Kitabı oku: «Pucki», sayfa 8

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8. Kapitel: Bitteres Leid

»Was machst du da, Pucki? Warum nimmst du die Wurst vom Brot? – Aber Pucki, man steckt doch die fettige Wurst nicht in die Tasche. – Was soll das?«

Förster Sandler drohte dem Töchterchen, mit dem er beim Abendessen saß, mit dem Finger.

»Für Männe!«

»Du willst Männe die Wurst geben?«

»Ja, Vati – weil Männe krank ist und weil Männe so gerne Wurst frißt. – Er wird sich freuen.«

»Unserem Männe tut Wurst im Augenblick nicht gut, Pucki.«

»Er hat sie gestern aber gleich gefressen, sie hat ihm sehr gut geschmeckt. Ach, Vati, ich will auch gar keine Wurst haben, nur der kleine Männe soll gesund werden.«

»Und die Mutti?«

»Ja, die Mutti soll auch gesund werden.«

Frau Sandler lag seit wenigen Tagen zu Bett. Sie hatte sich bei der Wäsche erkältet. Der Arzt war gekommen, da sich Fieber einstellte.

»Ich glaube, die Mutti ist nicht so krank wie der Männe. Die Mutti lacht noch, aber der liebe Männe liegt ganz still, er wackelt nicht mal mit dem Schwänzchen.«

Der kranke Dackel bereitete dem Kind große Sorgen. Das Tierchen war alt, und Förster Sandler trug sich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken, dem treuen Tier durch einen wohlgezielten Schuss ein rasches Ende zu bereiten. Noch wollte er freilich abwarten, ob sich das Befinden des Tieres bessern würde. Sandler wusste genau, dass das Ende des Hundes seiner Tochter einen großen Schmerz bereiten würde.

»Unser Männe ist so elend«, sagte der Förster, »und so krank, dass er wahrscheinlich sterben muss.«

»Wenn er stirbt, ist er ganz weg, Vati? Kommt er nie wieder?«

»Nein, mein Kind.«

»Dann soll er nicht sterben, er soll bei mir bleiben.«

An diesem Vormittag belauschte das kleine Mädchen ein Gespräch der Eltern, das ihm das Herz fast zum Stillstehen brachte.

»Es wird das beste sein, wenn ich Männe totschieße. Er ist gar zu elend.«

»Er soll sich nicht quälen«, sagte die kranke Förstersfrau. »Es ist eine Wohltat für das Tier, wenn du ihn von den Schmerzen schnell erlöst.«

Als Sandler das Krankenzimmer verließ, stürzte Pucki auf den Vater zu und umklammerte ihn angstvoll.

»Nicht totschießen«, rief sie unter hervorbrechenden Tränen. »Du sollst meinen guten Männe nicht totschießen, weil er so elend ist. Ich werde Männe pflegen, ich werde ihm immer meinen Zucker geben. Ich will ihn in mein Bettchen nehmen und immerzu streicheln. Dann lassen wir den Onkel Doktor kommen, der zur Mutti kommt, der muss ihm auch 'ne Medizin geben wie der Mutti. Ach, Vati, Vati – –«

Pucki konnte vor Weinen nicht weiterreden.

Der Förster war sehr bestürzt, dass sein Töchterchen die Unterhaltung mit angehört hatte. Gar gern würde er dem Kind den Kummer ersparen. Als er zu Männe trat, um den kranken Hund noch einmal genau anzusehen, kniete Pucki nieder und breitete schützend beide Arme über das Tierchen aus.

»Vati, schieß lieber einen anderen Hund tot, aber nicht den Männe und nicht den Harras. – Bist du wirklich elend, mein liebes Hündchen? Pucki pflegt dich wieder gesund!«

»Du brauchst nicht mehr zu weinen, Pucki, der Vati wird noch mal den Tierdoktor rufen lassen. Vielleicht kommt Männe wieder auf die Beine. Aber ganz gesund wird er doch nicht wieder.«

»Ich werde auch immer artig sein, Vati – ich werde nicht mehr in die Lehmgrube gehen und nicht mehr mit Tannenäpfeln nach den Leuten werfen, die vorübergehen. Wenn du mich wieder in den Wald mitnimmst, geh ich immer gleich nach Hause. – Und wenn die Mutti sich mal wieder ein Kindchen holt, will ich es lieb haben. Oh, Pucki will immer nur artig sein. Aber den lieben Männe darfst du nicht totschießen, weil er so elend ist.«

Dem Förster tat der Kummer seines Kindes leid; so beschloss er zuvor, nochmals mit dem Tierarzt zu reden. Viel Hoffnung hatte er nicht mehr. Dem alten Hunde wäre es am wohlsten, wenn er ein schnelles Ende fände.

»Ich muss nun in den Wald gehen, Pucki. Sei recht brav, denn Mutti ist krank. Du darfst ihr keine Sorgen machen, darfst auch nicht lärmen.«

»Nein, Vati, Pucki ist ganz artig, du kannst ruhig in den Wald gehen, ich passe auf. – Kann ich das Hündchen herumtragen?«

»Nein, mein Kleinchen, lass Männe ganz ruhig liegen. Es ist ihm am liebsten, wenn er auf seinem Lager bleibt.«

Das Kind kniete nochmals neben dem Dackel nieder, streichelte ihn zärtlich und sagte beruhigend: »Er schießt dich nicht tot, kleines, liebes Hündchen, weil du so elend bist. Du kriegst Zucker und Muttis Medizin, dann wirst du wieder gesund.«

Der kranke Hund leckte die Händchen des Kindes, dann streckte er sich wieder aus und schloss die Augen.

Auf leisen Sohlen schlich Pucki ins Zimmer der Mutter. Sie war nicht elend, es ging ihr ganz gut, denn sie lachte noch, wenn sie Pucki sah.

»Stehste nu bald wieder auf, Mutti?«

»Ich hoffe es, mein Kind.«

»Solange du im Bett liegst, bin ich ganz artig, Mutti.«

»Dann nicht mehr?«

»Ach, Mutti, es – ist so schrecklich schwer, immer artig zu sein. Aber jetzt mache ich dir keinen Kummer, weil du krank bist. Ich habe schon so viele Tannenzapfen gesammelt; wir wollten die Leute tüchtig schmeißen. Aber solange du krank bist, schmeiße ich nicht.«

»Mein liebes, kleines Mädchen, du darfst überhaupt die Vorübergehenden nicht werfen, das machen nur unartige Jungen, die keiner lieb hat.«

»Oh, Mutti«, strahlte Pucki, »die Jungens von Onkel Niepel sind immer so hübsch unartig, das macht soviel Spaß! Richtig frech ist der Paul, ganz frech!«

»Das ist schlimm, Pucki. – Ein kleines Mädchen darf niemals frech sein, kein Mensch würde dich sonst lieb haben. Und deinen Eltern machst du dadurch großen Kummer.«

»Ich will dir aber keinen Kummer machen, Mutti.«

»Dann darfst du auch mit den Niepelschen Jungen keine tollen Streiche ausführen. Du weißt genau, was gut und böse ist und wodurch du die Eltern betrübst.«

»Ja, Mutti – als ich im Auto weg war, haste dich auch ins Bett gelegt und warst krank. – Warum liegste denn jetzt im Bett? – Weil ich mich in der Lehmgrube schmutzig gemacht hab'?«

»Vielleicht, Pucki. Mutti hat sehr lange an dem weißen Kleidchen waschen müssen, dabei hat sie sich erkältet. Nun hat sie Stiche in der Brust.«

»Nur weil ich in der Lehmgrube war?«

»Weil du der Mutti viel unnütze Arbeit machst, mein Kind.«

»Ach, Mutti, dann werde ich dir gar keine Arbeit mehr machen. Dann zieh' ich mir immer erst das Kleidchen aus, wenn ich in die Lehmgrube gehe.«

»Du sollst nicht in solche Gruben laufen, Hedi. Ich denke, du willst mein artiges kleines Mädchen sein und sinnst schon wieder auf tolle Streiche. Was die Buben wollen, schickt sich nicht für Mädchen. Mutti ist recht traurig, wenn sie hören muss, dass du unartig gewesen bist.«

Hedi schmiegte die Wange zärtlich an die der Mutter. »Sollst nie mehr traurig sein, Pucki ist jetzt immer furchtbar artig und geht nicht in die Lehmgrube. – Biste nu zufrieden?«

»Ich werde mal sehen, ob du dein Versprechen hältst, Pucki. Wenn du wirklich folgsam und artig bist, ist Mutti sehr glücklich und froh, weil sie ein braves Töchterchen hat.«

»Aber der kleine Schreihals im Wagen ist doch auch nicht brav?«

»Dein kleines Schwesterchen hat noch nicht soviel Verstand wie du.«

»Nee, Mutti, der Paul sagte, kleine Kinder haben überhaupt keinen Verstand. Aber ich hab' Verstand!«

»So zeige mir, dass du überlegen kannst und sei brav.«

In der Küche bei Minna erklärte Pucki mehrfach, sie sei nun ein braves Kind, wäre nie mehr unartig und wollte der Mutti eine Freude machen.

»Wenn die Mutti krank ist und nichts arbeiten kann, helfe ich dir.«

»Du wirst was Rechtes helfen!«

»O doch, ich habe einen großen Verstand. – Soll ich für die Mutti kochen?«

»Das lass nur sein. – Aber helfen kannst du mir doch etwas, Pucki. Wenn ich nachher in den Garten gehe, darfst du mir beim Pflücken der Stachelbeeren helfen.«

»Ach ja!«

Das war eine Arbeit, die Pucki so recht behagte. Minna hatte dem Kinde gesagt, dass es nur die reifen nehmen dürfe. Doch die grünen schienen die Kleine viel mehr zu locken als die reifen. Pucki pflückte gewissenhaft die reifen Früchte in das Körbchen, die unreifen schob es in den Mund.

»Minna – sie kitzeln mich im Magen!«

»Aber Pucki, du darfst doch keine unreifen Beeren auf nüchternen Magen essen!«

»Ich hab' keinen nüchternen Magen!«

»Natürlich, du hast seit dem Frühstück nichts gegessen. Vor Tisch ist es ungesund, das unreife Zeug herunterzuschlucken.«

»Hahaha«, lachte die Kleine, »ich hab' keinen nüchternen Magen! In dem nüchternen Magen sind schon so viele unreifen Johannisbeeren drin.«

»Wenn du noch weiter unreifes Obst ißt, sage ich es der Mutti. Dann wird sie noch kränker, denn sie ärgert sich über dich.«

Dieser Hinweis nützte sofort. Pucki pflückte artig das Körbchen voll Stachelbeeren und erhielt zum Schluss ein Lob von Minna.

In den nächsten Tagen bemühte sich die Kleine, sehr brav zu sein. Sie gab acht auf das Schwesterchen, scheuchte ihm die Fliegen fort, half Minna, so gut es in ihren schwachen Kräften stand, und betreute Männe, dem es tatsächlich wieder etwas besser zu gehen schien. An einem sonnigen Nachmittag erhob er sich sogar vom Lager und legte sich zu Hedis Füßen nieder, die im Garten neben dem Kinderwagen saß.

»Nu biste nicht mehr elend, lieber Männe«, sagte Pucki, indem sie das braune Fell des Tieres streichelte. »Nu wirst du gesund, dann laufen wir wieder durch den Wald.«

Männe wedelte mit dem Schwänzchen, schaute Pucki mit seinen treuen Augen liebevoll an, legte sich auf dem Kies nieder, schnappte einige Male und blieb dann ganz still.

»Er schläft«, sagte Pucki und schlich ganz leise um den Hund herum, um ihn ja nicht zu wecken. Als dann das Schwesterchen zu schreien begann, drohte ihm Pucki mit dem Fingerchen. »Bist du still, der Männe will schlafen.«

Doch die Kleine schrie weiter. Schon hatte Pucki die Hand erhoben, um dem Säugling einen Klaps zu geben, da dachte sie an ihr Versprechen.

»Du grässlicher Schreihals, ich darf dich nicht hauen, ich muss artig sein, aber verdient hättest du Prügel. – Na, nu sei mal lieb, Mutti ist krank, und wir sollen die Mutti nicht ärgern.«

Endlich kam Minna, holte das Baby aus dem Wagen und trug es ins Haus.

»Nu komm, Männe, jetzt gehen wir auch hinein. – Männe – – Männe – – so wach doch auf, du Schlafmütze – oder – bist du wieder elend geworden, Männe? – Komm, du sollst nicht auf den kleinen Steinen liegen. – Na – hopp – so steh doch auf, Männe!«

Pucki stieß den Hund vorsichtig an, kraute ihn hinter den Ohren, strich über den Kopf – das Tier blieb regungslos liegen.

»Männe – Männe – –« Immer lauter wurde Puckis Rufen, der Hund rührte sich nicht. Hedi wurde es unheimlich. Sie lief in die Küche und rief Minna, die noch immer mit dem Säugling beschäftigt war. Da stürmte die Kleine ins Schlafzimmer der Mutti, die heute einen so roten Kopf hatte. »Mutti, der Männe sagt nichts mehr, er schläft immerzu!«

Mutti war heute zu komisch. Sie sprach nur wenige leise Worte, dann schloss sie wieder die Augen.

Die Kleine lief erneut hinaus in den Garten, doch noch immer lag der Hund unbeweglich da. Als Minna endlich kam und den Hund anrührte, sagte sie betrübt:

»Da ist ja unser guter Männe ganz plötzlich gestorben. – Der Männe ist tot.«

Erst konnte Hedi das Schreckliche nicht fassen. Immer wieder streichelte sie das Fell des Hundes, dann fragte sie leise:

»Wenn der Onkel Doktor wiederkommt, kann er den Männe nicht mehr lebendig machen?«

»Nein, Pucki, Männe hat wahrscheinlich einen Herzschlag bekommen und ist ganz schnell gestorben.«

»Ganz schnell ist er gestorben, mein lieber Männe. – Nu ist er tot und bleibt immer tot?«

»Ja.«

»Oh, du armer, lieber Männe, nun habe ich keinen kleinen Männe mehr!«

Pucki setzte sich neben den Hund und schluchzte bitterlich.

»Du lieber, kleiner Männe, nun bist du tot, und ich hab' dich nicht mehr zum Spielen. Ach, Minna, dabei hat er mich doch noch angelacht und ist zu mir gekommen. – Dann war er tot.«

»Er hat sich nicht quälen brauchen. Nun steht sein kleines Hundeherz still, und er braucht nicht mehr zu leiden. – Weine nicht, Pucki, das Hündchen war alt, es wollte nicht länger leben.«

Pucki vermochte sich jedoch nicht so rasch zu trösten. Es holte ein Stückchen Zucker und legte es vor Männe hin.

»Wenn er noch einmal zu allerletzt die Augen aufmacht, soll er noch was Schönes sehen.«

Auch einige Blumen brach die Kleine ab, um sie neben den Hund zu legen. Männe war doch immer ihr lieber Spielkamerad gewesen, nun würde er nie mehr mit Hedi umhertollen.

Da kam der Vater nach Hause.

»Männe hat einen schönen und schnellen Tod gehabt, ein Herzschlag, da war er gleich weg. Wir werden ihn im Garten begraben und ihm einen Gedenkstein setzen, damit du immer an deinen lieben Spielgefährten erinnert wirst.«

Viel mehr Sorgen machte dem Förster seine kranke Frau. Der Arzt hatte längst festgestellt, dass es sich hier um eine Lungenentzündung handelte. Man war daher im Forsthause in größter Sorge um die Kranke. Sandler erwartete jeden Tag seine Schwiegermutter, denn er brauchte Hilfe im Hause.

»Immer recht artig sein«, mahnte Minna, »Mutti ist sehr elend, und du willst doch nicht, dass sie noch kränker wird.«

Die Worte des treuen Mädchens lösten in dem Kinde eine fieberhafte Angst aus.

Just in diesem Augenblick kam Herr Sandler, die Flinte über den Rücken gehängt, ins Haus.

»Vati –« rief Pucki in größter Erregung, »die Mutti soll nicht sterben wie der Männe!«

»Klein-Hedi, wo denkst du hin, was sind das für törichte Worte! Wir wollen doch alle, dass die Mutti bald wieder gesund wird. Ich denke, morgen kommt die Großmama; sie wird die Mutti gesund pflegen.«

»Dann soll die Großmama lieber schon heute kommen.«

»Das geht nicht, mein Kind. Aber sei recht still und artig, damit die gute Mutti nicht noch kränker wird.«

Der Arzt kam. Auf Zehenspitzen schlich das Kind hinter ihm ins Krankenzimmer. Die Mutti hatte noch immer so einen roten Kopf, sie sprach mitunter so komische Worte, die Pucki nicht verstand.

»Das ist das Fieber«, sagte Minna erklärend.

»Geht das Fieber mal wieder weg, wenn die Großmama kommt?«

»Wir wollen es wünschen, Pucki.«

Man duldete nicht, dass das Kind im Krankenzimmer verblieb. Nur von Zeit zu Zeit steckte das kleine Mädchen in großer Besorgnis den Blondkopf durch die Türspalte und warf der kranken Mutti Kusshändchen zu. Der Höhepunkt der Krankheit war erreicht, das Leben der Förstersfrau war in Gefahr.

»Wir wollen den lieben Herrgott bitten«, sagte der Vater, und seine Stimme klang ganz anders als sonst, »dass er dir die Mutti lässt, dass sie nicht stirbt.«


Es war Pucki recht angst ums Herz. Sie lief aus dem Garten, hinein in den Wald, lehnte sich an den Stamm einer Tanne, faltete die Händchen und unter heißem Weinen bat sie den lieben Gott, er möge die liebe Mutti nicht sterben lassen wie den Männe.

»Lieber Gott, ich versprech' dir wirklich, ganz toll artig zu sein, ich werde die Mutti gar nicht mehr ärgern. Aber wenn du nun schon den Männe in deinem Himmel hast, dann lass die Mutti bei mir. Mit der Mutti spielt es sich auch so schön, wenn sie gesund ist. Lieber Gott, ich will ein gutes Kind sein, aber mach die Mutti gesund.«

Vom Niepelschen Gut schickte man das Fuhrwerk. Walter und Fritz kamen, um die kleine Freundin zu holen. Das Kind wollte nicht mitgehen. Alle seine Gedanken weilten bei der Kranken, und angstvoll fragte es bald den Vati, bald Minna, ob die Mutti noch immer elend sei. Sogar nachts schlief die Kleine schlecht. Mehrfach wachte sie auf und immer kam ein kurzes Gebet über die Kinderlippen: »Lieber Gott, mache die Mutti gesund, ich will auch artig sein.«

Frau Niepel fuhr am nächsten Tage bei dem Forsthause vor; auch ihr gelang es nicht, Pucki aufs Gut zu holen.

»Ich möchte hierbleiben«, bat die Kleine mit feuchten Augen, »ich mag nicht fort. – Aber sei nicht böse, ich will doch artig sein. Das weiße Pferdchen darf ich doch streicheln?«

»Ja, das darfst du.«

Draußen stand die Kleine bei dem Pferd und weinte leise. »Kleines Pferdchen«, sagte das Mädchen, »Pucki ist so traurig.«

Der Arzt kam nachts noch einmal ins Forsthaus. Am nächsten Tage erklärte er, nun ginge es wieder besser. Die Kleine vermochte das Glück kaum zu fassen. Am liebsten hätte sie vor Freude laut geschrien. Doch das durfte nicht sein, sie wollte doch ein artiges Kind werden.

»Mutti – Mutti – Mutti –«, jubelte sie, als sie endlich das Krankenzimmer wieder betreten durfte, »nun stirbst du nicht, nun bleibst du bei Pucki. Ich hab' auch so viel gebetet!«

»Weil du solch liebes Kind warst«, sagte der Vater zärtlich, »darfst du nachher mit mir nach Rahnsburg gehen. Um fünf Uhr kommt die Großmama, wir holen sie ab.«

Obwohl Pucki die Großmama sehr liebte, bereitete es ihr viel mehr Freude, zu wissen, dass die Mutti nun wieder gesund werden würde.

»Wenn sie aufsteht, Vati, kriegt sie doch keinen Herzschlag und ist tot wie der Männe, nicht?«

»Vorläufig steht die Mutti noch lange nicht auf, und wenn sie aufsteht, brauchst du nichts mehr zu fürchten.«

»Oh, ich bin so froh, Vati!«

9. Kapitel: Pucki will Geld verdienen

Die Niepelschen Drillinge fanden es gar nicht nett, dass in der Försterei eine Großmutter angekommen war, die mit Pucki Spaziergänge unternahm und die Kleine beschäftigte. Vergeblich versuchte Paul, wenn er mittags aus der Schule kam, das kleine Mädchen zu veranlassen, mit ihm einen Streich zu machen. Er hatte sich allerlei ausgedacht und flüsterte Pucki seine Pläne zu. Dann legte die Kleine das Köpfchen auf die Seite, schaute nachdenklich zu den hohen Tannen empor und sagte:

»Mach's mal allein, ich glaube, das ärgert wieder meine Mutti, und meine Mutti ist noch immer so'n bisschen krank und kann keinen Ärger vertragen.«

»Kommst du nicht endlich mal wieder zu uns, die Lehmgrube ist wieder so schön glitschig.«

Hedi schüttelte heftig das Köpfchen. »In die Lehmgrube gehe ich nicht mehr, Mutti will es nicht, und die Großmutter wird es auch nicht wollen.«

»Bring die Großmutter doch mit. Wir stellen sie oben auf den Berg an der Lehmgrube, lassen sie 'runterrutschen, und dann lachen wir sie aus, wenn sie schmutzig ist.«

»Nein, dann muss man die Großmutter waschen, und die Mutti ist krank geworden, weil sie die Lehmgrube aus meinem Kleide waschen musste.«

»Quatsch! – Kommst du heute nachmittag? Ich werde dem Vater sagen, dass er den Wagen schickt.«

»Ich werde die Großmutter mitbringen. Sie freut sich, wenn sie eure Schweinchen und eure Kühe sieht.«

»Die Großmutter wollen wir nicht. Deine Großmutter können wir überhaupt nicht leiden.«

»Warum denn nicht?« fragte Pucki erstaunt.

»Ach – die hat 'ne Brille auf der Nase. – Wie heißt sie eigentlich?«

»Na, Großmutter.«

»Ach, Quatsch! – Jede Großmutter hat einen Namen.«

»Ich nenne sie immer nur Großmutter; aber die Großmutter müsst ihr auch lieb haben, sie ist so gut zu mir.«

»Unsere Großmutter heißt Alwine Hasensprung.«

Pucki lachte, dass sie sich schüttelte. »Hasensprung! – Kann sie denn so hopsen wie ein Hase? – Ich habe deine Großmutter noch nicht gesehen! Sag doch deiner Großmutter, dass sie herkommen soll.«

»Sie kommt nicht, sie hat noch andere Kinder, bei denen sie immer ist.«

»Vielleicht kommt sie nicht, weil ihr drei unartige Jungen seid. – Mutti hat gemeint, wenn ich ein unartiger Junge bin, würde mich die Großmutter auch nicht leiden können. Aber ich will mal die Minna fragen wie die Großmutter heißt. Warte mal noch ein bisschen.«

Minna war in der Küche beschäftigt, als Pucki eintrat und nach dem Namen der Großmutter fragte.

»Das ist Frau Blake.«

»Und wie heißt sie noch? Dem Paul seine Großmutter heißt Alwine Hasensprung.«

»Barbara Blake.«

»Barbara Blake – – ist das ein komischer Name!«

Pucki lief zu ihrem Freund zurück. »Meine Großmutter hat auch 'nen komischen Namen, sie heißt – sie heißt – Blake und – und – Barber – Berber – –«

Jetzt lachte Paul. »Sie weiß nicht mal, wie die Großmutter heißt! Nu lass mal deine Großmutter zu uns kommen, die werden wir aber ärgern.«

»Nein, Paul, meine Großmutter wird nicht geärgert. Meine Großmutter ist sehr gut. Wenn du sie ärgern willst, komme ich nicht.«

Als aber auch Walter und Fritz Pucki herzlich baten, sie möchte bald wieder hinaus aufs Gut kommen, meinte die Kleine nachgiebig:

»Na, ich komm' bald, vielleicht schon heute.«

Beim Mittagessen setzte sich Pucki ganz plötzlich auf den Schoß der Großmutter.

»Wie heißt du eigentlich? – Der Paul hat schrecklich gelacht, weil ich es nicht wusste.«

»Pucki, was soll das?« tadelte der Vater. »Man springt nicht vom Tisch auf, sondern bleibt schön auf seinem Platz sitzen, bis man fertig gegessen hat, erst dann fragt man.«

Der schwierige Vorname der Großmutter machte dem Kinde noch lange Sorgen. Gar zu schwer sprach sich dieser komische Name aus.

»Du brauchst mich gar nicht Großmutter Barbara zu nennen, Hedi«, lachte die Großmama. »Für dich bin ich die Großmutter, das genügt.«

»Großmutter, gibt es auch Engel mit grauen Haaren im Himmel?«

»Nein, die Englein haben alle lange blonde Locken.«

Die Großmutter, die so gern auf Puckis Geplauder einging, wuchs der Kleinen von Tag zu Tag mehr ans Herz. Ihr zeigte das Kind das Grab von Männe, und als die Großmutter dann einige Blümchen im Garten pflückte und auf das Grab legte, wurde sie von der Kleinen stürmisch umhalst.

»Der liebe Gott freut sich schon auf dich, weil du so gut bist! Wenn du in den Himmel kommst, lässt er alle Englein laut singen.«

»Was sollen sie denn singen?«

Pucki überlegte ein Weilchen, dann sprang sie umher, nickte heftig mit dem Kopf und sang:

»Bimmele – bammele – hopsaßa, Kasperle ist wieder da! – Guten Tag, Großmutter!«

»Ganz recht, das hat der Kasper gesagt.«

»Großmutter, das war ein unartiger Kasper! Mit der Wurst hat er einen Mann gehauen, weil es eine Schlagwurst war. – Hahaha, Großmutter, hab' ich gelacht! Und dann hat der Kasperle seinen Schuh genommen und mitten durchgerissen. – Sieh mal, Großmutter, so hat er den Schuh angepackt – –«

Pucki zerrte ihren Schuh vom Fuß und riss kräftig an der Schnalle. Es gab einen Ruck, die Spange löste sich ab.

»Ach«, lachte die Kleine, »nu hab' ich's wie der Kasperle gemacht! – Nu is er kaputt!«

»Aber, Hedi! Soeben hast du mir gesagt, Kasperle sei ein unartiger Wicht, und nun machst du es genau so! Nun müssen wir den Schuh zum Schuhmacher bringen, das kostet Geld. Diese Ausgabe wäre nicht nötig gewesen. Dein Vati muss ohnehin jetzt viel bezahlen und hat kaum so viel Geld wie er braucht.«

»Warum muss er denn viel bezahlen?«

»Die Krankheit der Mutti kostet viel, und für dein kleines Schwesterchen hat der Vati auch viel bezahlen müssen.«

»Bück dich mal, Großmutter, ich möchte dir ganz leise was ins Ohr sagen. – So – Ich hätt' für das kleine Schwesterchen kein Geld ausgegeben. Wir brauchen sie nicht.«

»O doch, Pucki, wir brauchen sie.«

»Wozu brauchen wir sie, Großmutter?«

»Deine Eltern freuen sich darüber, und für dich ist es später gut, wenn du ein Schwesterchen hast.«

»Wenn es doch dem Vati so viel Geld kostet.«

»Um so weniger Ausgaben muss du den Eltern machen.«

»Großmutter, ich habe eine Sparbüchse. Soll ich die dem Vati geben?«

»Nein, Hedi, die darfst du behalten, aber nicht mutwillig Sachen entzwei machen. – Sieh mal, du kannst dir die Schuhe nicht bezahlen, du verdienst noch kein Geld, alles muss der Vati hergeben.«

Die Kleine war nachdenklich geworden. Es leuchtete ihr durchaus ein, dass der Vati Geld hergeben musste. Auch der Groschen, den sie für den Jahrmarkt bekommen hatte, war ihr vom Vater in die Hand gelegt worden. Wenn nun eines Tages der Vater gar kein Geld mehr hatte, was sollte werden?

Am Nachmittag nahm die Großmutter Pucki mit nach Rahnsburg. Sie machte Besorgungen; schließlich suchte sie den Gärtner auf.

»Morgen steht Mutti wieder auf, da wollen wir ihr eine schöne Blume auf den Tisch stellen. Ihr habt zwar Blumen genug im Garten, aber die Mutti freut sich sehr, wenn sie noch einen hübschen Blumentopf bekommt.«

Man wählte eine Hortensie von schöner blauer Farbe.

»Blumen gibt es wohl jetzt in Hülle und Fülle?« fragte Frau Blake die Gärtnersfrau.

»Gewiss, aber gerade in diesen Tagen habe ich fast alles abschneiden müssen. Wir hatten eine Doppelhochzeit und zwei Todesfälle. Blumen sind mitunter auch bei mir knapp.«

»Wir haben viele Blumen im Garten«, sagte Hedi.

»Das glaube ich dir gern, ich habe auch eine Menge, doch mitunter reichen sie nicht aus, und ich muss welche dazukaufen.«

»Das macht Ihnen hier gewiss keine Schwierigkeiten«, sagte die Großmutter.

»Mitunter doch. – Ich bekomme wohl von den Gütern allerlei, auch bringt mir der Niepelsche Wagen fast täglich Blumen mit. Doch mitunter langt es noch nicht.«

Aufmerksam lauschte Pucki auf das Gespräch. Einmal sagte die Mutti, dass man aus dem Garten Blumen nehmen dürfe, das war damals gewesen, als Frau Niepel Geburtstag gehabt hatte. Die Gärtnersfrau sprach heute davon, dass sie die Blumen mitunter teuer bezahlen müsse. Der arme Vati hatte kein Geld, und die Schuhe mussten zum Schuster.

»Ich weiß was«, jauchzte Pucki plötzlich.

»Was weißt du denn?«

»Sehr was Schönes, Großmutter! Das wird dem Vati Freude machen. – Ach, wie der springen wird!«

»Was ist denn los, Hedi?«

»Ich sag's nicht – ich sag's nicht – ich sag's nicht!« Hedi sprang von einem Füßchen aufs andere und klatschte in die Hände. Für das Kind stand der Plan fest, dass es der Gärtnersfrau die Blumen aus dem Garten bringen wollte. Das Geld bekam der Vati, weil er für die kranke Mutti und das Schwesterchen viele Ausgaben hatte und ganz arm war.

»Der wird sich freuen – na, der wird sich freuen!« wiederholte die Kleine mehrmals auf dem Heimweg.

Frau Blake lachte über das Kind, das wahrscheinlich einen kindlichen Plan erdacht hatte.

Am nächsten Morgen wartete die Kleine auf den Wagen, der die Niepelschen Kinder zur Schule brachte. Es entstand ein geheimnisvolles Flüstern. Aus drei Knabenkehlen ertönten begeisterte Zustimmungen.

»Das machen wir«, sagte Paul, »und wenn uns was übrig bleibt, wollen wir mal nachsehen, ob die Würfelbude noch dasteht. Dann holen wir uns einen großen Pfefferkuchen.«

Hedi lehnte ab. »Mein Geld bekommt der Vati, er ist ganz arm geworden, weil wir noch ein Kindchen haben.«

»Wir sind heute um drei Uhr mit dem Wagen wieder da. – Pass auf, wir fahren allein.«

»Wenn ich doch nicht mit darf?«

»Du brauchst ja nichts zu sagen!«

»Doch, ich muss immer sagen, wenn ich fortgehe.«

»Das musst du gar nicht«, sagte Fritz fast zärtlich. »Sonst muss man es immer, aber zu Weihnachten braucht man es auch nicht zu sagen. Wir wollen doch deinem Vati Geld bringen. – Na, der wird sich aber freuen!«

Hedi überlegte ein Weilchen. Was der Fritz sagte, stimmte schon. Sie erinnerte sich an die Weihnachtsvorbereitungen. Immer wieder sagte der Vati, man müsse alles vor der Mutti geheimhalten, denn es gälte, ihr eine Freude zu machen. Wie oft hatte sie ihre kleine Flechtarbeit versteckt, wenn die Mutti das Zimmer betrat; sie war sogar heimlich mit dem Vati nach Rahnsburg gegangen.

»Nun ja«, entschied sie sich endlich, »ich komme ganz leise mit. Ich laufe bis zu der dicken Buche, und dort steige ich ganz schnell mit in den Wagen. Dann fahren wir zum Gärtner nach Rahnsburg.«

»Die Blumen musst du aber mitbringen.«

»Hundert!«

»Das ist gut. – Wir bringen auch welche mit, dann haben wir viel Geld.«

Aber der Plan ging nicht so glatt. Als die drei Knaben das weiße Pferdchen aus dem Stall holen wollten, um es vor den Wagen zu spannen, kam der Knecht und fragte, was das zu bedeuten hätte.

»Wir fahren gleich los«, sagte Walter.

»Mit wem?«

»Allein!«

»Dann gebt mir das Pferd wieder her, euch drei kann man nicht allein fahren lassen. – Ihr wollt wohl verunglücken?«

»Wir verunglücken nicht«, sagte Walter.

Der Knecht wollte das Pferd zurück in den Stall führen, doch da begannen die Knaben laut zu schelten. Es gab einen solchen Tumult, dass Frau Niepel aufmerksam wurde und herbeikam. Auch sie untersagte energisch die Fahrt.

»Wir haben es Pucki versprochen. – Pucki wartet auf uns!«

»In einer halben Stunde fährt der Gemüsewagen zur Stadt; da könnt ihr mit.«

Die drei schmollten ein Weilchen, mussten sich jedoch fügen.

Dann jagten die Knaben in den Garten und rissen wahllos Blumen ab, stopften sie in einen Sack, um sie auf den Wagen zu legen.

»Dass es nur der Gottlieb nicht sieht.«

Doch der Kutscher fragte sofort, was in dem Sack wäre, den die Knaben auf den Wagen zu werfen suchten. Er tastete an dem Sack herum, doch Paul stieß ihn unsanft fort.

»Mir soll es recht sein«, sagte der Alte, »was Vernünftiges wird es ganz gewiss nicht sein.« –

Währenddessen stand Pucki im Garten und wählte sorgsam die schönsten Blumen aus, die erblüht waren. Behutsam pflückten die kleinen Hände die Blümchen ab und legten sie in das Körbchen, das ihr am Arm hing.

»Ihr kommt nu zum Gärtner und dann zur Hochzeit«, sagte das Kind, »da ist es sehr schön für euch.«

Der Gedanke, dass es durch den Verkauf der Blumen dem Vater Freude und Erleichterung schaffen könne, beglückte das kleine Mädchen derart, dass es am liebsten hell aufgejubelt hätte. Großmutter schlief am Nachmittag, sonst hätte ihr Pucki die große Überraschung doch erzählt. Mehrmals lief die Kleine zu Minna in die Küche und fragte, ob es bald drei Uhr sei. Und als es endlich so weit war, huschte Pucki, das Körbchen mit den Blumen vorsichtig tragend, hinaus zur Gartenpforte und stand wenige Augenblicke später wartend an der dicken Buche.

Es dauerte geraume Zeit, ehe der Niepelsche Gemüsewagen kam.

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