Kitabı oku: «AGB-Recht», sayfa 21

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dd) Leistungsstörungen

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Nicht ohne weiteres überraschend sind dagegen Klauseln, mit deren Hilfe sich der Verwender von einer möglichen Mängelgewährleistung oder Schadensersatzhaftung freizeichnet. Eine solche Klausel wird nur dann nach § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil, wenn in besonders weitgehendem, vom Üblichen eindeutig abweichendem Umfang von der Haftung freigestellt wird. Das ist zum einen der Fall, wenn der Verwender selbst die Haftung für Vorsatz ausschließt: Kein vernünftiger Kunde rechnet damit, dass sein Vertragspartner sich das Recht vorbehalten will, ihn bewusst und gewollt zu schädigen. Zum anderen sind Freizeichnungsklauseln überraschend, wenn die Haftung des Verwenders in einem Maße begrenzt wird, dass der Gegenseitigkeitscharakter des Vertrags in Frage gestellt ist. Schließlich ist in einem Emissionsprospekt zu einem geschlossenen Immobilienfonds eine zugunsten Dritter (hier: zugunsten der Vertriebsgesellschaft und ihrer Mitarbeiter) wirkende Haftungsbeschränkung überraschend[49]. Dabei handelt es sich aber um Ausnahmefälle. Im Übrigen scheitern Freizeichnungen nicht an § 305c I BGB. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, scharf zwischen Einbeziehungskontrolle nach § 305c I BGB und Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zu unterscheiden: Der Kunde muss gewiss damit rechnen, dass der Verwender versucht, das Risiko von Nachlässigkeiten auf ihn abzuwälzen. Deshalb ist die Klausel nicht überraschend. Der Kunde muss sich solches Bestreben aber – abgesehen von eng begrenzten Ausnahmen – nicht gefallen lassen: Die Freizeichnung von der Verschuldenshaftung kann in weiten Bereichen einer Inhaltskontrolle nicht standhalten[50].

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Davon wiederum abzugrenzen sind Haftungserweiterungen zum Nachteil des Klauselgegners. So ist das Verschuldensprinzip so elementares Leitbild des deutschen Schadensersatzrechts (§ 276 I 1 BGB), dass eine Klausel, welche dem Kunden eine Schadensersatzpflicht ohne Rücksicht auf Verschulden aufbürdet, als objektiv ungewöhnlich angesehen werden muss. So wurde etwa eine Klausel im Kfz-Mietvertrag, wonach der Mieter auch für nicht zu vertretende Schäden haftet zu Recht als überraschend angesehen[51]. Überraschend ist ebenso in AGB des Reiseveranstalters eine Klausel, wonach das Personal des Eisenbahnunternehmers zu Erfüllungsgehilfen des Reisenden erklärt wird[52]. Überraschend sind ferner Klauseln in Einkaufsbedingungen, die Liefertermine und -fristen als „fix“ festsetzen[53] und damit dem Käufer das Rücktrittsrecht ohne Fristsetzung (§ 323 II Nr. 2 BGB!) eröffnen. Als überraschend angesehen wurde ferner einer Klausel in einem Mobilfunkvertrag, wonach der Kunde unbegrenzt für die von ihm zu vertretende unbefugte Nutzung des Anschlusses durch Dritte haftet[54]. Dem ist indes zu widersprechen: Bei zu vertretender Pflichtverletzung ist der Schuldner kraft Gesetzes schadensersatzpflichtig, ohne von vornherein durch eine Haftungsobergrenze geschützt zu sein. Dann kann auch eine Klausel, welche dies klarstellt, nicht überraschend sein.

e) Ungewöhnliche Bestimmungen zur Vertragsdurchführung

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Aber nicht nur der Inhalt der Hauptleistungspflichten wird in der Praxis immer wieder durch AGB deformiert. Vielmehr finden sich auch für die Vertragsdurchführung gelegentlich Klauseln weit jenseits des gewöhnlichen Erwartungshorizonts seitens des Kunden.

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Beispiel 48

Ein Inkassounternehmen behält sich bereits bei Vertragsschluss das ausschließliche Recht vor, auf Kosten des Auftraggebers einen Anwalt einzuschalten und diesen selbst auszuwählen.

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Beauftragt der Gläubiger wie im Beispiel 48 einen Dritten, die offen gebliebene Leistung beim Schuldner einzutreiben, so stehen mehrere rechtliche Gestaltungsformen zur Verfügung: Der Gläubiger mag dem Dritten die Forderung abtreten (sog. Inkassozession); er mag den Dritten aber auch lediglich zur Entgegennahme der Leistung ermächtigen (§§ 362 II, 185 I BGB; sog. Inkassomandat). Solange aber das Inkassounternehmen dem Gläubiger die Forderung nicht abkauft, sondern den Erlös aus der Forderung dem Gläubiger auszukehren verspricht, bleibt der Gläubiger wenigstens wirtschaftlich betrachtet Inhaber der Forderung; selbst bei Inkassozession hält das Inkassounternehmen die Forderung also nur treuhänderisch im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses (§ 675 BGB). Die Konsequenz dieser Vertragsstruktur besteht darin, dass der Gläubiger dem Inkassounternehmen den Aufwand für die Rechtsverfolgung zu erstatten hat (§ 670 BGB). Dann aber erwartet der Gläubiger selbstverständlich, dass er bestimmt, ob zur Durchsetzung seiner Forderung ein Anwalt eingeschaltet wird, womit dieser beauftragt wird (Prozess oder nur außergerichtliche Mahnung) und vor allem wer als Anwalt tätig werden soll. Das Inkassounternehmen ist als Fremdgeschäftsführer an Weisungen des Gläubigers gebunden (§ 665 BGB). Von dieser Erwartungshaltung des Gläubigers weicht die Klausel im Beispiel 48 so fundamental ab, dass sie als objektiv ungewöhnlich bezeichnet werden muss: Das Inkassounternehmen soll bestimmen, was gemacht wird; gleichwohl soll der Gläubiger für die Kosten aufkommen.

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Beispiel 49

In einem Kaufvertrag über ein anteiliges Dauerwohnrecht (§ 31 WEG) bestimmt eine Formularklausel, dass die Verschaffungspflicht des Verkäufers bereits dann erfüllt ist, wenn eine Verwaltungsgesellschaft als Inhaberin des Wohnrechts in das Grundbuch und der Käufer (zusammen mit anderen Käufern) in ein sog. Gemeinschaftsregister eingetragen worden ist.

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Ziel der Klausel im Beispiel 49 ist, dass der Käufer an dem Dauerwohnrecht niemals dinglich berechtigt sein soll, sondern die Verwaltungsgesellschaft dies Recht treuhänderisch für ihn halten soll. Damit wird die Verschaffungspflicht des Verkäufers in einer Weise abgeändert, die sich jenseits aller berechtigten Erwartungen des Kunden bewegt[55]: Der Käufer, der den Kaufpreis für den Erwerb einer dinglichen Berechtigung zahlt, erwartet, dass ihm eben diese Berechtigung tatsächlich zugewandt wird.

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Beispiel 50

In den AGB eines Krankenhausaufnahmevertrags ist bestimmt, dass der Patient für den Fall, dass er in der Klinik verstirbt, mit der Öffnung und Verwertung seiner Leiche einverstanden ist.

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Die Klausel im Beispiel 50 ist überraschend[56]. Gewiss: Es mag der Patient damit rechnen, dass er im Krankenhaus verstirbt. Die formularmäßige Einwilligung in die Öffnung und Verwertung der Leiche ist aber deshalb überraschend, weil der Patient vom Klinikträger ausschließlich jede erdenkliche Bemühung um seine Heilung erwartet. Daran, dass sein Körper im Falle des Misserfolgs für wissenschaftliche Zwecke oder gar zum Zwecke der Organtransplantation „ausgeschlachtet“ werden soll, wird er im Moment der Krankenhausaufnahme noch nicht denken. Aus seiner Sicht wird es merkwürdig anmuten, wenn der Klinikträger sich schon zu Beginn des Klinikaufenthalts gleichsam vorbeugend die Rechte am Körper des Patienten sichern will.

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Beispiel 51

Bei der Krankenhausaufnahme nimmt Patient P Wahlleistungen in Anspruch. Zu diesem Zweck wird ein Arztzusatzvertrag geschlossen. Danach soll Chefarzt A den P persönlich operieren. In den AGB des Klinikträgers ist bestimmt: „Im Verhinderungsfall übernimmt die Aufgaben des leitenden Arztes dessen allgemeiner Stellvertreter. Der Honoraranspruch wird hierdurch nicht berührt“. Die Operation wird vom Stellvertreter M ausgeführt, weil A wegen eines seit Monaten geplanten Kongressbesuchs verreist ist.

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Wer im Rahmen eines Arztzusatzvertrags wie im Beispiel 51 Chefarztbehandlung in Anspruch nimmt, erwartet zu Recht, dass der Chefarzt ihn tatsächlich persönlich behandelt. Diese berechtigte Erwartung des Patienten findet ihren sinnfälligen Niederschlag im Gesetz: Der Chefarzt hat als Dienstverpflichteter nach § 613 S. 1 BGB in Person zu leisten. Das gilt gerade für die Chefarztbehandlung, da für ihre Wahl das besondere Vertrauen des Patienten gerade zu diesem Arzt entscheidend ist. Eine Delegation an einen Stellvertreter durch AGB selbst für den Fall vorhersehbarer Verhinderung ist überraschend und wird daher gemäß § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil[57]. Abweichend hiervon ist die Stellvertretervereinbarung dann nicht überraschend, wenn sie unter Benennung eines einzigen Stellvertreters getrennt von der Wahlleistungsvereinbarung geschlossen wird[58] oder wenn sie herausgehoben als praktisch einzige wesentliche Vertragsbestimmung auf dem eine Seite umfassenden Vertragsformular abgedruckt ist[59]. Die Stellvertretervereinbarung kann freilich dann als unzulässiger Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein[60].

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Beispiel 52

K beauftragt den B mit der Errichtung von Eigentumswohnungen im Rahmen eines Bauherrenmodells. B unterbreitet den K einen Formularvertrag, wonach B für die Laufzeit von 60 Monaten eine bestimmte Grundmiete garantiert. Sodann heißt es: „Fehlbeträge trägt die Auftragnehmerin im Rahmen ihrer Mietgarantie; etwaige Überschüsse stehen ihr zu.

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Bauherrenmodelle sind eine besondere Form der Kapitalanlage: Der Anleger erwirbt Eigentum an einer Immobilie, finanziert den Erwerb durch ein Darlehen und bewirkt dessen Tilgung dadurch, dass er aus der Vermietung der Immobilie Erträge zieht. Die vom Bauträger garantierte Miete ist dabei der Höhe nach regelmäßig darauf abgestellt, dass mit ihrer Hilfe die monatlichen Zins- und Tilgungslasten abgetragen werden können. Die Mietgarantie soll also den Anleger einseitig begünstigen. Sie soll aber nicht die Einnahmen des Anlegers nach oben begrenzen: Dem Anlagecharakter entsprechend steht eine etwaige erhöhte Rendite aus dem Investitionsobjekt dem Anleger zu. Von dieser berechtigten Erwartung des Anlegers (im Beispiel 52: des K) weicht eine Klausel ab, wonach dem Mietgaranten die Teile der Mieteinnahmen verbleiben sollen, welche die Garantie übersteigen. Dagegen verfängt auch der Einwand nicht, der Mietgarant trage das Risiko der Nichtvermietbarkeit des Objekts und müsse daher auch eventuelle Überschüsse für sich behalten dürfen: Der Anleger zahlt üblicherweise bei Bauherrenmodellen für die Übernahme der Garantie ein gesondertes Entgelt[61]. Eine weitere Gegenleistung kann der Auftragnehmer nicht beanspruchen. Das OLG Hamburg hat daher im Beispiel 52 zu Recht eine objektiv ungewöhnliche und im Ergebnis überraschende Klausel angenommen[62].

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Grundsätzlich nicht überraschend sind dagegen Klauseln, welche die Modalitäten von Abnahme und Zahlung regeln. Diese Pflichten müssen ohnehin irgendwann erfüllt werden; zu regeln ist hier allenfalls, wann und wo dies geschehen soll. Ausnahmen sind freilich auch hier denkbar: So wäre gewiss eine Klausel objektiv ungewöhnlich, wonach sich der Verkäufer beim Verbraucherkauf ausdrücklich das Recht vorbehält, die Kaufsache zur Nachtzeit anzuliefern.

f) Ungewöhnliche Klauseln zur Bereinigung rechtlicher Auseinandersetzungen

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Selbst für den Streitfall wird häufig versucht, durch AGB die Gewichte zum Nachteil des Klauselgegners zu verschieben.

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Beispiel 53

K aus Hamburg bestellt bei V aus Hamburg Waren, die V auch liefert. Zwischen K und V kommt es im Anschluss daran zu Rechtsstreitigkeiten. In den AGB des V findet sich folgende Klauseln: „Für alle aus der Geschäftsverbindung entstehenden Rechtsstreitigkeiten wird Köln als Gerichtsstand vereinbart.

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Selbst wenn die Parteien Kaufleute sind und als solche eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen können (§ 38 ZPO), bleibt Raum für eine Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB[63]. K und V haben im Beispiel 53 nach §§ 12, 13 ZPO beide einen gesetzlichen Gerichtsstand in Hamburg. Unter diesen Umständen erscheint die in den AGB des V bestimmte Gerichtsstandsvereinbarung selbst im kaufmännischen Verkehr überraschend[64]: Wenn beide Parteien ihren Sitz im gleichen Gerichtsbezirk haben, ist nicht im Entferntesten ein sachlicher Grund erkennbar, weshalb vor den Gerichten eines anderen Bezirks sollte gestritten werden können. Die Gerichtsstandsvereinbarung wird damit nach § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil.

g) Formerfordernisse

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Bei formularmäßigen Formerfordernissen ist scharf zwischen der Einbeziehungskontrolle nach § 305c I BGB und der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB zu unterscheiden.

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Beispiel 54

In den AGB eines Gebrauchtwagenhändlers heißt es: „Zusicherungen des angestellten Verkaufspersonals bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform.

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Schriftformklauseln sind bei Verträgen, die schriftlich geschlossen werden, niemals überraschend: Wenn ein Vertrag schriftlich geschlossen wird, muss jede Partei damit rechnen, dass der anderen an der Vollständigkeit des schriftlichen Vertragstextes und an einer vollständigen schriftlichen Dokumentation der getroffenen Vereinbarungen gelegen ist.

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Eine andere Frage ist, ob solche Klauseln auch der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten. Das hat der BGH zunächst für AGB eines Gebrauchtwagenhändlers (Beispiel 54) bejaht[65]: Der Verkäufer habe ein berechtigtes Interesse daran, sich gegen unkontrollierte Zusicherungen seiner Angestellten und gegen eine ggf. spätere Beweisnot zu schützen. Der Kunde könne auf schriftliche Niederlegung der Zusicherung drängen und so der Klausel die Wirkung nehmen. Dagegen meinte der BGH in einer späteren, den Möbeleinzelhandel betreffenden Entscheidung, dass die Klausel jedenfalls unwirksam sei, wenn auch die Gültigkeit nachträglicher Abreden an die Schriftform gebunden wird[66]: Das Interesse des Verkäufers, nicht an unkontrollierte Äußerungen des eigenen Personals gebunden zu sein, müsse zurücktreten hinter dem Interesse des Käufers, die Durchsetzung bestehender Ansprüche nicht unzumutbar zu erschweren. Der Käufer habe hier keine Möglichkeit mehr, die Änderung in den schriftlichen Vertragstext aufnehmen zu lassen. Diese Rechtsprechung lässt sich auf folgende allgemeine Formel bringen: Vereinbarungen, die bereits bei Vertragsschluss getroffen wurden, dürfen an das Erfordernis der Schriftform gebunden werden, nicht dagegen Vereinbarungen, die erst nachträglich getroffen werden. Erst recht unwirksam sind Klauseln, wonach nicht nur spätere Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen, sondern auch die Aufhebung des Schriftformerfordernisses an sich (sog. doppelte Schriftformklausel)[67]. Bei Verträgen, die ausschließlich über das Internet abgewickelt werden, sind Schriftformklauseln zur Gänze unwirksam: Wenn für den Vertragsschluss eine Mail oder ein vergleichbares Kommunikationsmedium genügt, muss Gleiches auch für spätere Vertragsänderungen oder für die Kündigung seitens des Kunden genügen[68]. Klauseln, in denen die Wirksamkeit von Erklärungen an eine bestimmte Form gebunden wird, sind im Übrigen, sofern sie gegenüber Verbrauchern verwendet werden, an § 309 Nr. 13 BGB zu messen. Bei Verwendung solcher Klauseln gegenüber Unternehmern ist allerdings nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht die Inhaltskontrolle flexibler zu handhaben; insbesondere soll § 309 Nr. 13 BGB nicht in den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern ausstrahlen[69].

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Selbst wenn für nachträgliche Abreden eine Schriftformklausel wirksam vereinbart sein sollte, die Parteien dann aber später mündlich einvernehmlich den Vertrag ändern, wird diese spätere Änderung ungeachtet der Schriftformklausel formlos gültig; denn nach § 305b BGB gebührt Individualabreden der Vorrang vor AGB und damit auch vor solchen Klauseln, die eine bestimmte Form vorsehen[70]. Das gilt sogar bei doppelten Schriftformklauseln: Die nachträgliche formlos getroffene Individualabrede setzt sich selbst gegen eine AGB-Klausel durch, wonach auch die Aufhebung des Schriftformerfordernisses seinerseits der Schriftform bedarf[71].

h) „Versteckte“ Klauseln

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Der ungewöhnliche Charakter einer Klausel kann sich freilich nicht nur aus ihrem Inhalt, sondern auch aus ihrer systematischen Stellung im Klauselwerk des Verwenders ergeben. Wenn der Verwender schon mit einem vorformulierten Vertragswerk an den Kunden herantritt, so erwartet dieser einen in sich logisch strukturierten Vertragstext: Der Verwender hatte schließlich genügend Zeit, sich im Vorfeld des Vertragsschlusses Gedanken über die Ausgestaltung seiner AGB zu machen. Wenn also eine Klausel nach der Aufmachung der AGB (Gliederung und Systematik) nicht an derjenigen Stelle zu erwarten ist, an der sie tatsächlich im Vertragstext plaziert ist, und dadurch selbst vom aufmerksamen Kunden überlesen zu werden droht, ist sie objektiv ungewöhnlich und, wenn der Kunde auch subjektiv überrascht wird, nach § 305c I BGB konsequent nicht Vertragsbestandteil[72].

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Dabei muss die Klausel um so deutlicher von den übrigen Vertragsbedingungen abgehoben sein und die besondere Aufmerksamkeit des Klauselgegners auf sich lenken, je gravierender von dessen berechtigten Erwartungen abgewichen wird.

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Beispiel 55

Patient P lässt sich vom privat liquidierenden Chefarzt C im Krankenhaus K operieren. Der formularmäßige Krankenhausaufnahmevertrag verweist auf die „Allgemeinen Vertragsbedingungen für die stationäre Krankenhausaufnahme“, die bei der diensthabenden Stationsschwester eingesehen werden können. In diesem Klauselwerk ist bestimmt: „Werden Wahlleistungen im Rahmen privatärztlicher Behandlung in Anspruch genommen, so sind diese nicht Gegenstand des Vertrags zwischen dem Patienten und der Klinik, sondern nur des Vertrags zwischen dem Patienten und dem liquidationsberechtigten Arzt.

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Der BGH hat die Klausel im Beispiel 55 sowohl ihrem Inhalt nach als auch wegen ihrer systematischen Stellung im Vertragstext für überraschend gehalten: Wer sich in ein Krankenhaus zur ärztlichen Behandlung begebe, erwarte selbstverständlich, dass gerade auch der Krankenhausträger ihm nicht nur Unterkunft und Verpflegung verspreche, sondern auch und gerade die ärztliche Behandlung selbst, derentwegen der Patient sich gerade erst ins Krankenhaus begebe. Eine Klausel im Krankenhausaufnahmevertrag, die den Patienten insoweit auf den behandelnden Arzt als alleinigen Vertragspartner verweise (sog. gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag), weiche so nachhaltig von dieser berechtigten Erwartung des Patienten ab, dass sie als überraschend angesehen werden müsse, wenn sie nicht ausnahmsweise dem Patienten so zur Kenntnis gebracht werde, dass dieser seine besondere Aufmerksamkeit auf sie richten könne[73]. Außerdem könne der Patient erwarten, dass eine solche Klausel innerhalb des von seiner Unterschrift gedeckten Vertragstextes stehe und nicht lediglich in einem unübersichtlichen, zahlreiche Seiten umfassenden Klauselwerk, das nur im Wege der Weiterverweisung in den Vertrag einbezogen werde[74]. Diese Entscheidung verdient in allen Punkten Zustimmung.

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Des Weiteren hat das OLG Düsseldorf eine Gebührenklausel in einem privatärztlichen Behandlungsvertrag für überraschend gehalten, wonach der Arzt ohne Rücksicht auf den Schwierigkeitsgrad den Höchstsatz einer privatärztlichen Gebührenordnung abzurechnen und im Einzelfall sogar das Dreifache dieses Satzes zu erheben befugt war: Diese Klausel sei zum einen inhaltlich überraschend, weil die Gebührensätze der GOÄ um ein Vielfaches überschritten würden. Zum anderen sei die Klausel aber nur mit Mühe zu lesen gewesen und habe daher beim Kunden den Eindruck erweckt, sie regle nur Nebensächliches[75]. Ganz allgemein erwartet der Kunde, dass Klauseln umso deutlicher hervorgehoben sind, je höher ihre Bedeutung für das Gefüge vertraglicher Rechte und Pflichten ist. Klauseln, die den Eindruck des Nebensächlichen erwecken, aber in Wahrheit gravierende rechtliche Auswirkungen für zentrale vertragliche Rechte und Pflichten nach sich ziehen, sind allein schon deswegen überraschend.

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Fälle versteckter Klauseln sind in der Rechtsprechung Legion. So ist in einem notariellen Kaufvertrag eine Klausel, wonach der Käufer die Provision des beauftragten Maklers zu tragen hat, überraschend, wenn sie nicht in den Kontext der Regelungen zum Kaufpreis gestellt ist, sondern sich stattdessen bei den Regelungen zum Rücktritt findet[76]. Erlegt der Generalunternehmer dem Subunternehmer unter der Überschrift „Wartung und Instandhaltung“ ein Wettbewerbsverbot (sog. Kundenschutzklausel) auf, so ist dies ebenfalls überraschend[77]. In einem 25 Seiten umfassenden Mietvertrag über Räume zum Betrieb einer Apotheke in einem Einkaufszentrum ist ein Wettbewerbsverbot überraschend, wenn es auf der vorletzten Seite unter „Sonstiges“ geregelt ist[78]. Die Umlage von „Verwaltungskosten“ auf den Mieter ist überraschend, wenn sie „an unauffälliger Stelle am Ende einer Anlage zum Mietvertrag“ geregelt wird[79]. In den AGB eines Mietvertrags über Gewerberäume ist ein Ausschluss der Haftung für anfängliche Mängel überraschend, der in eine Klausel integriert ist, in welcher es um die Beschränkung von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrechten geht und die auch eine entsprechende Überschrift trägt[80]. Ist im letzten Satz einer zwei Seiten umfassenden Anwaltshonorarvereinbarung bestimmt, dass die gesetzlichen Gebühren (also nach RVG) gelten, soweit sie das vereinbarte Honorar übersteigen, ist auch dies überraschend[81]: Der Mandant erwartet bei einer Honorarvereinbarung, dass die vom Gegenstandswert abhängigen gesetzlichen Gebühren keine Rolle spielen; will der Anwalt den nach RVG berechneten Gebühren für seine Abrechnung gleichwohl Bedeutung beimessen, muss er dies in der Honorarvereinbarung an entsprechend exponierter Stelle zum Ausdruck bringen. In den AGB eines Mobilfunkanbieters ist die Beschränkung einer SMS-Flatrate auf bestimmte Netze überraschend, wenn diese Beschränkung nicht in der unmittelbaren Preisbeschreibung, sondern in einem davon getrennten „Tarifflyer“ enthalten ist[82]. Wird in einem Versicherungsvertrag eine feste Laufzeit vereinbart und enthalten AGB außerhalb des Versicherungsscheins eine Klausel, wonach sich der Vertrag mangels Kündigung automatisch verlängert, so ist auch diese Klausel überraschend[83]: Der Versicherungsnehmer rechnet nach den getroffenen Vereinbarungen mit einer festen und gerade nicht mit einer unbefristeten Vertragsdauer. In derartigen Fällen scheitert eine Verlängerungsklausel oft sogar schon am Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB)[84].

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Klauseln in Fernabsatzverträgen, wonach der Verbraucher im Falle des Widerrufs die Kosten der Rücksendung bis zu einem Betrag von 40 € zu tragen hat (vgl. § 357 II 2 BGB a.F.), wurden als überraschend eingestuft, wenn sie erstmals in der Widerrufsbelehrung enthalten waren[85]. Freilich hat sich dieses Problem heute dadurch erledigt, dass der Verbraucher nach § 357 VI BGB[86] kraft Gesetzes die unmittelbaren Kosten der Rücksendung zu tragen hat, sofern er darüber belehrt wurde. Es genügt also, den Verbraucher im Rahmen der zu erteilenden Belehrung auf die Rücksendekosten hinzuweisen.

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