Kitabı oku: «Deutschland wohin???», sayfa 3
Die unter vielen Studenten zunächst durchaus vorhandenen Sympathie für die Aktionen der Baader-Meinhof-Gruppe schwächten sich mit deren zunehmender Radikalisierung und Taten der RAF (Rote Armee Fraktion), insbesondere durch deren Nachfolgeorganisation unter Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt, massiv ab. Nach der Schleyerentführung mit der Exekution der sieben begleitenden Polizisten gab es in der Studentenschaft für die RAF kaum noch Sympathie. Damit waren auch die linken Ideen zunehmend diskreditiert und diese Terrorgruppe verlor die Unterstützung als wesentliche Voraussetzungen für das Leben im Untergrund. Ihr Ende war absehbar.
Heute ziehe ich das Resümee, die 68er waren wichtig für den Aufbruch, insbesondere zur Emanzipation der Frauen, zur Reduzierung falscher Pflichtgefühle und Veränderung der Persönlichkeitshaltungen, für sexuelle Freiheit und Selbstbestimmtheit, Reflexion und öffentliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und zur Reduzierung von Bürokratie und Verwaltungswillkür. Sie haben zudem die breite Diskussion für viele Themen ermöglicht und geschaffen, die vorher eher ein Tabu waren. Umgekehrt wurden aber abweichende, gar konservative Meinungen und Gesellschaftsbilder, auch wenn diese nicht aus der rechten Ecke kamen, massiv abgelehnt, bis hin zu Beleidigungen der betreffenden Personen. Die Meinungserweiterung wurde ermöglicht, aber nicht, wenn sie anders war als die der 68er. Dann wurde die Meinungsfreiheit von dieser jungen Aufbruch-Generation nicht selten massiv missachtet.
Das Vorgehen der 68er war, wie bei den angeführten Resolutionen an der TU, außerdem nicht immer aufrichtig. Das einseitige Bejubeln von Massenmördern wie Mao, genauso wie das Ausbleiben jeglicher Kritik oder gar Proteste gegen die chinesische Annexion Tibets, ließen großen Zweifel aufkommen. Genauso kann die Quasi-Reduzierung der deutschen Geschichte auf 1890 bis 1945, oder noch gravierender auf die Zeit 1933–45 nicht überzeugen. Mit den Attentaten und Morden der Baader-Meinhof-Gruppe, RAF sowie insbesondere deren Nachfolgergruppierungen hat die 68er Generation jedoch nichts zu tun. Die anfänglichen Sympathien für diese Terroristen beschränkten sich zudem auf einen kleinen Teil dieser Generation. Sie hatte sich dann mit der Radikalisierung dieser Gruppen, wie dargelegt, sehr schnell aufgelöst. Ein großer Verdienst der 68er lag damals vor allem in den Erfolgen gegen übermächtiges, man kann fast sagen willkürliches Agieren des Staates und der Verwaltung. Davon ist leider nicht mehr viel verblieben, zumal die Digitalisierung heute der Verwaltung weit größere Möglichkeiten bietet. Die Gewaltenteilung des Staates in die drei Elemente Legislative, Exekutive und Judikative wird inzwischen z. T. von einer „Verwaltungslative“ überlagert, auf die die Judikative nur noch begrenzten Einfluss hat. Bürokratismus breitet sich immer mehr aus, wie auch der damals erkämpfte offene Sexualität zunehmend der Trend zur Rückkehr zum prüden Spießertum entgegen wirkt.
Für die 70er Jahre waren die Ablösung der bis dahin führenden CDU/CSU, durch die Kanzlerschaft von Willi Brandt und dessen Koalitionspartners FDP das prägende Ereignis. In dieser Zeit wurden umfassende soziale Verbesserungen durchgesetzt. Weite Teile der Bevölkerung hatten ein ausgeglichenes Auskommen. Es ging eindeutig weiter aufwärts. Der von der CDU/CSU in den 60er Jahren angeschobene Eigenheimbau boomte ebenfalls weiter. Das galt auch für mittlere Einkommen. Das wesentliche politische Geschehen bestimmte sich durch die Ost-Entspannungspolitik unter Brandt und die Berlin-Vereinbarungen, die den Reiseverkehr zwischen Westdeutschland und Berlin erheblich erleichterten. Konflikte bahnten sich im Umweltbereich an, insbesondere durch die kontroversen Positionen zur Energieversorgung auf Kernkraftbasis. Nach der weitgehenden Ausschaltung der Baader-Meinhof-Gruppe wurde die Öffentlichkeit jedoch durch die zunehmend radikaleren Aktionen und Morde der RAF-Nachfolgegruppierungen verunsichert, die in der Landshut-Entführung und der Ermordung von Hans Schleyer 1977 den leidigen Höhepunkt erfuhren. Dennoch, insgesamt war es ein Jahrzehnt der Aufwärtsentwicklung.
Zu dieser Zeit fand der Ausbau der Daseinsvorsorge im erheblichen Maße statt, der wegen den bereits Ende der 60er und später in den 70er Jahren zeitweilig auftretenden Schwächen im Wirtschaftswachstum zu nicht unwesentlichen Teil über Kreditaufnahmen finanziert wurde. Das entsprach damals durchaus der aktuellen, fortschrittlichen Finanztheorie. In Anbetracht steigender Preise und des zunehmenden Wirtschaftswachstums ging man davon aus, dass heute über Kredite finanzierte Ausgaben günstiger seien als ansparen. Denn der wahrscheinliche Preisanstieg in der Zeit des Ansparens ließ sich damit vermeiden und die Kreditzinsen über den so ersparten Preisanstieg finanzieren bzw. ausgleichen. Seit dieser Zeit hat sich dieses staatliche Ausgabenverhalten, quasi die Ausgaben über den staatlichen Einnahmen „auf Pump“, als Dauererscheinung und zu einer immer größeren Staatsverschuldung geführt. Diese Entwicklung galt nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland sondern genauso für die meisten westeuropäischen Länder, insbesondere für die Mittelmeerstaaten, und führte dort auch zur Abwertung nationaler Währungen. Diese Entwicklung wurde in der Bundesrepublik erst durch das 2009 erlassene Haushaltsgrundsätzegesetz sowie durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU bis zum Eintreffen der Coronapandemie beendet.
In den 80er Jahre setzte sich die Aufwärtsbewegung weiter fort. Westdeutschland ging es immer besser. Die Integration und Verflechtungen der EU-Staaten verdichteten sich. Das Konfliktpotential zu Umweltfragen nahm mit der Atompolitik der Regierung zu, insbesondere zu den Fragen, wo ein Endlager für abgebrannte Atombrennstäbe einzurichten sei und was dort mit den Brennstäben erfolgen solle. Anfang der 80er Jahre fand deshalb unter dem damaligen hessischen SPD-Ministerpräsidenten Holger Börner durch die landeseigene Hessische Landesentwicklungs- und Treuhandgesellschaft (HLT), in enger Zusammenarbeit mit der DWK (Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen mbH. Hannover), in Nordhessen eine intensive Standortsuche statt. Damit sollte eine Lösung der Entsorgungsfrage für abgrannte Kernbrennsoffe geschaffen werden, offensichtlich um die Energiepolitik des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt zu stützen. Diese streng vertraulichen und von der Öffentlichkeit bis heute gut abgeschirmten Aktivitäten fanden ein sehr schnelles Ende, als Kanzler Helmut Schmidt durch Helmut Kohl abgelöst wurde. Damit verlor sich sehr zügig die Unterstützungsbereitschaft der SPD-geführten hessischen Landesregierung. Die war nun bemüht, dieses konfliktreiche Thema schnell wieder loszuwerden. Dazu ist es dann sehr bald gekommen, und die Standortfrage fiel an die von CDU bzw. CSU regierten Bundesländer zurück.
Die damalige Entwicklung verunsichert, weil bei diesen wichtigen Fragen die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschaltet wurde und wohl bis heute kaum etwas über die damalige Entwicklung weiß. So berichteten damals DWK-Mitarbeiter intern, wie sie die notwendigen Vermessungsarbeiten auf den relevanten nordhessischen Flächen durchführten. Da mit dem Widerstand der Eigentümer der Fläche, also den Bauern, zu rechnen war, führte der Kreis dort unter einem anderen Vorwand Vermessungsarbeiten durch. Die Bauern konnten dem Kreis das kaum verwehren, denn der Landkreis war berechtigt bei Bedarf wie überall im Kreisgebiet Vermessungen vorzunehmen. Zeitgleich war dort jedoch eine andere Gruppe von Vermessern tätig, die im Auftrag der DWK die für die Standorteingrenzung erforderlichen Vermessungen durchführte. Letztlich war das eine illegale Tätigkeit auf den Flächen der Landwirte, die diese aber durch die legalen Parallelvermessungen nicht erkennen konnten. Die Aktivitäten zur kerntechnischen Standortsuche fanden z. T. bei internen Kontakten und Absprachen mit nordhessischen Bürgermeistern statt, die sich von einer derartigen Anlage Steuereinnahmen und Arbeitsplätze in ihrem strukturschwachen Nordhessen erhofften. Als diese Kontakte dann irgendwie durchsickerten und halböffentlichwurden, stritten die betreffenden Kommunalpolitiker diese Vorgänge rundweg ab. Wesentlicher ist jedoch der Vorgang der Vermessungsarbeiten. Denn dieses Geschehen zeigt, dass ggf. staatliche Instanzen, d. h. auch von den zuständigen Verwaltungsspitzen bis zu verantwortlichen Politikern, die gesetzliche Legitimation verlassen, wenn sie es für ihre Ziele als wichtig erachten.
Im Gegensatz zur positiven westdeutschen Aufwärtsentwicklung befand sich die DDR zunehmend im Niedergang. Die DDR näherte sich dem Staatsbankrott. Das wirtschaftliche Verhältnis zur UDSSR drohte sich umzukehren. Seit Kriegsende, hatte die UDSSR nach den extrem hohen Kriegsreparationszahlungen nahezu über den gesamten Zeitraum der Existenz der DDR konstant Ressourcen aus Ostdeutschland abgezogen. Im Verhältnis zur Größe Ostdeutschlands und dessen Wirtschaftsleistung ein weitaus größerer Aderlass als die Zahlungen Westdeutschlands zur Wiedergutmachung der Nazi-Vergehen, an Israel, andere westeuropäische Staaten und ehemalige Kriegsgegner. Nun drohte sich das Verhältnis Sowjetunion zu Ostdeutschland umzukehren. Aus der maroden DDR war kaum noch etwas rauszuholen. Stattdessen wären massive Hilfen durch die UDSSR erforderlich, um dieses Staatssystem zu halten. Diese Situation hatte Gorbatschow als Wirtschaftsfachmann eindeutig erkannt und sich daher wohl aus der DDR zurückgezogen. Bei dem Aufbegehren der Ostdeutschen fand deshalb kein Eingreifen des russischen Militärs statt wie am 17. Juni 1953 in Berlin, 1956 in Ungarn oder 1968 in der Tschechoslowakei. Gorbatschow war Wirtschaftler und wollte die UDSSR und den Kommunismus im positiven Sinne durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen weiterentwickeln. Die Ereignisse haben sich alsbald überschlagen. Im Oktober 1989 fiel die Mauer. Der freie Verkehr der Bevölkerung zwischen Ostund Westdeutschland war erreicht. Damals war nicht absehbar, dass damit alsbald die Wiedervereinigung erfolgt und das Großreich der UDSSR zerfällt und auseinanderbricht.
Das Jahr 1990 war gezeichnet von der deutschen Annäherung. Nach ersten Verlautbarungen zur Bildung einer deutschen Föderation und der Ablösung von Erich Honecker kamen in Ostdeutschland die Forderung nach freien Wahlen und sehr bald nach der Wiedervereinigung Deutschlands auf. Die westeuropäischen Verbündeten, insbesondere Großbritannien unter M. Thatcher, sprachen sich deutlich dagegen aus (frühestens in 20 Jahren), aber der amerikanische Präsident Bush war dafür. Bundeskanzler Helmut Kohl, der lange belächelt und durch Witze im Volksmund verballhornt wurde, erkannte die einmalige Chance. Er hat mit seinem Außenminister Genscher die richtige Politik geleistet, um diese vermutlich einmalige Chance zu nutzen. Sein damaliger Oppositionsgegenspieler, der SPD-Chef Lafontaine, konnte mit dieser Entwicklung anscheinend wenig anfangen. Seine Äußerungen beschränkten sich vor allem auf den Verweis auf die hohen Kosten einer Wiedervereinigung.
1.2 Deutschland nach der Wiedervereinigung
Am 3. Oktober 1991 wurde Deutschland durch den Beitritt Ostdeutschlands bzw. der DDR zur Bundesrepublik wiedervereinigt. In Berlin fand dazu eine große Veranstaltung auf der Straße Unter den Linden bis zum Brandenburger Tor statt. Dort standen in Reichstagsnähe die Rednertribünen mit den Politikern. Als Besucher der damaligen Veranstaltung bin ich heute noch über so viel Unvermögen entsetzt. Als musikalische Untermalung wurde nicht etwas Heiteres gewählt, das Aufbruchsstimmung suggeriert, sondern für den Anlass eigentlich unpassende, vor allem durch dumpfes Trommeln geprägte Musik. Noch unangenehmer waren die in den Himmel gerichteten Laserstrahlen. Sie waren damals für größere Veranstaltungen modisch und gang und gäbe. Sie erinnerten aber in fataler Weise an die letzten Tage des Dritten Reiches. Berlin wurde noch bis zum 20. April 1945 von alliierten Bombern angegriffen, auch reine Wohngebiete. Die Abwehrwaffen, die bis zum Schluss funktionierten, waren die Flakgeschütze auf den großen Luftschutzbunkern, z. B. dem Bunker am Bahnhof Zoo oder am Humboldthain. Von dort wurde mit großen Scheinwerfern der Himmel abgeleuchtet, um alliierte Bomber abzuwehren. Deshalb suggerierten die Laserstrahlen ein z. T. nahezu identisches Himmelsbild wie in den letzten Tagen des Untergangs des Hitlerreiches. Berliner, die 1945 diese Zeit miterlebten, waren über die Darbietung entsetzt. Wie konnte man so etwas machen? Dem dafür zuständigen Personen fehlte es offensichtlich an Geschichtskenntnissen. Das ist zwangsläufig auch für die für die Organisation dieser Veranstaltung verantwortlichen politischen Entscheidungsträger in Frage zu stellen. Zum Abschluss der Veranstaltung fand ein gewaltiges, langes Feuerwerk statt. Es war endlos, ohne große Höhepunkte, letztlich so langweilig, als wenn es von einem betuchten Neureichen stammt, der viel Mittel verpulvern kann, aber keine kreativen Ideen hat. Diese Ausrichtung ließ ahnen, dass die Wiedervereinigung noch erhebliche Probleme nach sich ziehen wird.
Durch den Beitritt Ostdeutschlands zur Bundesrepublik galt nun das Grundgesetz für das gesamte Deutschland. Ostdeutschland wurde zügig angepasst. Die Verhandlungen, auf westdeutscher Seite von Wolfgang Schäuble geführt, waren eindeutig auf Übertragung und Angleichung Ostdeutschlands an die westdeutschen Verhältnisse ausgerichtet. Damit wurden auch wichtige Chancen vertan. Letztlich gibt es kaum ein Staatssystem, in dem alles negativ ist, wie umgekehrt kein System fehlerfrei sein, nur Positives aufweisen kann. Deshalb hätte die Wiedervereinigung auch die Chance zur kritischen Bilanz der Bundesrepublik und zur Fortentwicklung bieten können. Bei Eliminierung der negativen Ausprägungen und Erhaltung und Fortentwicklung der positiven Ausprägungen Ostdeutschlands und Westdeutschlands war diese Chance zumindest theoretisch gegeben. Das wäre sicher auch für ostdeutsche Bürger ein Signal gewesen sich aktiv einzubringen. Entsprechende Vorschläge entwickelte eine gemeinsame Arbeitsgruppe Westberliner und Ostberliner Hochschullehrer, an der ich mitwirkte, in ihrer Resolution zum 3.10.1990. Die politische Reaktion darauf war enttäuschend, höfliche belanglose Antwortschreiben, einige auch von Staatssekretären. Eine Ausnahme war der neue brandenburgische Ministerpräsident Stolpe. Er antwortete in einem vierseitigen handgeschriebenen Brief an Prof. Rainer Mackensen, den Organisator dieser Gruppe.
Zu den nicht genutzten Chancen gehört z. B. der starke Rückgang der zumindest in quantitativer Hinsicht hervorragenden Versorgung Ostdeutschlands mit Kindergärten und Krippen. Für die Krippen wurde die Versorgungsausstattung der ehemaligen DDR bis heute, also über 30 Jahre später, nicht wieder erreicht. Die Verkehrsanbindung ländlicher Regionen, die zwar heute wesentlich moderner und komfortabler ist, hat aber zugleich zum massiven Rückbau des Streckennetzes geführt. Als besonders nachteilig erweist sich die damalige massive Ausrichtung auf eine privatwirtschaftlich ausgerichtete ambulante Gesundheitsversorgung durch Einzelpraxen. Dafür wurden in ländlichen Regionen die Polikliniken flächendeckend aufgelöst, obwohl sich damals westdeutsche Experten nachdrücklich für deren Erhalt aussprachen (u. a. Knieps in BZ). Inzwischen sind die Folgen verheerend, denn in ländlichen Räumen bricht immer mehr die gesundheitliche Grundversorgung weg. Das gilt inzwischen auch für westdeutsche Regionen und dort selbst für die Randbezirke von Großstädten. Nun versucht man mit vergleichbaren Einrichtungen, die jedoch privatwirtschaftlich betriebenen werden, gegenzusteuern, nur werden diese heute nicht mehr als Poliklinik, sondern als MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) bezeichnet. Ein Teil der Polikliniken hätte man damals auch privatisiert erhalten können, nur widersprach das der westdeutschen Ausrichtung. In Anbetracht der großen Probleme beginnt sich die strikte privatwirtschaftliche Ausrichtung der ambulanten medizinischen Versorgung zu lösen. Bei Bedarf kann heute ein MVZ auch in kommunaler Trägerschaft betrieben werden, wie es bereits in der Gemeinde Katzenellenbogen in Hessen erfolgte. Ähnlich war die Abwicklung der ostdeutschen Gemeindeschwestern. In Anbetracht der negativen Folgen wurden später an das System der Gemeindeschwester anknüpfende neue Modelle entwickelt. Zunächst das AGnES-Konzept (Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention) mit dem Hausärzte Krankenbesuche EDV-gestützt an besonders ausgebildete Mitarbeiter delegieren können und einige Jahre später daran anknüpfend das Modell der (NäPa) Nicht ärztliche Praxisassistentinnen, die für ähnliche Aufgaben, nämlich vor allem für Hausbesuche , eingesetzt wird, nur anstatt Gemeindeschwester unter anderen Namen.
Die Probleme und Herausforderungen waren enorm. So fehlte das Landesrecht in den neuen Bundesländern, das erst aufgebaut werden musste. Die Zeit überbrückte man mit so genannten Vorschaltgesetzen, die aber nur begrenzt den Herausforderungen entsprachen. Außerdem fehlten dem ostdeutschen Personal auch die Praxis- und Anwendungserfahrungen. Diese Zeit wurde von den großen Handelsketten der Verbrauchermärkte genutzt, um auf der „grünen Wiese“ fernab von den Siedlungszentren ihre großen Einkaufsstätten zu errichten. In Westdeutschland waren diese Märkte wegen der nachteiligen Wirkungen für die innerstädtischen Einkaufseinrichtungen stark reglementiert. In Ostdeutschland fand in dieser „rechtsfreien“ Zeit ein derartiger Ausbau statt, so dass dort schon Ende der 90er Jahre die Verbrauchermärkte über mehr Einkaufsfläche verfügten als in Westdeutschland.
Die größten Herausforderungen lagen jedoch in der Wirtschaftsentwicklung, der Wohnversorgung und der angemessenen Ausstattung mit funktionierender, zeitgemäßer Infrastruktur. Die Wirtschaftsentwicklung führte sehr schnell zum Zusammenbruch des Großteils ostdeutscher Betriebe, soweit diese nicht durch westdeutsche Firmen übernommen wurden. Wesentliche Bereiche der Energiewirtschaft DDR wurden aufgelöst, damals diskret als Abwicklung bezeichnet. So vor allem der Braunkohleabbau. Die Kernprobleme lagen aber in der anderen Wirtschaftsstruktur und geringeren Produktivität.
In der DDR waren ca. 52 % der Beschäftigten im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe beschäftigt und entsprechend weniger im Dienstleistungssektor. In der Bundesrepublik beschäftigte damals das produzierende und verarbeitende Gewerbe nur noch etwa 33 % der Arbeitnehmer, bei entsprechend höherer Produktivität. Allein durch die strukturelle Anpassung wurde etwa ein Drittel der ostdeutschen Arbeitskräfte, trotz guter Qualifikation, nicht mehr vom Arbeitsmarkt benötigt. Die ostdeutschen Betriebe, die diese Zeit der radikalen Umstrukturierung überlebten, hatten nun oft eine hochmoderne Ausstattung, teilweise mit höherer Produktivität als viele westdeutsche Betriebe. Deshalb war der Arbeitskräftebedarf in diesen Betrieben noch geringer. Außerdem brachen für die ostdeutschen Betriebe die Vertriebsstrukturen und der Großteil der angestammten Handlungsbeziehungen weg, denn der Großteil der Handelsverträge oblag in der DDR nicht den Betrieben, sondern dem zuständigen Ministerium. Das Ministerium und damit die nahezu ausschließlich in dessen Zuständigkeit liegenden Vertriebsstrukturen waren mit der Auflösung der DDR nicht mehr existent. Zudem befanden sich die Länder des ehemaligen Ostblocks im Umbruch mit umfassenden wirtschaftlichen Veränderungen, die ebenfalls zur weitgehenden Auflösung der alten Handelsbeziehungen Ostdeutschlands führten.
Die wirtschaftliche Umstrukturierung und Anpassung Ostdeutschlands war nicht vom uneingeschränkten Erfolg begleitet. Das Konzept, mit dem die weitgehend staatlichen Betriebe, Kombinate und Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften durch die Treuhandgesellschaft des Bundes in einem sehr kurzen Zeitraum radikal privatisiert wurden, musste nahezu zwangsläufig zum Zusammenbruch weiter Teile der ostdeutschen Wirtschaft führen. Dadurch wurden nur Betriebe gewinnträchtig, die sich mit begrenztem Aufwand dazu hochrüsten ließen oder die westdeutsche Firmen zur Liquidierung aufkauften, um sie zur Marktbereinigung abzuwickeln (zu schließen) und sich so deren Konkurrenz zu entledigen. Zudem fand damit ein weitgehender Besitzübergang der überlebenden ostdeutschen Betriebe in westdeutsches und ausländisches Kapital statt, denn entsprechend dem Staatensystem der DDR fehlte es den Ostdeutschen an Privatkapital, um in diesen Prozess einzusteigen. In der frühen Nachkriegszeit der Bundesrepublik gab es da ganz andere Beispiele, wie die erst über einen längeren Zeitraum erfolgte Privatisierung des VW-Konzerns, zumal sich dort bis heute der Staat mit seinem immer noch bestehenden Firmenanteil Einfluss sichert. Aus dieser positiven Erfahrung hätte man lernen und die wirtschaftliche Umstellung etwas behutsamer und variantenreicher vornehmen können.
Eine wichtige Chance für die wirtschaftliche Entwicklung wurde zudem vertan. Damals waren die wachstumsstarken westdeutschen Regionen bereits vom zunehmenden Fachkräftemangel betroffen. Das hätte dazu führen können, dass sie dort Filialbetriebe errichten, wo es ausreichend freie Fachkräfte gab, also in Ostdeutschland. Stattdessen verfügte die Bundesregierung, wer innerhalb eines halben Jahres keine Beschäftigung findet, muss ein Arbeitsangebot in Westdeutschland annehmen, wenn nicht wesentliche familiäre oder soziale Gründe gegen den Umzug sprechen. Diese Vorgabe nutzten viele Firmen. Zu dieser Zeit fuhren u. a. Autobusse vor den ostdeutschen Arbeitsämtern vor und warben Interessenten für Vorstellungsgespräche bei großen westdeutschen Firmen an, einschließlich des kostenlosen Hinund Rück-Transports. Die Offerten wurden häufig angenommen. Nur die westdeutschen Firmen rekrutierten längst nicht alle Interessenten, sondern vor allem die gut und überdurchschnittlich qualifizierten. Durch diese Maßnahmen fand am Arbeitsmarkt ein gewisses Ausbluten des ostdeutschen „Humankapitals“ zum Vorteil der westdeutschen Entwicklung statt. Für mich war es unbegreiflich, dass sich dagegen die ostdeutschen Landesregierungen nicht massiv zur Wehr setzten. Diese Entwicklung hat mit anderen Einflüssen zu größerer Abwanderung aus Ostdeutschland geführt. Mehr als eine Million Ostdeutsche wanderten nach Westdeutschland, vor allem jüngere Personen, bei weitaus weniger Gegenbewegungen. Die Altersstruktur hat sich dadurch umgekehrt. Die Ostdeutschen, die zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung ein deutlich geringeres Durchschnittsalter als die westdeutsche Bevölkerung aufwiesen, haben durch diese Abwanderungen und die damals gleichzeitig stark gesunkene Geburtenquote heute ein deutlich höheres Durchschnittsalter als die Einwohner Westdeutschlands.
Ostdeutschland wies nach der Wiedervereinigung größte Probleme in der Wohnraumversorgung auf. Eine Hinterlassenschaft der DDR. Der DDR gelang es im gesamten Zeitraum ihrer Existenz trotz größter Bestrebungen nicht, dieses Problem zu lösen. Deshalb bemühte sich der Bund nach der Wiedervereinigung massiv gegenzusteuern. Vor allem mittels großzügiger Steuerabschreibung sollte Kapital nach Ostdeutschland bzw. in die neuen Bundesländer gelenkt werden, um dort die Wohnversorgung zu lösen. Außerdem erhoffte man sich davon ähnliche positive Wirtschaftsimpulse, wie sie Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg durch die massive Wohnbauförderung der 50er Jahren erfuhr. Gleichfalls gab es umfangreiche, gut dotierte Förderprogramme zur Wohnhaussanierung, um die häufig maroden Bauzustände zu beheben. Die Wohnungsnot konnte so tatsächlich in wenigen Jahren in weiten Gebieten Ostdeutschlands beseitigt werden. Sie kehrte sich nun aber in eine Überversorgung um. In Anbetracht des hohen Bevölkerungsrückgangs Ostdeutschlands durch die hohe Abwanderung der Bevölkerung schrumpfte die Einwohnerzahl. Zudem wurde diese Entwicklung noch durch den starken Geburtenrückgang verstärkt. Als Folge standen alsbald in sehr vielen Gemeinden weitaus mehr neu gebaute und sanierte Wohnungen zur Verfügung, als nachgefragt wurden. Auch diese Entwicklung war frühzeitig absehbar und Experten haben davor gewarnt. Ich gehörte damals als wissenschaftlicher Direktor eines Bund-Länder-Forschungsinstituts auch dazu. Die Bundesregierung brauchte aber noch Jahre, um zu reagieren. Es dauerte so lange, dass die Funktion des Wohnungsmarktes infolge des inzwischen weitaus zu hohen Überangebotes massiv gefährdet war. Zur Stabilisierung der Entwicklung wurde nun für Ostdeutschland ein milliardenschwer ausgestattetes Förderprogramm zum Abbruch von Wohngebäuden aufgelegt. Eine Geldvernichtung größten Ausmaßes, die bei zügiger Reaktion auf die warnenden Expertenstimmen vermeidbar gewesen wäre.
Die Entwicklung führte zu weiteren Auswüchsen. So stiegen z. B. die Verkaufspreise für neue Apartments nach der Bekanntgabe der neuen hohen möglichen Steuerabschreibungen enorm an. In einer der besonders nachgefragten ostdeutschen Metropolen erhöhten sich deshalb die Preise innerhalb einer Woche bis zu 40 %. Westdeutschen Kapitalanlegern wurden Hausprojekte durch hohe Steuerabschreibungen von Bauträgergesellschaften mit Garantiemiete von 26 DM/qm schmackhaft gemacht, obwohl damals in Ostdeutschland der durchschnittliche Mietpreis unter 6 DM/qm lag. Das wussten die meisten Westdeutschen nicht und griffen bei diesen garantierten traumhaften Offerten und hohen Steuerabschreibungsmöglichkeiten zu. Die Ernüchterung kam bald, als diese Miete bei weitem nicht am Markt realisierbar war und sich durch Auflösung der Bauträgergesellschaft die Garantie verflüchtigte. Verdruss gab es auch mit der großzügigen Sanierungsförderung. In der sächsischen Stadt Döbeln kamen z. B. Mitte der 90er Jahre die Experten zur Stadtentwicklung zu dem Ergebnis, dass bestimmte Wohnhochhäuser der ehemals städtischen Wohnungsgesellschaften (inzwischen privatisiert) zukünftig keine Marktchancen haben und deshalb aus Kostengründen abzubrechen seien. Die Vertreter der Gesellschaften waren entsetzt, denn davon waren über 80 Wohnungen betroffen, die wenige Jahren zuvor mit den günstigen Sanierungskrediten hergerichtet wurden. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, wie sie eigentlich vor einer derartigen Kreditvergabe üblich ist, wurde von der Landesaufbaubank, die die Mittel vergab, wohl nicht verlangt. Die Kreditnehmer waren damit überfordert, denn diese Zusammenhänge und die Marktentwicklung konnten sie damals als Ostdeutsche, die Jahrzehnte nur Defizite in der Wohnraumversorgung zu bewältigen hatten, nicht erkennen. Aus meiner Sicht gab es hier große Unterlassungssünden der Bank, denn diese hätte den Überblick haben und entsprechende Prüfungen einfordern müssen. Es erscheint fast so, als wenn manche dieser Banken vor allem darauf aus waren, einen hohen Umsatz an Fördermitteln zu erreichen.
Ein weiteres zwiespältiges Feld war die Infrastrukturversorgung. Ostdeutschland wies große Defizite auf, von den oft maroden Straßen, fehlenden Gewerbeflächen bis zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung oder auch den Wohnfolgeeinrichtungen der Daseinsvorsorge. Auch dagegen stemmte sich der Bund mit großzügigen, umfangreichen Förderprogrammen. Das wurde auch von unseriösen Akteuren genutzt. So wurden z. B. vielen Kommunen in Hinblick auf die hohen Fördergelder viel zu große Anlagen zur Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung und Abwassersysteme oder große Gewerbegebiete an Standorten, wo diese nie benötigt werden, aufgeschwatzt. Das brachte Maklern bei Grundstücksgeschäften und sonstigen Akteuren sowie den Planern und Ingenieuren hohe Profite ein. Für die Kommunen folgten daraus aber oft gewichtige Nachteile. Zu große Trinkwassersysteme und Kläranlagen verursachen hohe Unterhaltskosten, so dass auf die Einwohner unverhältnismäßig hohe Gebühren zukamen oder die Kommunen die Kosten mit hohen Zuschüssen ausgleichen mussten. Die Gewerbegebiete verursachen ebenfalls Folgekosten, die an den Kommunen hängen blieben, wenn sich kaum Betriebe ansiedelten. Zudem wurden dort häufig nur Zweigbetriebe errichtet, deren Gewinne am Stammsitz des Unternehmens, also in den alten Bundesländern und nicht in der betreffenden Gemeinde, zu versteuern waren. Hier berieten, prüften und kontrollierten die Förderstellen und Aufbaubanken viel zu wenig.
Die Akteure der vielen übergroßen „Fehlplanungen“, mit denen die Honorare in die Höhe getrieben wurden, kamen in der ersten Zeit weitgehend aus den alten Bundesländern. Ohne „Wessis“ ging nichts. Manche Ostdeutschen haben aber schnell gelernt und ebenfalls entsprechend agiert. So gab es z. B. ein Förderprogramm für kommunale Entwicklungsplanungen, das erst bei 160.000 DM gedeckelt war. Mir sind persönlich ostdeutsche Akteure in Erinnerung, die daraufhin ihnen bekannten Bürgermeistern die Wichtigkeit eines Entwicklungskonzeptes darlegten. Zugleich zeigten sie der Gemeinde auf, wie sie die Planung ohne eigene Kosten bekämen. Die Förderbestimmungen schrieben zwar der Gemeinde einen Eigenanteil von 25 % vor, aber der war zu umgehen. Dafür boten die Akteure der Gemeinde an, in dieser Höhe etwas abzukaufen. Damit es sich lohnt, sollte die Gemeinde den Höchstsatz von 160 Tsd. DM beantragen, denn damit konnte eher ein umfassendes Konzept erstellt werden. Der Eigenanteil der Gemeinde wurde z. B. damit beschafft, dass alte, nicht mehr benötigte Akten, unter der Voraussetzung der Auftragserteilung, von den Akteuren für 40.000 DM abgekauft wurden. Damit konnte die Gemeinde den vorgeschriebenen Eigenanteil für die höchste Fördersumme quasi ohne eigene Kosten leisten. Natürlich gab es neben diesem negativen Beispiel von West- und Ostakteuren etliche seriöse Akteure und Macher, die sich redlich um die Entwicklung Ostdeutschlands bemühten. Es gab aber eben auch die anderen – und dies leider häufig.