Kitabı oku: «Pucki», sayfa 13
Pucki war es zufrieden. Die kleine Schwester konnte zwar nicht so schnell laufen, wie sie es liebte, sie stolperte auch oftmals, aber mit den Holzarbeitern konnte man sich so schön etwas erzählen. Auch war es gar lustig anzusehen, wenn lauter viereckige Haufen aus zersägten Baumstämmen zusammengetragen wurden.
Obwohl Förster Sandler seinen Kindern streng befohlen hatte, in seiner Nähe zu bleiben, wanderte Pucki doch mit dem Schwesterchen ein wenig weiter. Es gab so viel zu zeigen. Waldi fürchtete sich zwar vor den großen schwarzen Käfern, die über den Weg krochen, doch Pucki meinte, das seien die lieben Mistkäfer, die einem nichts Böses täten.
Ganz plötzlich horchte sie auf. Drüben, auf der anderen Seite des Weges mussten auch Holzarbeiter sein. Beständig knackte und raschelte es.
»Komm, Waldi, wir wollen mal sehen, ob dort der Onkel Oberförster oder der Mann mit dem langen Bart ist.«
Es war aber nur ein altes Mütterchen, das einen kleinen Handwagen voll Holz packte. Die alte Frau trug dürre Äste zusammen, von denen sie die kleinen Zweige abbrach.
Eine ganze Weile schaute Pucki diesem Tun zu. Es war dem Kinde nichts Neues, dass Holz zusammengetragen wurde, doch diese alte, kleine Frau schien große Mühe zu haben, den Wagen vollzuladen.
»Warum holst du dir denn keinen Mann, der das Holz aufpackt?«
»Ich habe keinen Mann. Ich bin ganz allein.«
»Dann musst du den Wagen auch allein nach Hause ziehen?«
»Ja.«
»Kannst du das?«
»Es muss gehen, Kleine. Wenn nur mein Fuß besser würde. Er ist krank, mit ihm kann ich nicht gut auftreten. Da geht es eben sehr langsam.«
Ein Weilchen überlegte Pucki, dann sagte sie freundlich: »Ich hab' einen Roller. Wenn du den kranken Fuß auf meinen Roller setzt, geht es viel schneller. – Soll ich dir meinen Roller holen?«
»Nein, du gutes Kind, der Roller kann mir nichts nützen. Ich werde schon heimkommen.«
Wieder sah Pucki, wie die alte Frau bald hierhin, bald dorthin humpelte. Da packte sie mit zu und begann auch allerlei Zweiglein aufzulesen und auf den Wagen zu legen. Sogar Waltraut tat ein Gleiches. Es waren allerdings nur ganz kleine Ästchen, die sie herbeizutragen vermochte. Doch das alte Mütterchen schien sehr erfreut über diese Hilfe zu sein.
»Ihr seid zwei gute Kinder.«
»Ich werde dir immer helfen. Kommst du oft in den Wald? Dort drüben, beim Vati, liegt so viel Holz. Komm mit, das holen wir jetzt!«
»Nein, nein, das dürfen wir nicht.«
»Dann bringe ich dir was. Dort sind Männer, die tragen dir das Holz her.«
Wieder wehrte die alte Frau ab und meinte, es sei genug. Sie wolle nun heimfahren. Aber es war schwer, den Wagen mit der Holzlast anzuziehen.
»Ich helfe dir ein bisschen«, sagte Pucki gutmütig.
»Wenn du hinten ein wenig stoßen wolltest, mein Kind, dann geht es gewiss.«
Wahrhaftig – es glückte. Pucki strahlte geradezu. Es machte ihr Freude, recht kräftig an das Wäglein zu stoßen, damit die alte Frau nicht so schwer zu ziehen brauchte. Da sie ein krankes Bein hatte, konnte sie leider nicht gut laufen. An das Schwesterchen dachte Pucki in ihrem Eifer nicht mehr. Sie schob und stieß an dem Wäglein nach Leibeskräften, bis der breite Waldweg erreicht war.
»Nun geht es schon allein, mein liebes Kind, ich danke dir herzlich.«
»Nur noch ein ganz klein wenig, weil du doch ein böses Bein hast.«
Plötzlich erblickte Pucki einen Herrn in grüner Uniform, der auf dem breiten Wege daher geschritten kam.
»Oh, hast du Glück«, sagte sie erfreut, »da kommt der Onkel Oberförster, der kann auch ein bisschen schieben helfen.«
Es war wirklich der Oberförster. Doch er machte kein freundliches Gesicht, er streckte gebieterisch die Hand aus und hielt den Wagen an.
»Ist heute Holztag?«
Die alte Frau machte ein erschrockenes Gesicht; Pucki dagegen streckte dem Onkel Oberförster freundlich das Händchen hin und sagte mit ihrer süßen, hellen Stimme:
»Sieh mal, Onkel Oberförster, ich bin schon ganz heiß. Stoß du auch mal an dem schweren Wagen.«
»Wissen Sie nicht, dass am Donnerstag kein Holz gesammelt werden darf?«
»Entschuldigen Sie nur, Herr Oberförster, aber ich habe zu Hause nichts mehr. Ich konnte gestern nicht in den Wald.«
»Ordnung muss sein, in Zukunft werde ich es nicht wieder dulden, dass Sie an verbotenen Tagen aus dem Walde Holzholen. Was sollte werden, wenn jeder die Vorschriften übertreten wollte.«
Oberförster Gregor war ein gutherziger Mann, aber er hielt streng auf Ordnung. Seine Stimme klang barsch, trotzdem meinte er es nicht schlimm.
Hedi Sandler hatte den guten Onkel Oberförster noch niemals so sprechen hören. Mit weit offenen Augen schaute sie zu ihm auf.
»Wenn doch die Frau gar kein Holz hat – sie hat nicht so viel wie der Vati.«
Die Alte wollte sich mit ihrem Wäglein schnell aus dem Staube machen.
»Merken Sie sich, dass am Montag und Donnerstag kein Holz aus dem Walde geholt werden darf«, sagte der Oberförster. »Von rechts wegen müsste ich Ihnen das Holz eigentlich fortnehmen.«
»Herr Oberförster«, jammerte die Alte.
»Schon gut, fahren Sie los, aber kommen Sie nicht wieder am Montag oder am Donnerstag in den Wald!«
»Nein, nein, Herr Oberförster.«
Puckis Herz klopfte stürmisch. War das der gute Onkel Oberförster, der sonst immer so vergnügt lachte? Einer armen Frau wollte er das Holz wegnehmen? So ein bisschen Holz, das im Walde herumlag, sollte die alte Mutter nicht behalten dürfen?
»Na, –« sagte Oberförster Gregor und schaute Pucki an, »was machst du denn allein im Walde? Bist wohl von daheim fortgelaufen?«
»Ich hab' auch Holz gesucht, ich habe der Frau geholfen, weil sie einen kranken Fuß hat. Die arme Frau hat so einen großen Schreck gekriegt, – weil du ihr das Holz wegnehmen wolltest. Die Mutti sagt, man darf niemandem etwas wegnehmen! Dabei hat sie doch ein schlimmes Bein.«
»Kleine Pucki, das verstehst du nicht. Es ist eben verboten, am Montag oder Donnerstag im Walde Holz zu sammeln. An den anderen Tagen kann die Frau ruhig kommen.«
»Weil sie doch gestern keine Zeit hatte und kein Holz holen konnte, ist sie heute in den Wald gegangen, weil sie friert und weil sie sich in der Küche kein Feuer anmachen kann. Wenn man friert, ist das sehr schlimm, das hat auch Thusnelda gesagt, und Fräulein Caspari sagt, man soll keine Leute hungern und frieren lassen.« Unwillkürlich schluckte Pucki an den aufsteigenden Tränen. »Du lässt die arme Frau kein Holz holen. Nun ist sie vor Angst mit dem schlimmen Bein ganz schnell weggelaufen, und das Bein wird noch schlimmer. Aber ich hab' ihr geholfen, und wenn sie wiederkommt – – helf' ich ihr wieder.«
Oberförster Gregor betrachtete sprachlos die kleine Anklägerin. So etwas war ihm noch nicht vorgekommen. Hedi schien ernstlich entrüstet darüber zu sein, dass er an gewissen Tagen das Holzsammeln nicht erlaubte. Dieses kleine, aufgeweckte Mädchen machte ihm unendlichen Spaß. So legte er die Stirn in Falten und sagte:
»Du hast mit Holz gesammelt? – Darfst du das? Am heutigen Tage ist es verboten. Du als Försterkind müsstest das wissen.«
»Die alte Frau ist aber kein Försterkind, sie hat es nicht gewusst, und dann hat sie doch nur ein ganz klein wenig von der Erde aufgesammelt. Wenn die alte Frau zu mir gekommen wäre und zum Vati, der hätte ihr viel Holz gegeben.«
»Morgen kann sie wiederkommen, nicht heute.«
»Onkel Oberförster, in der großen Stadt mit den vielen Häusern sind so viele Kinder, die krank sind, weil sie keinen Wald haben und kein Holz holen können. Dann frieren sie. Und weil die alte Frau auch so gefroren hat, hat sie aucheinen kranken Fuß bekommen. Ich habe einem kleinen Mädchen, das keine Schuhe hatte, meine Schuhe geschenkt, und Mutti hat ihr noch ein Kleidchen gegeben.«
Es war dem Oberförster kaum möglich, Pucki zu beruhigen. Pucki machte ein gar finsteres Gesicht und sprudelte die Worte nur so heraus.
»Du meinst also, ich sollte allen Leuten, die frieren, Holz geben?«
»Ja, Onkel Oberförster, das sollst du.«
»Dann würde der Wald bald keine Bäume mehr haben.«
»Doch, der liebe Gott lässt immer wieder Bäume wachsen. Und Bäume wollen die Leute auch nicht haben, nur was von dem Holz, das der Wind 'runtergeworfen hat oder was der Vati abhacken lässt.«
»Kleine Pucki, das alles verstehst du nicht. Aber ich will nicht, dass du den Onkel Oberförster für einen geizigen Mann hältst. In den nächsten Tagen kann dir dein Vati erzählen, dass der Onkel Oberförster den armen Leuten, die frieren, eine ordentliche Portion Holz schenken wird.«
Pucki sah den Oberförster ein wenig misstrauisch an, denn seine strengen Worte klangen ihr nach wie vor in den Ohren.
»Gibst du auch der Frau mit dem kranken Bein was?«
»Ja!«
»Und der Mutter von der Thusnelda?«
»Auch der. Ich will nicht, dass du mit mir böse bist. – Na, Pucki, wollen wir uns nun wieder vertragen?«
»Wenn du der alten Frau und der Thusnelda Holz schenkst, hab' ich dich wieder sehr lieb. – Ach, bitte, Onkel Oberförster, sei nicht mehr böse auf die alte Frau, sie hat sich so erschreckt.«
»Pucki, höre mal, wer schreit denn da so sehr?«
»O je – das ist die Waldi, die habe ich vergessen!«
Pucki machte kehrt, lief querfeldein durch den Wald der laut schreienden Kinderstimme nach und fand das Schwesterchen, das mehrfach über Wurzeln gefallen war und auch jetzt wieder am Boden lag.
Pucki erschrak. Sie hatte der Mutti versprochen, recht gut auf Waldi zu achten. Mit zärtlichen Worten tröstete sie die Kleine.
»Weine mal nicht, Waldi, der Onkel Oberförster schenkt der alten Frau viel Holz, dann freut sie sich. – Nu wollen wir uns beide auch freuen.«
Waltraut verstand zwar nicht, warum sie sich freuen sollte, doch ihre Tränen versiegten gar schnell. Dann kehrten beide Kinder zum Vater und zu den Holzfällern zurück.
»Vati«, sagte Pucki strahlend, »der Onkel Oberförster schenkt allen Leuten Holz. Ich war ganz böse mit ihm, weil er eine alte Frau ausgeschimpft hat.«
Förster Sandler war nicht gerade freudig überrascht, als er diese Worte hörte. Wahrscheinlich hatte Pucki wieder etwas angerichtet. Seine Sorge schwand allerdings bald wieder, denn schon eine Stunde später sprach der Oberförster ihn an.
»Aus Ihrer kleinen Tochter wird mal ein hilfreicher Mensch werden. Erst hilft sie einer alten Frau den Wagen mit Holz schieben, den sie mit voll gesammelt hat, dann zankt sie mich gründlich aus, weil ich ein Geizhals sei. Das habe ich mir hinter die Ohren geschrieben. Jetzt wollen wir mal eine größere Menge Armenholz verteilen lassen.«
Förster Sandler wollte das Verhalten seiner kleinen Tochter ein wenig entschuldigen, doch der Oberförster wehrte ab.
»Lassen Sie nur, lieber Sandler, Ihre Kleine hat das Herz auf dem rechten Fleck, von der wird noch mancher Erwachsene lernen können. Schelten Sie sie nicht, sie hat es gut gemeint.«
5. Kapitel: Ein Kuss und seine Folgen
Im Forsthausgarten saß Frau Niepel und unterhielt sich eifrig mit Frau Sandler.
»Haben Sie schon an die Volkswohlfahrt geschrieben wegen der Ferienkinder, die wir aufnehmen wollen?«
»Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, Frau Niepel, will es aber heute noch tun. – Wollen Sie auch ein Mädchen während der großen Ferien aufnehmen?«
»Für uns wäre es wohl besser, wenn ein Knabe käme, aber mein Mann möchte durchaus ein Ferienmädel.«
»Ich nehme auch ein Mädchen.«
»Hat sich sonst in der Umgegend oder in Rahnsburg noch jemand gemeldet, der ein Großstadtkind aufnehmen möchte?«
Die Förstersfrau wurde ein wenig verlegen. »Ich hatte in letzter Zeit sehr viel zu tun und bin selten in die Stadt gekommen. Die Kollegenfrauen habe ich seit längerer Zeit nicht gesehen; vielleicht hätte man noch manches bedürftige Kind unterbringen können. Ich habe wohl etwas versäumt, doch heute will ich wegen der beiden Kinder schreiben, die wir aufnehmen wollen, denn der erste Juli steht vor der Tür, und die Volkswohlfahrt wird längst auf meine Antwort warten.«
»Ich will mich auch noch erkundigen; es wäre doch nett, wenn wir mehreren Kindern die Wohltat des Landaufenthaltes angedeihen lassen könnten.«
»Wie geht es Ihrem Walter?«
»Es war eine tüchtige Erkältung. Nun ist er wieder aus dem Bett; es verlohnt sich kaum, ihn noch zur Schule zu schicken, denn in acht Tagen beginnen die Sommerferien.«
»Ich hoffe, dass die Ferienkinder recht gekräftigt in die Großstadt zurückkehren werden. Die Kleine, die wir bekommen,wird hoffentlich kein allzu wildes und unartiges Kind sein. Unsere Pucki nimmt gar zu gern Unarten an.«
Die beiden Frauen trennten sich. Frau Sandler, die den Brief an die Volkswohlfahrt nicht länger aufschieben wollte, ging sogleich in ihr Zimmer, um zu schreiben. Gar mancher andere Brief wartete auch noch auf Beantwortung; vor allen Dingen hatte die Großmutter schon zweimal angefragt, wie es im Forsthause stände. Heute musste sie unbedingt auch an Frau Blake schreiben, damit sie sich nicht ängstigte.
Aber auch jetzt kam wieder etwas dazwischen, und erst am Nachmittag saß die Förstersfrau in der weinumrankten Veranda ihres Hauses und füllte Seite um Seite. Erst kam der Brief an die Mutter, dann folgte eine Bestellung nach der Stadt, und schließlich die Mitteilung an die Volkswohlfahrt, dass sie zwei Mädchen schicken möge, Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren, die die Sommerferien auf dem Lande oder in einer Försterei verbringen sollten.
Noch war Frau Sandler beim Schreiben, als Pucki und Waldi in die Veranda kamen.
»Mutti, wir möchten bei dir bleiben und spielen.«
»Ihr müsst euch aber ruhig verhalten, denn Mutti hat Briefe zu schreiben.«
»Was schreibst du denn, Mutti?«
»An die gute Großmama. Du kannst ihr nachher auch ein Küsschen schicken.«
»Au ja, Mutti!«
Fast in jeden Brief, der an die Großmutter abging, zeichnete die Kleine ein Küsschen ein. Es war eine sorgsam gezirkelte Null oder ein Osterei, wie Fräulein Caspari sagte. Auf den Kreis wurden dann die Lippen gedrückt. So konnte die Großmutter sich das Küsschen wieder aus dem Briefe herausholen.
»Mutti, kann ich gleich ein Küsschen schreiben?«
»Nein, erst wenn die Mutti fertig ist.«
Die beiden Kinder spielten miteinander, es dauerte jedoch nicht lange, da ging es wieder recht lebhaft zu. Waltraut stampfte mit den Füßen und Pucki schalt.
»Nein, das kriegst du nicht!«
Frau Sandler schaute vorwurfsvoll zu den Kindern hinüber.
»Streitet ihr euch schon wieder? Ihr braucht euch doch nicht immer zu zanken.«
»Wir zanken uns doch gar nicht!«
»Warum schiltst du denn?«
»Weil die Waldi meine Puppe haben will, und meine Puppe kriegt sie nicht.«
»Wenn ihr nicht artig seid, müsst ihr fortgehen. Mutti braucht Ruhe, denn sie hat noch einen Brief zu schreiben.«
Die strengen Worte nützten. Die beiden Kinder verhielten sich längere Zeit sehr ruhig, bis Pucki endlich wieder an den Tisch trat und fragte:
»Kann ich nun der Großmutter ein Küsschen schicken?«
»Ja, Pucki, der Brief ist fertig, nur noch einen Augenblick.«
Da klingelte im Zimmer das Telefon. Frau Sandler erhob sich, um an den Apparat zu gehen. Pucki stand noch immer am Tisch und betrachtete die darauf liegenden Briefe. Sie konnte Geschriebenes selbstverständlich noch nicht lesen, sie freute sich nur an den schönen vielen Krakeln, die die Mutti für die Großmama gemacht hatte.
»Jetzt schicke ich der Großmutti ein Küsschen!«
Den Federhalter nahm Pucki nicht, denn vor der Tinte hatte sie seit dem Unglück mit dem Lampenteller großen Respekt. Aber dort lag ein schöner, gelber Bleistift, und mit diesem zeichnete Pucki eine schöne Null mitten in die Krakeln der Mutti hinein. Die Großmutter würde schon wissen, dass das ein Kuss von Pucki war. Dann drückte die Kleine die Lippen in den Kreis und sagte herzlich:
»So, liebe Großmutter, hier hast du einen süßen Kuss von deiner Pucki.«
Nun war auch diese Arbeit erledigt, draußen schien die Sonne herrlicher denn je. Pucki fasste Waldi bei der Hand, und dann liefen die Kinder aus der Veranda. Frau Sandler, die zurückkehrte, setzte noch rasch ihre Unterschrift unter den eben vollendeten Brief. Die Zeit drängte, der Postbote musste jede Minute erscheinen, und der sollte die Briefe mitnehmen. Sie schob die Bogen in die fertigen Umschläge und warf sie in den im Hausflur befindlichen Briefkasten. Im Vorgarten liefen ihr die Kinder entgegen.
»Schickst du den Brief an die Großmutter?«
»Ja, Pucki. – Du sollst doch ein Küsschen mitsenden.«
»Das habe ich auch gemacht, Mutti.«
Frau Sandler ahnte nicht, was Pucki mit diesem Kuss für eine Verwirrung heraufbeschworen hatte. – –
Umgehend traf ein Brief des Wohlfahrtsamtes ein, das sich mit herzlichen Worten bedankte, dass Frau Förster Sandler Ferienkinder haben wollte. Man schrieb ihr, eine Aufseherin würde die Kinder begleiten und diese sogleich in das Forsthaus bringen, damit Frau Sandler von dort aus die Verteilung der Kinder vornehmen könnte. Sie würden am ersten Juli mit dem Mittagszuge in Rahnsburg eintreffen. Alles weitere überlasse man Frau Sandler.
Die Försterin benachrichtigte das Gutshaus, und Frau Niepel erklärte sich sogleich bereit, am ersten Juli zum Mittagszuge einen Wagen nach Rahnsburg zur Station zu schicken, um die Ferienkinder abzuholen.
»Ich setze bei Ihnen im Forsthaus eins der Mädchen ab; die Aufseherin wird gewiss sogleich wieder heimfahren. Auf diese Weise ist bereits am Nachmittag jedes Kind an Ort und Stelle.«
Pucki war voller Erwartung auf das Stadtkind. Vater und Mutter erzählten, dass das Mädchen wahrscheinlich noch niemals einen so schönen Wald gesehen hätte, wie der, in dem Pucki lebte.
»Unser Ferienkind kommt aus einer großen Stadt, ist zwischen hohen Häusern aufgewachsen und hat gewiss nur einen engen Hof zum Spielen. Du musst sehr nett zu ihm sein und darfst dich nicht mit ihm streiten.«
»Wir werden sehr nett sein, Mutti, wir werden in den Wald gehen und der alten Frau Holz sammeln helfen, damit sie nicht zu frieren braucht. – Weißt du, Mutti, ich habe jeden Tag im Walde kleine Häufchen zusammengetragen, und wenn dann die Leute mit den Wagen kommen, finden sie es gleich und nehmen es mit.«
Pucki unterbrach sich selbst in ihrer Erzählung, denn sie sah ihren neuen Freund, den großen Claus, daherkommen, der direkt auf das Forsthaus zugeschritten kam.
»Mutti, der große Claus kommt!«
Der älteste Sohn des Oberförsters war noch immer im Elternhause. Auf dem Gymnasium, das er besuchte, war kurz nach Pfingsten Scharlach ausgebrochen; verschiedene Klassen hatten geschlossen werden müssen. So gab es unfreiwillige Ferien, während derer die beiden Söhne des Oberförsters in der Oberförsterei weilten. Claus, der Älteste, schien eine große Vorliebe für Pucki Sandler zu haben. Er kehrte öfters im Forsthause ein und ließ sich von der Kleinen mancherlei erzählen. Das letzte Mal hatte sich das Försterkind sehr erregt über den Oberförster ausgesprochen, der einer alten Frau ein bißchen Holz habe fortnehmen wollen. Nun war Claus von seinem Vater abgesandt worden, um Pucki mitzuteilen, dass gestern an viele arme Leute klafterweise Holz abgegeben worden sei.
»Der Vater lässt dir sagen, Pucki, dass er allen armen Leuten Holz gibt.«
»Auch der Frau mit dem kranken Bein?«
»Ja, auch der.«
»Auch der Mutter von der Thusnelda?«
»Wahrscheinlich auch. Die armen Leute aus Rahnsburg sollten sich melden, und jeder, der sich gemeldet hat, bekommt eine Klafter.«
»Das ist schön! Aber die Frau mit dem kranken Bein wird die Klafter doch nicht fortziehen können. – Du, großer Claus, wir gehen dann zusammen in den Wald, dann fahren wir der Frau das Holz nach Hause.«
»Wir? –«
»Ja – du bist das Pferdchen, und ich schiebe hinten.«
Der Primaner machte ein betretenes Gesicht. »Das ist nicht nötig, Pucki, der alten Frau helfen andere Leute, und für dich ist das viel zu schwer.«
»Warum willst du denn nicht?«
»Jeder Mensch hat seine besondere Arbeit. Ich habe fleißig zu lernen, damit ich vorwärts komme. Mein Vater möchte doch, dass ich zu Ostern mein Abiturium mache.«
Verständnislos schaute Pucki den großen Claus an, dann sagte sie lebhaft: »Und meine Mutti will, dass ich ihr zu Weihnachten ein Nadelbuch mache. Das wird gestickt, da muss ich mit der Nadel immer in die Löcher stechen.«
»Ich will zu Ostern das Abiturium machen.«
»Ach so – –«
»Dazu muss ich viel lernen. Das ist ein Examen, damit ist dann die Schulzeit zu Ende.«
»Ach, dann wird der Paul auch lernen, um sein Habi–turum zu machen, der möchte auch gerne 'raus aus der Schule.«
Wieder lachte der große Claus vergnügt. »Der Paul hat noch lange Zeit. Aber wenn er weiter so träge ist wie bisher, macht er das Abiturium überhaupt nicht!«
»Du bist nicht träge, großer Claus?«
»Früher war ich es auch, doch allmählich habe ich eingesehen, dass es gut ist, wenn man viel lernt.«
»Weißt du, großer Claus, wir bekommen ein kleines Mädchen ins Forsthaus – das kleine Mädchen ist noch nie in einem Walde gewesen. Du musst recht oft kommen, dann kannst du auch mit dem kleinen Mädchen im Walde spazieren gehen. – Wann kommst du denn wieder?«
»Nun sind auch bald für dich Ferien, ich werde mich dann öfters im Forsthause sehen lasten, dann laufen wir zusammen durch den Wald.«
»Ach ja, das wird aber schön sein! Dann gehen wir auch zum Schmanzbauern und dem Schiff.«
»Und auch mal zur Oberförsterei.«
Pucki überlegte. »Ja«, sagte sie schließlich, »zur Oberförsterei gehen wir auch, weil der Onkel Oberförster der Frau mit dem bösen Fuß Holz schenkt.«
»Auch meine Mutter hat dich sehr gern, Pucki.«
»Ja, großer Claus, ich komme mal hin. Du musst mich holen, dann gehen wir immerzu durch den Wald.«
»Wirst du nicht lieber mit den Niepelschen Knaben spazieren gehen?«
»Nein, mit dir gehe ich am liebsten. Du gefällst mir.« –
Endlich war es in der Schule so weit, dass Fräulein Caspari den Kindern sagen konnte: Heute ist der letzte Schultag.
Pucki freute sich aufrichtig darüber. Obwohl sie in der Schule ganz aufmerksam war und auch gern hinging, fand sie es doch noch viel schöner, den ganzen Tag über daheim bleiben zu können. Vor allem erfreute sie die Aussicht, mit dem großen Claus im Walde umhergehen zu dürfen. Er konnte so schön erzählen, sprach von kranken Bäumen und zeigte ihr hier und da eine Beule, die ein Baum hatte. Auch die Vöglein wusste er mit Namen zu nennen, und die Stimmen vieler Vögel konnte er gut nachahmen. Claus sprach aber auch von der Stadt, in der er lebte und lernte. Alles wurde von Pucki mit dem größten Interesse aufgenommen. –
Als Pucki am heutigen Tage mit den beiden Niepelschen Knaben heimfuhr, trieb Paul vor Freude allerlei Unfug. Der Kutscher musste den übermütigen Knaben oftmals zurechtweisen, um ihn zur Ruhe zu bringen.
»Den Ranzen schmeiße ich in die Ecke, dort mag er während der Ferien liegen bleiben. Ich hab's satt! – Fünf Wochen brauche ich nichts zu lernen!«
»Wirst schon zu Ostern sitzenbleiben«, sagte der Kutscher.
»Wenn du den lieben Gott recht schön bittest, lässt er dich nicht sitzenbleiben.«
»Er wird schon sitzenbleiben«, sagte Fritz. »Der liebe Gott hört nicht immer auf das, was man gerne haben möchte.«
»Doch! Der liebe Gott hört immer darauf.«
Fritz schüttelte den Kopf.
»Morgen kommt das kleine Mädel aus der Stadt, na, die werde ich ärgern!«
»Nein, Paul, das darfst du nicht, das ist ein Mädchen, das noch keinen Wald gesehen hat und ganz arm ist und ohne Freude im Herzen. Du kannst die anderen ärgern, aber nicht das kleine Mädchen. Ich darf es auch nicht.«
»Ich mach's aber doch!«
Der Kutscher erhob die Peitsche und drohte dem Paul. »Dein Vater wird schon aufpassen. Morgen hole ich die Kinder ab.« – –
Der erste Juli kam heran. Pucki war voller Erwartung. Sie dachte es sich wunderschön, mit dem großen Claus und dem Stadtmädchen in den Wald zu laufen. Frau Sandler, die anfangs ihren Schützling hatte abholen wollen, war im letzten Augenblick verhindert. Es genügte aber auch, wenn Frau Niepel nach Rahnsburg fuhr und Pucki mitnahm. Vor dem Forsthause würde der Wagen halten, und Pucki und das Ferienkind absetzen.
Pünktlich traf der Wagen ein: Pucki stieg ein, dann ging es nach Rahnsburg zum Bahnhofe.
Sehr artig und brav spazierte das Försterkind neben Frau Niepel auf dem Bahnsteig auf und ab. Endlich fuhr der Zug fauchend und dampfend in die Halle.
»Werden wir das Mädchen auch finden, Tante Niepel?«
Es stiegen anfangs nur wenige Reisende aus, dann aber sah man aus einem Wagen ein junges Mädchen herausspringen. Es trug eine weiße Haube.
Ein Kind nach dem anderen stieg aus, und bald umstanden zwanzig kleine Mädchen die Führerin, die suchend umherblickte.
»Schau, Pucki«, sagte Frau Niepel, »eines von diesen zwanzig Kindern wird es sein. Ein kleines Mädchen für dich, ein anderes für mich. Wir wollen fragen.«
Das junge Mädchen mit dem weißen Häubchen gab die gewünschte Auskunft. Es bringe herzliche Grüße von der Volkswohlfahrt; sie sei Frau Sandler sehr dankbar, dass sie gleich zwanzig Kinder aufnehmen wolle.
»Zwanzig Kinder?«
»Jawohl, ich bringe den Transport nach Rahnsburg. Hier sind die Kleinen. Sie haben wohl die Güte, gemeinsam mit mir die weitere Unterbringung zu übernehmen.«
»Zwanzig Kinder?«
»Frau Sandler schrieb, dass sie zwanzig Mädchen haben möchte, die zum Teil auf das Gut, zum Teil ins Forsthaus kommen sollten.«
Frau Niepel stand ratlos da. Bisher hatte Frau Sandler immer nur von zwei Kindern gesprochen. Was sollte man mit den vielen Kindern beginnen? Oder hatte Frau Sandler sich im letzten Augenblick noch in Rahnsburg und den umliegenden Forsthäusern bemüht, die Kleinen unterzubringen, wie das von der Organisation anfänglich gewünscht worden war?
»Es ist wohl das beste, die Kleinen marschieren nach dem Forsthause Birkenhain. Es ist nicht weit, kaum eine Viertelstunde. Frau Sandler soll dann selbst die Anordnungen treffen, denn ich bin nicht im Bilde.«
»Tante Niepel, kriegen wir nu alle die Kinder?«
»Nein, Pucki.«
»Ich habe den Brief bei mir«, sagte die Führerin. »Wenn Sie sich überzeugen wollen, dass zwanzig Kinder gewünscht wurden –«
Die Gutsbesitzerin nahm den Brief, den Frau Sandler geschrieben hatte. – Richtig, hier stand, und zwar dick unterstrichen, dass zwei Mädchen gewünscht wurden. Doch hinter der deutlichen Zwei sah man eine mit Bleistift gemalte Null, so dass kein Zweifel bestand, dass zwanzig Kinder erwartet wurden.
»Es ist das beste, wir machen uns auf den Weg, liebes Fräulein. Die Kleinen sind gewiss nicht böse, wenn sie nach dem langen Sitzen im Abteil ein Stück durch unseren schönen Wald laufen dürfen. Im Forsthause wird sich alles klären.«
»Tante Niepel, ich glaube, die vielen Kinder kommen nu doch alle zu uns! Ach, wo sollen die denn schlafen? Ach, wird das ein Ulk werden!«
Pucki ahnte nicht, dass sie schuld war an diesem Irrtum. Sie hatte geglaubt, dass sie der Großmutter ein Küsschen schicke und hatte den Kuss auf den falschen Briefbogen gemalt, hatte die Null unmittelbar hinter die »2« geschrieben, ohne zu wissen, was daraus entstand.
Frau Niepel ließ den Wagen mit den kleinen Koffern der Kinder hinterherfahren. Sie ging neben der Begleiterin. Pucki dagegen beäugte die kleinen Mädchen. Keines gefiel ihr so recht, die Kinder sahen recht blass aus und hatten trübe Augen. Endlich tippte sie ein schmächtig aussehendes Mädchen mit dem Fingerchen an und sagte:
»Trinkst du gern Milch? Du kannst auch immer meinen Milchreis haben; dir schenke ich ihn gern.«
Doch die Angeredete hatte nicht den Mut, auf diese Frage zu antworten. Die kleine Schar war überhaupt sehr schweigsam.
Frau Sandler stand wartend an der Gartenpforte und blickte mit Staunen den Näherkommenden entgegen. – Was wollten die vielen fremden Kinder hier? Diese blassen, dürftig ernährten Großstadtmädchen, die wohl zu den Ärmsten der Armen gehörten?
»Hier bringe ich Ihnen zwanzig Kinder, Frau Sandler«, rief Frau Niepel ihr entgegen.
Abermals wurde der Brief hervorgeholt. Da wurde es Frau Sandler klar, dass Puckis Kuss an die Großmama alles das verschuldet hatte.
»Lieber Gott, was machen wir nun?«
»Mutti, Mutti«, jubelte Hedi, »ein Kindchen sollte kommen, nun sind es so viele geworden! Mutti, na, da muss die Minna gleich Waffeln backen.«
Frau Sandler war ratlos. Die Führerin wollte mit dem Abendzuge wieder abreisen. Die Kinder konnten unmöglich in dem Forsthause und ebenso wenig in dem Gutshause untergebracht werden. Jetzt galt es zu handeln.
Der Reihe nach wurden die Forsthäuser telephonisch angerufen. Aber auch in Rahnsburg fragte man bei zahlreichen Familien an, ob sie nicht wenigstens für die nächsten Tage ein oder zwei erholungsbedürftige Stadtkinder aufnehmen wollten.
»Sehen Sie, liebe Frau Niepel«, sagte Frau Sandler schuldbewusst, »das ist die Strafe für meine Nachlässigkeit. Damals bat man mich, zu versuchen, einige arme Kinder unterzubringen. Ich habe es verabsäumt. Nun sind mir durch einen unglücklichen Zufall zwanzig Kinder zugeschickt worden.«
»Vier Kinder will ich abnehmen, und der Förster in Lindengrund hat auch zugesagt, dann sind da der Apotheker, der Arzt, der Gutsbesitzer Gehm und der Spediteur Runge. Ich denke, bis zum Abend hat sich alles geklärt.«
Sechzehn Kinder blieben zunächst im Forsthause. Dort gab es für alle Milch und Butterbrote. – Ganz plötzlich sprang Pucki, die zwischen ihnen saß, auf.
»Großer Claus – großer Claus, sieh mal, wieviel Kinder wir bekommen haben. Wir hatten noch mehr, die hat Tante Niepel mitgenommen.«