Kitabı oku: «Deutschland wohin???», sayfa 2
1. Deutschland nach dem Krieg bis heute (vor Corona)
Die Entwicklung der Bundesrepublik beginnt mit den enormen Anforderungen und Leistungen des Wiederaufbaus des in dem von Deutschland entfachten Krieg so zerstörten Landes und seiner Wirtschaft. Zugleich galt es das Negativimage, dass Deutschland durch die Verbrechen der unglückseligen NS-Zeit anhaftete, auszuräumen und unser Land wieder in der Staatengemeinschaft der Welt einzubringen. Dazu gehörten auch erhebliche Wiedergutmachungszahlungen an Staaten, die durch Deutschland im Zweiten Weltkrieg Zerstörungen erfuhren, bis hin zur Begleichung von Restschulden, die Deutschland noch an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges leistete. In der Londoner Schuldenkonferenz wurden die damit fälligen Reparationsleistungen festgeschrieben, ohne Einigung mit der Sowjetunion, die der DDR wesentlich höhere Leistungen auferlegte als die Westalliierten der Bundesrepublik. Die anfangs kaum zu bewältigenden Reparationsleistungen der Bundesrepublik wurden gestreckt und belasteten bis zur vollständigen Erfüllung 1988.
Die Bundesrepublik war zugleich mit Frankreich der treibende „Motor“ zur Aussöhnung und zum europäischen Zusammenschluss, der wirtschaftlich 1951 mit der Montanunion begann und 1957 zur Gründung der EG führte und schließlich 1993 in der Europäischen Union (EU) seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Die Entspannungspolitik und die veränderten globalen Bedingungen fanden zum Ende der 80er Jahre mit der gezielten Nutzung der einmaligen Chance der Wiedervereinigung ihre Krönung.
Die Entwicklung der Bundesrepublik begann mit der hervorragenden Verfassung, die auf eine neue Zukunft in einem demokratischen Staatssystem und die Bewältigung der NS-Vergangenheit ausgerichtet ist. Durch das darin verankerte föderale Staatssystem gab es keine Allmacht der Bundesregierung und die Bürgerrechte wurden umfassend geschützt. Die Handlungen des jungen Staates und seiner Regierung waren zunächst vor allem pragmatisch auf den Wiederaufbau, die Beseitigungen der Kriegszerstörungen und Entwicklung der Wirtschaft ausgerichtet. Dabei hatten Organisationsgeschick und Fachqualifikationen wesentlich mehr Bedeutung als die NS-Vergangenheit, wie sich anhand der Besetzung von Leitungspositionen nachweisen lässt. Es ging voran. Das Thema Vergangenheit bekam erst in den 60er Jahren mit dem Auschwitzprozess Bedeutung, was mit dem Aufbegehren der Jugend durch die 68er Generation dann erheblich, teilweise bis zum Generationskonflikt verstärkt wurde. Einen neuen Entwicklungsschub erhielt Deutschland unter der SPDRegierung unter den Kanzlern Brandt und Schmidt. Die erheblich veränderte Ostpolitik Brands führte zur Aufweichung der Ost-Westgegensätze, letztlich eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung, die dann zur deutschen Wiedervereinigung führte. Diese Entwicklung war, trotz der enormen finanziellen Belastungen für Ostdeutschland und des Konjunktureinbruchs Ende der 90er Jahre, von einer sehr erfolgreichen, expandierenden Wirtschaft mit sehr hohem Exportüberschuss begleitet. Deutschland und dem Großteil seiner Bevölkerung ging es gut, wenngleich die Angleichung Ostdeutschlands an diesen Wohlstand nur langsam voranging und bis heute nicht voll erreicht wurde.
Das schöne Bild weist jedoch, wie in der Einleitung angesprochen, seit einigen Jahren Trübungen auf, wenngleich zunächst kaum sichtbar, aber sich allmählich verstärkend. Das Zusammenspiel von Legislative, Exekutive und Judikative entfernt sich allmählich von der Demokratie, die die Verfasser des Grundgesetzes vorgaben, und wohl auch von deren ursprünglichen Vorstellungen. Diese Entwicklung hat seit dem Beginn dieses Jahrhunderts merklich zugenommen. Die Legislative wandelt sich zu einem elitären Berufspolitikertum, das z. T. den Bezug zur Bevölkerung verliert und sich selbst auch über Urteile des Verfassungsgerichtes hinwegsetzt. Ähnliches gilt für die Exekutive. Dort geben politische Seilmannschaften zunehmend den Ton an, ggf. mehr als Fachqualifikationen. Sie halten sich ebenfalls nicht immer an die Verfassung und Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. Die Polizei, als wichtigstes Durchsetzungsorgan staatlicher Gewalt, ist aufgrund jahrelanger politisch verfügter Personalausdünnung teilweise überfordert. Übergriffe gegen die Polizei und von Polizisten haben zugenommen, oft ohne Ahndung, was für eine Demokratie eigentlich nicht hinnehmbar ist. Die Judikative kann ebenfalls aufgrund von Personalausdünnung das in der Verfassung und Gesetzgebung verbriefte Recht nicht immer durchsetzen. Zudem sind die teilweise extrem unterschiedlichen Strafen oder fragwürdige Gerichtsurteile ebenfalls schwer mit einer funktionierenden Demokratie vereinbar. Die Verwaltung hat seit den 80er Jahren sukzessiv ihre Handlungsfelder und -vormacht ausgebaut, auch verschiedentlich unter Missachtung der Verfassung. Aus angeblichen Sachzwängen wird die Entwicklung von der Politik oft gebilligt oder gar unterstützt. Zugleich dehnt sich damit der Bürokratismus als ein möglichst alles regelndes Monster aus, nachdem langsam alles verboten ist, was nicht durch entsprechende Verwaltungsvorgaben reglementiert und ausdrücklich erlaubt wird. Diese Entwicklung erinnert schon an die staatlichen Reglementierungen in der früheren DDR. Dabei können die Verwaltungseingriffe und Vorgaben wesentlich weiter greifen. Infolge der modernen Kommunikationstechniken und Datenerhebungen wird längst der gläserne Bürger ermöglicht. Dementsprechend weitet die Verwaltung sukzessiv ihren Datenzugriff aus, obwohl das unserer Verfassung widerspricht. Die ausufernde Bürokratie wird immer mehr zum Entwicklungs- und Innovationshemmnis, was von der Wirtschaft bis hin zu den Landwirten oder aus dem Gesundheitsbereich beklagt wird. Zudem beinhaltet der Personalabbau Kow-how Verluste, was wiederum die zunehmende Einbindung externer Beratungen bedingt.
Zugleich haben sich die Defizite in der Daseinsvorsorge verstärkt. So entsprechen z. B. die Kinderbetreuungseinrichtungen oft nicht dem Bedarf der veränderten Gesellschaft, in der Frauen, auch Mütter, genauso wie Männer berufstätig sind. Deutschlands ehemals herausragende Schulen erreichen im Pisa-Vergleich nur Mittelmaß oder liegen beim Einbezug moderner Kommunikationsmedien in OECD-Vergleich in der Schlussgruppe. Die Gesundheitsversorgung steuert schon vor der Coronapandemie auf enorme Engpässe bis zum Notstand zu. Ähnliches zeichnet sich für die Arbeitsfähigkeit der Justiz aufgrund der bevorstehenden Welle von altersbedingten Ruhestandeintritten ab, auf die die Politik durch ihre Personalplanung bislang viel zu wenig und spät reagierte.
Die seit Jahren fortgesetzte soziale Spaltung und der Wandel der Öffentlichkeit gefährden den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft und damit die Demokratie. Durch die Gesetzgebung in der Regierung Schröder und späteren Einschnitte unter der Kanzlerschaft Merkel hat Deutschland in den letzten 20 Jahren eine erhebliche und anhaltende soziale Spaltung der Gesellschaft erfahren. Die gesellschaftliche Spaltung erhält in jüngster Zeit ein neues Element durch die Tendenz von Migranten, assimilierungsablehnende Parallelgesellschaften zu bilden. Die Öffentlichkeit wird heute zunehmend von lautstarken Gruppen und dem Mainstream bestimmt. Zugleich sinkt die Toleranz gegenüber anderen Meinungen und die eigene Meinung wird oft mit Tunnelblick diktatorisch als einzige Wahrheit deklariert. Eine Entwicklung, die leider auch für wichtige gesellschaftliche Gruppierungen wie für die Aktivitäten des Umwelt-, Klima- und Artenschutz zutrifft. Durch einseitige Positionen der Regierung wird diese Entwicklung noch verstärkt. Inzwischen trauen sich mehr als die Hälfte der Deutschen in der Öffentlichkeit nicht mehr ihre Meinung frei zu äußern. Hier entsteht ein enormes Gefährdungspotential, denn die Meinungsfreiheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Funktionieren einer Demokratie.
In Deutschland liegen die Geburtenzahlen seit etwa fünfzig Jahren unter der Sterbeziffer, so dass die Bevölkerung ohne Zuwanderungen schrumpfen muss. Die deutschen Regierungen haben dagegen nie wirklich ernsthaft angekämpft, sondern gemeinsam mit der Wirtschaft auf temporäre Zuwanderung von so genannten Gastarbeitern gesetzt, um die Wirtschaft mit Arbeitskräften zu versorgen. Aus der temporären Zuwanderung ist mit der Zeit immer mehr ein dauerhafter Verbleib der Zuwanderer geworden. Diese Entwicklung wurde seit 2014/15 durch enorme Flüchtlingszuwanderungen überlagert, die sowohl die Politik als auch die deutsche Gesellschaft spalten. Die Positionen reichen von weitgehender Ablehnung der Zuwanderungen, etwa durch die neue rechtskonservative Partei der AfD, bis hin zur Willkommenskultur durch Kanzlerin Merkel. Ein Teil der Bevölkerung stört sich vor allem an den damit verbundenen hohen Hilfeleistungen angesichts der recht begrenzten Leistungen für die ärmere deutsche Bevölkerung, weil Rentner und Alleinerziehende teilweise weniger als Flüchtlinge unterstützt werden.
Zweifel wirft auch die EU auf, wenngleich der Großteil der Bevölkerung hinter dem europäischen Zusammenschluss steht. Die hohen deutschen Zahlungen an die EU, die zunehmende bürokratischer Vorgaben der EU wie auch Folgen der zweifelhaften Geldpolitik der parlamentarisch nicht kontrollierten Europäischen Zentralbank sprechen gegen Erweiterungen der EU-Kompetenzen, zumal sich deshalb auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dagegenstellt und damit anders als der Europäische Gerichtshof urteilt. Das Vorgehen der EU zur Bewältigung der Folgen der Coronapandemie spricht für weiteren Konfliktstoff. Das gilt vor allem wegen der enormen Schulden, die zur Sicherung der heutigen Lebensbedingungen aufgenommen werden, für die aber vor allem die junge bzw. nachwachsende Generation aufzukommen hat.
Die Politik klammert das Konfliktpotential weitgehend aus, was vor allem auch für die Bundesregierung und die Kanzlerin gilt. Auf die Probleme, die den Großteil der Deutschen bewegen, wird kaum oder nicht eingegangen. So ist zur sozialen Spaltung nichts zu hören. Stattdessen wird der Armuts- und Reichtumsbericht (BAMS 2020) geschönt. Es gibt auch keine Verlautbarungen zur Steuerungerechtigkeit, obwohl der Großteil der Bevölkerung diese als ungerecht beklagt und dringenden Änderungsbedarf sieht. Zur Gefährdung der Meinungsfreiheit, zu der inzwischen bereits viele Publikationen erschienen und die von bald der Hälfte der Bevölkerung gesehen wird, gibt es ebenfalls keine Verlautbarungen. Genauso wenig äußert sich die Regierung zur auswuchernden Bürokratie, die längst unsere Entwicklung beeinträchtigt und sich dabei punktuell auch über die Verfassung hinwegsetzt.
Das ist jedoch kaum verwunderlich, da die Leitungsstellen politisch besetzt sind und somit diese Entwicklung von der Politik geduldet oder gar mit veranlasst wird. Zu den 2019 erfolgten, eigentlich unvereinbaren gegensätzlichen Gerichtsurteilen des Bundesverfassungsgerichtes gegenüber dem Europäischen Gerichtshof zur Finanzpolitik der EU ist von der Bundesregierung genauso wenig zu hören wie zum Gebaren der Türkei, das im Widerspruch zu Vorgaben der Vereinten Nationen oder zur EU-Politik im Mittelmeerraum sowie zu vielen Menschrechtsabkommen steht. Zu den eindeutigen, z. T. unvereinbaren Gegensätzen des Korans zum Grundgesetz ist von der Regierung und der Kanzlerin ebenfalls nichts zu hören, obwohl Moslems einen sehr hohen Anteil der hier lebenden Migranten ausmachen und Umfragen belegen, dass deren überwiegende Mehrheit den Koran über das Grundgesetz stellt. Statt klärender Worte hat die Kanzlerin den Ausspruch des Bundespräsidenten Christian Wulff „Der Islam gehört zu Deutschland“ stärker betonend wiederholt (ausführlicher 3.6, S. 265). Die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zeigt, es besteht heute erheblicher Handlungsbedarf, um diesen Erosionen zur Sicherung der Zukunft unseres Landes entgegenzuwirken.
1.1 Die Zeit nach dem Krieg bis zur Wiedervereinigung
Nach dem von Deutschland entfachten Krieg lag das Land in weiten Teilen in Trümmern und wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Viele Innenstädte waren stärker zerbombt, als es die heutigen Fernsehberichte von 2018–2019 von den Kriegsschauplätzen im Nahen Osten zeigen. Die Not war groß. In Berlin sind 1945–46 manche Bürger wegen der viel zu geringen Nahrungsversorgung verhungert. Der Winter 45/46 hatte Minustemperaturen bis 20 Grad, die bei fehlendem Heizmaterial und oft nur notdürftige verschlossenen Fenstern (Das Glas war durch Druck von Bomben oder Granaten zerborsten) zu ertragen waren. Dennoch, die Bevölkerung machte sich an den Aufbau, häufig war Tatkraft statt jammern angesagt. Die Frauen, die so genannten Trümmerfrauen, räumten die Straßen frei, denn es fehlte an Männern. Die expansive Vereinnahmungspolitik der Sowjets führte alsbald zur deutschen Teilung, Blockade Berlins und Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit der Währungsreform sowie zur Gründung der DDR mit ihrer Ostmark-Währung. In Europa fand eine stringente Teilung statt. Das sowjetisch beherrschte Osteuropa mit kommunistischer Ausrichtung stand dem demokratisch, kapitalistisch orientierten Westeuropa gegenüber. Die damit verbundene strikte Trennung wurde zutreffend als Eiserner Vorhang bezeichnet. Die sowjetische Blockade Westberlins verschärfte die Situation. Durch die Luftbrücke der Alliierten wurde die Stadt am Leben gehalten. Infolge des damals kaum behinderten Verkehrs in Berlin wurde aber durch die vielfachen Familienbeziehungen ebenfalls auch von Ostberlin die Versorgung Westberlins erheblich unterstützt. Zudem war die Ostberliner Versorgungslage während der Blockade deutlich besser als die Westberlins. Trotz aller Leistungen hätte die Luftbrücke für die Versorgung kaum ausgereicht.
Weite Teile der Bevölkerung waren zunächst sowohl in Ostdeutschland als auch in Westdeutschland nach vorne ausgerichtet. Im Westen orientierte sich die Jugend vor allem an den USA. Das galt für die Musik vom Rock ’n’ Roll bis zum Jazz und gleichfalls für Kleidung (Einzug der Jeans) und die lockeren amerikanischen Umgangsformen, die im Gegensatz zur damals noch sehr konservativ ausgerichteten deutschen Gesellschaft standen. Jeans und Freizeithemden begannen Anzug, weißes Hemd und Schlips abzulösen, wenngleich nur sehr langsam und über einen jahrzehntelangen Zeitraum. Für den Westteil galt: nicht in der Vergangenheit rühren, sondern am Aufbau mitwirken. Das Überwechseln ehemaliger Nazis in die neue Entwicklung und ihr Fußfassen in der neuen Politik waren zumindest in Westdeutschland verhältnismäßig problemlos. Ein Beispiel ist der badenwürttembergische Ministerpräsident Filbinger, der als Kriegsrichter selbst noch nach der deutschen Kapitulation, also nach Kriegsende, einen fahnenflüchtigen jungen deutschen Soldaten hinrichten ließ. Zudem fanden etliche Juristen aus der NS-Zeit, einschließlich Richter und Staatsanwälte, wieder ein Unterkommen in der Justiz der neuen Bundesrepublik. Von den höchsten Bundesrichtern hatte die Mehrzahl eine NS-Vergangenheit. Die 50er Jahre waren zugleich die Aufbaujahre Westdeutschlands, in denen die wesentlichen materiellen Kriegsschäden behoben wurden. Auch in der DDR gab es trotz anderslautender Propaganda den Aufstieg von Personen mit NS-Vergangenheit, wenngleich in weitaus geringeren Anteil als in der Bundesrepublik.
Für die sechziger Jahre waren vor allem das wirtschaftliche Wiedererstarken Westdeutschlands prägend sowie die Wiederbewaffnung Deutschlands durch die neue Bundeswehr. Die erfolgte allerdings als fest integrierter Bestandteil im westlichen Militärbündnis Nato. In Ostdeutschland vollzog sich sukzessiv eine Umstellung der Wirtschaft zur Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild. Diese Entwicklung war mit umfassender Enteignung der Wirtschaft und der Landwirtschaft verbunden. Gleichfalls fand auch in Ostdeutschland eine Wiederbewaffnung als NVA (Nationale Volksarmee) statt, die vergleichbar mit der Nato in einem osteuropäischen Militärbündnis, dem Warschauer Pakt, unter Führung der Sowjetunion eingebunden war. Der Berliner Mauerbau 1961 verschärfte die politische Situation und zementierte die Teilung der Stadt. Die Sowjets drohten den Viermächtestatus der Stadt und damit das Anwesenheitsrechte der Westalliierten aufzuheben. Durch den klaren Widerstand der USA, die nach dem Mauerbau symbolisch eine zusätzliche Brigade nach Berlin entsandten, wurde die Drohung gegen Westberlin nicht mehr verfolgt. Zudem stattete der damalige Vizepräsident der USA Johnson Berlin alsbald einen symbolischen Besuch ab. Der erste Besuch des damaligen Bundeskanzler Adenauers nach dem Mauerbau fand erst Wochen später statt.
In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre begann in Deutschland endlich die juristische Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Sie war längst überfällig. Etliche andere Staaten haben auch Kriege begonnen, vor allem im Zuge des imperialistischen Kolonialismus im Jahrhundert vor der Naziherrschaft. Aber die furchtbaren Gräueltaten der Nazizeit übertreffen alles andere an Unmenschlichkeit. Deren mit der bürokratischen Akribie und Präzision von Industrieprozessen durchgeführte Mordmaschinerie in den Konzentrationslagern hat eine einmalige Dimension von Grausamkeit und ist die größte Schändung und Schande des deutschen Volkes und Deutschlands. Deshalb waren die Auseinandersetzung und Aufarbeitung dieser Zeit und juristische Ahndung der Täter unverzichtbar für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu einem demokratischen Rechtsstaat. Von 1963 bis 1965 fand schließlich der Auschwitzprozess statt, mit dem die Schrecken und Unmenschlichkeiten des NS-Regimes selbst für politisch nicht interessierte Bürger/-innen in ihrem furchtbaren Ausmaß deutlich wurden. In Ostdeutschland kam es damals ebenfalls zu Prozessen, so 1966 gleichfalls zu einem Auschwitzprozess. In der Folge gab es in Westdeutschland eine Vielzahl weiterer Prozess. Die angeklagten Personen, oftmals ehemalige Entscheidungsträger und Offiziere, beriefen sich häufig auf Befehlsnotstand (d. h., sie waren für die Taten nicht verantwortlich, sondern die höheren Stellen, die ihnen dazu den Befehl erteilten, den sie in ihrer soldatischen Pflicht auszuführen hatten). Die Prozesse führten daher längst nicht immer zur Verurteilung oder beinhalteten nur verhältnismäßig geringe Strafen. Sie hatten aber zur Folge, dass weiten Teilen der Bevölkerung, vor allem der Jugend, die verheerenden Grausamkeiten der NS-Zeit verdeutlicht wurden. Häufig war damit die Frage nach der Vergangenheit der eigenen Eltern verbunden. Das stets auf Ordnung und Pflichterfüllung ausgerichtete Leben der Älteren bekam tiefe Risse. Ohne diese Bürokratie und bürokratische Pflichtausrichtung eines Großteils der Elterngeneration wären die schrecklichen Auswüchse der NS-Zeit kaum möglich gewesen, selbst wenn die meisten Bürger nicht unmittelbar an den Gräueltaten beteiligt waren. Der Generationskonflikt war da und eskalierte zunehmend Ende der sechziger Jahre.
Der Vietnam-Krieg verschärfte die Generationskontroverse, da manches für Kriegsverbrechen durch die Amerikaner sprach. Der Besuch des persischen Schahs in Berlin 1967 führte zum „Überkochen“. Vor dem Rathaus schlug eine persische Begleitmannschaft mit Holzlatten auf deutsche Demonstranten ein, weil diese Anti-Schah-Plakate hochhielten. Diese Handlungen erfolgten direkt vor deutschen Polizisten (die zur geordneten Absperrung der Zuschauer dort waren). Die Attacken der persischen Schlägertruppe waren ein eindeutiger Rechtsbruch, der unter den Augen deutscher Polizisten geschah, die aber in keiner Weise dagegen eingriffen. Für diese Untätigkeit hätten gegen die betreffenden Beamten strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet werden müssen. Obwohl das Geschehen klar sichtbar vom Fernsehen übertragen wurde, blieben die Polizei und Justiz passiv und tatenlos. Wenig später kam es vor dem Deutschen Opernhaus dann zu dem besonders traurigen Ereignis. Der Kriminalpolizist Kujath erschoss mit einem Kopfschuss aus dichter Nähe den flüchtenden Studenten Benno Ohnesorg von hinten. Ohnesorg hatte zuvor an keinen Handlungen gegen Polizisten mitgewirkt. In Anbetracht seiner Kleidung, dünne Sommerhose und knappes T-Shirt, war auch eindeutig sichtbar, er ist unbewaffnet. Als der Todesschuss fiel, verfolgten Polizisten in Überzahl flüchtende Studenten und Passanten. Der Todesschuss war nicht zu begreifen, was wohl auch in ersten Reaktionen von anderen beteiligten Polizisten geäußert wurde. Dennoch, der Schütze wurde vor Gericht freigesprochen.
Das etablierte Berlin, einschließlich des Bürgermeisters Alberts, stand hinter dem Schahbesuch und gegen die Studenten. Einzig der damalige Präsident der Berliner Akademie der Künste, der international renommierte Architekt Hans Scharoun, wagte es Position zu beziehen. Scharoun sah die Tötung eines unbewaffneten Demonstranten durch eine gezielte Polizeikugel als ein derart gravierendes Ereignis an, dass er für die folgende Woche sämtliche Veranstaltungen der Berliner Akademie der Künste absagte. Das bekam in der vor allem durch die Bildzeitung und deren Berliner Pendant BZ (Berliner Zeitung) des Springerverlages nahezu beherrschten Öffentlichkeit kaum jemand mit. Die Reaktion der Berliner Polizeiführung war zudem äußerst zweifelhaft. Nach dem Todesschuss wurde offensichtlich gezielt das Gerücht verbreitet, von Seiten der demonstrierenden Studenten sei ein Polizist erschossen worden. Das heizte die Stimmung und Aggressivität der Polizisten noch an. Erst im Verlauf der nächsten vierundzwanzig Stunden sickerte nach und nach der wahre Sachverhalt durch, dass ein Polizist den Studenten Ohnesorg erschoss. Es ist zu vermuten, dass diese Vorgehensweise System hatte, denn die gleiche Gangart praktizierte später die Berliner Polizeiobrigkeit unter dem gleichen damaligen Innensenator Neubauer, als der terrorverdächtige, aber unbewaffnete von Rauch erschossen wurde.
Die Berliner Entwicklung ließ Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik aufkommen und war wohl letztlich auch die Initialzündung für die 68er Bewegung. Hinzu kam der Verdruss über das alte System und die Vorwürfe gegenüber den Älteren angesichts der Gräueltaten des NS-Regimes. Das Vorgehen der USA in Vietnam wurde in die Nähe der NS-Taten gerückt und entsprechend angeprangert. Gleichzeitig wandten sich die 68er gegen die traditionelle Familienstruktur. Die war geprägt durch den Mann, der als „Ernährer“ arbeiten ging und das Sagen hatte, und die Frau, deren vorrangige Aufgabe in der Haushaltsführung und Versorgung der Kinder lag. Kinder galten für Familien als Selbstverständlichkeit. Jeder hatte da seine Pflicht zu erfüllen, was auch für die Arbeitsverhältnisse galt. Die 68er sahen in dieser Grund- und Pflichtstruktur und der damit verbundenen Bürokratie eine der Wurzeln, die letztlich mit die Gräueltaten des NS-Regimes ermöglichten. Statt Unterordnung zur Pflichterfüllung wurde Selbstverwirklichung proklamiert. Die traditionelle Familie mit der eindeutigen Benachteiligung der Frauen wurde abgelehnt, bis hin zur grundsätzlichen Infragestellung. Familie stellte die Presse danach lange Zeit als „Auslaufmodell“ dar. Mit diesen Veränderungen setzten sich die 68er auch massiv für die Gleichberechtigung der Frauen ein, wie ebenfalls für die Ablösung der alten spießig, prüden Moralvorstellungen und für sexuelle Freizügigkeit. Letzteres erhielt durch das Aufkommen der Antibabypille einen zusätzlichen Schub. Der Zeitpunkt dieser Veränderungen im Rollenverständnis junger Frauen sowie die neue sexuelle Freizügigkeit (Wohnungen wurden vorher überwiegend nur an Ehepaare vermietet, Verstöße konnten nach dem sogenannten Kuppelparagraphen geahndet werden) und die unkomplizierten, sicheren Verhütungsmöglichkeiten sind identisch mit dem Zeitpunkt, von dem an in der Bundesrepublik der demografische Wandel einsetzte. Statt Bevölkerungswachstum fiel die Geburtenrate nun deutlich unter die Substanzerhaltung. Seitdem liegen die Geburten bis heute fast anhaltend etwa ein Drittel unter der Sterberate (3.7, 236, 237-238). Die 68er stellten in vielen Bereichen die Vorgaben des alten Systems in Frage, insbesondere auch das Verwaltungshandeln. Bürgerproteste und Aktionen gegen reale oder auch vermeintliche Verwaltungswillkür nahmen zu. Sie hatten damals durchaus Folgen für die Verwaltungsbürokratie und bewirkten einen Rückgang von übermächtigem Verwaltungshandeln und Verwaltungswillkür.
Im Rückblick lässt sich heute resümieren, die 68er Bewegung hat Wichtiges vorangebracht und erreicht, aber eben nicht nur im uneingeschränkten positiven Sinne. Die deutsche Vergangenheit wurde von dieser Bewegung im Wesentlichen auf die Zeit 1933 bis 1945, mit den Naziauswüchsen in den zwanziger Jahren sowie auch mit deutlicher Kritik an die Zeit des letzten deutsche Kaiserreich reduziert. Die umfassenden kulturellen Beiträge und die Bereicherung, wie sie u. a. von Goethe und Schiller ausgingen, fanden nur sehr nachrangige Beachtung. Das Gleiche galt für viele deutsche Leistungen in Kultur und Wissenschaft, die mit der Kriegsführung des NS-Regimes nicht zu tun hatten. Die Wehrmacht und ihre Soldaten wurden fast grundsätzlich als Kriegsverbrecher oder Verbrechenbeteiligte eingestuft. Laut der Berechnung von Experten hatten sich schließlich etwa 20.000 Wehrmachtssoldaten an den Gräueltaten beteiligt. Das galt als Orientierung und nicht, dass demnach von den 3 Millionen deutscher Soldaten 2.980.000 Soldaten den Kriegsdienst leisteten, ohne sich an den Gräueltaten direkt zu beteiligen. Bei dem Großteil der Soldaten handelte es sich zudem nicht um Freiwillige, sondern um Personen, die eingezogen wurden. Dem konnten sie sich kaum entziehen, denn eine Wehrdienstverweigerung wurde damals mit der Todesstrafe geahndet.
Für die Zeit der 68er wird in den Publikationen fast immer ein massiver Generationskonflikt, vor allem zwischen Eltern und ihrem 68er Nachwuchs, unterstellt. Den hat es bestimmt vielfach gegeben, aber längst nicht in dem Ausmaße, wie ihn überwiegend die Presse und Literatur darstellen. Ich hatte selber überhaupt keine Probleme mit meinen nächsten Anverwandten über diese Zeit und Auswüchse zu reden und zu diskutieren, zumal mich meine Mutter von klein auf massiv gegen Hitler und die Taten der NS-Zeit erzog (Mein Vater, der damals wie die meisten Männer per Zwang zur Wehrmacht eingezogen wurde, fiel dem Krieg zum Opfer). Unsere Familie hat noch wenige Tage vor Kriegsende durch die auch dann noch anhaltende Bombardierung von reinen Wohngebieten ihre Wohnung und nahezu ihr gesamte/s Habe und Gut verloren. Ich war nicht der Einzige, in dessen Familien die Hitlerzeit kein Tabu war und über deren Schreckenszeit den Kindern berichtet wurde, wie mir aus den damaligen Gesprächen mit Freunden in Erinnerung ist. Es gab aber auch Gegenbeispiele. Die Mutter eines Freundes stellte an Hitlers Geburtstag ein gerahmtes Bild im Wohnzimmer auf, mit einer Kerze davor. Meine persönlichen Erinnerungen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit keine außergewöhnlichen Ausnahmen. Vielmehr ist von sehr unterschiedlicher Betroffenheit und einem vielschichtigen Umgang mit der Vergangenheit in den einzelnen Familien auszugehen. Die Verleugnung der NS-Zeit und Vergangenheit und den daran angelehnten Generationskonflikt mag es in manchen Familien gegeben haben, aber in vielen auch nicht.
Die 68er bejubelten und glorifizierten auch den Massenmörder Mao. Gegen die Annexion Tibets gab es von ihnen genauso wenig Proteste wie von den damals etablierten Parteien. Umso stärker und intensiver waren die Proteste und Aktionen gegen die USA und den Vietnamkrieg. Die Stimmung hatte sich völlig gegen die USA gedreht. Als 1961 die USA nach der Grenzschließung und dem beginnenden Mauerbau zur symbolischen Unterstützung Westberlins über die Interzonenautobahn eine zusätzliche Brigade nach Berlin entsandten, warteten viele West-Berliner an der Autobahnkreuz Wannsee, um die Ankunft der Soldaten zu bejubeln. Ich war auch dabei. Bevor die Soldaten in amerikanische Kasernen fuhren, vollzogen die Fahrzeuge mit ihren Soldaten eine Rundfahrt über etliche Hauptstraßen Berlins. Sie wurden von der am Straßenrand wartenden begeisterten Bevölkerung beklatscht und mit Blumen beworfen. Nun, sieben Jahre später war das ganz anders. Beklatscht wurden sie nirgends mehr, aber auf etlichen Demonstrationen geschmäht. Als geborener Berliner, der die gesamte Zeit miterlebte, hatte ich ein sehr ungutes Gefühl, denn ohne die dezidierte Haltung der USA wäre wohl damals die Geschichte für Westberlin anders verlaufen. Fragwürdig war für mich auch manches Agieren der 68er Bewegung an den Universitäten, zumindest an der Technischen Universität in Westberlin. Studenten der 68er hatten zutreffend Mängel und Schwächen der Universität und deren Verwaltung aufgedeckt und vernünftige Konzepte zur Abänderung vorgeschlagen. Die wurden dann als Resolution zur Abstimmung gestellt, allerdings oft mit einem Zusatz. In dem wurde die amerikanische Politik, vor allem die Vietnam-Politik angeprangert. Studenten, die nun für die Resolution zu Verbesserungen an der Universität stimmten, gaben damit zwangsläufig auch ihre Stimme für die entsprechende antiamerikanische Resolution ab. Die antiamerikanische Haltung mag aber auch durch die Ermordung von Luther King und Kennedy verstärkt worden sein, wenngleich sich später herausstelle, dass Kennedy ein wesentlicher Befürworter für den amerikanischen Vietnameinsatz war.
Die 68erBewegung hat dann mit der Zeit an Schub und Zuspruch verloren, was zugleich mit der Radikalisierung einer kleineren Anhängerschaft einherging. In der Folgezeit bröckelte angesichts der Morde durch die RAF (Rote Armee Fraktion) die Sympathie. Auf Seiten der Ordnungskräfte fand damals die fragwürdige Erschießung des unbewaffneten von Rauch vor einem Laden in der Eisenacher Straße statt. Ich wohnte zu dieser Zeit in der Nähe und lief kurz danach zufällig die Kleistraße entlang. Erstaunt über die Polizeiabsperrung an der einmündenden Eisenacher Straße in die Kleiststraße fragte ich höflich die Polizisten nach dem Absperrungsgrund. Die Polizisten antworteten aufgeregt, die Baader-Meinhof-Terroristen haben einen Kollegen, also einen Polizisten, erschossen. Das stellte sich alsbald als völlig falsch heraus. Von Rauch war unbewaffnet und stand vor einem Laden, wo ihn die Polizei bereits fixiert hatte, und wurde dann aus unerklärlichen Gründen, vermutlich versehentlich, in deren Aufregung erschossen. Rauch war völlig unbewaffnet, denn eine Waffe wurde trotz intensiver Suche im gesamten Tatortareal nirgends gefunden. Hier sehe ich unter dem damaligen Berliner Innensenator Neubauer wieder das gleiche Verhalten der falsch gestreuten Polizeigerüchte wie bei dem oben angeführten Todesschuss auf Benno Ohnesorg. Mein Zweifel an der deutschen Rechtsstaatlichkeit bekam Nahrung.