Kitabı oku: «Apostasie», sayfa 3
Seine Freunde hätten sich bis zur Ratlosigkeit lustig über ihn gemacht. Sie wären überzeugt gewesen, dass er sich amüsierte, in einen Ort des Gebets Chaos zu bringen. Um ehrlich zu sein, hatte er keine Lust, mit der Unerfahrenheit und Schüchternheit jener Frauen zu spielen, die dem Zölibat bestimmt sind. Er fühlte sich aber nicht unwohl, wie Jacopo behauptet hat.
Es war eigenartig, das stimmt, aber nicht auf diese Art eigenartig.
„Gute Nacht!“, sagte der Mitbewohner als er sein Schweigen vernahm.
„ Buenas noches!“, antwortete José, dessen Gedanken woanders waren.
„ Sie sind nett und hilfsbereit“, hatte Jacopo gesagt, „nicht alle, um ehrlich zu sein.“
Hermosa.
Sein Verstand rief erneut dieses unpassende Adjektiv auf, während er an Nonnen dachte, vor allem an eine Nonne.
Ja, sie war die Netteste von allen. Ihr einfaches Lächeln zeigte wie liebenswert und entzückend sie ist, sowie hermosa und bildhübsch.
Er schüttelte den Kopf, um den dummen Gedanken zu vertreiben und drehte sich zur Wand, um zu schlafen.
Während José einschlief und an das Gesicht von Chiara dachte, war die junge Ordensschwester nach dem Abendgebet in der Gruppe in ihr Zimmer zurückgekehrt.
Sie zog sich ihr Nonnengewand aus und ein züchtiges Nachthemd an. Dann löste sie den Zopf, der ihre schulterlangen Haare zusammenband und legte sich in ihr weißes Bett.
Sie schaute an die steinerne, kahle Decke und dachte, wie sonderbar dieser Tag gewesen war, obwohl nichts Unübliches geschehen war. Warum fühlte sie sich derart emotionsvoll?
‚ Wegen was?‘, fragte sich Chiara. ‚ Im Grunde haben ich die gleichen Dinge wie alle anderen Tage auch getan. Nichts mehr und nichts weniger.‘
Es musste der Frühling sein. Sie liebte diese Saison und fühlte sich immer ausgezeichnet. Dies erklärt sicher diese seltsame Euphorie.
„ ¿Son perfumadas?”, die Stimme des jungen Spaniers hallte noch im Kopf von Chiara und ertappte sie unvorbereitet bei der Intensität dieser Erinnerung.
Chiara stand abrupt auf, ging zum kleinen Spiegel an der Wand und betrachtete ihr Gesicht, das ihr pochte und glühte.
‚ Sicherlich habe ich Fieber‘, dachte sie sich. Sie nahm den Krug, der auf der Kommode unter dem Spiegel stand. Am Waschbecken befeuchtete sie ihre Hände und legte sie auf ihr Gesicht. Sie waren angenehm und erfrischend. Ihre Wangen nahmen allmählich ihre natürliche Farbe an.
Sie ging zurück ins Bett, drehte sich auf die Seite und rollte sich unter die dünne Decke. Mit großen Augen starrte sie in die Dunkelheit des Zimmers und betrachtete jeden Schatten.
An diesem Abend atmete Chiara zum ersten Mal mit neuer Zuversicht und andersartig, was für die junge Nonne noch schwer zu verstehen war.
siete
„Chiara, es ist spät!“
„O, du meine Güte!“ sagte sie erschrocken als sie aufwachte.
„Wie spät ist es, Claudia?“
„Es ist kurz vor sechs!“ Die dicke Holztür dämpfte die Stimme ihrer Freundin, die hektischer als gewöhnlich war.
„Schläfst du noch? Beeile dich, sie warten mit den Morgengebeten auf uns!“
Chiara stieg eilig aus dem Bett. Sie hastete zum kleinen Ankleideraum, der mit dem Zimmer verbunden war und in dem sich das Nötige befand, um sich zu waschen und zu kämmen. Schließlich beeilte sie sich, ihr Nonnengewand anzuziehen.
Sie eilte hinaus und steuerte auf die angrenzende Kapelle zu. Wieder hielt sie sich wie gewohnt mit der Hand an den Kopf, damit das Kopftuch beim Rennen nicht wegrutschte.
Zum Glück bemerkte keine Ordensschwester ihre Beinahe-Verspätung und das Murmeln der Litaneien dämpfte das keuchende Atmen der jungen Nonne.
An diesem Morgen bemerkte Chiara ihr Nicht -Beten: Zum ersten Mal waren ihre Gedanken woanders, während sie die liturgischen Worte auswendig vor sich hin murmelte. Zum Vater-Unser und zum Ave Maria fantasierten die Gedanken von Chiara über das, was sie an diesem Tag machen wird.
Zuerst wird sie mit Claudia hinter die Kirche gehen, um den Gemüsegarten zu bearbeiten (die größeren Felder bewirtschafteten die Helfer). Anschließend würde sie in der Schule eine Stunde Geschichte und Erdkunde in zwei Klassen unterrichten.
Anschließend wird zum Angelusgebet geläutet: Danach wird sie in die Kantine gehen, um den Schülern, Armen und Arbeitern das Mittagessen zu servieren. Im Anschluss wird sie mit den anderen Ordensschwestern essen und sich mit ihnen zum Gebet vereinen.
Am Nachmittag wird sie ins Waisenhaus des Dorfes gehen, um den anderen Nonnen zu helfen und dann ... Das war es, was sie an diesem Mai-Morgen neugierig machte.
Nach dem Waisenhaus, von vier bis fünf Uhr, würde sie sich, wie es ihr die Äbtissin aufgetragen hatte, zur südlichen Bibliothek begeben, um José Velasco in Italienisch zu unterrichten.
Chiara war froh über diese Aufgabe: Es ist schön, Menschen in Not zu helfen, wiederholte sie sich. Es müsse schrecklich sein, sich in einem neuen Land zu befinden, allein und vor allem ohne die Sprache zu beherrschen. Um ehrlich zu sein, benötigte dieser junge Mann im Italienischen nicht viel Hilfe.
‚ Ja, aus diesem Grund habe ich mich entschieden, einen religiösen Weg zu gehen: um anderen zu helfen und das bereitet mir Freude.‘
Irgendetwas in ihr sagte ihr aber, dass die Freude in diesem Fall nicht nur aus Nächstenliebe sondern aus persönlicher Vorliebe bestand.
Wie dem auch sei, eine Nonne durfte nicht an das Eigeninteresse denken.
An diesem Morgen war es für José schwieriger als gewöhnlich, aus dem Bett aufzustehen.
Nicht, dass er es nicht gewohnt war, früh aufzustehen: Auf den Schiffen war er anstrengende Schichten gewohnt. Er hatte gehofft, sich während der Reise auszuruhen, stattdessen musste er hier arbeiten.
Er stand somit widerwillig auf und nach der Dusche ging er zur Kantine, um zu frühstücken und suchte vergebens den Blick der freundlichen Schwester Chiara. Offenbar gehörte es nicht zu ihren Aufgaben, den Armen das Frühstück zu servieren. Aber das machte nichts, er würde sie am Nachmittag sehen.
Es freute ihn, sie zu treffen. Sie war die Sympathischste sowie Schönste im Kloster. Es reizte ihn, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Es machte aber keinen Sinn: Sie war eine Nonne. No-n-ne.
Mon-ja. No-n-ne.
Nach dem Frühstück folgte er den anderen Arbeitern und arbeitete auf den Feldern im kirchlichen Eigentum im Tausch gegen eine Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf. Den Boden zu bearbeiten war anstrengend. Es konnte aber auch entspannend sein und Spannungen abbauen. Dabei macht er sich Gedanken zu den Nachforschungen, die er durchführen musste, und wie sein Vorgehen aussah. Da er nahe am Ziel war, nahm er sich vor, keine Fehler zu machen.
Um zwölf Uhr wurde zum Angelusgebet geläutet und er setzte sich mit seinen Gefährten in den Schatten einiger Bäume. Sie aßen das von einer Gruppe Frauen gebrachte Mittagessen.
José war ein charmanter, junger Mann und befand sich somit im Rampenlicht. Die Frauen betrachteten ihn mit hingebungsvollen Augen, fasziniert von diesen hübschen, jungen, gebräunten Mann, dieses Detail machte ihn noch attraktiver.
Er fand sie hingegen berechenbar, langweilig und einfach. José war sich seiner Attraktivität bewusst, die er auf viele Frauen hatte. Er versuchte diese Eigenschaft mit einem kumpelhaften Lächeln zu maskieren, um sie sich zu seinem Gunsten zu bewahren, falls er sie später für einen Gefallen brauchte.
„Mein lieber Mann, bist du der neue Liebesgott?“, machte sich Jacopo über ihn lustig. Er setzte sich neben ihn, während sich die kleine Frauengruppe entfernte und sich des Öfteren eine Frau umdrehte, um nach José zu schielen.
„ ¿Entonces ?“, fragte er, während er auf einem Stück Brot kaute.
„Sprich Italienisch, mein Freund, ich kann dich nicht verstehen.“
„I ch kann nicht bien Italienisch, Jacopo, por eso habe ich Unterricht!“
„Du kannst die Ordensschwestern täuschen, mich nicht. Gib zu, dass der Unterricht eine Ausrede ist.“
Der Spanier runzelte für einen Moment die Stirn und fürchtete, entdeckt zu sein.
„ Na komm, gib es zu!“ Jacopo füllte ein Glas Wein und reichte es ihm. „Du gehst zum Unterricht, um eine Stunde Arbeit zu schinden! Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es Schönauge, die dich unterrichtet, das muss angenehm sein.“
Die Schultern von José fielen herab und entspannten sich. Jacopo hatte ihn nicht hinterschaut.
„ ¿Ojos lindos? “, fragte er.
„Schwester Chiara, die Hübsche. Viele nennen sie so, weil sie so eigenartige Augen hat und ebenso bezaubernde.“
Wunderschöne , wollte José erwidern, schwieg aber.
„ Tú eres ein kluger Kerl, Jacopo. Pero yo realmente tengo que ...“ , er hielt inne, um den Satz zu übersetzen, oder tat zumindest so. „ Ich brauche algunas Unterricht.“
„Vielleicht ist es so“, schloss Jacopo und zuckte gedankenlos die Schultern. „Was hast du mich gefragt als du sagtest: ‚ Entonces‘ ?“
„Ich sagte: ‚Ja und?‘ Warum sollte ich der neue Dios del Amor sein? “
„Sei nicht bescheiden, José!“, erwiderte er und nahm sich ein Stück Käse. „Die italienischen Frauen lieben die Spanier und Ausländer. Sag mir nicht, dass du das nicht bemerkt hast“, er wies auf die vielen Speisen vor José, welcher amüsiert kicherte. „Genau, du hast es bemerkt und reitest auf dieser Welle, mein Freund. Du machst es richtig. Ich stimme dir zu. Welche hast du im Auge?“
„Was?“
„Mit welcher wirst du es versuchen, fragte ich.“
„Du meinst, ob ich eine Frau cortejar werde?“
„Umwerben, anbaggern oder wie du es nennen magst.“
José lächelte. „Nein, im Moment habe ich no tiempo für eine Beziehung.“
„Wer redet denn von einem ernsthaften Verhätnis? Ich sprach von einer Gelegenheitsbeziehung, ohne Verpflichtungen noch Probleme.“
José schüttelte belustigt den Kopf.
„Jacopo, hast du vergessen, dass wir in einem convento wohnen?“
„Technisch gesehen, leben wir außerhalb der Mauern des Klosters.“
Mit dieser Klarstellung des übermütigen Italieners fingen die beiden jungen Männer an, vergnügt zu lachen.
„In Spanien sagen wir tengo que llevarte la corriente , ich muss dir Recht geben“, erklärte José nachdem er einen Schluck Wein verköstigt hatte. „Jacopo, abgesehen vom Kloster, tú sabes que eine Gelegenheitsbeziehung, wie wie du sie nennst, zu problemas führen kann: Frauen sind immer eine Quelle für Probleme. Es ist besser, wenn ich mich für eine Weile vom sexo débil entfernt halte .“
„Gesegnet seist du, der es schafft“, schloss Jacopo das Gespräch. Jacopo richtete sich auf, um zu einem Mädchen zu gehen, das ihm in diesem Moment von weitem gewinkt hatte.
Alleine zurückgeblieben, leerte José sein Weinglas und aß weiter, dann legte er sich hin, um sich auszuruhen. Die Sonne schien warm, aber angenehm warm. Die Luft war kühl und die Bienen flogen von Blume zu Blume, um Pollen zu sammeln und zu verteilen. Sie füllten die Luft mit einem frühlingshaften Summen. Das Land war auf jeden Fall anders als das Meer. Er hatte beinahe vergessen, dass es wertvolle Gaben barg, welche die Menschen kaum wahrnahmen.
Er dachte eine Zeit lang an die Natur und die Welt. Schließlich wanderten seine Gedanken einen Schritt zurück zu den Worten von Jacopo über die Frauen, die ihn vergötterten.
Ja, er hatte keine Zeit für eine Beziehung. Eine wenig erzwungene Keuschheit zu überleben, war sicher keine Tragödie. Dadurch würde er sich von lästigen Problemen fern halten, die in entzückenden Röcken gekleidet waren. Sie entstanden immer dann, wenn er sich in die Arme von einer Pandemia und Eros warf.
Vielleicht war er aus diesem Grund froh, mit dem Mädchen mit den bezaubernden Augen die Zeit zu verbringen. Obwohl sie nett und hermosa war, blieb sie stets eine Nonne und würde sich als solche nicht in ihn vergucken.
Genauso wie er sich nicht in eine Frau wie sie verliebt.
Wie behaglich sind die Zuverlässigkeiten des Lebens: Sie verleihen dir Stärke und Sicherheit - zumindest für einen Augenblick.
* * *
José sah auf die Uhr: Es war drei Uhr vierzig nachmittags, so dass er sich den Rucksack aufsetzte und in Richtung Kloster ging, wo er den Italienischunterricht besuchen würde.
Er mochte Sprachen, um in der Lage zu sein, mit anderen Menschen mit den richtigen Worten zu kommunizieren. Jemand anderes an seiner Stelle hätte es als verschwendete Zeit betrachtet, ihm hingegen gefiel es. Obwohl er ein gutes italienisches Basiswissen hatte (ein Detail, das der verdrießlichen Nonne nicht entgangen war), wollte er sich das Verbessern seiner Aussprache und die kostenlose Spracherweiterung nicht entgehen lassen.
Sobald er in den Hof des Klosters kam, wurde ihm bewusst, dass er nicht wusste, wo die Bibliothek war. Das Institut war ausgesprochen groß. Für jemanden wie ihm, der wenig gläubig war und im Grunde nie in einem Kloster gewesen war, glich es einem Labyrinth.
Er ging nach links, nach rechts und hielt eine Nonne an, um nach der Lage des Raums zu fragen. In jenem Moment zeigte ihm jemand anderes unbeabsichtigt den Weg.
Ohne seine Gegenwart zu bemerken, sah er Chiara aus einer Tür herauskommen, während sie sich ein paar große Bücher an die Brust gedrückt hielt. Er lief ihr hinterher, als sie nach rechts bog, wahrscheinlich in die Bibliothek.
Er hielt ein Abstand, da er nicht wollte, dass sie sich nachgeschlichen fühlte. Schließlich folgte er ihrem Schatten und beobachtete sie auf diese Weise aus der Ferne.
Sie bewegte sich ausgesprochen elegant trotz ihres Nonnengewands. Es war fesselnd, ihrer Unschuld als Nonne zuzusehen, im völligen Widerspruch zu ihrer verführerischen Weiblichkeit.
Unterdessen beobachtete nicht weit entfernt Schwester Costanza José, wie er seinerseits Chiara beobachte. Sie rümpfte die Nase und war empört. Sie war überzeugt, dass ein Kloster nicht von einem verführerischen Mann besucht werden sollte (welch gotteslästerliches Adjektiv), wie es jener Spanier war.
José fühlte sich auf einmal eigenartig, ohne den Grund zu kennen. A ls er in das Zimmer voller Bücher kam, sah er Chiara an einem Tisch in der Mitte des Raumes sitzen. Für ein paar Sekunden hielt er den Atem an und das verärgerte ihn. Verlegen schüttelte er den Kopf und näherte sich der Nonne, die in den Büchern blätterte.
„ Buenas tardes, se ñ orita “ , grüßte er als er sich ihr gegenüber setzte. Kaum hörte sie seine Worte, lächelte sie.
Donnerwetter, war Chiara hübsch!
„Zuallererst ist es nicht richtig, eine Nonne se ñ orita zu nennen.“ Ihre Stimme war weich, nicht beleidigt und völlig anders als jene von Schwester Costanza oder der Oberin. „Reden Sie nicht die anderen Ordensschwestern damit an oder sie könnten sie verärgern!“
Chiaras Gesicht zeigte einen Ausdruck der Freude bei dem Gedanken an die Äbtissin, hätte sie gehört, dass José die anderen Nonnen des Klosters se ñ orita nannte. Ihr missfiel se ñ ora , geschweige denn diese Art von Koseform.
José ahnte sofort, was Chiaras lebhaften Gedanken waren und lächelte seinerseits.
„ No puedo imaginar was podría decir la Abadesa si me hört ...“, berichtigte er sich, „wenn sie mir hören ...“
„Wenn sie mich hören würde“, half ihm Chiara ohne ihren heiteren Gesichtsausdruck zu verlieren.
„Wenn sie mich hören würde“, wiederholte er.
José betrachtete sie für ein paar Sekunden und Chiara hielt mit Mühe seinem Blick stand. „José ist also Ihr Name, richtig? Verstehen Sie mich, wenn ich Italienisch spreche?“ Der Ton von Chiara ist vertrauter geworden, bereit für den Unterricht, zu dem sie sich vorbereitet hatte.
„Ja, compriendo bien Italienisch, pero beim Sprechen tue ich mich schwer, sin die beiden Sprachen mezclar.“ Er hob die Schultern, als wenn er es nicht verhindern könnte, das Spanische mit dem Italienischen zu mischen.
„Dafür sind wir hier“, begann Chiara, öffnete ein Buch und legte es ihrem ausländischen Schüler hin.
Chiara begann mit Hilfe des Buches und Josés schnellen Auffassungsgabe, Grammatik zu erklären. Die erste Stunde sollte José helfen, seine Sprachkenntnisse schnell zu verbessern, zumal sich die beiden Sprachen ähnelten.
Chiara war erstaunt: Sie wusste nicht, dass José ein Seemann war und im Laufe seiner Karriere mit Menschen verschiedener Sprachen zu tun hatte, einschließlich Italienern. Sie konnte somit nicht wissen, dass sein Geist für seine Muttersprache des Bella Italia empfänglich war. Sie dachte, er wäre ein einfacher Mann, der allein und hilflos in einem neuen Land Arbeit suchte und dass er Hilfe benötigte.
Zweifellos hatte José noch viel zu lernen. Wahr ist, dass er sich in einem fremden Land befand, allerdings war es nicht Arbeit, die er suchte.
„ Cuántos bist du alt?“, fragte er am Ende des Unterrichts.
„Es heißt Wie alt bist du?“, korrigierte ihn Chiara.
„Also ... Wie alt bist du? Ist das r
„Richtig. Ich bin 28 Jahre alt und Sie Herr Velasco?“
José runzelte die Stirn.
„Kannst du mich nicht tutearme?“
Chiara erglühte. Sie wusste selbst nicht, warum sie ihn beharrlich mit ‚Sie‘ anredete. Seine nussbraunen Augen musterten sie fragend, was sie noch mehr verwirrte.
Sie war überzeugt davon, dass Gottes Hand herrliche Dinge schuf und der Teufel Chaos in die Welt brachte. Nie zuvor hatte sie jemand Attraktiveres gesehen.
Die Welt war vielfältig: Wenn Gott einer Person keine Anmut schenkte, kompensiert Güte und macht jede Person ungeachtet des Aussehens attraktiv. Obwohl Chiara wenig die Facetten der Außenwelt kannte, wusste sie, dass hässliche (moralisch böse) Personen existierten und zum Bösen gehörten.
Aber José konnte nicht zum Bösen gehören: Er war schön wie die Sonne. Seine gebräunte Haut und dunkelbraunen Haare wie Edelholz waren eindrucksvoll. Erneut schoss ihr die Röte in die Wangen als sie seine Augen und sein Lächeln anstarrte.
Gott hatte bei der Geburt von José Velasco beschlossen, ihn mit aller Ausstrahlungskraft der Welt zu versehen, aber auch mit Güte. Nichts hielt sie davon ab, ihm zu vertrauen.
Naivität ist begehrenswert - und gefährlich!
„Selbstverständlich kann ich Sie duzen, wenn Sie dies wünschen. Ich bin es allerdings nicht gewohnt“, erwiderte sie.
„ Entonces Chiara, gib mir das Du.“
„Um genau zu sein, heißt es ‚duzen‘.“
„Wie alt bist du José?“
„Zwei-und-drei-ßig“ Er sprach jede Silbe separat aus. „ ¿Es treinta y dos?“
„Richtig. Und was machst du in Italien? Suchst du Arbeit oder aus einem anderen Grund?“
Chiara spielte auf nichts Bestimmtes an, es war reine Neugier; eine andere Neugier als die von Ordensschwester Costanza. José war beunruhigt und hatte Angst, dass sie etwas ahnte. Sie war klug, das sah er ihr an.
Doch das konnte nicht sein, sie konnte nichts ahnen, denn sie kannten sich zu kurz.
„Ich wollte mein Lebben ändern.“ Sein ernster Gesichtsausdruck ließ Chiara erschaudern. Sie wusste nicht warum, erkannte in Josés Antwort aber Groll.
José vermochte diese liebenswerte Nonne nicht zu belügen, was ihm nur durch Schweigen gelang.
Es war wahr: Er wollte sein Leben auch ändern. Zusammen mit dem ursprünglichen Ziel, das ihn veranlasst hat, nach Italien zurück zu kehren, hatte er Granada mit der Absicht verlassen, seine Vergangenheit zu vergessen.
José schaute ihr in die Augen. Ob er mit ihr befreundet sein, ihr die Wahrheit offenbaren und sie um Hilfe fragen konnte? Es war noch zu früh, um das herauszufinden.
Letztendlich war sie eine Nonne.
Gentile
Die Familie Gentile war nicht besonders freundlich in ihrem Verhalten oder zumindest waren es nicht alle Familienmitglieder.
Die Ehefrau Carla neigte dazu, sich der Arroganz des Ehemanns zu fügen. Dies hielt sie nicht davon ab, dieses und jenes zu kritisieren, einen Beinamen für ihn zu finden oder den Überschwang der Tochter zu verurteilen.
„ Elena, das solltest du nicht tun!“, schimpfte sie mit einer Ohrfeige, die als Kind einen Käfig mit Schnecken öffnete, um ihnen ihre Freiheit zurück zu geben.“
„ Elena, das Kleid ist viel zu kurz!“, schalt sie als Elena mit dreizehn Jahren ein knielanges Kleid getragen hatte, das Michele ihr auf dem Dorffest gekauft hatte.
„ Elena? Was? Hast du dich geschminkt?“, donnerte sie empört an Elenas 15. Geburtstag als diese sich zum ersten Mal Lippenstift aufgetragen hatte. Dann war sie ins Zimmer des Mädchens gelaufen und suchte aufgebracht nach dem Instrument der Sünde, um es sofort wegzuschmeißen.
„ Ich bin nicht die Mutter einer Hure!“, herrschte sie Elena verachtend an. „Wehe dir, wenn du dich noch einmal in dieser Art zeigst!“
Elena war in Tränen aus dem Haus gerannt und versteckte sich in der nahen Scheune.
Sie hatte keine Lust mehr, zu feiern oder an diesem Abend ins Kino zu gehen, um vorzutäuschen, in einer glücklichen Familie zu leben. Sie wollte daheim bleiben und weinen.
„ Elena?“, hörte sie nach einer guten halben Stunde fragen. „Elena, bist du hier?“
Elena antwortete nicht, aber Michele hörte das Schluchzen aus einer Ecke, somit ging er wortlos zu ihr. Dann streichelte er den Kopf seiner Schwester, kniete sich vor sie und hob sanft ihr Gesicht.
„ Ein hübsches Mädchen wie du sollte an seinem 15. Geburtstag nicht hier hocken und alleine weinen.“
„ Mama ... „
„ Ich weiß alles“, unterbrach ihr Bruder sie und streichelte ihr das Haar. „Aber heute ist dein Geburtstag und ich werde dich nicht wegen dieser blöden Menschen hier weinen lassen.“
„ Meinst du, dass Mama ... „
„ Oh, das tue ich. Sie ist blöd. Auch wenn sie unsere Mutter ist, heißt das nicht, dass sie ohne Fehler ist. Mach schon, steh auf!“, forderte er sie auf und half ihr sich aufzurichten. „Geh schnell dein verweintes Gesicht waschen: Du und ich haben einen Geburtstag zu feiern.“
„ Ich weiß nicht, ob sie mich ausgehen lassen ... „
„ Ich habe mit ihnen gesprochen, mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung.“
Ein weiteres Mal hatte Michele ein Lächeln auf die Lippen seiner Schwester gezaubert, die sich bei ihm geschützt fühlte wie bei niemand anderem auf der Welt.
An diesem Abend gingen die beiden alleine in das alte Dorfkino und aßen später ein Eis. Michele kaufte ihr erneut einen Lippenstift, den gleichen, den ihre Mutter weggeworfen hatte.
„ Aber denk daran“, gab er zu Bedenken und gab ihr die Papiertüte mit dem kleinen Geschenk, „Mama darf nichts davon wissen.“
„ Verleitest du mich zum Verstoß von Mamas Vorschriften?“, kommentierte Elena kichernd.
„ Ich? Sehr unwahrscheinlich!“
„ Das ist wahr, du bist eine alte Bibliotheks- und Kirchenmaus.“
„ Hey Lena, kritisiere nicht meine sozialen Dienste oder ich nehme den Lippenstift zurück.“
„ Willst du diesen dann auch auftragen?“ Elena lachte als sie sich ihren Bruder mit rotem Lippenstift vorstellte. „Ich kritisiere unsere Eltern nicht, sondern bewundere sie. Aber das befreit dich nicht von dem Titel Bibliotheks- und Kirchenratte!“
„ Du bist unverbesserlich.“
Seit jenem Abend nahm sich Elena Gentile vor, dass sie nie wieder wegen böser Worte von ihrer Mutter weinen werde. Sie hatte beschlossen, eine bessere und stärkere Frau zu werden. Sie nahm sich vor, ihrem Bruder zu helfen, wenn er Hilfe benötigte, genau wie er es für sie tat.
Zurück zu Ernesto Gentile, dem Familienvater: Der gesamte Ort wusste, was hinter den Mauern des Hauses geschah und über überhebliches Verhalten hinausging. Niemand hatte gewagt, etwas zu sagen, weil ‚es-sie-nichts-anging‘.
Dennoch wuchsen die beiden Kinder gut auf und vor allem mit mehr guten Eigenschaften als Carla und Ernesto zusammen hergaben.
Michele Gentile war das, was jeder einen „Engelsjungen“ nannte: Er war ein zurückhaltender Typ. Meistens trug er ein Buch unter dem Arm und eine Lesebrille auf dem Kopf, um sie griffbereit zu haben, wenn er sie benötigte. In der Tat verbrachte er mehrere Stunden damit, in schweren Bänden zu blättern.
Er war zwei Frühjahre älter als seine Schwester und war bereits im Alter von zehn Jahren in der Kirchengemeinde aktiv. Den Rest seiner Freizeit verbrachte er damit, um Hilfsbedürftigen zu helfen. Er war überzeugt davon, dass es eine Pflicht war, Menschen, die weniger Glück hatten als er, zu helfen.
Elena Gentile war hingegen ein Schmetterling.
Trotz der nächtlichen Ausgänge mit ihrem Bruder als sie 16 und er 18 war, hatte sie noch nicht die Liebe getroffen, die ihr Leben verwandelte. Ihr Aussehen glich weniger einem Kokon, sondern eher einem Schmetterling mit bunten Flügeln.
Elena war selbstbewusst, ohne überheblich zu sein, wie es ihr Vater war. Sie war herzensgut zu ihrem Nächsten, ließ sich aber von niemandem einschüchtern. Vor allem war sie ein kleiner Stern, der vor Leben und Lebensfreude strahlte.
Wenn Michele und Elena gemeinsam durch die Straßen des Dorfes spazierten, grüßten die Leute gerne und waren von ihnen beeindruckt, nicht nur von ihrem Aussehen, sondern von ihrem Gemüt. Sie fragten sich, wie sie die Kinder von Carla und Ernesto sein konnten, derart unterschieden sie sich von ihnen. Wahrscheinlich, wenn es nicht aufgrund der Gesichtszüge gewesen wäre, die sie mit den Eltern teilten, hätten die Menschen gedacht, dass die zwei Seelen adoptiert seien.
Auf jeden Fall macht Minus und Minus Plus und es lässt sich zumindest mathematisch erklären, wie zwei außerordentlich hübsche Menschen von zwei außerordentlich hässlichen Menschen abstammen konnten.