Kitabı oku: «Aus der Sicht der Fremden», sayfa 2

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Meine Schwester Toni war sehr ehrgeizig, sie hat mit dreizehn Jahren die englische Sprache schon verstanden. So konnte sie dem Bauern, bei dem wir damals in Bayern das kleine Zimmer gehabt hatten, bei der Forderung der Amerikaner nach Wein und Eiern behilflich sein. Diese waren nach der Ankunft im Dorf von einem Bauern zum anderen gegangen und hatten diese Produkte verlangt. Sie kamen mit einem Gewehr an der Brust, um den Leuten Angst zu machen, aber der Bauer verstand sie nicht. Später sind sie dann alleine in den Stall gegangen und haben die Eier roh getrunken.
Nach unserer Rückkehr nach Bielitz wollte meine Schwester unbedingt, dass ich Englisch lerne. Sie hatte mit siebzehn Jahren schon im Büro des Vaters als Zeichnerin gearbeitet. Jede Woche drückte sie mir fünf Zloty in die Hand und ich musste die Englischlehrerin in der Stadt aufsuchen. Ich bin aber nicht sprachbegabt, für mich war Englisch wie ein Gesang. Der Traum meiner Schwester war, dass wir uns auf Englisch unterhalten können, wenn wir erwachsen sind.
Im Jahre 1948 bot man auf dem Schloss in Bielitz einen Malkurs an und meine Schwester meldete sich dafür an. Sie wollte unbedingt daran teilnehmen. Der Professor, ein älterer Herr, kam aus Krakau und war Jude. Beim ersten Zusammenkommen der Teilnehmer wollte er die Interessierten erstmal testen. Er stellte verschiedene Gegenstände auf das Pult und jeder konnte sich einen aussuchen, den er malen würde. Da ein freies Thema auch erlaubt war, zeichnete meine Schwester ein schlafendes Kind. Sie zeichnete nur den Kopf mit lockigem Haar und die Hände. Als der Professor hinter Toni stand und das Kind betrachtete, sagte er leise, aber voller Wut: „Das Kind hat germanische Gesichtszüge!“ Die arme Toni war so tief getroffen, dass sie aufstand und schweigend den Saal verließ. Sie ist nie wieder zu dem Malkurs gegangen.
Tonis Zeichnung


Meine Schwester Toni im Alter von 60 Jahren, München 1991


Die Flüchtlinge. Ein Werk von Toni,das sie im Alter von 65 Jahren angefertigt hat.


***
Was unsere Gesundheit betraf, war der Krieg an uns Kindern doch nicht spurlos vorübergegangen. Ich habe nach dem Kriegsende am ganzen Körper große, braune Geschwüre bekommen, sogar hinter den Ohren. Gleich nach der Friedensproklamation ist meine Mutter mit mir nach München gefahren, um Hilfe zu suchen, obwohl sie noch nie in dieser Stadt gewesen war. Dort wurden wir von dem kaputten Tor des Bahnhofs empfangen und unser Zug konnte auf dem einzigen intakten Gleis einfahren. Alle anderen Gleise waren beschädigt, sie waren nach oben gekrümmt, was mich in Staunen versetzte, und jede Wand, jedes Gebäude wies Einschussspuren auf. Das Gesamtbild war für uns umso erschreckender, weil wir bis dahin die Folgen des Krieges, des Kampfes, in einer großen Stadt noch nie aus der Nähe gesehen hatten. Es war in meinem Alter von fünf Jahren überhaupt das erste Mal, dass ich so eine große Stadt sah. Alles kam mir unwahrscheinlich groß vor. Das breite Trottoir, auf dem kein Mensch zu sehen war, die breite und unendlich lange Straße, auf der kein Fahrzeug fuhr! Überall sah man nur Leere und in der Ferne die zahlreichen hohen und beschädigten Häuser. Der Bürgersteig an der breiten Doppelstraße schien kein Ende zu haben, aber meine Mutter, die mich an der Hand festhielt, ging einfach entschlossen weiter, bis wir bei einem großen Gebäude angekommen waren. Dieses war auch leer. Keinen Menschen haben wir darin gesehen. Wir haben viele Stockwerke mit langen Korridoren abgesucht, bis wir endlich eine Person angetroffen haben. Es war eine Krankenschwester in Zivil, die gerade von der anderen Seite des Flures hereingekommen war. Nachdem sie erfahren hatte, warum wir da waren, führte sie uns in ein kleines Zimmer, machte einen weißen, schmalen Schrank aus Glas auf und holte ein kleines Fläschchen mit einer grünen Flüssigkeit heraus. Mit dieser hat sie alle meine Geschwüre eingepinselt. Als wir das Krankenhaus verlassen hatten, stand wieder der lange Rückweg durch die Stadt bevor. Wir sind erschöpft am Bahnhof angekommen und mussten wieder lange warten, bis wir mit einem Zug nach Hause fahren konnten. Die einfache Behandlung wirkte nach einer kurzen Zeit, die Geschwüre sind verheilt und es sind nicht mal Narben zurückgeblieben.
***
Kurz vor Kriegsende, das war noch zu unserer Zeit in Bayern, sind meine beiden Brüder, damals sechs und elf Jahre alt, mit dem 16-jährigen Sohn eines Bauern mit einem Leiterwagen und einem Pferd hinaus auf eine Wiese gefahren.
Plötzlich hörten sie das Brummen von Motoren am Himmel, dicht gefolgt vom mechanischen Geräusch des Maschinengewehrfeuer. Vom Boden her donnerten auch plötzlich Geschütze und leuchtende Geschosse zischten in den Himmel, den Fliegern entgegen. In diesem Geschosshagel und Lärm standen die drei Buben völlig schutzlos, mitten auf der Wiese! Mein jüngerer Bruder Karl erlitt in diesem Augenblick einen Schock. Er fing an, sich wie in Trance um die eigene Achse zu drehen und lief plötzlich schreiend los. Dabei fiel er in einen nahe gelegenen Bewässerungsgraben. Er wurde mit großer Mühe von den beiden anderen Buben aus dem Graben gerettet. Ganz in der Nähe, am Rande der Wiese, war ein Schützengraben ausgehoben und mit Sandsäcken und Tarnnetzen befestigt worden. Von dort kamen der Geschützdonner und die leuchtenden Geschosse, die himmelwärts jagten. Die Soldaten in der Stellung entdeckten die drei Buben und winkten ihnen zu, damit sie nicht auf dem offenen Feld stehenblieben. Die drei Jungen in ihrer Angst und Panik nahmen jedoch nichts weiter wahr als den Lärm und die Gefahr um sich herum. Letztendlich entdeckte einer von ihnen die winkenden Soldaten und sie liefen auf die Gräben zu. Dank der Hilfe der Soldaten überlebten alle den Angriff.
Das erlebte Trauma löste bei meinem jüngsten Bruder Herzbeschwerden aus. Er musste sein ganzes Leben lang Herzmedikamente einnehmen. Nachdem wir nach dem Krieg wieder in Bielitz angekommen waren, wurde er eines Morgens bewusstlos. Er kam in die Küche und kippte plötzlich um. Karl und ich haben jahrelang jede Nacht im Schlaf geschrien. Ich erinnere mich, wie mein Bruder noch mit 16 Jahren so unruhig geschlafen hat, dass er jede Nacht aus dem Bett fiel. Ich musste in der Früh durch sein Zimmer gehen und fand ihn meist auf dem Boden schlafend. Was mich persönlich betrifft, so wachte ich bis in meine Dreißigerjahre hinein nachts oft noch mit Geschrei auf.
Mein Bruder Karl im Alter von 16 Jahren, Swiebodzin 1955


Kurz nach unserer Rückkehr nach Bielitz erkrankte mein älterer Bruder schwer. Meine Eltern ließen sofort einen Arzt namens Dulawa rufen, der in der Stadt schon vor dem Krieg sehr bekannt und hochgeschätzt war. Er war immer zu meinen erkrankten Geschwistern gerufen worden. Der Arzt war Jude und hatte glücklicherweise den Krieg überlebt. Trotz seiner direkten Art mit Menschen umzugehen, war er in der Stadt beliebt.
Doktor Dulawa konnte auch diesmal meinem Bruder helfen und nach der Heilung war es ihm sogar gelungen, ihn durch seine alten Verbindungen in einem Sanatorium unterzubringen. Dort ging seine Genesung schnell voran und mein Bruder schoss förmlich in die Höhe.
Jetzt nach dem Krieg haben meine Eltern den Arzt oft eingeladen, um über das Erlebte im Krieg zu sprechen. Während eines Besuches beklagte sich meine Mutter, dass wir im Krieg alles verloren haben. Damit meinte sie die Firma meines Vaters und unseren ganzen Besitz …
Der Arzt erwiderte sichtlich mit sich ringend;
– Was sagst du da …?
– Alles verloren?
– Nichts hast du verloren! Du hast deinen Mann und alle deine Kinder behalten!
– Ich habe alles verloren!
– Meine ganze Familie wurde in Auschwitz umgebracht! Nur ich habe überlebt …


Das Haus in der Mackensenstraße 11
Nach unserer Rückkehr in das Haus in der Mackensenstraße haben wir dort kein einziges bekanntes Gesicht angetroffen. Nur die polnische Hausmeisterfamilie, die vor dem Krieg und währenddessen im Haus gewohnt hatte, war noch da. Die ersten Tage nach unserer Rückkehr haben wir beim Vater unserer Mutter verbracht, der uns in der Not aufgenommen hat. Nachdem wir die Zuteilung in die Wohnung bekommen hatten, haben wir jeden Tag unsere Habseligkeiten auf einem kleinen Zweiräderwagen dorthin gefahren. Ich erinnere mich noch genau an unsere erste Begegnung im Haus. Die Hausmeisterin hatte gerade das Trottoir vor dem Anwesen gekehrt und als sie uns erblickte, war sie erschrocken und schleunigst verschwunden. Sie bekam Angst, weil sie mit der Plünderung unserer Wohnung zu tun gehabt hatte.
Die alte Betonbrücke in der Nähe des Hauses Nummer 11,
die 1902 erbaut und 1945 von den Nazis in die Luft gesprengt wurde


Meine Eltern haben aber die beiden Hausmeister nie darauf angesprochen. Später, als meine Mutter eine Nachbarin aus dem Haus in der Stadt traf, erfuhr sie von dieser, dass der Hausmeister zusammen mit seinem Schwiegersohn das Piano unserer Mutter nach unserer Flucht aus der Wohnung abtransportiert hatte.
Kinder aus dem Haus Kosciuszki-Straße 11, Bielitz 1950


Das Bild zeigt Kinder, die den Krieg überlebt haben, aber aus einer ganz anderen Region Polens nach Bielitz kamen. Das größte ist mein Bruder Fritz. Direkt vor ihm steht mein Bruder Karl, das Mädchen davor bin ich.
***
Nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte und die Polen an die Macht kamen, waren die Deutschen in der Stadt nicht gern gesehen. Die Atmosphäre in der Stadt hatte sich total verändert. Als wir nach Bielitz zurückgekommen waren, hatte sich mein Vater sofort bei der polnischen Polizei gemeldet, obwohl ihm die politische Lage bewusst war. Die Polizisten haben nicht schlecht gestaunt, als sie einen Deutschen vor sich stehen sahen. Sie konnten seinen Namen nicht lesen, nicht aufschreiben, und nicht begreifen, dass er sich traute, in die Stadt zurückzukehren. Obwohl mein Vater kein perfektes Polnisch sprach, konnte er sich mit ihnen verständigen, und er nannte ihnen einige Polen, mit denen er vor dem Krieg zusammengearbeitet hatte. Mein Vater war ja wegen der Gießerei genauso in der Stadt bekannt wie sein Vater, und beide haben einen guten Ruf in der Stadt genossen. Darauf baute mein Vater jetzt, und er wartete, bis die polnischen Polizisten die genannten Personen aufgesucht und befragt hatten. Einige von ihnen, die meinen Vater näher kannten, haben sogar bestätigt, dass die Nazis meinem Vater seine Firma weggenommen hatten, weil er nicht in die Hitlerpartei hatte eintreten wollen. Nachdem sie die Bestätigung dafür hatten, dass mein Vater sich nichts zu Schulden hatte kommen lassen, ein guter Vorgesetzter und während des Krieges parteilos geblieben war, haben sie ihn gehen lassen und er kam an diesem Tag beruhigt nach Hause zurück. Er war sichtlich erleichtert.
Wenige Tage darauf wurde mein Vater benachrichtigt, dass er sich beim Geheimdienst melden sollte. Vor diesem Termin hatte mein Vater aber große Angst, da in der Stadt Gerüchte umgingen, dass die Befragungen dort mit Schlägen und Folter einhergingen. Im Nachhinein waren die Sorgen, zumindest für ihn, unbegründet geblieben. Er kehrte nach dem Termin auch wohlbehalten nach Hause zurück. Das Wichtigste nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt war also erledigt.
***
Die Eltern meines Vaters hatten insgesamt sechs Kinder gehabt. Die drei ältesten haben sie verloren, sie waren an Keuchhusten erkrankt und da es Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts kein Mittel dagegen gab, sind alle drei in kurzen Abständen gestorben. Danach kamen mein Vater Friedrich, geb. 1903, sein Bruder Viktor, geb. 1905, und seine Schwester Hedwig, geb. 1911, zur Welt, alle in Bielitz.
Nach unserer Rückkehr aus Bayern holte unser Vater seine Mutter zu uns. Sie war sehr verändert, schweigsam und in sich gekehrt. Ich ließ sie aber nicht in Ruhe, ich wollte so viel von ihr erfahren. Und eines Tages hatte ich sie so weit und sie fing an zu erzählen, dass mein Vater mit fünf Jahren schon Bücher gelesen hat, bevor er in der Früh zur Schule ging. Ich erfuhr auch, dass er in der Grundschule zweimal eine Klasse übersprungen hat. Den Krieg erwähnte sie mit keinem Wort. Nachher hatte mein Vater die Gewerbeschule in Bielitz besucht, aber das wusste ich schon von ihm selbst. Dort hat er die Examina zum Abschluß der Gewerbeschule bestanden und aufgrund seiner Jugend, schickte ihn sein Vater in die Schweiz, wo er bei Christiansen studierte und den Titel Maschinenbauingenieur erwarb.
Die Gewerbeschule in Bielitz


Mein Großvater hat gut für seine beiden Söhne gesorgt. Der Bruder meines Vaters, Viktor, hat in Wien studiert und wurde Förster in Jankowitz bei Pleß in Oberschlesien. Er war ein sehr naturverbundener Mensch, der sich keinen anderen Beruf vorstellen konnte. Nach seinem Studium wurde er Angestellter des Fürsten von Pleß, der ihm sein Reservat mit Auerochsen in Jankowitz anvertraute. Meine Kindheitserinnerungen sind stark mit dem einzigen Onkel verbunden. Wir Stadtkinder hatten in der Kriegszeit die Ferien an Ostern und Weihnachten, jedes Jahr in Jankowitz bei Onkel Viktor und Tante Hilda verbracht. Sie hatten drei Kinder, Lydia, Ruth und Otto. Wir fuhren immer mit dem Zug von Bielitz nach Pleß und am Bahnhof wartete bereits der Knecht unseres Onkels auf uns. Im Sommer ist er mit einer großen Kutsche mit zwei eingespannten Pferden gekommen und im Winter mit einem großen Schlitten. Er versorgte uns mit Lammpelzen, damit uns während der Fahrt nicht zu kalt wurde. Der Weg in die Försterei führte uns durch den verschneiten Wald in das Paradies des Onkels. Das war eine besondere Fahrt, ein Erlebnis, das mich sehr beeindruckte, und das Klingeln der Glöckchen an den Pferdeköpfen empfand ich immer wie eine Melodie, die mich träumen ließ.
Was ich auch nicht vergessen habe, sind die beeindruckenden, langen Spaziergänge im Sommer durch den schattigen, geheimnisvollen Wald, in dem uns das Jubilieren der Vögel entzückte. Dabei waren immer die beiden Dackelhunde Susi und Atti, die wir Kinder so liebten.
Mein Onkel Viktor,
geb. 1905


Mein Vater Friedrich,
geb. 1903


Nachdem sich mein Vater nach unserer Rückkehr aus Bayern bei den polnischen Behörden in Bielitz gemeldet hatte, fuhr er nach Jankowitz zu seinem Bruder Viktor. In der Försterei fand er aber einen neuen Förster vor. Mit einem schrecklichen Gefühl im Herzen fuhr er sofort weiter nach Teschen, um die Frau seines Bruders aufzusuchen. Er traf sie tatsächlich mit den Kindern bei ihrer Mutter, bei der sie Zuflucht gesucht hatte. Hier erfuhr er von unserer Tante Hilda die schreckliche Wahrheit. Die Russen hatten seinen Bruder verhaftet und in die Gefangenschaft nach Russland verschleppt! Unserer Tante blieb nichts erspart. Im Sommer des Jahres 1947 hatte sie ihre ältere Tochter Lydia durch einen Blitzschlag verloren. Sie hatte gerade die Grundschule als Klassenbeste absolviert und alle Klassen der Schule waren zur Beisetzung gekommen.
Viele Monate später sind einige Gefangene aus Russland zurückgekommen, darunter auch jemand aus Jankowitz. Er behauptete, dass er bei meinem Onkel war, als dieser gestorben war. Die Umstände der Gefangenschaft hätte er sehr schlecht ertragen und sehr unter der Sehnsucht nach seiner Familie gelitten. Unsere Tante konnte sich mit den Nachrichten nicht abfinden und wartete noch jahrelang auf seine Rückkehr. Tatsache ist, dass seine Kinder ihren liebevollen Vater verloren hatten, wir den besten Onkel, den man sich vorstellen kann und unser Vater seinen einzigen Bruder.
Der Krieg hatte alles zerstört! Und es gab keine schönen Aufenthalte im Wald mehr. Wir mussten uns mit dem schmerzhaften Verlust ebenso wie mit den Kriegserlebnissen abfinden. Der Schmerz ist geblieben, aber auch die schönen Kindheitserinnerungen an das Paradies im Wald bei Pleß. Die wenigen Fotos aus der Zeit, die wir bei Onkel Viktor verbracht haben, sind uns Kindern nach dem Krieg und dem Verlust des Onkels sehr wichtig geworden. Sie haben plötzlich eine besondere Bedeutung für uns bekommen. Hier ein paar Bilder aus der glücklichen Zeit, die wir trotz Krieg bei Onkel Viktor erleben durften.
Die Auerochsen im Reservat Jankowitz bei Pleß


Die Mutter meines Vaters, Maria O., geb. am 28. 09. 1878 in Teschen, mit ihrem
Sohn Viktor und seinen Kindern Ruth und Otto. Ein Bild aus den letzten gemeinsamen
Sommerferien in seiner Försterei in Jankowitz. Kurz darauf ist meine Familie
vor der russischen Armee geflüchtet.


Otto bei der Jagd


Der Abschied – Fritz und Otto


Die letzten Ferien in Jankowitz, Sommer 1943


Der Abschied, Sommer 1943. Meine Eltern und alle sieben Kinder,
Toni, Lydia, Ruth, Fritz, Karl, Otto und Maria.


***
Nach unserer Rückkehr dauerte es nicht lange und unser Vater wurde von der Zentralregierung Polens nach Warschau eingeladen. Nach der Anmeldung und einem sachlichen, kurzen Gespräch wurde er gebeten, sich beim Industrieministerium zu melden. Ab diesem Zeitpunkt war mein Vater kein freier Mensch mehr. Er erhielt den Auftrag, die durch den Krieg zerstörte industrielle Infrastruktur wieder aufzubauen. Zu diesem Zweck hatte man das Büro für Wiederaufbau gegründet, welches mein Vater leiten sollte. Man gab ihm noch drei Ingenieure als Mitarbeiter. Hauptthemen waren zunächst die zwei Häfen an der Ostsee und deren Wiederaufbau. Anschließend sollten die Hütten und Gruben in Schlesien wieder in Betrieb genommen werden. Im Laufe der folgenden Jahre musste mein Vater die zerstörten Fabriken und Betriebe in verschiedenen polnischen Städten wiederaufbauen lassen und das Ganze beaufsichtigen. Das Ministerium, dem er jetzt unmittelbar untergeordnet war, schickte ihn durch ganz Polen, von einer Stadt zur nächsten, und schließlich mussten wir 1953 Bielitz verlassen und nach Breslau umziehen. Mein Vater war ein guter Organisator, er arbeitete effizient und schnell. Innerhalb von zwei Jahren konnten alle Fabriken in Breslau wieder in Betrieb genommen werden. Mein Vater arbeitete schon ein Jahr in Breslau, als er unsere Familie nachkommen ließ. Ein Jahr konnten wir dort gemeinsam mit unserem Vater verbringen, danach wurde er schon in die nächste Stadt, nach Swiebodzin bei Posen abkommandiert. Beim Umzug nach Breslau waren meine älteren Geschwister Toni und Fritz schon außer Haus, ich war vierzehn und Karl fünfzehneinhalb Jahre alt, als wir nach Breslau umziehen mussten.
Das Team für den Wiederaufbau Polens (links mein Vater mit 44 Jahren)


Im Jahre 1954 bekamen wir eines Nachmittags einen unerwarteten Besuch in Breslau. Er hatte uns alle nicht nur überrascht, er war auch ungewöhnlich. Es klingelte. Ich eilte neugierig zur Tür und machte auf. Vor mir standen zwei Polizisten, die nach meinem Vater verlangten. Ich rief ihn, er kam schnell dazu, und als er die beiden erblickte, bat er sie gleich ins Wohnzimmer, ohne eine einzige Frage zu stellen. Mein Bruder Karl und ich saßen zusammen mit der Mutter in der Küche und warteten gespannt und ungeduldig auf Vater. Das Gespräch dauerte lange, und als die Polizisten endlich unsere Wohnung verließen, atmeten wir erleichtert auf. Unser Vater kam dann langsam in die Küche, in der die Mutter schon mit dem Abendbrot auf ihn wartete. Er war erregt und nachdenklich, er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Schließlich sagte er leise: „Sie haben von mir verlangt, dass ich meinen deutschen Namen aufgebe. Sie wollten auch, dass ich in die polnische Partei eintrete.“ Vater war noch fassungslos und versuchte, sich zu beruhigen. Wir alle waren verblüfft und warteten mit Spannung, wie das Gespräch ausgegangen war. Unser Vater hatte dieses nach längerem Ringen mit einer Frage beendet. Diese hatte gelautet: „Was ist Ihnen lieber? Ein Mensch, der nichts auf die Reihe kriegt, aber ein Parteigenosse ist, oder ein parteiloser, aber ehrlicher Mensch, der arbeiten kann?“ Die Polizisten hatten nichts erreicht und waren gegangen. Mein Vater hatte weder seinen Namen aufgegeben noch war er in die polnische Partei eingetreten.

Türler ve etiketler

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Litres'teki yayın tarihi:
26 mayıs 2021
Hacim:
588 s. 247 illüstrasyon
ISBN:
9783958408418
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