Kitabı oku: «AGB-Recht», sayfa 20
c) Überraschungsklauseln und gesetzliche Regelung
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Eine Klausel ist freilich dann nicht objektiv ungewöhnlich, wenn es gesetzliche Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass sie üblicherweise verwendet werden, ja u.U. sogar verwendet werden müssen.
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Beispiel 39
In einem formularmäßigen Krankenhausaufnahmevertrag behält sich ein Klinikträger die rückwirkende Erhöhung der Pflegesätze für Ein- und Zweibettzimmer vor.
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Im Beispiel 39 hat der BGH die Klausel mit der Begründung als nicht überraschend angesehen, weil die Bundespflegesatzverordnung in der damals geltenden Fassung den Krankenhausträgern bei gestiegenen Kosten die – ggf. sogar rückwirkende – Erhöhung von Pflegesätzen sogar vorschrieb, um die Deckung der Kosten zu gewährleisten. In diesem Fall kann man in der Tat nicht von einer „objektiv ungewöhnlichen“ und konsequent auch nicht von einer überraschenden Klausel sprechen[9]. An dieser Beurteilung hat entgegen der Auffassung einiger Instanzgerichte[10] auch der Umstand nichts geändert, dass die Nichteinbeziehung überraschender Klauseln seit 1977 gesetzlich angeordnet ist. Vor einer Verallgemeinerung der soeben referierten Rechtsprechung des BGH ist freilich zu warnen: Wenn nicht ein vergleichbarer Ausnahmefall gegeben ist, sind Rückwirkungsklauseln im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses grundsätzlich unüblich und überraschend[11].
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Beispiel 40
B hat gegenüber der G-Bank zwei Höchstbetragsbürgschaften zur Sicherung von Kreditforderungen der G gegen S übernommen, eine davon in Höhe von 30.000, eine weitere in Höhe von 35.000 €. In beiden Urkunden ist durch AGB der G bestimmt: „Die Bürgschaft gilt zusätzlich zu etwaigen weiteren von mir abgegebenen Bürgschaftserklärungen.“
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Das OLG Düsseldorf hat die Klausel im Beispiel 40 dahin ausgelegt, dass der Bürge nicht nur in Höhe des jeweils höchsten Betrags haftet (also hier: 35.000 €), sondern in Höhe der zusammengerechneten Höchstbeträge (also hier: 65.000 €)[12]. Das sei auch nicht überraschend. Denke man nämlich die Klausel hinweg, so sei das Ergebnis kein anderes: Dann greife der allgemeine Grundsatz ein, dass jeder Vertrag selbstständige Rechte und Pflichten begründe. Wenn aber die Klausel ohnehin dem entspreche, was allein aufgrund Gesetz und Recht ohnehin gelte, so könne die Klausel schlechterdings nicht überraschend sein[13]. Aus dieser zutreffenden Entscheidung lässt sich ein allgemeiner Rechtssatz ableiten:
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Tipp
Steht eine Klausel im Einklang mit derjenigen Rechtslage, die auch ohne sie bereits kraft Gesetzes gälte, so ist sie nicht überraschend.
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Es würde in dieser Situation dem Klauselgegner auch nichts bringen, wenn die Klausel nach § 305c I BGB nicht in den Vertrag einbezogen würde. Denn nach § 306 I gälte in diesem Fall das dispositive Gesetzesrecht – und damit eben im Ergebnis keine andere Regelung als diejenige, welche in der fraglichen Klausel enthalten war. Vergleichbares gilt nach Ansicht des OLG Zweibrücken[14], wenn ein Arbeitnehmer eine formularmäßige Bürgschaft auf erstes Anfordern eingeht: Der Zusatz „auf erstes Anfordern“ wirkt zwar für eine Privatperson überraschend; die Bürgschaft ist aber dadurch nicht gänzlich unwirksam, sondern nach § 306 Abs. 2 BGB als einfache Bürgschaft zu behandeln.
d) Ungewöhnliche Bestimmung des Inhalts vertraglicher Leistungspflichten
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Den ersten Anhaltspunkt für die Beurteilung, ob eine Klausel überraschend ist, liefert immer der Typus des konkret geschlossenen Vertrags mit seiner rechtlich verfassten Struktur von Rechten und Pflichten. Überraschend sind danach alle Klauseln, die dem Kunden Pflichten auferlegen, welche sich außerhalb dieser Struktur bewegen, oder die ihm elementare Rechte abschneiden, welche bei Verträgen dieses Typs eine absolute Selbstverständlichkeit sein sollten.
aa) Atypische Pflichten
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Überraschend sind damit zum einen Klauseln, die dem Kunden zusätzliche, gemessen am Vertragscharakter atypische Pflichten auferlegen; das gilt auch für atypische Nebenleistungspflichten und sogar für atypische Obliegenheiten[15]. Zur Illustration mag wiederum das oben in Rn. 164 gebildete Beispiel 37 dienen: Der Käufer wird überrascht, wenn ihm in den AGB des Verkäufers mit Kaufabschluss zugleich der Abschluss eines (periodisch zu erfüllenden) Wartungsvertrags angesonnen wird. Der Käufer hat einen punktuellen Austauschvertrag geschlossen und ist gerade kein Dauerschuldverhältnis eingegangen; er hat einen Kaufvertrag geschlossen und keinen Werk- oder Dienstvertrag[16]. Das gleiche gilt im umgekehrten Fall: Bestimmt ein vom Vermieter verwendetes Vertragsformular, dass der Mieter verpflichtet sein soll, ihm das Mietobjekt nach Ablauf der Mietzeit abzukaufen, so ist diese Klausel ebenfalls überraschend. Der Mieter hat ein auf Zeit beschränktes Nutzungsrecht gegen monatliches Entgelt, nicht aber das Eigentum gegen Zahlung des Substanzwerts erwerben wollen[17]. Aus ähnlichen Gründen ist eine Klausel in einem formularmäßigen Erbbaurechtsvertrag unwirksam, wonach der Erbbauberechtigte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums auf Verlangen des Eigentümers diesem das Grundstück abzukaufen hat[18]. Nicht als überraschend anzusehen ist aber beim Grundstückskauf ein Wiederkaufsrecht der Gemeinde für den Fall unterbliebener Bebauung[19]; ebenso wenig die Pflicht des Käufers, den noch nicht fälligen Grundstückskaufpreis ab Besitzübergang zu verzinsen[20].
bb) Einseitige Verschiebung des Gegenseitigkeitsverhältnisses
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Überraschend ist ebenso bei gegenseitigen Verträgen die Lösung der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung.
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Beispiel 41
In einem Abonnementvertrag über den Bezug einer Tageszeitung heißt es: „Der Bezugspreis ist auch dann in voller Höhe zu entrichten, wenn einzelne Ausgaben der Zeitung nicht geliefert werden.“
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Die Klausel im Beispiel 41 ist nicht nur unwirksam (näher unten Teil 4 Rn. 177 f.). Vielmehr scheitert bereits ihre Einbeziehung in den Vertrag an § 305c I BGB: Zur selbstverständlichen Erwartung des Kunden gehört es beim Abschluss eines entgeltlichen Vertrags, dass er nur zu leisten braucht, wenn er dafür auch die versprochene Gegenleistung erhält. Klauseln, die diese untrennbare Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung jenseits besonderer gesetzlicher Gefahrtragungsregeln (etwa §§ 326 II, 446, 447 BGB) auflösen, werden nicht Vertragsbestandteil[21].
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Beispiel 42
Makler M verwendet im Geschäftsverkehr mit seinen Kunden einen „Auftragschein für den Nachweis von Mietwohnungen“. Dieses Formular enthält eine Bestimmung, wonach der Kunde zur Zahlung einer Provision von zwei Monatsmieten verpflichtet ist, falls er einen von M nachgewiesenen Vertrag abschließt. Für den Fall, dass der Kunde das Objekt binnen fünf Jahren nach Abschluss des Mietvertrags kauft, soll er dem M zusätzlich zur Zahlung einer – der Höhe nach unbestimmten – „Käuferprovision“ verpflichtet sein.
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Die Klausel im Beispiel 42 ist ebenfalls überraschend[22], weil der Maklerkunde eine Vergütung zahlen soll für eine Leistung, die er niemals in Auftrag gegeben hat (er hatte den Nachweis von Mietwohnungen, nicht den Nachweis von Kaufgelegenheiten begehrt) und die der Makler letztlich überhaupt nicht erbringt; denn die Provision soll mangels Einschränkungen im Wortlaut der Klausel offenbar selbst dann zu zahlen sein, wenn der Makler zum Abschluss des Kaufvertrags nicht nochmals tätig wird. Zudem ist die Höhe der „Käuferprovision“ im Vertrag nicht bestimmt; sicher ist nur eines: Jene Provision liegt um ein Vielfaches höher als die Provision, welche für den Nachweis einer Mietwohnung gezahlt wird. Die Klausel ist damit gemäß § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil geworden. Ganz allgemein sind Klauseln überraschend, die dem Makler abweichend von § 652 BGB einen Provisionsanspruch ohne Rücksicht darauf garantieren, ob dessen Nachweis- oder Vermittlungsbemühungen Erfolg hatten oder nicht[23]. Sofern der Makler sich in AGB einen erfolgsunabhängigen Anspruch auf Aufwendungsersatz ausbedingt, muss sich dieser Anspruch ausschließlich auf den Ersatz konkreter Aufwendungen beschränken[24], darf also keine versteckte erfolgsunabhängige Provision enthalten.
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Beispiel 43
Die Brauerei B schließt mit dem Gastwirt G einen (so überschriebenen) „Darlehensvorvertrag“. Danach stellt sie die Gewährung eines Darlehens in Aussicht, behält sich aber für zahlreiche Fälle vor, das Darlehen gleichwohl nicht auszuzahlen. In den AGB der B ist bestimmt, dass der Gastwirt selbst dann eine bestimmte Menge Bier bei B abzunehmen und zu bezahlen hat, wenn das Darlehen nicht in Anspruch genommen wird.
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Darlehen, welche Brauereien an Gastwirte zur Anschubfinanzierung ihres Betriebs ausreichen, sind üblicherweise an die Gegenleistung geknüpft, dass die Wirte ausschließlich bei dieser Brauerei Bier in im Voraus bestimmten Mengen beziehen. Von diesem Leitbild weicht die Klausel im Beispiel 43 erheblich ab, da der Bierbezug von der Auszahlung des Darlehens abhängig gemacht wird. Bereits deshalb ist die Klausel objektiv ungewöhnlich. Zu Recht hat der BGH sie daher nicht als Vertragsbestandteil angesehen[25]. Hinzu kommt, dass auch in der Überschrift des Vertrags nichts darauf hindeutet, dass außer einem Darlehen auch noch der Bezug von Bier angebahnt und – anders als das Darlehen – sogar endgültig verbindlich vereinbart werden soll. Auch nach der Aufmachung des Vertrags ist die Klausel damit überraschend[26].
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Beispiel 44
V vermietet an M ein Kopiergerät. In den AGB des V heißt es: „Ist der Mieter mit der Zahlung länger als 1 Monat in Verzug, so kann der Vermieter das Gerät zur Sicherung seines Eigentums zurückfordern und vom Mieter Erfüllung des Vertrags im Übrigen verlangen.“ Gestützt auf diese Klausel nimmt V, nachdem M in Zahlungsverzug geraten ist, das Gerät wieder an sich und verlangt auch für die Zeit der Besitzentziehung die Miete.
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Nach Ansicht des BGH ist die Klausel im Beispiel 44 weder überraschend (§ 305c I BGB), noch benachteiligt sie den Mieter unangemessen (§§ 307 ff. BGB): Man könne ihm nicht verwehren, zur Sicherung seines Eigentums das Gerät zurückzunehmen. Der Mieter könne diesen Zustand durch Zahlung der Miete jederzeit beenden[27].
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Bei dieser Rechtsprechung darf die anwaltliche Beratung nicht stehenbleiben. Bereits das OLG Hamm als Vorinstanz[28] hatte zutreffend hervorgehoben, dass der Mieter, dem jeglicher Gebrauch des Mietobjekts verwehrt wird, nicht zur Zahlung der Miete verpflichtet sein kann. Das folgt aus dem Fixcharakter der Miete[29]: Die Miete wird als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung in einem bestimmten Zeitraum geschuldet. Soweit der Gebrauch in dieser Zeit nicht gewährt wird, ist die Leistung des Vermieters endgültig unmöglich, so dass auch kein Anspruch auf Miete besteht. Wenn also der Vermieter trotz Rücknahme des Geräts Miete verlangt, hebt er den Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung auf. Die Klausel ist damit überraschend. Jedenfalls aber ist sie nach § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam: Der Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung ist wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung (vgl. für die Miete etwa § 536 BGB). Die Sicherung des Vermietereigentums gebietet entgegen der Ansicht des BGH keine abweichende Beurteilung: Das Eigentum des Vermieters ist lediglich dann gefährdet, wenn der Mieter sich anschickt, das Mietobjekt an einen gutgläubigen Dritten zu veräußern (§§ 929, 932 BGB). In diesem Fall kann der Vermieter im Wege der einstweiligen Verfügung erzwingen, dass der Mieter den Besitz am Mietobjekt aufgibt; Inhalt einer solchen Verfügung wäre aber niemals die Herausgabe an den Vermieter selbst, sondern lediglich die Herausgabe an einen Sequester[30]. Dann kann der Vermieter nicht mittels AGB weitergehende Sicherungsrechte für sich beanspruchen. Entscheidend für die hier vertretene Ansicht spricht ein Vergleich mit dem Vorbehaltskauf: Wer eine Sache unter Eigentumsvorbehalt verkauft, kann die Kaufsache mangels Zahlung des Kaufpreises nur herausverlangen, wenn er zurückgetreten ist (§ 449 II BGB). Der Verkäufer kann also nicht gleichzeitig die Kaufsache zurücknehmen und weiterhin den Kaufpreis verlangen. Es ist nicht einzusehen, warum der Vermieter besser stehen soll. Auch ihm ist es zuzumuten, sich zu entscheiden: Wenn er das Mietobjekt zurückhaben will, muss er – ggf. fristlos – kündigen. Will er am Vertrag festhalten, so ist ein Rücknahmerecht nur akzeptabel, wenn zugleich im Mietvertrag angeordnet ist, dass der Mieter während der Besitzentziehung nicht zur Zahlung der Miete verpflichtet ist. Der Vermieter kann jedoch nicht sowohl Rückgabe als auch Zahlung der Miete verlangen.
cc) Von Kundenerwartung abweichender Vertragsinhalt
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Überraschend ist des Weiteren eine Klausel, die dem Kunden signalisiert, dass der Vertrag, den er meint abgeschlossen zu haben, in Wahrheit gar nicht zustande gekommen ist, oder dass er umgekehrt einen Vertrag abgeschlossen hat, den er erkennbar nicht abschließen wollte.
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Beispiel 45
R betreibt ein – in seinen Geschäftsbriefen und auf großen Lettern über seinen Geschäftsräumen ausdrücklich so bezeichnetes – Reisebüro. Er verwendet im Geschäftsverkehr mit seinen Kunden Vertragsformulare mit der Überschrift „Pauschalreisevertrag“. In diesem Vertrag werden bestimmte Leistungen aufgeführt; sodann findet sich eine Bestimmung, wonach der Kunde für jene Leistungen den „Reisepreis von _____ €“ zu zahlen hat. Im Anschluss daran ist bestimmt: „Das Reisebüro erbringt die Reiseleistungen nicht in eigener Verantwortung, sondern wird lediglich als Vermittler für die Leistungsträger tätig. Ansprüche wegen Nicht- oder Schlechtleistung stehen dem Kunden ausschließlich gegen die Leistungsträger zu.“
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Bei der Klausel im Beispiel 45 handelt es sich um eine sog. Vermittlerklausel. Hintergrund dieser Klausel ist, dass ein Reisevertrag nach §§ 651a ff. BGB nur zustande kommt, wenn der Reiseveranstalter die Reiseleistungen in eigener Verantwortung zu erbringen verspricht. Nur dann ist der Veranstalter auch selbst Gegner von Mängelansprüchen des Reisenden nach §§ 651c ff. BGB (für Reisen, die ab dem 1.7.2018 gebucht werden: §§ 651i ff. BGB n.F.). Die Vermittlerklausel will den Veranstalter gegen eben diese Folge schützen: Rechte nach §§ 651c ff. BGB (für Reisen, die ab dem 1.7.2018 gebucht werden: §§ 651i ff. BGB n.F.) richten sich nämlich niemals gegen den (bloßen) Reisevermittler. Nun ist aber das Vertragsformular des R im Beispiel 45 so formuliert, dass für einen verständigen Durchschnittskunden alles auf eine eigenverantwortliche Leistungserbringung durch R hindeutet: Der Vertrag ist mit „Pauschalreisevertrag“ überschrieben und der „Reisepreis“ an R zu zahlen. Mit „Reisepreis“ kann vernünftigerweise nicht die Vergütung für die Vermittlung von Reiseleistungen gemeint sein, sondern nur die Vergütung für deren Erbringung. Wenn sich aber R eine solche Vergütung versprechen lässt, wiegt er seine Kunden in dem Glauben, dass er jene Leistungen auch selbst erbringen und gerade nicht bloß vermitteln will. Mit dieser berechtigten Kundenerwartung ist die Vermittlerklausel nicht vereinbar; sie ist daher objektiv ungewöhnlich und auch im Übrigen überraschend. Der BGH hatte dies bereits zutreffend vor Einführung der §§ 651a ff. BGB entschieden[31]. Mittlerweile ergibt sich aus § 651a II BGB (für Reisen, die ab dem 1.7.2018 gebucht werden: §§ 651b I 2 BGB n.F.), dass eine solche Vermittlerklausel rechtlich wirkungslos ist – und zwar nicht nur in AGB, sondern selbst im Individualvertrag[32]. Der BGH hat die Vermittlerklausel in Reiseverträgen überdies gemäß § 307 I BGB für unwirksam erklärt[33].
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Das Reisevertragsrecht bietet auch über das Problemfeld der Vermittlerklausel interessantes Anschauungsmaterial für die Bestimmung jenes Überraschungsmoments, welches die Einbeziehung einer Klausel nach § 305c I BGB verhindert. Denn dem Abschluss eines Reisevertrags geht im Regelfall aktive Werbung des Reiseveranstalters voraus, insbesondere in Gestalt von Reiseprospekten. Wenn etwa in einem solchen Reiseprospekt mit der Zusage geworben wird, dass eine gebuchte Reise einmalig kostenfrei umgebucht oder storniert werden kann, sind AGB, in denen der Reiseveranstalter für Umbuchung oder Storno Gebühren berechnet, aus der verständigen Sicht des Reisekunden überraschend[34]: Der Kunde darf erwarten, dass die AGB halten, was die Werbung des Verwenders zuvor versprochen hat.
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Beispiel 46
A bringt den bewusstlosen Notfallpatienten B in die von K betriebene Klinik. Während B behandelt wird, unterschreibt A eine von K vorformulierte Erklärung: „Ich beantrage für mich oder für den oben genannten Patienten unter Übernahme der gesamtschuldnerischen Haftung für das Entgelt die stationäre Behandlung.“
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Wer einen Notfallpatienten einliefert, will erkennbar keine eigene vertragliche Verpflichtung begründen, sondern ausschließlich dafür sorgen, dass dem Patienten die dringend erforderliche ärztliche Behandlung zuteil wird. Die einliefernde Person erwartet daher mit Recht, dass der Klinikträger sich hernach mit dem Patienten selbst oder ggf. dessen Versicherung auseinandersetzt. Die Klausel im Beispiel 46 weicht eklatant von diesen berechtigten Erwartungen ab, indem sie jener Person eine eigene Haftung für das Behandlungsentgelt ansinnt. Das LG Düsseldorf hat daher zu Recht die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag nach § 305c I BGB verworfen[35].
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Beispiel 47
Bauherr B beauftragt den Generalunternehmer U mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Bürogebäudes. In den AGB des U findet sich die Klausel: „Der Generalunternehmer ist bevollmächtigt, im Namen des Bauherrn Bauleistungen an Dritte zu vergeben.“
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Der Bauherr, der einen Generalunternehmer beauftragt, erwartet, dass dieser in eigener Verantwortung für die Erbringung der notwendigen Bauleistungen sorgt – sei es selbst, sei es durch Subunternehmer. Dazu gehört, dass der Generalunternehmer im eigenen Namen mit den Subunternehmern kontrahiert. Dieser berechtigten Erwartung läuft die Klausel in Beispiel 47 diametral zuwider; die Klausel ist daher überraschend[36].
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Überraschend ist schließlich in einseitig verpflichtenden Verträgen eine Klausel, durch die dem Gegner eine weitergehende Haftung auferlegt als diejenige, aus deren Anlass er die Verbindlichkeit eingegangen ist. Bedeutung erlangt dies namentlich bei Bürgschaft und Grundschuld: Eine Klausel, wonach der Bürge oder Grundpfandgeber nicht nur für den Kredit haftet, aus dessen Anlass er die Sicherheit gegeben hat, sondern darüber hinaus für „alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen“ des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, ist überraschend und wird nach § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil[37]. Überraschend ist ferner die Klausel in Nr. 21 III 2 Muster-AGB Sparkassen, wonach das AGB-Pfandrecht auch Ansprüche gegen Dritte sichert, für deren Erfüllung ihr der Kunde persönlich haftet[38]. In den AGB des Bürgen ist eine Klausel überraschend, wonach die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft an die Voraussetzung geknüpft wird, dass die Hauptschuld im Verhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner rechtskräftig festgestellt oder das Bestehen der Hauptforderung durch übereinstimmende Erklärung von Gläubiger und Hauptschuldner nachgewiesen wird[39].
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Die Vielfalt einschlägiger Fälle, mit denen die Gerichte unter dem Gesichtspunkt des § 305c I BGB mit unerwarteten Klauseln über den Vertragsinhalt konfrontiert werden, nimmt beeindruckende Ausmaße an. So ist eine Klausel in AGB eines Internetanbieters, wonach bei Nichtverfügbarkeit des beantragten DSL-Anschlusses ein Vertrag über einen ISDN-Anschluss zustande kommt, mit Recht für überraschend erklärt worden; denn ein Internetzugang über ISDN ist wegen seiner Langsamkeit kein angemessener Ersatz für einen DSL-Zugang[40]. Nicht überraschend ist dagegen nach Ansicht des LG Düsseldorf die sog. Wartezeitklausel in einer Rechtschutzversicherung, wonach Versicherungsschutz erst nach Ablauf von sechs Monaten nach Versicherungsbeginn besteht[41]. Nicht überraschend ist in AGB eines Rechtsschutzversicherers auch eine Klausel, wonach bei Streitigkeiten mit anderen Versicherern nur bis zu einem Streitwert von 250.000 € Versicherungsschutz besteht[42]. Wohl aber ist eine Klausel überraschend, die bei Überschreitung dieser Grenze jeglichen auch nur anteiligen Versicherungsschutz ausschließt[43]. Bei einer Neuwertversicherung ist eine Klausel in AGB des Versicherers überraschend, wonach, lediglich der Aufwand für die Wiederherstellung der beschädigten Sache erstattet wird, falls dieser niedriger ist als der Aufwand für die Beschaffung einer neuwertigen Ersatzsache[44]. Bei einer Fahrzeugvollversicherung ist eine Klausel als überraschend angesehen worden, wonach die Leistungspflicht des Versicherers im Schadensfall reduziert war, falls der Versicherungsnehmer mit dem versicherten Fahrzeug eine größere jährliche Laufleistung zurückgelegt hatte als im Vertrag angegeben: Der Versicherungsnehmer erwarte als Reaktion auf die Überschreitung der jährlichen Fahrleistung eine Erhöhung der Prämie, nicht aber eine Verminderung des Versicherungsschutzes im Schadensfall[45]. Bei Klauseln in AGB von Kfz-Versicherern, wonach das Eigentum an dem versicherten Kfz auf den Versicherer übergeht, wenn es gestohlen wurde und nicht innerhalb einer bestimmten Frist wieder auftaucht, ist zu unterscheiden: In den AGB der allgemeinen Kfz-Kaskoversicherung sind solche Klauseln üblich[46], in Oldtimer-Versicherungen dagegen überraschend[47]. Oldtimer steigen nämlich mit zunehmendem Alter im Wert. Der Versicherungsnehmer muss nicht damit rechnen, dass der Versicherer, der an sich versprochen hat, den wirtschaftlichen Verlust auszugleichen, der durch den Diebstahl entstanden ist, sich am Schadensfall bereichern will. In den AGB von Banken sind – jedenfalls im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern – Klauseln überraschend, denen zufolge die Bank Negativzinsen auf Sichteinlagen erhebt[48].