrje – bist du wirklich so naiv, oder tust du nur so? Was glaubst du eigentlich, wie viel Elend du zu sehen und zu lesen bekommen wirst?«
»Und? Hatte Okkos Freundin Erfolg?«
Diana nickte. »Letztendlich schon. Aber mit etlichen Höhen und Tiefen. Dreimal glaubte sie, den perfekten Mann gefunden zu haben, aber …« Sie zuckte mit den Schultern.
»Was ist passiert?«
»Alle drei haben sich von einem Tag auf den anderen nicht mehr gemeldet – nachdem es einen täglichen Austausch gegeben hatte, bei dem sie mit Komplimenten überhäuft worden war. Zack – stumm. Einfach so, ohne Erklärung. Manche Männer sind so.«
Wie ätzend war das denn bitte? »Klingt nicht sehr ermutigend. Wie kann ich mich davor schützen?«
»Kannst du leider nicht. Zumal dann nicht, wenn du so einen Typen richtig klasse findest. Und gerade deshalb ist eine zweite, objektive Meinung – wie meine – Gold wert.«
»Na toll. Du fährst morgen zurück an die Küste, und das war’s dann mit einer zweiten Meinung.«
»Das denkst auch nur du. Schließlich kenne ich dein Passwort. Ich werde immer auf dem Laufenden sein, Schätzchen.«
Das konnte ja heiter werden.
Nach dem Frühstück räumten wir den Tisch ab. Diana kochte frischen Espresso, während ich schon mal den Laptop nach draußen brachte, aufklappte und hochfuhr. Das Pavillondach spendete genug Schatten, dass ich trotz der Sonne alles auf dem Monitor erkennen konnte.
Mit zwei Bechern Kaffee kam Diana auf die Terrasse und setzte sich neben mich. »Showtime«, sagte sie grinsend. »Los, Miss Lynx, einloggen.«
Sekunden später waren wir auf meinem Profil, und eine Zahl in einem roten Kreis neben dem Menüpunkt ›Kontaktanfragen‹ informierte mich darüber, dass 32 Männer sich für mich interessierten. Ich war baff.
Diana wollte sich über meine offenbar nicht allzu gut verborgene Verblüffung schier kaputtlachen.
»Hab ich dir doch gesagt!«, quiekte sie vergnügt. »Du bist neu auf der Plattform, und schon stürzen sich alle auf dich wie Wespen auf Apfelkuchen. Gratuliere, du hast die freie Wahl, Schätzchen. Aber ich wage mal die verwegene Prophezeiung, dass höchstens drei von ihnen nicht durch dein Raster fallen werden.«
»Wieso?«
Dianas Grinsen war geradezu diabolisch. »Warte es ab. Ich sagte ja schon: Du wirst eine Menge Elend zu sehen bekommen. Und zu lesen.«
Ich klickte die Liste mit den Anschreiben der hoffnungsvollen Bewerber an. Schon als ich die ersten las, wusste ich, was sie meinte. Denn: Wie sollte ich zum Beispiel auf eine Nachricht reagieren, die lediglich aus dem Wort hallo bestand? Oder aus der kryptischen Mitteilung Kaffe trinken – wobei mich nicht nur die mangelhafte Rechtschreibung irritierte, sondern auch die Unvollständigkeit des Satzes und das Fehlen von Satzzeichen. Handelte es sich hier um eine Frage, eine Bitte oder gar um einen Befehl?
Natürlich bemerkte Diana meine Irritation. »Du solltest dir die Profile der Herren angucken«, sagte sie.
»Auch die von denen, die nicht mehr als zwei oder drei Silben zustande kriegen?«
»Also, speziell denen unterstelle ich ja, dass sie täglich Dutzende ihrer dämlichen Hallos verschicken – irgendeine wird schon anbeißen. Aber auch die solltest du dir näher ansehen, schon allein, um einen möglichst breit aufgestellten Überblick zu bekommen.«
Also klickte ich das nächstbeste Profil an, das mit einer derartigen Nachricht verlinkt war: Wolfgang, Mitte vierzig, Beruf: Lebenskünstler.
»Ah – direkt ein Volltreffer.« Diana nickte zufrieden. »Mit ein wenig Übung kannst du eine Menge aus dem herauslesen, was im Profil steht. Lebenskünstler sind meist arbeitslose Loser, die eine Frau suchen, die sie durchfüttert.«
»Ist das nicht ein bisschen sehr verallgemeinernd?«, fragte ich zweifelnd.
»Mag sein, dass ich dem einen oder anderen Unrecht tue. Aber ich bitte dich: Was verstehst du denn unter einem Lebenskünstler? Sehen wir uns doch mal an, was der gute Wolfgang sonst noch über sich preisgibt.« Sie studierte die Angaben im Profil. »Hm … soso. Keine Auskünfte zur Körpergröße, also ist er ein Zwerg. Ein paar Pfund zu viel auf den Rippen? Also ist er ein kugelrunder Zwerg. Auf die Frage, was er gerne liest, hat er geantwortet: deine SMS. Jesses. In seiner Wohnung dürfte kein Bücherregal zu finden sein. Und wie verbringt er seine Freizeit? Am Computer, aha. Wie dein Tom damals. Erinnerst du dich?«
Blöde Frage. Natürlich erinnerte ich mich. Bis Tom es mir demonstriert hatte, war mir nicht klar gewesen, wie viel Zeit man mit Online-Rollenspielen wie World of Dingsbums verbringen konnte – der sichere Todesstoß für jede Partnerschaft.
»Kapiert?«, fragte Diana. »Der kugelrunde, garantiert vollbärtige Zwerg hockt Tag und Nacht vor seinem Rechner und spielt den Helden, weil er im wahren Leben nichts auf die Reihe kriegt. Ich wette, seine Spielfigur ist ein muskulöser Riese, der aussieht wie der junge Dolph Lundgren. Und er ist damit derart ausgelastet, dass er hier nichts weiter hinkriegt als ein dürres Hallo. Erbärmlich.«
»Wenn du mir Hoffnung darauf machen wolltest, auf dieser Plattform einen netten Mann zu finden – das ist gründlich fehlgeschlagen.«
»Du willst doch nicht sofort wieder die Flinte ins Korn werfen? Nach einer Niete? Was ich dir demonstrieren wollte, ist Folgendes: Du brauchst einen ganz klaren Katalog an Kriterien, und den benutzt du, um gnadenlos auszusieben. Du bist nicht hier, um irgendwelche Kerle zu therapieren. Oder um in jemanden Zeit und Energie zu investieren, der es dir niemals danken wird. Du bist eine gestandene, selbstständige, wundervolle Frau. Vergiss niemals: Du suchst jemanden auf Augenhöhe. Wer sich keine Mühe gibt, fliegt raus, ganz einfach. Es ist dein gutes Recht, alles zu löschen und dir vom Leib zu halten, bei dem du kein gutes Gefühl hast. Es ist dein gutes Recht, an dich zu denken. Und daran, was das Beste für dich ist. Was würde dich denn ansprechen?«
Ich dachte nach. Worauf würde ich anspringen? Der erste Kontakt war entscheidend, um mich abzutörnen oder mein Interesse zu wecken.
»Ich möchte in ganzen Sätzen angesprochen werden. Kein hingegrunztes Wortfragment, sondern vernünftige Anrede, Text und Verabschiedung. So viel Zeit muss sein.«
»Ganz deiner Meinung. Ich gehe sogar noch weiter: So viel Respekt muss sein. Zu den Grundformen zivilisierten Umgangs miteinander gehört schließlich, dass man sich die Tageszeit sagt, wenn man sich begegnet. Wir sind hier eben nicht beim Austausch von Textnachrichten am Handy, die traditionell möglichst knapp gehalten werden. Der Mann soll dir das Gefühl geben, dass er sich mit deinem Profil beschäftigt hat, richtig?« Ich nickte, und sie fuhr fort: »Er muss ja beim ersten Mal keine Romane schreiben, das verlangt kein Mensch. Aber ein paar nette Zeilen solltest du ihm wert sein. Außerdem würde ich an deiner Stelle nur auf Anfragen von Männern reagieren, die ein Foto von sich auf ihrem Profil haben. Damit hast du schon mal zwei Kriterien, mit denen du deine ersten Anfragen aussieben kannst.«
Gemeinsam arbeiteten wir uns durch die Liste. Keine vernünftige Nachricht, kein Profilfoto – alles wurde gnadenlos gelöscht. Kaum fünf Minuten später stand fest, dass Dianas Prophezeiung exakt stimmte: Es blieben drei Männer übrig, die mich in freundlichen Worten angeschrieben und eingeladen hatten, im Gegenzug ihr Profil zu besuchen und bei Interesse zu antworten.
»Ich brauche dringend eine kurze Pause«, sagte ich mit einem Stöhnen und klappte den Laptop zu. »Das muss ich erst mal verarbeiten.«
»Willkommen in der wunderbaren Welt der virtuellen Partnersuche«, erwiderte Diana. »Betrachte es als Spaß und nette Beschäftigung für deine Freizeit. Aber wenn du deinen Traummann finden solltest … Bingo.«
»Hm. Sag mal, muss ich eigentlich auch selbst aktiv werden? Profile durchforsten und Kerle anschreiben?«
»Nee. Du musst gar nichts. Du kannst absolut passiv bleiben und warten, wer sich bei dir meldet. Aber wenn du mal tierische Langeweile hast, kannst du diverse Auswahlkriterien angeben und schauen, wer übrig bleibt. Das Angebot ist überwältigend groß. Deine Aufgabe ist es, buchstäblich die Nadel im Heuhaufen zu finden, die wenigen aufrichtigen Männer im gigantischen Heer der Aufschneider, Lügner und Betrüger. Leider sind diese Single-Plattformen ein Schlaraffenland zum Beispiel für untreue Ehemänner, die ein Abenteuer suchen, und für die liebenswerten Mitglieder der überaus sympathischen Spezies, die allgemein als Heiratsschwindler bezeichnet werden.«
»Aber wie identifiziert man diese Leute?«, fragte ich kleinlaut. Herrje, diese ganze Sache wurde immer komplizierter.
»Also, ein Mann der ausschließlich tagsüber zu normalen Arbeitszeiten mit dir kommuniziert, hat mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zuhause ein Frauchen sitzen. Das kennen wir doch von der Hotline, richtig? Am meisten ist tagsüber los.«
»Und die Heiratsschwindler?«
»Oh, die sind wahnsinnig charmant und schmieren dir tonnenweise Honig ums Maul. Die Liebe zu dir trifft sie wie ein Blitzschlag, und natürlich bist du die Frau, nach der sie ihr Leben lang gesucht haben. Sie werden ziemlich schnell konkret, was eine feste Beziehung angeht. Sie sind darauf spezialisiert, einsame und bedürftige Frauen zu finden, die besonders empfänglich für ihre Schmeicheleien sind. Und dann, wenn die Frauen vollkommen blöd vor Verliebtheit sind, geht es plötzlich um Geld.«
»Das ist ja abartig. Aber woher weißt du darüber so viel? Ist das deiner Bekannten passiert?«
Diana schüttelte den Kopf. »Nein. Aber Okko hatte zwei Mandantinnen, die sogar auf ein und denselben Kerl reingefallen sind. Es war extrem schwer, ihm die Betrugsabsicht nachzuweisen, denn schließlich gaben die Frauen ihm freiwillig das Geld. Natürlich wurden sie in dem Moment abgeschossen, als das Konto leer war. «
»Freiwillig?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich nenne das Betrug. Immerhin hat der Mann ihnen Gefühle vorgegaukelt, die nicht echt waren.«
»Und wie willst du das beweisen? Beziehungen enden halt manchmal, oder? Hast du von Pascal alle Geschenke zurückgefordert, als ihr euch getrennt habt? Natürlich nicht. Und genau damit argumentieren die Männer: Sie sagen, die Frau war halt großzügig. Geld geliehen? Nein, das war geschenkt. Und innerhalb einer Beziehung werden eher selten Verträge abgeschlossen, da man sich ja vertraut. Die Dunkelziffer ist hoch, denn vielen Frauen ist es peinlich, dass sie sich haben abzocken lassen. Aber Okko hatte Glück, denn er konnte weitere Frauen auftreiben, die der Mann gerade in der Mangel hatte. Seine bevorzugten Jagdgründe waren Speed-Datings und Single-Partys, und er hatte immer mehrere Damen parallel am Start. Der Mann kann froh sein, dass die Frauen sich nicht zusammengetan, ihn erschlagen und dann irgendwo verscharrt haben. Da dürfte eine Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betrugs und die zumindest teilweise Rückzahlung des ergaunerten Geldes eindeutig das kleinere Übel gewesen sein.«
Da hatte sie wohl recht.
Kapitel 4
Eine »Begegnung« an überraschender Stelle und ein Streit, bei dem die Fetzen fliegen
»Hallöchen! Ich werd nicht mehr – Loretta sucht einen Mann!«, johlte Dennis direkt hinter mir.
Ich zuckte erschrocken zusammen. Wie zum Henker hatte er es geschafft, sich vollkommen geräuschlos anzuschleichen? Üblicherweise hörte man ihn bereits kommen, wenn er noch kilometerweit entfernt war, schließlich hatte er eine Vorliebe für Schuhe mit Plateausohlen, wahlweise eisenbeschlagene Cowboystiefel aus Reptilienleder. Klomp, klomp, klomp – Achtung, Dennis ist im Anmarsch. So war ich es gewohnt.
Unwillkürlich blickte ich hinunter zu seinen Füßen: Heute trug er Schuhe mit dicken Gummisohlen, das erklärte einiges. In Zukunft musste ich vorsichtiger sein, wenn ich mich während der Arbeitszeit im Liebesgarten umzusehen gedachte.
Mit fast schon arroganter Selbstverständlichkeit zog er sich einen Stuhl heran, setzte sich neben mich und starrte ungeniert auf das, was gerade auf meinem Monitor zu sehen war.
»Soso, du bist im Liebesgarten, die Plattform kenne ich. Ich bin da auch unterwegs. Der Heiopei da, den du dir gerade anguckst, ist ’ne Wurst, das sehe ich sofort. Zeig mal dein Profil.«
Wie bitte? Vor Empörung blieb mir glatt einen Moment lang die Spucke weg. Ich sollte ihn so tief in meine Privatsphäre lassen? Wohl kaum.
Natürlich bemerkte er mein Zögern und fuhr fort: »Komm, Loretta, zier dich nicht. Zeigst du mir deins, dann zeig ich dir meins.«
»Diese ziemlich schmierig klingende Aufforderung könnte man auch falsch verstehen, Chef. Für mich schrammt das nur haarscharf an sexueller Belästigung vorbei.«
Brüllend vor Lachen schlug er sich auf die Schenkel und wischte sich schnaufend die Lachtränen aus dem Gesicht. »Mach mal halblang«, keuchte er dann. »Wir sind hier unter Erwachsenen und nicht im Kindergarten. Oder soll ich zuerst? Na, ist das ein Angebot?«
Noch immer war ich nicht restlos überzeugt, nickte aber. »Wie finde ich dich? Du musst mir schon deinen Nickname sagen. Oder bist du unter deinem echten Namen angemeldet?«
Dennis grinste breit und schüttelte den Kopf. »Ich bin doch kein Idiot. Rate doch mal meinen Nickname.«
Ich grinste zurück. »Koteletten-Ömmes? Mister Breitcord? Rüschen-Honk? Nein, ich gebe auf. Wie soll ich denn bitte erraten, was dein kleines, verdrehtes Hirn ausgebrütet hat? Das ist unmöglich.«
»Gecko.«
Meine Gesichtszüge drohten zu entgleisen, aber ich riss mich zusammen. »Wie das kleine Echsentier oder wie der große, böse Finanzhai aus diesem Film, dessen Titel mir gerade nicht einfällt?«
»Du meinst Wall Street. Gordon Gecko. Das wäre allerdings reichlich plump. Nee, wie das Tier. Im Fernsehen lief gerade eine Tierdokumentation über Geckos, als ich mein Profil angelegt habe. Ich war ziemlich beeindruckt von der Fähigkeit einiger Arten, kopfüber an Glasscheiben hinabzulaufen. Das sind Lamellengeckos, um genau zu sein. Aber Lamellengecko fand ich dann doch eine Spur zu schräg. Klingt irgendwie voyeuristisch, oder? Ein reptilienköpfiger Schrat, der ahnungslose Frauen durch die Spalten einer Jalousie hindurch beobachtet. Also nur Gecko. Und rate mal: Weitere Geckos gab es nicht.«
»Ist den meisten Männern wohl zu uncool, sich nach einem kleinen Kriechtier zu benennen.«
Dennis zuckte mit den Schultern. »Kann nicht feststellen, dass es mir schadet. Okay, vielleicht hätte ich Hunderte Anfragen mehr, wenn ich Alligator oder Hammerhai heißen würde, aber hey – ich habe nur zwei Hände.«
»Was soll das denn heißen?«
»Was nutzen mir unzählige Anfragen, wenn ich doch nur einer Frau meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken möchte? Ich bin keiner von der Sorte, der mit mehreren gleichzeitig jongliert. Wenn mir einmal eine Frau gefällt, kümmert mich keine andere.«
»Das ist sehr löblich, Chef.« Ich nickte anerkennend. »Wie sieht deine Erfolgsbilanz aus?«
Wieder zuckte er mit den Schultern. »Ein paar Treffen, die zum Teil ganz nett waren, aber nicht zu mehr geführt haben. Wenn man sich nichts zu erzählen hat, sollte man realistisch sein und die Reißleine ziehen, bevor es zu spät ist. Das ist nicht zuletzt der Frau gegenüber fair. Vielleicht hätte ich die eine oder andere ins Bett locken können, mit ziemlicher Sicherheit sogar. Aber das gibt nur unnötigen Stress.«
»Du müsstest nur kopfüber an einer Scheibe runterlaufen. Also, mich würde das extrem beeindrucken.«
Wir kicherten eine Runde, dann sagte er: »Und danach? Danach wird es unschön, wenn du die Sache nicht fortsetzen willst. Ich habe keine Lust, Frauen gegenüber gemein zu sein, die sich vielleicht mehr versprochen haben. Außerdem bin ich kein Mann für eine Nacht.«
»O edelster aller Geckos!«, deklamierte ich übertrieben theatralisch, dann gab ich seinen Namen in die Suchmaske ein.
Und da war er auch schon: mein Chef in seiner ganzen Pracht. Sein Profil zeigte sogar mehrere Fotos: nur das Gesicht mit den schicken Koteletten, Dennis mit Elvis-Sonnenbrille, dann in einigen seiner spektakulärsten 70er-Jahre-Outfits … Mir gefiel, wie selbstironisch er auf seine große Liebe zu diesem Modestil einging und darauf hinwies, dass man mitnichten gerade Bilder irgendwelcher Mottopartys sehe.
Tatsächlich war seins ein gutes Beispiel für ein Profil, das mein Interesse geweckt hätte. Ausgerechnet Dennis!
Mein Chef war – so kannte ich ihn – derart selbstbewusst, dass er mich nicht einmal fragte, was ich von seinem Profil hielt.
»So. Du bist dran«, sagte er stattdessen.
Ich gab meinen Namen ein, und er beugte sich interessiert vor. »Soso, Miss Lynx also«, murmelte er. »Luchs auf Englisch, nehme ich mal an.«
»Korrekt. Hättest du mich auf dem Foto erkannt?«
»Aber selbstverständlich. Ein schönes Bild, nebenbei bemerkt. Ungewöhnlich. Anders als die anderen.«
»Hat Diana geknipst. Sag mal, lässt du dir Vorschläge machen, oder suchst du lieber selbst?«
Dennis winkte ab. »Die Vorschläge sind manchmal derart absurd, dass ich die Funktion deaktiviert habe. Komisch, dass wir uns auf der Plattform noch nicht begegnet sind. Eigentlich hätte ich längst über dich stolpern müssen.«
»Mir fallen auf Anhieb zwei Gründe ein, warum das nicht passiert ist. Erstens: Ich bin erst seit Sonntag dabei. Also seit gerade mal drei Tagen.«
»Hm … besonders bei den Neuen sehe ich mich regelmäßig um. Das ist es also nicht. Und Grund Nummer zwei?« Er musterte mich neugierig.
»Gegenfrage: Welches Alter gibst du bei deiner Suche ein? Also, als Obergrenze, meine ich.«
»Mitte dreißig.«
Na also, hatte ich’s mir doch gedacht. Mit hochgezogenen Brauen sah ich ihn an. Ob er von selbst draufkam? Nein, kam er nicht.
»Was?«, fragte er, als ihm mein beredtes Schweigen offenbar zu lange dauerte. »Warum guckst du so?«
Ich seufzte innerlich. »Erneut eine Gegenfrage: Was denkst du wohl, wie alt ich bin?«
»Keine Ahnung«, erwiderte er. »Neunundzwanzig?«
»Ja, genau. Und das schon seit circa fünfzehn Jahren, du Honk. Kapierst du jetzt, warum wir uns im Liebesgarten noch nicht begegnet sind? Weil du mich zu alt für dich findest.« Ich stockte und fügte dann hinzu: »War das ein grammatikalisch korrekter Satz? Ist aber auch wurscht. Du wirst verstanden haben, was ich meine.«
»Ja, das habe ich. Und es ist totaler Quatsch! So würde ich niemals von dir denken! Du bist doch nicht zu …«
Ich hob die Hand, um ihn zu stoppen. »Das sagst du, weil du mich kennst. Und weil das Alter für unser Verhältnis zueinander nie eine Rolle gespielt hat. Aber bei deiner Suche nach einer potenziellen Partnerin kommt eine Frau ab Anfang vierzig offenbar nicht mehr infrage, obwohl du selbst in diesem Alter bist. Dafür kann es nur eine Erklärung geben: deine unstillbare Sehnsucht nach eigenen Kindern. Beziehungsweise nach einer Frau, die im besten gebärfähigen Alter ist.«
Sein verständnisloses Gesicht sprach Bände: Kinderwunsch? Äh … nein. Davon konnte nicht die Rede sein.
»Das ist es also nicht«, fuhr ich fort. »Aber es ist doch ein interessantes Phänomen, findest du nicht? Während eine Frau eher nach einem gleichaltrigen bis älteren Partner sucht, wünschen Männer sich jüngere Frauen an ihrer Seite.« Ich kramte ein lokales Monatsmagazin aus meiner Tasche und warf es auf den Schreibtisch. »Da. Hunderte Kontaktanzeigen. Da haben Männer mit Ende vierzig kein Problem damit, eine Frau zwischen zwanzig und dreißig zu suchen. Mal ernsthaft: Was sollte eine Zwanzigjährige von einem fast Fünfzigjährigen wollen?«
»Lebenserfahrung. Souveränität. Klugheit.« Grinsend strich er sich über seine buschigen Koteletten. »Nicht zu vergessen: Stil und Geschmack.«
»Blödsinn.«
»Na gut: sein Geld.«
»Schon realistischer.« Ich nickte. »Aber Männer mit Geld inserieren wohl kaum in derartigen Magazinen, in denen die meisten Kontaktanzeigen so sexy Texte haben wie Kuschelbär sucht Kuschelmaus und dergleichen. Das heißt: Entweder leiden diese Männer unter einer völlig gestörten Selbstwahrnehmung und halten sich für deutlich attraktiver, als sie sind – jedenfalls aus dem Blickwinkel einer Zwanzigjährigen. Oder sie hoffen auf junge Mädchen, die eine psychische Fehlschaltung haben und sich insgeheim nach Sex mit ihrem Vater sehnen.«
»Buäh.« Dennis schüttelte sich. »Ich wusste gar nicht, dass du derart unappetitlich sein kannst. Ich werde nie wieder Sex mit einer Frau haben können, die halb so alt ist wie ich.«
»Kam das schon mal vor?«
Er schüttelte den Kopf. »Nee. Mädchen in dem Alter sind mir zu anstrengend. Die wollen nächtelang in Discos tanzen, und für den Scheiß bin ich längst zu alt.«
Ich hätte nicht benennen können, was es war, aber irgendetwas an dieser Aussage nervte mich kolossal. »Du Ärmster. Jemand sollte den Discobetreibern mal vorschlagen, einen Raum einzurichten, in dem alternde Sugardaddys wie du sich auf bequemen Sofas ausruhen können, während ihre jungen Häschen munter über die Tanzfläche hoppeln.«
Dennis verzog das Gesicht. »Gott, nicht nur unappetitlich, sondern auch noch gehässig.«
»Natürlich bin ich gehässig gegenüber Kerlen, die eine Frau in meinem Alter schon zum alten Eisen zählen. Das ist mein gutes Recht.«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Aber lass deinen Frust bitte nicht an mir aus.«
»Wie – hast du mich etwa nicht aussortiert?«
»Ja, aber doch nicht dich persönlich! Ich habe doch niemals gesagt, dass du …«
»Dennis, du suchst eine Frau bis Mitte dreißig!«, fiel ich ihm mit frostiger Stimme ins Wort. »Damit hast du mich aussortiert, oder etwa nicht?«
»Worum geht es dir hier eigentlich?«, blaffte er mich an. »Dass ich dich wieder einsortiere? Dass ich die Altersangabe nach oben korrigiere, damit ich dich finde? Ist es das, was du von mir willst?«
»Ja, das würde mich auch interessieren«, sagte Doris, die lässig am Rahmen meiner offenen Bürotür lehnte.
Huch – seit wann hatte sie dort schon gestanden und zugehört? Dennis und ich, die wir – wie mir erst jetzt klar wurde – mittlerweile beinahe Nase an Nase an meinem Schreibtisch saßen und uns angifteten, fuhren auseinander, als hätte jemand einen Kübel Eiswasser zwischen uns geschüttet.
»Wie lange … Seit wann …«, stammelte ich los.
»Seit wann ich hier gestanden habe?«, fragte Doris grinsend und kam einige Schritte näher. »Lange genug, um ein paar wirklich interessante Dinge zu hören, aber leider längst nicht lange genug, um zu wissen, worum es genau geht.«