Kitabı oku: «Markus Blume führt dich durch die Zeit», sayfa 5
„Ich bin Miriam. Und du bist der durchgeknallte Markus mit der schönen Stimme.“ Ein Lächeln von mir.
Was war nur geschehen? Wir verstanden uns.
„Markus, das war nicht geschickt von dir, dich an die Decke zu nageln! Es war ein Geschrei, furchtbar, du hast mir richtig Angst gemacht! Das hatte ich schon lange nicht mehr gespürt.“
„Tut mir leid, Miriam, ich habe mich sehr ungeschickt angestellt.“
„Schon gut.“
Ich versuchte mich aufzurichten, schwankte durch den Raum. Miriam folgte mir bis an die Tür.
„Komm mit.“
„Nein, Markus, ich kann nicht.“
Sie verschwand im Raum der Zeit.
Mir ist kalt, Markus! Ich ließ die Badewanne volllaufen. Heiß war das Wasser des Lebens; mein verletzter Finger pulsierte, schwoll an. Scheißfinger! Ich stieg aus der Wanne, ein warmes Frotteehandtuch umhüllte mich.
Prinz war nicht gut drauf, er mied meine Nähe.
Schließlich konnte ich die Schmerzen nicht mehr ertragen und ging zum Notarzt. Er legte mir einen Verband an und gab mir eine Tetanusspritze. Morgen, am Montag, sollte ich wiederkommen, zum Verbandswechsel.
*
Als ich zurückkam, lag das Haus im Dunkeln. Ich rief nach Prinz, er antwortete nicht. Komisch, dachte ich. Da zupfte es an meiner Hand.
„Prinz, verdammt - hast du mich erschreckt!“
Es zog mich in die Vergangenheit, dem „Blutraum“ entgegen. Ängstlich öffnete ich die Tür.
Mein Atem stockte. Die andere, ferne Zeit war wieder da. Auf dem Tisch stand ein Adventskranz, die erste Kerze brannte, sonst war Stille. Alles war, wie ich es vor einem Jahr gesehen hatte. Und ich konnte es fassen, berühren – eine reale andere Welt!
Ich packte den ersten Kaffeehausstuhl, musste mich setzen, befühlte meine Stirn. Fieber? Nein! Pochender Finger? Ja! Ich bin hier, bin angekommen.
Ungläubige Blicke führten mich durch den Raum. Ich stand auf, wanderte umher, berührte alles mit den Fingern: Furchen in den alten Eichenplatten zeigten mir das Leben, das einmal an diesem Ort pulsiert hatte. Der Verkaufstresen, die alte Kasse, die Schubkästen mit den Messingbeschlägen, die Spiegel, am Rande schon blind werdend – eine vergessene Welt lebte hier weiter. Ich bückte mich, öffnete einen Schrank – leer! Beim Schließen bemerkte ich einen weißen Zipfel an der rechten Seite im Schrank. Ich zog daran, aber es geschah nichts. Ich schlug mit der gesunden Hand dagegen und eine geheime Tür öffnete sich. Ein gerahmtes Bild und eine alte, dunkelblaue Kladde lagen dort verborgen. Ich schlug das Heft auf – Gräser, getrocknete Blumen, in Zeitungspaper eingeschlagen.
Lokal-Anzeiger der Reichshauptstadt/Montag, der 17. Mai 1920.
„Markus, du hast mein Geheimnis gefunden.“
Ich zuckte zusammen.
„Miriam, das hat mich jetzt wirklich zusammenzucken lassen!“
„Ich habe die Sachen schon vermisst.“
„Wer ist das da auf dem Bild?“
„Das bin ich, da war ich vier Jahre alt.“
„Ein hübsches Mädchen.“
„Mein Vater hat immer zu mir gesagt: Du bist mein Goldschatz.“
Wir lachten, sie zeigte mir ihre Sammlung, erklärte, wo und wie sie alles gefunden hatte. Auf der nächsten Seite lag das gleiche Bild von ihr zwischen getrockneten Pflanzen – wie auf einer Blumenwiese liegend. Eine Seite weiter, zwischen der Judenkirsche, war ein anderes Bild eingefügt. Sie lachte.
„Das bin ich auch, mein erster Schultag.“
„Warum hast du die Bilder zwischen getrocknete Blumen gelegt?“
„Weil die nicht so vergänglich sind wie Menschen.“
Wir blätterten weiter, ich hörte sie lachen. „Das hier ist mein Vater, Gustav.“
Ich sah einen Mann, halb verborgen hinter einem Farn. „Warum denn so?“
„Weißt du, im Wald beim Blaubeersammeln, da habe ich mich immer versteckt! Vater und Mutter suchten mich.“
Auf der letzten Seite noch einmal das gleiche Bild mit einem kleinen Zweig, dazwischen Blätter und zwei Blüten.
„Warum ist dies hier anders, Miriam?“
„Ich habe sie vom Grab meiner Mutter. Ich wollte, dass mein Papa nicht mehr traurig ist.“
„Du, Miriam?“
„Ja, was ist?“
„Du bist ein tolles Mädchen.“
Sie lachte, wir lachten. Ich wollte sie in die Arme nehmen, doch sie wich zurück.
„Miriam, wie heißt dein Vater eigentlich?“
„Gustav Petach – meine Mutter Frida, ich“, erklärte sie Markus, „ich bin die Miriam-Magdalena. Mein Kosename ist Miri.“
„Ich habe euch gesucht.“
„Warum, Markus?“
„Monatelang – aber niemanden von euch gefunden!
„Wir sind in der anderen Zeit. Deshalb musste dein Suchen nach uns erfolglos bleiben.“
Ich schüttelte mit dem Kopf.
Unser Gespräch wurde lang. Nächte wurden zu Tagen und schließlich Wochen des Kennenlernens. Vertrauen wurde unser Herzschlag; unser Seelentakt stimmte sich aufeinander ein. Wie oft wollte ich sie in die Arme nehmen und drücken! Es blieb immer ein Abstand zwischen uns. Sie vertraute mir – aber ihre Seele war nicht frei. Sie war klein mit einem großen Herzen, ich war es „noch“ nicht!
6
Ich war wieder gesund. Mein kranker Finger unterstützte mich wieder tatkräftig. Nur meine Geldbörse wurde langsam sauer auf mich. Aber was sollte ich machen? Es war so, wie es war. Scheißzeit. Noch mal würde ich es nicht so machen. Du spinnst, Markus! He, du bist ja früher wach als ich! Ich sah in den Spiegel. Ja, da war er. „Mein Freund.“
„Guten Morgen, Prinz. Gut geschlafen?“
Ich schaute in sein Hundegesicht. Kleine Falten regten sich auf seiner Stirn, er dachte nach. Zweifelte er auch schon an meinem Verstand? Manchmal, wenn ich mich gegen Markus 2 auflehnte, drehte Prinz sich auf der Straße um. Er suchte ihn in mir.
„Prinz, was ist los, mein Großer?“
Ich war noch müde. Es war kalt am Morgen. Ich schloss die hintere Gartentür auf. Montag früh, kurz nach sieben, graues Januarwetter, brrr!
Ein neues Jahr hatte begonnen. Meine Wünsche? Miri sollte mich wieder besuchen. Und das Haus sollte endlich fertig werden.
Die Stadtreinigung fuhr durch die Straße, der Müllwagen sammelte die Überreste der Woche ein. Ich ging mit Prinz um den Block. In der Brandenburger Straße besuchte ich den Bäcker. Warmer Raum – ein neuer Pächter. Die alten Verkäuferinnen waren entlassen worden, hörte ich. Aus Kostengründen.
Die Schrippen noch warm in der Tüte, verließ ich wortlos den Raum. Markus? Ja, was ist? Lass mich, ich will noch schlafen! Du hast doch auch eine Bäckerei und Konditorei! Ja doch, aber die ist in Rente.
Glatt waren die Wege. Wenig Schnee, weiß lagen die Straßen im Grau des Morgens.
Prinz und ich waren wieder zu Hause. Ich fütterte ihn und füllte meine Arbeitstasche mit einer Thermoskanne Kaffee und zwei Schrippen mit Belag: roher Schinken und Camembert. Dann schloss ich Bully auf. Raureif auf den Scheiben.
Heute habe ich meinen ersten Arbeitstag, Markus! Endlich, Wochen zu spät! Aber mein bescheuerter Finger wollte es so. War es Vorsehung? Schicksal? Quatsch nicht rum, komm in die Hufe, alter Freund!
Prinz musste allein bleiben, er war ein guter Wächter. Bully fühlte mich in sich, er war gut drauf. Den Zündschlüssel nur einmal gedreht und er lief – toller Tagesbeginn! Ich fuhr vom Grundstück, schloss das Tor. Prinz stand am Zaun, bellte mir hinterher: Komm gut zurück!
Mein Weg führte mich durch die Stadt. Menschen waren unterwegs – ich auch. Die Autofahrer fuhren ihren Weg, viele wie immer in einer Richtung, zur Arbeit. Hinter mir glühte Blaulicht. Bully wurde langsamer, ein Rettungswagen raste an uns vorbei. Das Radio spielte Elvis, ich fühlte mich gut am Morgen.
An der Ampel sah ich eine junge Frau im Auto neben mir. Sie hörte Musik, aber in einem anderen, schnelleren Takt. Ihr Haar glänzte im roten Licht der Ampel. Es war leicht gegelt. Die Ampel erwachte, wir fuhren weiter. An der Ecke stand ein Rettungswagen an einem Lichtmast neben einem zerbeulten Motorrad. Ein Autofahrer hockte blass hinter dem Lenkrad. Ich glaube, dieser Tag wurde für beide schlecht!
Mein Ziel war erreicht: Heinrich-Müller-Straße, mein neuer Arbeitsplatz. Mein Finger war schnell geheilt. An den Stellen, wo die Schraube mich im Griff gehabt hatte, sah man nur noch zwei kleine hellrote Narben.
Ich parkte am Bauwagen. Kaltes Land, brach lag es da, gefroren, in Raureif getaucht. Ein Bagger stand stumm. Es war zu kalt, um Rohre zu verlegen. Ich klopfte an der Bauwagentür.
„Markus“, hörte ich von innen rufen, „Komm rein!“
Der Bauwagen war warm, die Begrüßung freudig. Das Innere war eingerichtet wie eine Gartenlaube. Es fehlte nur noch der Blumenkasten am Fenster mit Tannengrün. Dieters neue Perücke hing im offenen Spind. Er hatte sie, wie er erzählte, aus dem Europacenter.
„Die haben was drauf, da“, meinte Dieter. „Na, wenn es schön macht, warum nicht?“ Dieter war ziemlich eitel.
„Dieter, wo sind unsere Kollegen?“
„Die haben noch eine Woche Urlaub.“
„Und was macht dein Akkordeon?“
„Ach“, er lachte. „Ab und zu spiele ich „Onkel Pelle.“ Für die Kinder in der Gartenkolonie.“
Ich schwitzte, zog meine Daunenjacke aus, die hatte ich einem Russen abgekauft – armeegrün, egal, warm ist immer gut!
In der Wärme des kleinen Raumes breitete Dieter Zeichnungen aus und ich machte eine Reise in die Sanitärinstallationspläne des Gebäudes. Ich verstand noch nicht so viel davon. Diese Arbeitswelt wollte ich verstehen lernen. Ich begriff, dass jeder Farbstrich ein anderes Medium darstellte. Toll! Augen zu und durch!
Wir machten uns auf zu meinem künftigen Arbeitsplatz, fuhren Sauerstoff- und Azetylen-Flaschen mit dem Flaschenwagen zu einer Luke. Ich schleppte meine neue Lebensaufgabe auf dem Rücken: blaurot, zwei Manometer-Einheiten und eingebautes Rückschlagventil, fünfzig Meter weit. Ich hatte meine Last zu tragen – wie jeder. Dieter sah, wie ich mich abschleppte.
„He, Markus, alles okay?“
„Jo!“ Die Asbestplatten zur Sicherung der Elektroleitungen lagen schon im Kriechkeller. Jetzt fehlten nur noch Hartlot, Fontargen-Silberlot und meine Schweißerbrille.
Dieter öffnete die Stahltür zur Unterwelt – muffiger Metallgeruch mit Lehm gemischt schlug uns entgegen. Dahinter ein schwarzes Nichts. Neben der Tür waren innen ein Lichtschalter und zwei Steckdosen. Dieter griff um die Ecke und die Unterwelt leuchtete fahl im Schein der Schildkröten-Beleuchtung – mit 60-Watt-Lampen, im Dämmerlicht nicht gerade berauschend!
„Dieter, warum bauen diese blöden „Architekten keinen richtigen Keller“ sondern nur so ein fieses Kriechloch?“
„Der Senat hat einfach keine Kohle.“
„Ach, alles auf die Knochen der Arbeiter.“
„Klar, Alter, die Lasten tragen immer wir!“
Ich richtete mir meine Schweißerwelt ein. Ich sollte Abschnitt 3 vorziehen, denn der würde nach dem Frost als erster weitergebaut werden. Vier Stockwerke waren schon fertig. Na ja, wenigstens kalt war es hier drinnen nicht. Aber verdammt niedrig. Ich konnte nicht mal aufrecht stehen. Markus, du schwitzt ja! Ich weiß. Markus 2 hatte Angst.
„Sonst alles in Ordnung, Markus? Ich muss los, ich fahr noch mal in die Firma.“
„Alles okay, Dieter. Grüße auch an den Boss von mir.“
„Okay. Tschüß!“
Dieter war weg – und ich allein. Ich hatte bisher keinen einzigen Tag gearbeitet und war schon einmal krank geworden. Dennoch hatte ich den Job nicht verloren. Selten so was heutzutage. Gute Firma!
Kriechkeller, ich bin da! Mein Atem wurde schwer. Klaustrophobie! Markus, hier musst du jetzt durch, sonst verlieren wir alles, auch deine Heimat! Ich legte mich flach auf den Rücken, schob mich auf einem Brett mit Rollen langsam ins Innere der Unterwelt. Über mir rotes Rohr, überall rotes Rohr. Kupferrohr-Welten durchzogen die Schatten der Unterwelt. Die Rohre fühlten sich gut an, glatt. Meine Arbeitsschläuche hatte ich in der Hand, rollte sie auf dem gestampften Lehmboden aus. An der Wand spärliche Beleuchtung, dunkle Kammern.
Ich erreichte meinen Arbeitsplatz. Los! Die Spitze zischte, Atze und Sauerstoff vereinten sich, mein Feueranzünder spendete Funken, eine blauweiße Flamme erhellte den Raum. Ich nahm den Sauerstoffanteil etwas zurück, es wurde heller.
Ich sah mich um. In der Ecke stiegen drei Leitungen empor. Kalt-Warm-Zirkulationsleitung - Sie riefen meiner Flamme zu: Löte mich, nein, mich! Jeder will hier der erste sein ich lachte. Auf dem Weg zu ihnen tanzte das Licht vom Brenner, zischte. Schattenspiele auf den Wänden. Ich, Markus, der Mann auf dem Rollwagen, bestimmte, wer als Erster dran kam und wer warten musste! Dennoch, auch Angst war da.
Die Flamme umschmeichelte das erste Rohr. Es veränderte sein Aussehen, wurde dunkler, rot. Das dünne Hartlot schmolz, wurde in die offene Muffe gesaugt – Kapillarwirkung, gut für mich, gut für das Rohr! Langsam vergaß ich meine Angst. Markus der Störenfried, schlief in mir ein. Es war ihm, dem Sensibelchen, zu laut. Aber da musst du durch – wie ich auch! Altes Haus, ich sang mein neues Rohrleger Lied von der tanzenden Lichterflamme.
Ich lötete Naht um Naht. Bald war der Raum fertig. Ich auch. Schwitzend im Januar auf einem Holzbrett liegend, auf Rollen im Kriechkeller … Markus, hör auf zu singen! Ich brauche meinen Kopf frei! Er verstummte, spielte die beleidigte Leberwurst.
Etwas huschte an mir vorbei. Ich erschrak. Ratten? Ein Schaudern durchlief meinen Körper. Nicht gut, Markus, gar nicht gut! Ruhig, mein Lieber! Ich entspannte mich. Plötzlich hatte ich Hunger, musste zur Toilette. Ich legte meine Sachen ab, rollte zurück zum Eingang.
Draußen war es hell. Ich säuberte meine Hände im neuen Schnee, öffnete die Hose. Er wollte nicht, es war zu kalt hier. Aber die Blase drückte mit Macht, sie war stark. Ich pinkelte in diese freie Natur, zeichnete mit meiner Innenfarbe den Schnee, dieser gefror sofort.
Im Bauwagen stand meine alte Tasche, die viel gesehen hatte: Wanderungen an Aktenschränken vorbei in die Welt der Dokumente verlorener Zeiten, stille, staubige Welten. Ich entführte sie in eine andere, neue Welt – in die Wandelzeit des Entstehens.
Auf einem Balken sitzend verspeiste ich meine Schrippen. Kaffeedampf stieg mir in die Nase. Gute Wahl, der neue! Ich war gemeint. Im Bauwagen war es mir zu warm, lieber hier sitzen und keine Erkältung bekommen. Von weitem hörte ich gedämpft die Straße. Ein knarrendes Geräusch über mir: Der Baukran stand in der steifen Brise, das Stahlseil tanzte im Wind.
Miri war schon einige Zeit nicht mehr bei mir gewesen. Wir hatten doch so viel zusammen unternehmen wollen. Ja, genau, aber du hast es übertrieben mit deinem Finger. Dein Geschrei ging ihr auf die Nerven – und mir auch. Sie konnte abhauen. Aber ich musste dich ertragen! Sei still, Markus.
Ich musste weiter, der Brenner wollte wieder tanzen, und ich war gut bei der Sache, arbeitete. Plötzlich rief mein wilder Magen: He, habe noch Hunger! Was hörte ich mich, immer noch? Na klar! Ich habe aber nichts mehr! Doch! In deinem Overall steckt doch noch eine Packung Erdnüsse!
Stimmt, die hatte ich ganz vergessen. Ich machte sie auf. Verdammt, die Tüte riss. Einen Teil davon konnte der Lehmboden haben oder die Ratten. Ich lachte. Na und? Du hast doch Hunger, nicht ich!
Er hatte wieder einmal seinen Willen bekommen.
Ich wurde besser, täglich überrascht, ich wurde immer schneller. Jede Naht schaffte ich „immer“ -oftmals ein bisschen schneller. Den Abschnitt bekommst du heute noch fertig! Langsam, Knabe, langsam!
Ich drehte mich auf die Seite, um besser an eine versteckte Lötstelle zu kommen. Mein Blick huschte durch den Schattengang, es war nicht viel zu sehen, meine Lötbrille verrutschte, sie verfing sich an einer Rohrschelle über mir. Da sah ich sie, auf dem Boden kauerten zwei graubraune Feldmäuse, hielten meine Nüsse in den Pfoten und ließen es sich schmecken. Ich war froh – wenigstens keine Ratten.
Diese mochte ich nicht.
Die Zeit verging, das erste Paket Hartlot war fast verbraucht. In Gedanken hörte ich eine Stimme: Markus – Markus! Ich erschrak, die Brennerspitze berührte das Kupferrohr, ein Tropfen Hartlot fiel auf meine Brust. Platsch, er fühlte sich wohl beim Eindringen in meine Haut. Der Brenner flog mir aus der Hand. Mit Spucke versuchte ich den Schmerz zu lindern. Es half ein wenig, doch das Brennen blieb – die Kupferkugel ließ sich nicht leicht entfernen. Begegnungen dieser Art und noch heftigere lagen vor mir.
Dieter rief mir vom Eingang aus zu, ich schaute in sein rundliches Gesicht.
„Na, hat alles geklappt?“ Er sah meine Brust – der Reißverschluss stand offen. „Brennt ganz schön, was?“
„Aber klar doch!“
„Gut, Markus, mach jetzt Feierabend. Es ist gleich vier. Und es wird bald dunkel.“
Wir ketteten den Flaschenwagen ans Gerüst, verstauten die Schläuche im Kriechkeller, verschlossen die Tür und machten uns auf den Weg – jeder in seine eigene Welt. Außer dem Pochen auf meiner Brust ging es mir richtig gut. Die Anspannung löste sich langsam. Ich atmete frische Januarluft, die Sonne versank in den Schatten. Bully wartete schon. Er sah nichts, Frost hatte ihn erblinden lassen. Scheibenkratzen! Ich wollte starten, er nicht.
„Komm, Alter!“
„Mach mich nicht an!“
„Ich weiß, du musstest lange auf mich warten. Aber bitte lass uns jetzt hier abhauen!“ Er spielte den Beleidigten, wie so oft. Aber er hatte nicht mit mir gerechnet. Der Anlasser hörte nicht auf, seine Runden zu drehen, gute Batterie! Im Wagen stank es schon nach Benzin, der Vergaser hatte die Schnauze voll und die Zündkerzen waren am Ertrinken.
„Bully, komm bitte, lass den „Schmock!“
Mit einem lauten Knall erhörte er mich endlich.
„Na bitte!“
Blöde Kacke, die Straße war blockiert von einer Autokarawane ohne Ausgang. Im Kriechgang ging es in Richtung Heimat. Dunkelheit, sternenverhangener Abend um uns, Ampellichter im Streit mit den Rücklichtern der Wagen. Schattenhafte Menschen huschten an hell erleuchteten Schaufenstern vorbei, fremden Zielen entgegen. Mein Bus war ruhig.
Er liebte es, an Ampeln zu stehen und den anderen beim Brummen zuzuhören. „Tolle Motoren, aber auch Schrott unterwegs“, meinte er.“
Bei dir müsste mal die Steuerkette erneuert werden“, rief er einem vornehmen Daimler-Motor zu.
„Mir doch egal“, erwiderte der, „schau dir doch den alten Knacker am Steuer an! Der versucht seit dreißig Jahren, mich umzubringen. Wenn ich Öl brauche, steht er an der Tankstelle und kauft sich den Playboy. Erst wenn ich die Warnlampe anschmeiße und beim Starten mit lautem Geschrei um Hilfe rufe, wird er hektisch und haut mir einen Liter Motorenöl aufs Haupt. Meist zu wenig.“
„Verstehe. Aber du da, ja, dich, meine feine Dame, meine ich: Du bekommst bald Probleme mit deinem Auslassventil!“
Der Renault, mit dem mein Bus sprach, war etwas in die Jahre gekommen, war alt und weise geworden. Er säuselte: „Lass mich doch, ich kann das eklige Parfum der blonden Zicke sowieso nicht mehr ab.“
Bully fühlte sich gut. Er hatte ja auch mich, den Richtigen, am Lenker. Markus, wie lange dauert es noch? Weiß ich nicht. Prinz wartet! Fang bitte nicht an, mir schlechte Gedanken einzureden. Er schwieg.
Wieder eine Umleitung, Straßensperrung wegen Wasserrohrbruch. Winterzeit, Rohrbruchzeit. Na super.
Die rechte Fahrbahn war gesperrt, ich musste warten: roter Pfeil bei mir. Die anderen hatten den schwarzen. Verdammt, keiner hält an, alle sehen doch die Baustelle, ich will auch durch! Mein Hals schwoll an. Ja, hurra, eine Lücke! Bully, auf die Spur, schön! Es ging weiter. Plötzlich grelles Fernlicht hinter mir, ein Daimler erhöhte seine Geschwindigkeit, versuchte mich zu stoppen. Ging nicht, nur eine Spur.
Ein Mann saß am Steuer. „Ich komme nicht vorbei!“
Gnädig legt er den Rückwärtsgang ein – aber nur ein wenig. Ich öffnete das Fenster an der Fahrerseite.
„Muss das denn sein?“
„Hirnie!“ Seine Miene sprach Bände.
Als Hirnie hat er mich betitelt! Also, als doof bezeichnet zu werden, nur, weil man auch weiterfahren will, ist schon sehr dumm …
„He, Knabe, lass mich lenken, lass das hier, ich wurde nervös!“ Bully versuchte, den alten Sack zu rammen. „Hör auf, ich muss dafür gerade stehen, nicht du!
Meinen Lappen will ich behalten. Die Punkte bekomme ich in Flensburg! Wenn du ihn einfach rammst, ist das ein Vorsatz!“
Aber er gab nicht nach. Der Verkehr stockte, ein Hupkonzert begann.
„Hör auf, mir das Lenkrad zu entreißen, ich bin es, Markus!“ dein Kumpel.
Bully war manchmal sehr sensibel.
Endlich waren wir da. Prinz stand mit den Vorderläufen auf dem Zaun, sein Oberkörper darüber. Das Tor war offen, Prinz war schneller als ich. Bully schnurrte auf den Weg zu seinem Platz, ich bremste. Prinz hing mir im Gesicht, sah mich an. He, das hat aber gedauert! Seine Zunge liebkoste meine Schweißerohren.
*
Der erste Tag hatte es in sich gehabt. Noch vier Tage, dann war erst Wochenende! Ich duschte mir den Dreck vom Leib. Es war gut, das warme Wasser zu spüren, ich fühlte doch die Last des Tages. Die Stelle auf der Brust brannte, verlangte nach Kühlung. Wundsalbe hatte ich noch reichlich von meiner Baustelle. Tatsächlich, das Brennen ließ nach.
Ich hatte Hunger, Prinz auch. Er zupfte an meiner Hose. Ich machte uns was zu essen und wir speisten. Dabei schauten wir uns an. Dann holte er die Leine vom Flur und raste damit zur Tür, ich hinterher.
Wir gingen die Straße entlang. Am Haus war die Laterne defekt, sie flackerte im Gleichklang, ein, aus, ein, aus. Es regnete und ein starker Nordwind ließ mich frösteln. Ich roch frische Winterluft, geschwängert mit einem Schuss Feuchtigkeit. Auf der anderen Seite der Straße ging ein Mann; er schob einen Einkaufswagen vor sich her. Es war komisch anzusehen: im Korb volle Plastiktüten, darunter ein dunkelgrüner Schlafsack. Ein Mann sucht Wege, ist auf der Suche nach einem Schlafplatz. Er schaute zu mir rüber.
„Schönen Abend“, hörte ich.
Ich erwiderte den Gruß. Moment mal, Markus, das ist ja gar kein Mann der Wege! Das ist eine Wanderin der Nacht! Ja, ich hatte die Frau schon oft gesehen in unserem Kiez. Wo sie nur lebte?
Prinz hatte inzwischen alle Möglichkeiten genutzt, seinen Drang zu stillen: toben, pinkeln, Zeitungslesen, Haufen ins Gebüsch setzen. Wir wollten zurück, waren müde. Moment mal, he, Markus, bist du auch noch da? Ich spürte ihn, aber er schlief schon.
Eine Tasse Tee stand dampfend am Bett. Ich schloss ab, Prinz lag in der Tür, ich kletterte über ihn. Ich legte mich ins Bett, mein Blick führte mich weit weg. Ich spürte, wie Müdigkeit sich in mir ausbreitete wie ein Schleier, die Albtraumphase des Übergangs. Wir schliefen ein – keine Anfeindungen oder Disharmonien. Prinz ging, wie meist, auf die Pirsch. Er fiepte und rannte seine Runden im Schlaf.
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