Kitabı oku: «Allergien revolutionär», sayfa 4

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Schlechte Studien, gutes Essen

Wenn viele Studien irreführend oder schlichtweg falsch sind, andere wiederum ignoriert werden, stellt sich natürlich die berechtigte Frage, worauf die Therapievorschläge und Medikamentenverschreibungen des heutigen schulmedizinischen Alltags beruhen. Dieses Thema ausgiebig zu behandeln ist buchfüllend: Unter dem Titel „Gekaufte Forschung. Wissenschaft im Dienst der Konzerne“ ist ein solches Buch bereits erhältlich [23].

Es beschreibt das enge Geflecht zwischen Konzernen, Hochschulen und der Wissenschaft und zeigt, wie die Geldflüsse Einfluss auf die Inhalte nehmen. Hinzu kommt, dass die meisten Mediziner nach Abschluss des Studiums weiterhin ihre Informationen von den Pharmafirmen erhalten und diesen auch Glauben schenken.

Die Kosten der verpflichtenden Fortbildung wären für Ärzte recht hoch, müssten sie aus eigener Tasche bezahlt werden. Daher springen die Pharmafirmen gerne ein und helfen bei der Organisation der Fortbildungsveranstaltungen. Natürlich nicht immer direkt, denn meist werden die Events von eigenen Agenturen organisiert. Dr. Christiane Fischer, Geschäftsführerin von MEZIS, schätzt die Zahl der gesponserten Fortbildungsveranstaltungen auf 80 Prozent. MEZIS ist die Abkürzung für „Mein Essen zahl‘ ich selbst“, eine Initiative unbestechlicher Ärzte, die gegen den alltäglichen Lobbyismus im Gesundheitswesen vorgeht.

Arztpraxen und Krankenhäuser werden regelmäßig von sogenannten Pharmareferenten besucht, die pharmazeutische Version des Staubsaugervertreters, der an der Haustür läutet und seine Ware verkaufen will. Und eben nicht immer die ganze Wahrheit über die Vor- und Nachteile seines Produktes erzählt. Nicht selten werden die Ärzte dabei zum Essen eingeladen und auf diese gängige Praxis spielt der Name der Initiative an. Beim genussvollen Mahl lässt es sich schließlich noch besser über die Vorteile des neuen, schein-innovativen Medikaments sprechen. Wenn der Großteil der Fortbildungen gesponsert ist, ärztliche Referenten mit überzogenen Honoraren bezahlt und sogar mit vorgefertigten Präsentationen seitens der Industrie bestückt werden, dann hat dies viel mehr mit Werbung als mit Wissensaustausch zu tun.

In den USA sind Ärzte mittlerweile verpflichtet, Zahlungen oder Begünstigungen, die sie von Firmen erhalten, offenzulegen. Der sogenannte Physician Payments Sunshine Act schreibt den Medizinern vor, sämtliche erhaltenen Zahlungen einer Behörde zu melden. In Österreich sieht das Gesundheitsministerium keinerlei Bedarf nach größerer Transparenz, deshalb sind wir hierzulande von einer derartigen Vorschrift noch weit entfernt. Die Höhe der Beträge macht allerdings durchaus Lust auf mehr Information: 105 Millionen Euro sind 2016 von der Pharmaindustrie an Ärzte und Spitäler in Österreich geflossen. Da wäre es schon interessant zu wissen, was mit dem Geld passiert ist.

Durch öffentlichen Druck haben die pharmazeutischen Unternehmen im selben Jahr erstmals ihre Zahlungen an Ärzte und Krankenhäuser veröffentlicht. Ein wenig trotzig ging das Ganze schon vonstatten, es wurde dabei penibel darauf geachtet, die Suche so schwierig und unhandlich wie möglich zu gestalten. Denn um zu überprüfen, ob der Arzt des Vertrauens Zahlungen erhalten hat, müsste man die Websites der über 100 Unternehmen einzeln durchsuchen. Und auf jeder dieser Websites wird die Information aber an einer anderen Stelle veröffentlicht, ganz abgesehen von den mangelhaften Daten und der fehlenden Computerlesbarkeit. Um nach seinem Arzt zu suchen, muss man einiges an Durchhaltevermögen haben. Oder man hat sehr viel Zeit, weil man beispielsweise wegen undurchsichtiger Geldgeschäfte im Gefängnis sitzt, was die lustigste Variante wäre.

Zurück zum Thema: Der Durchschnittsbürger hat von derartigen Offenlegungen nicht viel. Einer Zusammenarbeit der deutschen Rechercheplattform Correctiv, der Tageszeitung Der Standard und des ORF ist es zu verdanken, dass eine Datenbank entstanden ist, in der man nach den behandelnden Ärzten und Spitälern recht einfach suchen kann. Der Haken dabei: Ergibt die Suche keinen Treffer, heißt das nicht, dass der betreffende Arzt keine Zahlungen erhalten hat. Möglicherweise hat er nur der Veröffentlichung seiner Daten nicht zugestimmt. Der Großteil der Zahlungen bleibt damit weiterhin im Verborgenen, denn nur 18 Prozent der Geldflüsse sind nachvollziehbar [24]. In Deutschland sieht dieser Prozentsatz ähnlich aus, die absoluten Beträge sind aber beeindruckender: 2017 sind laut Handelsblatt über 600 Millionen Euro von der Pharmaindustrie an Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken geflossen.

Es ist nicht Ziel dieses Buchs, die Hintergründe dieser Praxis noch näher zu beleuchten. Diese Vorgänge im Auge zu behalten ist aber wichtig, wenn wir uns mit Themen beschäftigen, die der offiziellen Lehrmeinung und möglicherweise auch der Meinung Ihres Arztes widersprechen. Und in diesem Buch werden Sie auf viele Informationen stoßen, die zwar wissenschaftlich gestützt sind, in vielen Fällen aber von den Gesundheitsbehörden und der Pharmaindustrie ignoriert oder angegriffen werden.

Wir befinden uns in einer Zwickmühle: Viele Studien sind mangelhaft oder sogar manipulativ, doch es gibt auch seriöse und wichtige, denen Beachtung geschenkt werden sollte. In diesem Buch werden Sie viele Verweise zu wissenschaftlichen Publikationen finden und alle hier zitierten Studien wurden auch tatsächlich auf ihre Qualität überprüft, nicht immer mit zufriedenstellendem Ergebnis. Wo Mängel oder Manipulationen entdeckt wurden, werden sie auch aufgezeigt. Trotz der vielen schwarzen Schafe sollten wir aber nicht vergessen, wie viele engagierte Wissenschaftler es gibt, die tatsächlich der Wahrheit ein wenig näherkommen wollen. Und wie viele Ärzte sich wirklich für das Wohl ihrer Patienten einsetzen, obwohl es ihnen das vorherrschende Gesundheitssystem wirklich nicht leicht macht.

Wie bei allen umstrittenen Themen, ob im Weltgeschehen, in der Werbung oder bei einem familiären Streit, ist es ratsam, ein wenig über den Tellerrand zu blicken und sich zu fragen, was uns jemand sagen möchte und warum. Wer gibt mir welche Information und mit welchem Ziel?

Der Körper ist genial, nicht verrückt

Die gesamte Natur ist auf Kooperation und eine gesunde Balance ausgelegt. Sogar der Borkenkäfer, der keinen besonders guten Ruf hat, verrichtet nur seine Aufgabe. In einem gesunden Wald wird seine Population auch im Rahmen bleiben und er hat in dem hochkomplexen System Wald eine Funktion. Nur dort, wo der Mensch rücksichtslos in den Baumbestand eingreift, kann sich der unbeliebte Käfer ungehemmt vermehren. Das liegt daran, dass bereits davor etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Prinzipiell ist in der Natur alles in genialen Kreisläufen geregelt.

Es ist ziemlich anmaßend zu glauben, dass der Körper aus dem Nichts heraus allergisch reagiert und wir nichts anderes zu tun brauchen, als diese Reaktionen zu unterdrücken. Das widerspricht einfach der Logik eines lebenden Organismus und dem Hausverstand. Warum sollte der Körper etwas Sinnloses tun? Wenn wir etwas nicht verstehen, sehen wir es oft als sinnlos an. In meiner Schulzeit habe ich noch gelernt, dass der Blinddarm (genauer gesagt der Wurmfortsatz) ein völlig überholtes Teil ohne Funktion ist, ein evolutionäres Überbleibsel. Heutzutage wissen wir, dass der Blinddarm sehr wohl immunologische Aufgaben hat und keineswegs vollkommen redundant ist. Wenn wir etwas noch nicht verstanden haben, sollten wir nicht der Natur oder Evolution vorwerfen, dass es unlogisch ist. Diese waren nicht nur vor uns da, sie sind auch um einiges genialer.

Wenn namhafte Allergologen in Interviews Sätze wie „Allergikern schadet nicht die Chemie, sondern die Natur in Form von Eiweißstoffen“ von sich geben, wundere ich mich schon ein wenig, wo die Achtung und Wertschätzung gegenüber der Natur und unserem Körper gegenüber geblieben sind [25]. Wir sind nicht schlauer als die Natur, auch wenn wir es in unserem Größenwahn vielleicht oft gerne wären.

Was Allergien und Unverträglichkeiten betrifft, gibt es eine ganze Reihe von Sichtweisen, die sich nicht mit dem Blickwinkel eines schulmedizinisch orientierten Allergologen decken. Für vieles gibt es auch in qualitativ hochwertigen Studien Belege, anderes hat man durch jahrelange oder auch jahrhundertelange Beobachtung festgestellt, wie beispielsweise in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Manches wiederum lässt sich nur erkennen, wenn man nicht nur das Symptom betrachtet, sondern das große Ganze miteinbezieht.

Trotz des enormen Wissens, das wir über den menschlichen Organismus haben, wissen wir erstaunlich wenig über die größeren Zusammenhänge Bescheid. Heutzutage kann man die beteiligten Interleukine genauestens benennen, die molekularen Sequenzen identifizieren, auf die Immunglobuline tatsächlich reagieren und im Elektronenmikroskop die Immunzellen bei der Arbeit beobachten. Aber verlieren wir vor lauter Konzentration auf die kleinsten Details nicht das größere Geschehen aus dem Blickfeld?

Es sind ganz allgemeine Fragen wie: Warum steigt weltweit die Zahl der Allergieerkrankungen an? Wieso treten in ärmeren, weniger entwickelten Gebieten auch weniger Unverträglichkeiten auf? Warum gab es in der DDR weniger Allergien als in Westdeutschland? Und im russischen Karelien weniger als im finnischen Teil? Und in Bezug auf die Einzelperson, die an einer Allergie oder Unverträglichkeit leidet, sollten wir uns fragen, was die Geschichte dieses Menschen ist. Was ist passiert, als die Allergie aufgetreten ist? Wann genau treten die Symptome auf? Wodurch werden sie besser, wodurch schlechter? Welchem Stress ist diese Person ausgesetzt? Was ist in ihrem Leben gerade die größte Belastung?

Irgendwann während des Medizinstudiums scheinen viele angehende Ärzte das Vertrauen in die natürliche Heilkraft des Körpers zu verlieren. Vielleicht weil man lernt, was alles schiefgehen kann und welche Krankheiten zu welchen Komplikationen führen können. Der Lehrplan ist auch nicht so ausgelegt, dass man viel über die Macht des Geistes, die wichtige Rolle der Ernährung und über Selbstheilungskräfte erfährt. Viel zu häufig gleicht die Therapie einer Bedienungsanleitung: Bei Diagnose A verschreibt man Medikament B oder C. So einfach sollte es gehen. Deshalb stößt die Schulmedizin bei den meisten chronischen Erkrankungen schnell an ihre Grenzen, weil diese doch erheblich komplizierter sind. Während die Fortschritte in der Notfallmedizin und in der Chirurgie unglaublich groß sind und fast schon wie in Science-Fiction Büchern anmuten, herrscht bei der Behandlung von chronischen Beschwerden im Grunde Stillstand. Als einzige Behandlungsoption wird die Unterdrückung der einzelnen Symptome angeboten. Wir schalten nach einem erfolgten Einbruch einfach die schrillende Alarmanlage aus, dann ist erstmal Ruhe. Irgendwann bemerken wir dann schockiert, dass unsere Wertgegenstände verschwunden sind und der Safe leergeräumt wurde.

Patienten geben viel zu oft die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit an jemanden anderen ab – Ärzte, Behörden, Richtlinien, Ratgeber. Es gibt Menschen, die zum Arzt gehen, um zu erfahren, wie sie sich fühlen. Erst wenn der Arzt bestätigt, dass die Werte in Ordnung sind, geht es ihnen gut. Das ist so, als müsste eine übergeordnete Stelle erst die Erlaubnis zum Wohlbefinden ausstellen. Viele Patienten sind auch verärgert, wenn ein besonnener Arzt zu Bettruhe rät, denn sie hätten sich lieber ein starkes Medikament gewünscht, um sofort wieder fit zu sein. Dem Körper Zeit für Heilung zu geben, ist für viele eine abstruse Idee. Bei einer Erkältung einfach nur nichts zu tun und abzuwarten, erzeugt so viel innere Unruhe, dass es für viele schwer auszuhalten ist. Dabei spricht sogar medizinisch gesehen vieles dafür. Unlängst ist zu diesem Thema ein wissenschaftlich fundiertes Buch erschienen: „Fragen Sie weder Arzt noch Apotheker: Warum Abwarten oft die beste Medizin ist.“ Zugegeben, mit Abwarten kann man nicht viel Geld verdienen.

Dieser Ungeduld liegt oft ein Mangel an Vertrauen an uns selbst und unseren Körper zugrunde, sowie der Anspruch, dass man weiterhin funktionieren sollte. Wir lernen es schlichtweg nicht oder verlernen es nach und nach, auf unseren Körper zu hören, seine Signale zu deuten und seine Wünsche zu respektieren. Je besser wir uns mit unserem eigenen Körper verstehen, desto besser geht es uns körperlich und emotional. Vielleicht ist es also eine gute Idee, sich näher damit zu beschäftigen. Egal, was Ihnen ein Arzt erzählt oder was Sie in einem Ratgeber lesen: Niemand kennt Ihren Körper so gut wie Sie selbst. Dabei ist es natürlich manchmal notwendig, jemanden anderen um Hilfe zu fragen. Denn jeder von uns hat seine blinden Flecken, die von außen leichter aufzudecken sind. Und ein guter Arzt oder Therapeut ist auf diesem Weg Gold wert. Doch die Hauptverantwortung für unsere Gesundheit tragen wir selbst und in Wirklichkeit ist unser Körper bestens dafür gerüstet, gesund und heil zu bleiben. Wir müssen es ihm allerdings ermöglichen.

Viel zu oft stören wir den Körper bei seiner Selbstheilungsarbeit, sodass er diese nicht entsprechend verrichten kann. An sich wäre er eine gut geölte, hochkomplexe Maschine mit einer unglaublichen körpereigenen Intelligenz, die sich selbst steuert. Der menschliche Körper hat enorme Reserven und Kapazitäten zur Selbstheilung. In manchen Fällen sind sie uns im Moment nicht zugänglich oder wir haben auf sie vergessen. Oder der Körper kann aus bestimmten Gründen die natürliche Regulation nicht mehr bewerkstelligen. Keinesfalls aber spielt er grundlos verrückt und geht uns mit Symptomen auf die Nerven, weil ihm langweilig geworden ist. Ob es seltsame Gefühle oder organische Beschwerden sind, es gibt für alles eine Ursache, auch wenn sie nicht immer leicht zu finden ist. Sobald man sie eruiert hat, wird einem klar, dass das Verhalten unseres Körpers vollkommen logisch war, auch wenn es anfangs nicht so aussah.

Unser Organismus ist grundsätzlich auf Heilung ausgelegt, so wie alles in der Natur auf Fortbestand und Leben programmiert ist. Sobald wir uns in den Finger schneiden, werden umgehend Reparaturmaßnahmen ergriffen, ohne dass wir auch nur daran denken müssten. Kaum haben wir etwas Verdorbenes gegessen, versucht der Körper es wieder loszuwerden, damit es keinen größeren Schaden anrichten kann. Hat sich ein Kleinkind verkühlt, bekommt es Fieber, um die pathogenen Keime zu eliminieren und Schnupfen oder Husten, um sie wieder auszuscheiden. Auch schwerwiegende Krankheiten sind Reaktionen auf Schädigungen oder Traumata, mit denen der Körper umzugehen versucht.

Warum sollte das bei Allergien und Unverträglichkeiten anders sein? Es scheint so selbstverständlich zu sein, dass der Körper einfach so aus dem Ruder läuft, dass das im heutigen medizinischen Alltag nicht mehr hinterfragt wird. Es werden nur die Allergiesymptome behandelt oder das Immunsystem wird noch mehr irritiert. Bei genauerem Hinsehen aber ergeben allergische Erkrankungen durchaus Sinn.

Was bringt nun aber das Immunsystem so in Aufruhr, dass sich der Körper das auch für später merkt? Es muss einen so starken Schock erfahren, der buchstäblich bis ins Mark fährt. Im Falle von Unverträglichkeiten sitzt der Schock vielleicht nicht so tief wie bei einer Allergie, aber auch da kommt der Körper mit etwas nicht zu Rande.

Die Rolle der Toxine

Dass der Körper aus Sicht der Evolution nichts „einfach so“ oder aus Langeweile macht, ist die Grundlage der sogenannten Toxin-Hypothese, die von Margie Profet aufgestellt wurde. Diese US-Wissenschaftlerin veröffentlichte 1991 eine Arbeit über den Sinn der Allergie [26]: „The Function of Allergy: Immunological Defense Against Toxins.“ In ihrem Artikel beschreibt sie schlüssig bis ins kleinste Detail durchdacht und auf immunologischer Basis erklärt, warum das Allergiegeschehen nicht einfach ein Fehler sein kann. Laut Profet sind Allergien keine Laune der Natur, sondern ein letzter Abwehrmechanismus gegen Toxine, wenn alle anderen Verteidigungsoptionen gescheitert sind.

Allergien führen schließlich zu Symptomen wie Erbrechen, Husten, Niesen, Juckreiz oder Tränen, die alle dazu gedacht sind, die entsprechenden Toxine so schnell wie möglich aus dem Körper zu befördern. Eine starke allergische Reaktion geht häufig mit einer Senkung des Blutdrucks einher und dieser Mechanismus dient beispielsweise dazu, um die Verteilung der Toxine im Körper zu verlangsamen. Somit hätten der anaphylaktische Schock und das damit einhergehende Kreislaufversagen ein hehres Ziel, nämlich zu verhindern, dass sich die Gifte ausbreiten und in das sensibelste aller Organe vordringen, ins Gehirn. Die Evolution hätte schließlich nicht für irgendeine Fehlfunktion eine eigene Immunglobulin-Klasse entwickelt (IgE). Doch zum Schutz vor Toxinen würde das Sinn ergeben.

Um eine Immunantwort zu bewirken, muss ein Antigen ein Molekulargewicht von ca. 2000g/mol haben, was viele Gifte nicht aufbringen, weil sie leichter sind. Doch auch eine Substanz mit niedrigeren Gewicht kann Reaktionen auslösen, wenn sie als Hapten an ein Trägerprotein gebunden ist. Das heißt: Bleibt ein noch so kleines Stück eines Toxins an einem Eiweiß kleben, kann es so einiges anstellen, auch wenn es alleine dafür zu klein gewesen wäre. Der Körper attackiert dabei zwar das Eiweiß, aber gestört wird er durch die giftige Substanz, die daran gebunden ist. Er kann diese aber nur in Kombination mit dem Eiweiß angehen. Während bei einem Infekt die entsprechenden Antikörper direkt auf den Eindringling losgehen, reagieren die allergiespezifischen IgE-Antikörper auf die Toxine indirekt. Sie bringen chemische Prozesse in Gang, um die Toxine auszuscheiden oder deren Verbreitung im Körper zu verlangsamen.

Denn Toxine können den Körper akut schädigen, viele Gifte können zudem noch krebserregend sein und irreparable Schäden anrichten. Hinzu kommt, dass sie sich im Laufe der Zeit ansammeln und dadurch noch gefährlicher werden können. Der Schutz vor Toxinen durch allergische Reaktionen könnte daher auch ein Schutz vor Krebserregern sein, so Profets Argumentation. Die am stärksten krebserregenden Metalle (Arsen, Beryllium, Chrom und Nickel) sind auch die mit dem größten Allergiepotential. Nüsse wären voll von diesen Metallen, daher ihre allergene Wirkung.

Auch die Bedeutung der Sensibilisierung wird bei Profets Erklärung klar: Bei Toxinen ist ein erneuter Kontakt mit einer Substanz, die als giftig und gefährlich gilt, von einer noch heftigeren Reaktion als zuvor gekennzeichnet. Denn der Körper versucht so schnell wie möglich das wiedererkannte Gift loszuwerden, um sich zu schützen, da die davon ausgehende Gefahr schon bekannt ist. Haben wir einmal einen giftigen Pilz gegessen, wird der Körper beim nächsten Kontakt noch heftiger reagieren, um uns vor dem Gift zu bewahren. Damit hat Margie Profet den Sinn der Allergien nachvollziehbar erklärt und das bereits vor fast 30 Jahren.

Die bisherigen Erklärungsmodelle des Allergiegeschehens, wie jenes, das von einem gelangweilten Immunsystem ausgeht oder die Hypothese, dass Parasiten eine wesentliche Rolle spielen, nimmt Margie Profet mit erstaunlicher Leichtigkeit auseinander. Dass der IgE-Antikörper als Abwehrsystem gegen Parasiten entstanden wäre, ist unlogisch, denn ein erhöhter IgE-Wert hat keinen positiven Einfluss auf deren Abwehr, eher im Gegenteil. Der Großteil der Allergene hat mit Parasiten oder Würmern nichts zu tun, der Mensch reagiert eher auf Pollen, Nahrung, Metalle oder Insektengifte. In dem 40-seitigen Artikel geht Profet genau auf die zugrundeliegenden, chemischen Prozesse ein, erklärt, wo Toxine vorkommen und wie sie in die Nahrungskette gelangen. Und sie stellt auch fest, dass Gifte bei Nahrungsmittelallergien meist gar nicht berücksichtigt werden.

Aus Sicht der Evolution waren allergische Reaktionen zunächst auf pflanzliche Toxine und giftige Tiere ausgelegt, aber sie dienten auch als Vermeidungsstrategie. Evolutionsgeschichtlich gesehen waren Gifte etwas Vermeidbares: Eine Pflanze nach deren Verzehr man mit Unwohlsein reagiert, sollte man einfach nicht essen. Somit war jede allergische Reaktion quasi ein Gourmetführer durch die steinzeitlichen Wiesen und Felder. Was kann ich essen? Und was nicht? Doch heutzutage begegnen uns Toxine auf vielfältigere Art und Weise und sind nicht einfach zu vermeiden.

Margie Profets Arbeit wurde aufs heftigste kritisiert, hat aber den kritischen Peer-Reviews standgehalten und wurde publiziert. Für ihre Forschungsarbeit bekam sie 1993 im Alter von 35 Jahren die prestigeträchtige MacArthur-Förderung, die auch „Genius Grant“ genannt wird. Doch die Reaktionen der wissenschaftlichen Community auf ihren genialen Artikel waren oft kühl bis feindlich. Allerdings hatten die kritischen Einwände in Wirklichkeit kaum Hand und Fuß und waren eher ein Zeichen dafür, dass Margie Profet vielen auf den Schlips getreten war. Ein Kritiker beschwerte sich darüber, dass keine neue Allergietheorie notwendig wäre, denn es gebe ja schon die Parasitenhypothese. Wozu sollte man also weiter über den Sinn der Allergien nachdenken? Das mag vielleicht als philosophische Frage Gültigkeit haben, aber ein wissenschaftlich fundiertes Argument gegen Profets Thesen ist das keineswegs (abgesehen von dem festgefahrenen Denken).

So umstritten die Arbeit war: Profets Modell konnte von niemandem widerlegt werden. Ignorieren schien demnach die beste Option, denn so schlüssig Margie Profets Erklärung ist, so unbequem ist sie auch. Bequemlichkeit und Konformismus sind allerdings keine Eigenschaften, die man mit dieser Forscherin verbindet. 1958 geboren, studierte Margie Profet zunächst politische Philosophie in Harvard, um dann noch einen Physik-Bachelor in Berkeley draufzulegen. Später begann sie noch ein Mathematikstudium. Doch die Reglementierungen des Bildungswesens stellten für einen Freigeist wie Profet ein zu enges Korsett dar. Als „mind control“ (Gedankenkontrolle) bezeichnete sie ihre Tätigkeit in Harvard, von der sie am liebsten schon nach einer Woche geflüchtet wäre, hätte es ihre finanzielle Situation zugelassen. Sie wollte frei und unabhängig forschen und denken, also hängte sie die akademische Karriere zunächst an den Nagel und jobbte, beispielsweise als Kellnerin, um sich dann in ihrer Freizeit mit Evolutionsbiologie und vielen anderen Themen zu beschäftigen.

Bruce Ames, ein Toxikologe mit einem Forschungslabor in Berkeley, wurde während einer seiner Vorlesungen auf Margie Profet aufmerksam. Profet, die zu dem Zeitpunkt schon längere Zeit nicht mehr inskribiert war, saß trotzdem im Hörsaal. Sie stellte so tiefgründige Fragen, dass er sie fragte, wer sie war. „Eine Kellnerin“, war die Antwort, mit der Ames nicht gerechnet hatte. Er verschaffte ihr einen Nebenjob als Bürogehilfin in seinem Labor. Doch schon bald bekam sie redaktionelle Arbeiten übertragen und arbeitete bei Publikationen mit. Ihr kritisches Denken und ihre Genauigkeit behielt sie dort bei. Der anerkannte Forscher Ames bot ihr bei einem seiner wissenschaftlichen Artikel an, sie als Co-Autorin zu nennen. Die meisten angehenden Forscherinnen hätten diese Ehrung gern angenommen, doch Margie Profet lehnte ab: Der Artikel würde ihren Ansprüchen nicht genügen und dafür wollte sie ihren Namen nicht hergeben [27]. So offen, freundlich und zuvorkommend sie ihren Mitmenschen anscheinend begegnete, so gnadenlos war sie auch, was ihre wissenschaftlichen Standards und Wertungen betraf. In einem Interview erklärte Profet einmal, dass sie kaum glauben konnte, dass man die Parasitentheorie tatsächlich ernst nahm, wäre sie doch „beyond silliness“ („unfassbar dumm“). Kein Wunder, dass sie unter Kollegen als exzentrisch galt.

Eine Zeit lang zog sie sich aufgrund einer Erkrankung aus der Öffentlichkeit zurück, was den Mythos ihres eigenwilligen Charakters noch verstärkte und Wind in den Segeln der Kritiker war: Ein weiterer Grund, ihre Thesen nicht ernst zu nehmen. Doch eine Person mit einem derart genialen Geist sollte man nicht unterschätzen und ich bin mir sicher, dass wir auf wissenschaftlicher Ebene noch von ihr hören werden. Der Evolutionsbiologie ist sie treu geblieben, aber ihre Forschungen haben sich auf Hautprobleme wie Akne konzentriert (sie hat sogar ein effizientes Mittel dagegen entwickelt).

In den letzten Jahren haben weitere Untersuchungen Margie Profets Toxin-Hypothese untermauert. Eine experimentelle Studie konnte 2013 belegen, dass bei Mäusen IgE-Antikörper bei der Eliminierung von Bienengift beteiligt sind [28].Verwendete man modifizierte Mäuse, bei denen die IgE-Antikörperbildung künstlich unterdrückt worden war, zeigte sich, dass diese im Vergleich zu „normalen“ Mäusen dem Bienentoxin schutzlos ausgeliefert waren. IgE-Antikörper stellen also tatsächlich eine Schutzfunktion gegen Gifte dar. Später konnte auch ein Schutz vor Schlangengift gezeigt werden: Mäuse, die durch früheren Kontakt IgE-Antikörper gegen das Schlangengift produziert hatten, überlebten anschließend eine eigentlich tödliche Dosis [29]. Sie waren quasi darauf schon vorbereitet, die Sensibilisierung darauf machte Sinn. Der Evolution geht es ja vor allem ums Überleben, da kann man Ausschlag oder Juckreiz in Kauf nehmen.

Auch Profets Behauptung, dass Allergien dazu dienen, krebserregende Stoffe aus dem Körper zu schleusen, hat im Laufe der Jahre wissenschaftliche Rückendeckung bekommen. Das Risiko einen Gehirntumor zu entwickeln ist für Allergiker viel geringer als für Personen, die an keiner Allergie leiden. Wenn man wieder einmal nicht gut Luft bekommt oder ein allergischer Ausschlag auftritt, kann man sich immerhin damit trösten. Zum Glück ist das Risiko, an einem Gehirntumor zu erkranken ohnehin gering, sodass es für den Einzelnen keinen großen Unterschied macht. Aber die Zahlen sind signifikant genug, um den von Profet postulierten Zusammenhang zu belegen [30].

Margie Profets Toxin-Hypothese gibt den Lehren vieler ganzheitlicher Behandlungsformen ein wissenschaftliches Fundament. In meiner Praxis konnte ich oft beobachten, dass sich bei Klienten, die ich bei der Entgiftung unterstützt habe, nebenbei auch die allergischen Symptome und Unverträglichkeiten besserten. Eigentlich ist Psychokinesiologie mein Schwerpunkt, doch war es interessant zu sehen, welche positiven Effekte allein durch Entgiftung erzielt werden konnten. Je mehr ich mich mit dem Thema Entgiftung beschäftigte, desto öfter stolperte ich über dieses Phänomen. Viele naturheilkundliche Verfahren sehen eine Entlastung des Körpers von Giften als Kernelement an: Ob es sich um Ayurveda, Homöopathie, Kinesiologie oder TCM handelt, der Begriff „Ausleitung“ kommt immer wieder vor, auch wenn er je nach Therapieform unterschiedlich interpretiert wird. All diesen Methoden bleibt aber die Absicht gemeinsam, den Körper wieder in Balance zu bringen, indem man ihm hilft, Gifte wieder loszuwerden und auszuscheiden. Man versucht also nicht, einen ohnehin überlasteten Körper mit Chemie & Co. vollzustopfen, sondern das Belastungsfass zu leeren. Führen wir uns vor Augen, welchen toxischen Belastungen wir heute ausgesetzt sind und wie sehr unsere Zellen noch durch andere Faktoren wie zum Beispiel Mobilfunkstrahlung unter Dauerbeschuss stehen, dann muten die heftigen Reaktionen des Körpers gar nicht mehr so seltsam an. Und die psychischen Faktoren haben wir bisher noch gar nicht berücksichtigt.

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