Kitabı oku: «Allergien revolutionär», sayfa 2
Bis endlich Ruhe ist: Hyposensibilisierung
Da sich viele Patienten eine dauerhafte Lösung wünschen, die über eine reine Symptombekämpfung hinausgeht, gibt es auch seitens der Pharmaindustrie immer mehr Ideen, wie man gegen Allergien vorgehen könnte. Der Grundgedanke hinter der Hyposensibilisierung oder auch spezifischen Immuntherapie ist prinzipiell leicht verständlich: Man verabreicht dem Patienten in Form von Tropfen, Tabletten oder Spritzen eine noch tolerierbare Dosis des Allergens, um das Immunsystem allmählich daran zu gewöhnen und es gewissermaßen zu beruhigen. Es soll so lernen, nicht mehr mit einer Überreaktion aufzufahren, wenn das Allergen im Körper von den körpereigenen Zellen entdeckt wird.
Bekannt ist derzeit, dass diese Immuntherapie bei Heuschnupfen, Asthma bronchiale, Pollen- und Insektenstichallergien Wirkung zeigt. Allerdings nicht bei Nahrungsmittelallergien. Interessanterweise wird diese „Allergieimpfung“ als Beseitigung der Ursache verkauft und in den Medien auch so propagiert. Im Wochenmagazin Stern ist beispielsweise Folgendes zu lesen: „Die einzig wirksame Therapie bei Allergie ist die Hyposensibilisierung“, denn sie bekämpfe nicht nur die Symptome, sondern die Ursache [5].
Auch die Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung (IGAV) wirbt in einem Folder, auf dem medienwirksam ein süßes, unschuldiges Kätzchen abgebildet ist, mit den Worten [6]: „Von der Weltgesundheitsbehörde WHO empfohlen: Allergieimpfung. Der Ursache der Allergie den Kampf ansagen.“ Weiter im Text heißt es, dass für die „Ursachenbekämpfung“ die Allergieimpfung zuständig sei. Das körpereigene Immunsystem kommt im IGAV-Folder nicht allzu gut weg. Es wird zwar als „Bodyguard“ unseres Körpers bezeichnet, aber als einer, der eventuell seine „Beschützerfunktion zu ernst nimmt“ und somit auf völlig harmlose Stoffe allergisch reagiert.
Aus heiterem Himmel führt sich unser Immunsystem demnach auf wie ein verbohrter, verbitterter Beamter, der alles viel zu eng sieht. Es gäbe aber, so der Folder weiter, für Besitzer eines so sturen Immunsystems doch noch Hoffnung, nämlich die Allergieimpfung: „Sie führt in den meisten Fällen zum Erfolg, denn sie setzt als einzige Behandlungsmethode direkt am Ort des Geschehens an: am fehlgeleiteten Immunsystem.“ Im Klartext: Das Immunsystem ist wie ein Pubertierender einfach nur durchgeknallt, aber es gibt etwas, das wir ihm geben können, damit es sich wieder einkriegt.
Die Experten unter den Allergologen räumen allerdings ein, dass bei dem langen Prozedere der Erfolg ungewiss ist. Die besten Aussichten auf Erfolg hat man bei einer Insektenstichallergie, bei anderen Allergiearten schaut es aber etwas magerer aus. Bei Pollenallergien ist eine Besserung der Beschwerden um 30 bis 45 Prozent im Durchschnitt zu erwarten [7]. Noch nicht hinreichend geklärt ist, warum die Therapie bei manchen funktioniert und bei anderen nicht. Davon steht im Werbefolder natürlich nichts, stattdessen ist eine Liste der zugelassenen Präparate zur spezifischen Immuntherapie abgedruckt. Am Schluss ist zu lesen, auf wessen „freundliche Unterstützung“ sich die IGAV verlassen kann. Es handelt sich dabei um Pharmafirmen wie Allergopharma, HAL Allergy, Bencard, Alk Abello oder Stallergenes, die die genannten Präparate produzieren und verkaufen. Am Anfang des Folders wird also durch Nennung namhafter Ärzte und Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der IGAV Glaubwürdigkeit suggeriert, um sie dann bei der Nennung der Pharmafirmen wieder schrumpfen zu lassen. Hoffentlich liest keiner die letzte Seite, wird man sich beim Layout wahrscheinlich gedacht haben.
Die Bezeichnung Immuntherapie ist unpassend gewählt, denn um eine Stärkung des Immunsystems geht es hier keineswegs. Eine Hyposensibilisierung dauert in der Regel drei bis fünf Jahre, bei Insektenstichallergikern wird zu einer lebenslangen Behandlung geraten. Bei der Immuntherapie mittels Injektionen werden den Patienten winzige Mengen des Allergens zusammen mit Adjuvantien (Hilfsstoffen) wie zum Beispiel Aluminiumhydroxid gespritzt. Das Absurde daran: Aluminiumhydroxid wird in Tierversuchen dazu verwendet, Tiere auf bestimmte Stoffe zu sensibilisieren, also überhaupt erst allergisch zu machen (siehe Kapitel „Allergien und Aluminium“). Es ist neurotoxisch und zwar bereits in geringen Mengen. Die tatsächlichen Auswirkungen von Aluminiumverbindungen im menschlichen Körper werden erst nach und nach bekannt. Aluminiumhilfsstoffe werden von der Industrie aber als unerlässlich angesehen und wurden deshalb schnell als sicher eingestuft. Die Aussagen zur Sicherheit basieren vor allem darauf, dass man Injektionen von Aluminium mengenmäßig mit tolerierbaren, oralen Gaben vergleicht. Die Verabreichungsform macht aber einen großen Unterschied. Deshalb fordern Forscher eine Re-Evaluierung der oft wiederholten, aber kaum überprüften Sicherheitsbekundungen [8].
Die Ungefährlichkeit des Aluminiums als Adjuvans ist keineswegs bewiesen, obwohl es seit fast 90 Jahren eingesetzt wird. Im Gegenteil, es häufen sich Studien, die auf die Gefahren der Anwendung von Aluminiumverbindungen in Impfungen und auch in der Immuntherapie hinweisen, weil es zur Entstehung von Autoimmunkrankheiten und Gehirnentzündungen kommen kann. Experimentelle Forschungen haben längst gezeigt, dass die Injektion von Aluminiumadjuvantien ein Risiko für schwere immunologische Erkrankungen beim Menschen darstellt [9]. Als ob das Immunsystem eines Allergikers nicht ohnehin schon genug Arbeit hätte.
Das mit den toxischen Adjuvantien wird sowohl im IGAV-Folder als auch in den meisten Artikeln über die angepriesene Allergieimpfung verschwiegen. Dass man durch eine Hyposensibilisierung eine neue Allergie bekommen kann, nämlich gegen Aluminium [10], steht nicht einmal im Kleingedruckten. Darüber, wie es zu der Allergie überhaupt gekommen sein könnte, wird ebenfalls nichts oder sehr wenig geschrieben. Als wäre eine Überreaktion des gelangweilten Immunsystems bereits die Ursache an sich. Übersetzt heißt das: Es kümmert uns nicht, wie die Allergie eigentlich zustande gekommen ist und wir wissen nicht, was die Verabreichung der Allergene zusammen mit Aluminiumhydroxid sonst noch im Körper anstellt, aber wenn Sie Glück haben, reagieren Sie nach drei bis fünf Jahren nicht mehr auf das Allergen. Oder eben doch. Das als Erfolg in der Allergiebehandlung zu verkaufen, finde ich fast schon bewundernswert.
Natürlich kann es sein, dass einige Patienten tatsächlich weniger auf das ausgewählte Allergen reagieren. Das scheint, wenn wir den Studien der Hersteller vertrauen, hinreichend belegt zu sein. Aber welche Wechselwirkungen und Folgeerscheinungen diese Hyposensibilisierung für das Immunsystem auf Dauer hat, scheint niemand wirklich zu wissen. Vielleicht interessiert es die Auftraggeber dieser Studien einfach nicht. Was das akkumulierte Aluminium über Jahre im Körper anstellt und welche neurologischen Folgen das nach sich ziehen kann? Darüber wird nichts erzählt. Nur die kurzfristigen Nebenwirkungen werden angeführt: So leiden bei der Schluckversion der Immuntherapie, bei der die Präparate nicht gespritzt, sondern oral verabreicht werden, circa 70 Prozent der Betroffenen an Juckreiz, geschwollenen Schleimhäuten, Magen-Darm-Problemen oder einer kribbelnden/brennenden Zunge. Was die vermehrte Gabe von Aluminiumhydroxid und eventuelle Ablagerungen von Aluminium für langfristige Folgen haben können, zum Beispiel als Auslöser von Entzündungen im Gehirn, wird nicht genannt. Ob es den Herstellern tatsächlich nicht bekannt ist oder bewusst verschwiegen wird, sei dahingestellt. Da man durch Aluminiumablagerungen im Gehirn an Alzheimer erkranken kann, ist vielleicht die Grundidee die, dass der Patient seine Allergie einfach vergisst?
Seit dem Aufkommen dieser Therapie Anfang des 20. Jahrhunderts konnten die in sie gesetzten Hoffnungen jedenfalls nicht erfüllt werden. Rechnete man anfangs noch damit, dass man den Körper wieder völlig unempfindlich machen kann, gibt man sich heute schon damit zufrieden, wenn er nicht ganz so stark reagiert wie vorher. Der frühere Name Desensibilisierung wurde aus diesem Grund durch Hyposensibilisierung ersetzt. Da allergische Symptome alles andere als angenehm sind, ist es nur allzu gut verständlich, dass Allergiker sich im Vertrauen an die behandelnden Ärzte und deren Methoden zu solchen Verfahren entschließen. Die Frage ist nur, ob das nicht nur gut fürs Geschäft, sondern auch langfristig gut für das Immunsystem ist, denn mit einer wahren Ursachenbekämpfung hat das nichts zu tun. Trotzdem fordern über vierzig namhafte Allergologen und Wissenschaftler, in einem Papier der EEACI (European Academy of Allergy and Clinical Immunology) von der Politik eine breitere Unterstützung der spezifischen Immuntherapie und bessere Finanzierung dieser Methode [11]. Ein Blick auf die Sponsoren dieser Akademie zeigt uns bereits bekannte Pharmafirmen, die wir ja schon vom IGAV-Folder kennen (Alk Abello, Allergopharma, Stallergenes), aber auch neue Gesichter (Novartis, Thermofisher Scientific, Grupo Uriach, Leti, Mylan, HAL Allergy, AllergyTherapeutics). Vor einiger Zeit war auch eine Firma namens Meda unter den Sponsoren. Leider ist sie heute nicht mehr so prominent vertreten, da sie mittlerweile aufgekauft wurde, was ich sehr schade finde, weil das Logo ein absoluter Glücksgriff war. Vor allem wegen des klingenden Untertitels: „For a better life with allergies.“ Was würden die armen Firmen denn auch ohne Allergien machen!?
Der EEACI kann man vielleicht einiges vorwerfen, aber auf keinen Fall Untätigkeit. Seit 2014 ist sie stolz darauf, in Brüssel ein „EU Liaison Office“ eröffnet zu haben, was eindeutig besser klingt als „Lobbying-Büro“. Noch vor kurzem war in einem Report auf der Website zu lesen, dass genetisch veränderte Lebensmittel vollkommen unproblematisch seien [12]. Und selbstverständlich auch keinesfalls allergiefördernd, was zwar konzernfreundlich sein mag, aber nicht unbedingt im Interesse der Konsumenten. Das Beispiel zeigt sehr deutlich, wo die tatsächlichen Absichten solcher Gruppen liegen, auch wenn sie sich Academy oder ähnliches nennen. Seit 2017 ist der Gentechnikbericht auf der Seite nicht mehr auffindbar, stattdessen ist die Website jetzt mit dem Logo von Nestlé geschmückt, dem Hauptsponsor des Internetauftritts: „NestléHealthScience. Where nutrition becomes therapy.“ Dass die Nahrung unsere Medizin sein sollte, geht auf Hippokrates zurück, der sich wohl sehr wundern würde, was aus seinem Satz geworden ist.
Allergie – ein umkämpfter Begriff
Bekanntlich kann man aus der Geschichte viel über das Heute lernen und das ist auch beim Thema Allergien nicht anders. Historisch gesehen ist der Allergiebegriff seit seinem ersten Auftauchen im Jahre 1906 ein stark polarisierendes Thema. Die heute vorherrschende Lehrmeinung, dass Allergien aus dem Nichts entstehen und nicht geheilt werden können, ist eine relativ neue Entwicklung, die sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts festgesetzt hat.
Der Mann, der den Begriff „Allergie“ geprägt hat, war Clemens von Pirquet. Er verstand unter einer Allergie alle möglichen veränderten Reaktionen des Körpers auf eine fremde Substanz. Anfang des 20. Jahrhunderts galt also noch eine recht breite Definition, die nicht wirklich unterschieden hat, ob das Immunsystem beteiligt war oder nicht. Pirquet sah eine Allergie einfach als „Zustandsänderung, die der Organismus durch die Bekanntschaft mit irgend einem (…) Gifte erfährt.“ [13]
Durch seine Tätigkeit am St. Anna Kinderspital in Wien hatte Pirquet bei Impfungen von Kindern bemerkt, dass die Impfreaktion bei einer Folgeimpfung schneller auftrat und zunächst viel stärker ausfiel, als bei der Erstimpfung. Er folgerte daraus, dass eine Sensibilisierung auf bestimmte Substanzen stattgefunden haben musste und der Körper dadurch schneller und stärker reagierte. Etwas hatte ihn also empfindlicher gemacht.
Die Erforschung von Allergien wurde damals in medizinischen und wissenschaftlichen Kreisen immer populärer, nicht zuletzt durch das öffentliche Interesse an dieser Art von Beschwerden. Die Fülle der Reaktionen und die Unterschiede hinsichtlich der Stärke, Dauer bis hin zum Zeitpunkt des Auftretens hatten zufolge, dass der damalige Allergiebegriff ein umfassender war. Unabhängig davon, ob es sich bei den Symptomen um Durchfall, juckenden Ausschlag oder einen drohenden Kreislaufkollaps handelte. Generell zählte man Intoleranzen und verzögert auftretende Reaktionen, die nicht immunologisch bedingt waren, auch zu Allergien. Also Symptome wie Migräne, Schlaflosigkeit, eine Reihe von Verdauungsproblemen oder anhaltende Müdigkeit, so wie es in der ganzheitlichen Medizin auch heute noch der Fall ist.
Pirquets allgemeiner Allergiebegriff hatte sich zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg in Europa durchgesetzt, auch wenn nicht überall Einigkeit darüber herrschte. In den USA stritten die Allergiespezialisten so heftig untereinander, dass gleich mehrere Allergieverbände gegründet wurden, weil man sich nicht darauf einigen konnte, was eine Allergie überhaupt ist. Die einen verwendeten den Begriff im umfassenden Sinn, wie er in damaliger europäischer Tradition gebraucht wurde und auch eine Reihe von Überempfindlichkeitsreaktionen, wie Ausschlag, Kopfschmerzen oder Verdauungsbeschwerden beinhaltete. Der Ernährung wurde von dieser Fraktion ein hoher Stellenwert zugesprochen. Die anderen hielten hingegen an einer konservativen Sicht fest und zählten nur Reaktionen auf klarer immunologischer Grundlage dazu, im besten Fall mit einem Hauttest bestätigt. Alles andere wäre vielleicht nur Einbildung des Patienten.
Es gab also auch damals schon ganzheitlich denkende Ärzte und die eher konservativen Allergologen. Letztere gründeten die AAAI (American Academy of Allergy and Immunology). Dieser Verband war es auch, der Rückendeckung seitens der Nahrungsmittelproduzenten bekam, nicht nur in ideologischer Hinsicht, sondern auch in finanzieller. Kämpfte die AAAI doch auch für die Interessen der Industrie, wenn sie jene Kritiker der „modernen“ Ernährungsweise diskreditierte und als unseriös hinstellte.
Der Fokus der ganzheitlichen Allergologen auf gesunde, natürliche Ernährung war den Nahrungsmittelproduzenten ein Dorn im Auge. Denn Pestizide, chemische Zusätze sowie Fertignahrung waren schon längst auf dem Vormarsch und die ganzheitlichen Ärzte kritisierten den Einsatz von genau diesen chemischen Substanzen, die man gerade als wunderbare Innovation verkaufen wollte. Wie konnte man einen solchen Fortschritt, der das Leben derart erleichterte, nicht gutheißen? Der Glaube an die schillernden Werbebotschaften und an die Integrität der erfolgreichen Unternehmen war damals ungebrochen und nur Vertreter der Steinzeit (oder Kommunisten) konnten davon nicht begeistert sein.
Die Antwort auf die Kritik war Missachtung. Von vielen ihrer Kollegen, den wissenschaftlichen Verlagen und der Pharma- und Nahrungsmittelindustrie wurden diese ganzheitlichen Mediziner daher meist verschmäht. In den Augen der Industrie waren sie mit ihren Ernährungstipps nichts anderes als Quacksalber.
Wer diesen Glaubenskampf im medizinischen Alltag gewonnen hat, wissen wir heute. Im Grunde hat sich nicht viel geändert. Doch das Interessanteste daran ist, dass es keine wissenschaftlichen Fakten und Beweise waren, die darüber entschieden haben, wie der Allergiebegriff heute verwendet wird. Den endgültigen Hieb verpassten den ganzheitlich denkenden Allergologen und Umweltmedizinern die Krankenversicherungen. Wer für die Behandlung von Allergien bezahlt, darf sie sozusagen auch definieren. Und somit auch festlegen, wer legitimer Allergologe und wer Quacksalber ist. Um ein zertifizierter Allergologe zu werden, musste man sich an die Regeln halten, sonst gab es kein Zertifikat und damit auch keine Zusammenarbeit mit den Versicherungen. Wie so vieles, schwappte auch dieser Trend nach Europa über [14].
Der IgE-Wert wird zum Schwert
Das Interesse der pharmazeutischen Unternehmen an Allergien hielt sich zumindest bis in die 1960er Jahre noch in Grenzen. Der Durchbruch wurde 1966 eingeleitet, als das japanische Forscherehepaar Ishizaka im Blut von Allergikern das Immunglobulin E (IgE) entdeckte. Der immunologische Hintergrund allergischer Reaktionen war ab sofort messbar. Auch die Schwere der Allergie sollte durch Bluttests bald nachweisbar sein, so jedenfalls die Hoffnung. Unabhängig von den Berichten der Patienten konnte man nun mithilfe des Labors belegen, ob der IgE-Wert erhöht war oder nicht. Nur bei einem positiven IgE-Test lag laut den konservativen Allergologen eine echte Allergie vor, alles andere war nur Einbildung der Betroffenen. Durch den IgE-Bluttest hatte man endlich ein Mittel gefunden, sich von anderen „nebulösen“ Unverträglichkeiten und den „Quacksalbern“ abzugrenzen. Diagnostisch und therapeutisch hatte sich für die Patienten nicht viel geändert. Doch die konservativen Allergologen hatten mit dem IgE ein Schwert in der Hand, mit dem sie noch vehementer gegen all jene Ärzte vorgehen konnten, welche die Bedeutung der Ernährung hervorhoben und sich mit chronischen Beschwerden und versteckten Allergien befassten.
Die erhoffte Eindeutigkeit des IgE-Tests bekam in den nächsten Jahren allerdings einige Dämpfer. Wie sich herausstellte, war der Test nicht so sensibel wie der Hauttest, der wiederum nicht zuverlässig genug war, weil…oft zu sensibel, das heißt er brachte viele falsch positive Resultate. Für viele durch Provokationstests bestätigte Allergien lieferte der IgE-Test fälschlicherweise ein negatives Ergebnis. Nach und nach wurde auch evident, dass der IgE-Wert in der Bevölkerung generell variiert und eine objektive Beurteilung dadurch schwieriger wird. Genetische Faktoren, Umwelteinflüsse, Geschlecht und Alter haben ebenfalls Einfluss auf die Höhe des IgE-Werts, was eine allgemein gültige „allergisch oder nicht“ Klassifizierung erschwert. Studien hatten gezeigt, dass Rauchen, ebenso wie exzessiver Alkoholkonsum, zu erhöhten IgE-Werten führen kann. Dasselbe gilt auch für andere Erkrankungen wie Parasiteninfektionen, Zöliakie, Krebs und Lebererkrankungen. Auch bei depressiven Patienten wurde im Vergleich zu anderen Gruppen ein höherer IgE-Wert gemessen.
Man hatte zwar ein neues Immunglobulin entdeckt, das im Labor gemessen werden konnte, doch die tägliche Arbeit mit allergischen Patienten wurde dadurch nicht erleichtert, da insbesondere chronische Beschwerden weiterhin schwer zu diagnostizieren waren. Und so klar wie anfangs angenommen wurde, war die Angelegenheit dann doch nicht. Mit der Zeit mehrten sich auch Berichte über starke allergische Reaktionen, denen kein erhöhter IgE-Wert zugrunde lag. Ein Widerspruch, der die Rückbesinnung auf die frühere, breitere Definition von Allergien einleiten hätte können. Damit wäre auch jenen Unverträglichkeiten, die auf Zusatzstoffe oder andere chemische Substanzen zurückzuführen waren, wieder Platz eingeräumt worden. Da man nicht zurückrudern wollte, wurde für diese Symptome kurzerhand eine neue Erkrankung definiert: food protein-induced enterocolitis syndrome (FPIES). Etwas später kam NIMFA dazu, Non-IgE-Mediated-Food-Allergy. So wurde lieber ein neues Syndrom kreiert, als zugegeben, dass Allergien doch ein komplizierteres und weitläufigeres Feld sind und nicht auf den Nachweis des IgE-Wertes und einiger, weniger Symptome beschränkt werden können. Der Definitionskampf war dafür bereits viel zu dogmatisch und verbohrt.
Diese Linie hat sich fast nahtlos fortgesetzt, nur dass heute nach einem neuen Medikament oder einer Allergieimpfung geforscht wird. Egal ob Katzenhaare, Pollen oder Erdbeeren, die wichtige Rolle der Darmgesundheit, der Ernährung und eventueller toxischer und psychischer Belastungen wird von den schulmedizinisch orientierten Allergologen meist ignoriert.
Die Erforschung der eigentlichen Ursachen schien und scheint die Geldgeber nicht besonders zu begeistern. Diese fehlende Neugier hat nichts damit zu tun, dass es nichts aufzudecken gäbe oder dass die heutige Allergieforschung bereits alle Fragen meisterhaft beantwortet hätte. Man müsste sich nur mit ein paar unangenehmen Themen beschäftigen. Die ganzheitliche Denkweise ist aber trotz des Widerstands und der fehlenden Anerkennung nicht verschwunden. Die breitere Definition der Allergie existiert weiterhin: Sie umfasst alle Reaktionen des Körpers auf Nahrungsbestandteile, chemische Substanzen oder Partikel in der Luft, die das gesunde Funktionieren unserer Zellen und der Abläufe im Körper stören.