Kitabı oku: «Internationales Kauf-, Liefer- und Vertriebsrecht», sayfa 9

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bb) Anwendungs- und Geltungsbereich der Rom I-Verordnung

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Sachlich: Die Rom I-VO gilt für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO). Ausnahmen vom Anwendungsbereich sind in ihrem Art. 1 Abs. 2 geregelt und umfassen insbesondere Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wechselpapieren (lit. d), Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen (lit. e), Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht (lit. f), Stellvertretungsfragen (lit. g) sowie Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrages (lit. i).

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Exkurs: Keine Anwendbarkeit der Rom I-VO auf Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen

Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I-VO findet die Verordnung keine Anwendung auf Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen. Der Grund dafür ist, dass diese Vereinbarungen nicht nur materiellrechtliche, sondern auch prozessuale Wirkung haben und von anderen unionsrechtlichen und internationalen Regelungen umfasst sind – Art. 25 EuGVVO n.F./Art. 23 EuGVVO a.F./LugÜ für Gerichtsstandsvereinbarungen und New Yorker Übereinkommen von 1958 für Schiedsgerichtsbarkeit.85 Der Ausschluss betrifft das sog. Vereinbarungsstatut – die Regeln zur Bestimmung des Rechts, das für die vertragliche Schieds- oder Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich ist. Ob und inwieweit sekundäre Ansprüche aus Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen umfasst sind, ist umstritten, wobei nach wohl überwiegender Auffassung auch diese Folgeansprüche aus dem Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgeschlossen sind.86 Ferner wird auch die Auffassung vertreten, dass die Rom I-VO auf Schiedsverfahren überhaupt nicht anzuwenden ist – es sei zwischen dem in staatlichen Gerichtsverfahren anwendbaren Kollisionsrecht und dem in Schiedsverfahren anzuwendenden Sonderkollisionsrecht abzugrenzen.87 Schiedsgerichte können die Rom I-VO anwenden, sie müssen es aber nicht.88

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Zeitlich und räumlich: Die Rom I-VO gilt für alle Verträge, die ab dem 17.12.2009 geschlossen wurden, Art. 29 Rom I-VO. Sie ist für alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks (Art. 1 Abs. 4, Erwägungsgrund 46 Rom I-VO) bindend und gilt für diese Staaten unmittelbar, Art. 288 Abs. 2 AEUV. In einem Referendum vom 3.12.2015 befand die dänische Regierung zuletzt, dass man der Rom I-Verordnung nicht beitreten wolle. Dänemark wendet immer noch das EVÜ an,89 gegenüber Dänemark darf ein Gericht in Deutschland aber wohl die Rom I-VO anwenden;90 für bestimmte Normen der Rom I-VO ist Dänemark jedoch als Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung anzusehen – Art. 3 Abs. 4, Art. 7 Rom I-VO (Art. 2 Abs. 4 Rom I-VO).

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Exkurs: Sonderstellung Dänemarks

Dänemark, Großbritannien und Irland hatten sich nur eingeschränkt an der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen beteiligt.

Großbritannien und Irland hatten bzw. haben jeweils ein Opt-in-Recht für die Maßnahmen, die im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ergehen (Protokoll über die Position des Vereinigten Königreiches und Irlands im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Die beiden Länder haben auch öfters von diesem Recht Gebrauch gemacht (Erwägungsgrund 45 Rom I-VO und dazugehörende Fn., Erwägungsgrund 39 Rom II-VO, Erwägungsgrund 20 EuGVVO a.F., Erwägungsgrund 40 EuGVVO n.F.).

Das Protokoll über die Position Dänemarks im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft sieht dagegen kein Opt-in-Recht vor. Die Sonderstellung Dänemarks datiert seit 1992, als das dänische Volk im Rahmen eines Referendums dem Vertrag von Maastricht nicht zugestimmt hat. Erst nachdem die Gemeinschaft dem Königreich bestimmte Vorbehalte gewährt hatte, stimmte das dänische Volk 1994 dem Vertrag von Maastricht zu. Wenn der Mitgliedstaat nun an bestimmten Aspekten der justiziellen Zusammenarbeit teilnehmen will, muss er ein Abkommen mit der Gemeinschaft bzw. der EU schließen. Dies hat Dänemark z.B. für die Anwendung der EuGVVO (auch der Novellierung) gemacht, nicht jedoch (bislang?) für die Rom I- und Rom II-Verordnungen.

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Die Rom I-VO ist sog. loi uniforme, d.h. ein Gericht muss die Anknüpfung eines internationalen Vertrages unabhängig davon beurteilen, ob das durch einen internationalen Vertrag berührte fremde und konkret maßgebliche Recht das Recht eines EU-Mitgliedstaates ist oder nicht (Art. 2 Rom I-VO). Insofern findet die Rom I-VO auch für fremdes Recht Anwendung.

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Keine Anwendung findet die Rom I-VO auf das Kollisionsrecht. Im internationalen Vertragsrecht gelten für den renvoi, also die Frage, ob es auch eine Rückverweisung geben kann, gegenüber dem allgemeinen Kollisionsrecht (für andere Sachgebiete) abweichende Regeln: Art. 20 Rom I-VO bestimmt, dass die Verweisungen des Vertragskollisionsrechts – im Gegensatz etwa zur Grundregel des Art. 4 Abs. 1 EGBGB im deutschen IPR – stets Sachnormverweisungen sind. Allerdings können die Vertragsparteien – anders als das Art. 4 Abs. 2 EGBGB im Übrigen zulässt – wohl auch das Kollisionsrecht eines bestimmten Landes wählen und insofern die Renvoi-Regelungen mitbeeinflussen.91

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Die Rechtswahl der Parteien wird ebenfalls grundsätzlich als Wahl des Sachrechts verstanden (dazu sogleich); das Kollisionsrecht der gewählten Rechtsordnung bleibt gemäß Art. 20 Rom I-VO außer Betracht. Eine Rück- oder Weiterverweisung ist daher unbeachtlich, sofern die Parteien nicht explizit das Kollisionsrecht in die Rechtswahl mit einschließen.92

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Grundsätzlich sind die Tatbestandsmerkmale des Kollisionsrechts nach den Systembegriffen des angerufenen Gerichts festzulegen, sog. Qualifikation nach der lex fori; die deutsche Rechtsprechung vertritt diesen Standpunkt auch für das internationale Vertragsrecht. Als Rechtsakt der Union ist die Rom I-VO jedoch gleichwohl europarechtsautonom auszulegen. Die Verordnung selbst enthält einige Legaldefinitionen – unter anderem solche der Eingriffsnorm und des Anknüpfungsmerkmals „gewöhnlicher Aufenthalt“ (Art. 19 Rom I-VO).

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Der Geltungsbereich des nach der Verordnung anzuwendenden Rechts umfasst (gemäß Art. 12 Rom I-VO):

 – die Auslegung des Vertrages (zum Zustandekommen siehe unten Rn. 92);

 – die Erfüllung der durch ihn begründeten Verpflichtungen;

 – die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen einschließlich der Schadensbemessung;

 – die Arten des Erlöschens der Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste bei Ablauf von Verjährungsfristen;

 – die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages.

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Gemäß Art. 18 Abs. 1 Rom I-VO ist das Vertragsstatut auch maßgeblich für Darlegungs- und Beweislastfragen sowie gesetzliche Vermutungen. Die lex fori bzw. das Formstatut nach Art. 11 Rom I-VO bestimmen dagegen, welche Beweisarten zulässig sind, Art. 18 Abs. 2 Rom I-VO.

cc) Rechtswahl
(1) Zulässigkeit

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Innerhalb der Europäischen Union besteht grundsätzlich Rechtswahlfreiheit (Art. 3 Rom I-VO); es gilt der Grundsatz der Parteiautonomie.

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Die Rechtswahl erfolgt durch einen sog. kollisionsrechtlichen Verweisungsvertrag.93 Von der kollisionsrechtlichen Verweisung ist die materiellrechtliche Verweisung zu unterscheiden; Erstere verweist auf eine Rechtsordnung als solche, Letztere verweist lediglich auf Regeln, die neben der geltenden Rechtsordnung als solche (sofern dispositiv) anwendbar sind.94 Davon abgesehen, bezieht sich die Rechtswahl nur auf Sachvorschriften des gewählten Rechts (Art. 4 Abs. 2 EGBGB, Art. 20 Rom I-VO).

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Möglich ist dabei grundsätzlich auch, dass der Vertrag nur in Teilen einer Rechtswahl unterliegt (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO) – sog. Dépeçage. Der Teil, für den aber keine Rechtswahl getroffen wurde, unterliegt dann der gewöhnlichen kollisionsrechtlichen objektiven Anknüpfung (Art. 4 Rom I-VO) – dies wird auch „Spaltung des Vertragsstatuts“ genannt.95 Theoretisch denkbar (dies dürfte jedoch „heikel“ sein) wäre daher beispielsweise (bei einem internationalen Sachverhalt, da sich sonst ja noch die Problematik des sog. Binnensachverhalts stellt – dazu sogleich), dass für einen Teil des Vertrages deutsches Recht gewählt wird, aber etwa für AGB-rechtlich bedenkliche Teile ein anderes Recht, welches keine dem deutschen AGB-Recht vergleichbaren Regelungen enthält. Verlangt wird dafür aber allgemein für ein solches Normengemisch,96 dass die entsprechende Teilfrage abspaltbar ist, was eine gewisse Selbstständigkeit voraussetze.97 Kommt es bei Anwendung der unterschiedlichen Rechtsordnungen zu unauflöslichen Widersprüchen, ist dies wohl ein klares Indiz gegen die Abspaltbarkeit der entsprechenden Teilfrage und steht einer wirksamen Teilrechtswahl entgegen.98 Umstritten ist jedoch, wann von einem unzulässigen Normengemisch bzw. „rechtlichem Potpourri“ auszugehen ist.99

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Flucht aus dem eigenen Recht/neutrales Rechts/Soft Law

Eine Vermeidung kritischer Rechtsnormen auf diesem Weg ist jedoch in jedem Fall ausgeschlossen, in dem der sonstige Sachverhalt (mit Ausnahme der Rechtswahl) im Zeitpunkt der Rechtswahl nur mit einem Staat verbunden ist und es sich bei den kritischen oder unangenehmen Rechtsnormen um sog. zwingende Bestimmungen (wohl gemerkt national zwingend – nicht auch international zwingend wie in Art. 9 Rom I-VO – siehe unten Rn. 128) handelt. Wegen Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO gilt also insbesondere bei sog. Binnensachverhalten (oder auch der Inlandssachverhalte) eine Rechtswahl nur als eine materiellrechtliche Verweisung (siehe oben Rn. 82).100 Für eine „Flucht aus dem eigenen Recht“101 ist festzustellen, dass zu den deutschen national zwingenden Bestimmungen bspw. auch die Bestimmungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) zählen dürften.102 Davon kommt man also bei nationalen Binnensachverhalten nicht weg.

Es gibt zudem auch EU-Binnensachverhalte, d.h. es kommt dann zwingendes EU-Recht zur Anwendung (Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO).103

Zwar ist es möglich, den Vertrag einem sog. neutralen Recht zu unterstellen, d.h. ein Recht zu wählen, das mit dem Vertrag oder dessen Parteien nichts zu tun hat.104 Grenzen werden dem jedoch wiederum bei sog. Binnensachverhalten (Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO) sowie aus dem Grundsatz der Geltung international zwingender Vorschriften (Art. 9 Rom I-VO) gesetzt.

Bisweilen sieht man und sind auch möglich sog. Floating Choice of Law Clauses, d.h. Regelungen, nach denen sich das anwendbare Recht danach bestimmt, wer zuerst wo klagt. Auch wenn dies im Einzelnen zu Unsicherheiten führt, ist wohl anzunehmen, dass bis zur Klage etwa das anzuwendende Recht nach der objektiven Anknüpfung zu bestimmen ist. Was dann aber Widerklagen und andere Konstellationen für Probleme entfachen und wie die zu lösen sind, weiß man nicht.

Eine andere Frage ist, ob auch nichtstaatliches Recht (Soft Law), wie etwa die UNIDROIT Principles, die Lando Principles oder die lex mercatoria gewählt werden können (siehe Rn. 38). In den Entwürfen der Rom I-VO war noch relativ lange eine Regelung enthalten (Art. 3 Abs. 2 des Entwurfs vom 15.12.2005, KOM(2005) 650 endgültig, 2005/0261 (COD)), wonach die Parteien auch internationale oder auf Gemeinschaftsebene anerkannte Grundsätze und Regeln des materiellen Vertragsrechts als anzuwendendes Recht bestimmen konnten. Diese hat letztlich keinen Eingang in die Rom I-VO gefunden, was dagegen spricht, dass die Parteien die Principles im Wege eines kollisionsrechtlichen Verweisungsvertrages wählen können. Überwiegend wird wohl in solchen Fällen nur eine sog. materiellrechtliche Verweisung angenommen, d.h. die genannten a-nationalen Regelungen können nur zur Anwendung kommen, sofern sie einem staatlichen Recht (nach objektiver Anknüpfung) widersprechen können, d.h. die staatlichen Regelungen insoweit abdingbar bzw. dispositiv sind.

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Sog. Versteinerungs- und Stabilisierungsklauseln sind zweifelhaft. Bei solchen Klauseln wird versucht, den Zustand des gewählten Rechts auf einen bestimmten Zeitpunkt einzufrieren. Solche Klauseln werden zumeist abgelehnt105 – bzw. als materiellrechtliche Verweisungen verstanden. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn das gewählte Recht des Landes durch Revolution, Systemwechsel etc. grundlegend geändert wird; dann soll regelmäßig das frühere Recht maßgebend sein.106

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Nach Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO können die Parteien jederzeit eine Rechtswahlvereinbarung treffen. Eine Rechtswahlvereinbarung bzw. die Vereinbarung eines anderen als des zuerst gewählten Rechts ist jederzeit möglich.107 Ab wann die nachträgliche Rechtswahl Wirkung entfaltet, steht zur freien Entscheidung der Parteien. Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die Parteien ihren Vertrag einem einheitlichen, von Anfang an geltenden Recht unterstellen wollen, weswegen im Zweifel die nachträgliche Rechtswahl ihre Wirkung ex tunc (also von Anfang an) entfalten soll.108

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Manche Vertragspartner wollen sämtliche staatlichen Rechtsordnungen abwählen. Solche „selfregulatory contracts“ oder „contrats sans lois“ sprengen jedoch den Rahmen der Privatautonomie und sind von Art. 3 Rom I-VO nicht mehr gedeckt.109

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Zulässig ist dagegen eine negative Rechtswahl, bei der die Parteien ein bestimmtes Recht ausdrücklich abwählen.110 Davon wird in der Praxis im Zusammenhang mit dem UN-Kaufrecht häufig Gebrauch gemacht, weil dies – wenn es nicht ausdrücklich abgewählt wurde – Teil der nationalen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten ist (siehe unten E.).

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In folgenden Fällen bestehen Ausnahmen von dem Grundsatz der freien Rechtswahl:

 – reine Inlandssachverhalte: Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO;

 – reine Binnensachverhalte: Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO;

 – Personenbeförderungsverträge: Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO;

 – Verbraucherschutz:– Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO;– Art. 46b EGBGB – Verbraucherschutz für besondere Gebiete (früher: Art. 29a EGBGB, die Norm ist eine Umsetzung der in zahlreichen EU-Richtlinien enthaltenen Kollisionsnormen zum Verbraucherschutz);

 – bestimmte Versicherungsverträge: Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO;

 – Schutz der Arbeitnehmer: Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO;

 – Eingriffsnormen: Art. 9 Rom I-VO (siehe dazu unten Rn. 129);

 – ordre public: Art. 21 Rom I-VO (siehe dazu unten Rn. 139).

(2) Formvorschriften

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Für eine wirksame Rechtswahlvereinbarung sind gewisse Voraussetzungen, etwa die Form betreffend, einzuhalten.

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Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO).

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Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Einigung richtet sich (Art. 3 Abs. 5, 10 Rom I-VO) nach dem Recht, das gewählt worden ist bzw. hätte gewählt werden sollen (Art. 10, 11 Rom I-VO).

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Bei Verbraucherverträgen ist Art. 11 Abs. 4 Rom I-VO zu beachten – danach unterliegen Verbraucherverträge, die unter Art. 6 Rom I-VO fallen, dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei einer anderweitigen Rechtswahl gilt das Günstigkeitsprinzip in Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO, d.h. der Verbraucher kann sich stets auf sein Heimatrecht berufen, wenn dies günstiger ist.

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Der Hauptvertrag und der Rechtswahlvertrag stellen zwei separate Verträge dar.111

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Eine stillschweigende Rechtswahl kann aus bestimmten tatsächlichen Umständen (Indizien) zu entnehmen sein; hierzu zählen etwa auch einzelne Vertragsbestimmungen – typische Umstände sind (im Einzelnen ist dies aber unsicher):112

 – Vereinbarung eines einheitlichen Gerichtsstandes (dazu Erwägungsgrund 12 Rom I-VO) oder Schiedsgerichts sowie eines gemeinsamen Erfüllungsortes;

 – übereinstimmendes Prozessverhalten hinsichtlich des anzuwendenden Rechts;

 – Verweisung auf Vorschriften eines bestimmten Rechts unter Bezugnahme auf Usancen;

 – die Benutzung von AGB oder Formularen, die auf einer Rechtsordnung aufbauen.

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Von einer ausdrücklichen Rechtswahl wird ausgegangen, wenn die Parteien durch Individualvereinbarung oder in AGB ein bestimmtes Recht festgelegt haben, das für ihren Vertrag gelten soll.113 Also: Erfolgt die Wahl ausländischen Rechts, so müssen die Formvoraussetzungen dieses Rechts eingehalten werden – Verallgemeinerungen sind daher schwierig, in jedem Fall sind schriftliche Vereinbarungen zu empfehlen.

(3) Einzelfragen
(a) Rechtswahl in AGB allgemein

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Die Rechtswahl in AGB verlangt, dass diese wirksam einbezogen werden und auch inhaltlich wirksam sind (im deutschen Recht: §§ 305 ff. BGB), was nach dem jeweiligen Recht des Vertragspartners bzw. dem gewählten Recht anders als nach deutschem Recht beurteilt werden kann.114

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Die Wirksamkeit von AGB richtet sich nach Art. 10 Rom I-VO – die Einbeziehung ist dabei unter „Zustandekommen“, die Inhaltskontrolle – unter „Wirksamkeit“ zu subsumieren.115

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Einen besonderen Hinweis verdient – noch immer – die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.10.2001 – VIII ZR 60/01 (BGHZ 149, 113ff. = WM 2002, 442ff.).116 Dort hat der BGH (vor dem Hintergrund des CISG) gefordert, dass der Vertragsgegenseite die AGB bereits bei Vertragsabschluss übersandt werden müssen, um einbezogen zu werden. Der BGH hat dies darauf gestützt, dass das CISG keine besonderen Regelungen für die Einbeziehung standardisierter Geschäftsbedingungen in den Vertrag bereithalte (ein Rückgriff auf das nach IPR berufene nationale Recht wird ganz überwiegend abgelehnt). Dem Klauselverwender sei es jedoch unschwer möglich, die für ihn regelmäßig vorteilhaften AGB seinem Angebot beizufügen. Es widerspreche dem Grundsatz des guten Glaubens im internationalen Handel (Art. 7 Abs. 1 CISG) sowie der allgemeinen Kooperations- und Informationspflicht der Parteien, dem Vertragspartner eine Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich der nicht übersandten Klauselwerke aufzuerlegen und ihm die Risiken und Nachteile nicht bekannter gegnerischer AGB aufzubürden. Zwar könne im nationalen Rechtsverkehr davon ausgegangen werden, dass die innerhalb einer Branche verwandten Klauseln vielfach ähnlich sind. Im internationalen Handelsverkehr treffen diese Voraussetzungen jedoch nicht in gleichem Umfang zu, so dass nach den Geboten des guten Glaubens der anderen Seite auch eine entsprechende Erkundigungspflicht nicht zugemutet werden kann.

Diese Entscheidung ist auch deshalb interessant, weil davon in aktuellen AGB-Kommentaren117 abgeleitet wird, dass im internationalen Handel zur Einbeziehung der AGB nach deutschem Recht stets gefordert werden kann, dass die AGB bereits bei Vertragsabschluss übersandt werden – wohl auch, wenn das CISG nicht anzuwenden ist. In der Tat sind die Argumente nicht zu missachten.Die Rechtsprechung wendet diese strengeren Voraussetzungen für die Einbeziehung von AGB bis jetzt nur bei internationalen Handelsgeschäften118 an. Auch in der Literatur wird überwiegend zwischen rein nationalen und internationalen Handelsgeschäften differenziert.119 So sei national das Übersenden der AGB nicht erforderlich, wenn der Verwender die AGB auf anderer Weise dem Vertragspartner zugänglich macht. In Betracht kommt insbesondere die Zurverfügungstellung der AGB im Internet, wobei diese Alternative zumindest dann, wenn auch der Vertrag via Internet geschlossen wird, wirksam ist.120 Problematischer ist dagegen der Fall, wenn der Vertrag mittels eines anderen Mediums geschlossen wird. Der Hinweis auf die Internet-Seite des Verwenders reicht im internationalen Handelsgeschäft für die wirksame Einbeziehung aber wohl nicht aus.121

100

Inhalte von AGB und deren Einbeziehung können also an kleinen Ursachen scheitern und dennoch große Wirkung haben.

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Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang – nach wie vor – die Entscheidungen des LG Landshut vom 12.6.2008 – 43 O 1748/07 (IHR 2008, 184ff.); hier geht es einmal quer durch den „Gemüsegarten“ von Rechtswahl, Gerichtsstandsvereinbarung, Erfüllungsort und Einbeziehung von AGB (siehe ausführlich unten Rn. 273).122 Ein paar Stufen verschärfter ging es aktuell u.a. um ähnliche Themen in einer kartellrechtlich geprägten Auseinandersetzung, u.a. auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Automobilindustrie zwischen VW und dem Zulieferer Prevent (lesenswert)123 (siehe auch unten Rn. 277). Die Rechtsprechung schippert teilweise durch ein Bermudadreieck zwischen Rechtswahl, Gerichtsstandswahl und Erfüllungsort124 (siehe unten Kap. H Rn. 96ff.)

102

Dabei steht das im Zusammenhang: Welches Gericht entscheidet, kann Auswirkungen auf das vom Gericht beachtete Recht haben; möglicherweise hängt also die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung von der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ab (und vice versa).

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Natürlich ist das in Verbraucherverträgen noch kritischer zu sehen als in Verträgen zwischen Unternehmern.

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Über Fragen der Rechtswahl in AGB bei Verträgen eines Unternehmers mit einem Verbraucher hatte das LG Hamburg zu entscheiden.125 Grundsätzlich ist es danach auch bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher möglich, eine Rechtswahl in AGB zu treffen. Die Verwendung einer solchen Klausel ist nicht wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn sie zu der Anwendung des Rechts führt, das nach Art. 4 Rom I-VO ohne Rechtswahl anzuwenden wäre – außerdem handelt es sich bei den Kollisionsnormen der Rom I nicht um Marktverhaltensregeln. Ob man daraus folgern kann, dass eine Rechtswahl zugunsten nicht deutschen Rechts wettbewerbswidrig wäre, ist nicht klar – dürfte für die Fälle, in denen der Verbraucher in Deutschland sitzt, aber wegen des Günstigkeitsvorbehalts in Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO kaum keine Rolle spielen.126

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Im Zusammenhang mit der Rechtswahl durch AGB stellt sich die allgemeine Frage, inwieweit (ungeschriebene) Schranken der Rechtswahl (etwa durch eine Missbrauchskontrolle) bestehen. Überwiegend wird das zwar abgelehnt, es gibt jedoch Gerichtsentscheidungen, die weitgehende oder intransparente Rechtswahlklauseln für unwirksam erklären.127

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In einer Entscheidung vom 5.12.2013 hat etwa das AG Bremen128 die Wahl irischen Rechts durch AGB eines Luftbeförderungsvertrags für intransparent und somit unwirksam erklärt.129 Das deutsche AGB-Recht kam durch Art. 11 Abs. 4 Rom I-VO zur Anwendung (der Vertragspartner war Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland). Das Gericht behandelte die AGB als besondere Form des mittels einbezogener Geschäftsbedingungen geschlossenen Formularvertrags und bejahte so die Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 4 Rom I-VO. Auch der BGH musste bereits über die Zulässigkeit einer Rechtswahl gegenüber Verbrauchern in AGB entscheiden. Das Gericht wand § 305 BGB unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO an, wonach die Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz solcher Bestimmungen entziehen darf, von denen nach dem ohne Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht abgewichen werden darf.130 In dem konkreten Fall handelte es sich um einen deutschen Verbraucher, der aus einer niederländischen Versandhandel-Apotheke Arzneimittel gekauft hat. Nach Auffassung des BGH benachteiligt die Wahl niederländischen Rechts für „alle“ Ansprüche aus dem Vertrag den Verbraucher unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da bei Arzneimittelkauf besondere (zum Teil auch öffentlich-rechtliche) Normen beachtet werden müssen.

Ähnlich gab es bereits eine Entscheidung des EuGH 2016 zur Rechtswahl per AGB mit Verbraucherbeteiligung: „... ist somit zu antworten, dass Art. 3 I RL 93/13 dahin auszulegen ist, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gewerbetreibenden enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf einen auf elektronischem Weg mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, missbräuchlich ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 II Rom I-VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre; dies hat das nationale Gericht im Licht aller relevanten Umstände zu prüfen.“131

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Im kaufmännischen Verkehr gilt jedoch wohl ein anderer Maßstab – da sind nach Auffassung des OLG Hamm (siehe unten in Rn. 113 zum Thema Sprachrisiko zitiert) die Rechtswahl, aber insbesondere auch die Bestimmung eines Erfüllungsortes (und somit Bestimmung des zuständigen Gerichts nach Art. 5 EuGVVO a.F.) in AGB keine überraschenden Klauseln i.S.v. § 305c BGB.132