Kitabı oku: «Wie aus dem Ei gepellt ...», sayfa 6
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Gibt es den Osterhasen?
„Glaubst du an den Osterhasen?“
Lisas Augen werden groß und rund. Florian steht vor ihr, beide Hände in den Hosentaschen. Lisa weiß nicht so recht, was sie antworten soll.
„Mein Bruder hat gesagt, es gibt keinen Osterhasen“, sagt Florian. „Mein Bruder ist schon sieben.“ Er zeigt die Zahl mit seinen Fingern.
„Wer bringt denn dann die Ostereier?“, fragt Lisa.
„Die Eltern malen sie an und verstecken sie heimlich.“
„Und warum gibt es dann überhaupt Ostern?“
Auf diese Frage weiß Florian keine Antwort, er zuckt mit den Schultern.
„Siehst du, das weißt du jetzt nicht, sonst weißt du ja immer alles.“
Beide wenden sich wieder ihren Bildern zu, die sie gerade im Kindergarten malen. Lisa hat einen Garten mit vielen Blumen gemalt, einen Hasen und ein Nest mit bunten Eiern. Das Bild wird sie ihrer Oma schenken. Wenn sie zu Hause ist, wird sie die Großen fragen, wie das mit Ostern ist.
„Mama, wer bringt die Ostereier?“, fragt sie am Mittagstisch. Heute gibt es Spaghetti mit Tomatensoße, ihr Lieblingsessen.
„Der Osterhase natürlich, Lisa“, sagt Mama. Lisa bemerkt, dass Mama lacht, ihr zuzwinkert und einen bedeutungsvollen Blick auf ihre jüngeren Geschwister Lena und Lars wirft, die beharrlich mit den Nudeln kämpfen.
Sie wird es selber herausfinden, denkt Lisa. Sie macht sich einen Plan. In der Nacht vor Ostern wird sie, wenn es dunkel ist, aufstehen, heimlich in den Garten gehen und dann wird sie ja sehen, wer die Eier bringt.
Am Samstagabend liest Papa noch eine Gutenachtgeschichte vor, dann macht er das Licht aus. Lisa hat ihre Taschenlampe auf den Tisch neben ihrem Bett gelegt: Sie wird sie mitnehmen, wenn es soweit ist.
Plötzlich steht Lisa mit ihrer Taschenlampe im Garten, aber der Garten ist anders als sonst, dunkel und geheimnisvoll. Sie geht über den Kiesweg, die Steine knirschen unter ihren Füßen. Der Garten hat keinen Zaun mehr, er geht in eine Wiese mit Bäumen über. Sie hört ein Rascheln im Gras und glaubt ihren Augen nicht zu trauen – im Schein ihrer Taschenlampe sieht sie eine Hasenfamilie: zwei große Hasen und drei winzige Hasenkinder.
„Seid ihr vielleicht die Osterhasen?“, fragt Lisa.
„Sehen wir so aus?“, fragt der größte zurück. „Die Menschen erzählen ihren Kindern die Geschichten vom Osterhasen. Aber wir können doch gar keine Eier legen, meine Frau hat letzte Woche drei Junge zur Welt gebracht. Jedes Kind weiß, dass die Hühner die Eier legen. Denen würden wir nie ihre schönen Eier wegnehmen, das tun doch schon die Menschen. Sie kochen sich Frühstückseier und an Ostern tauchen sie sie in Farbe und verstecken sie für ihre Kinder.“
Nachdenklich geht Lisa weiter. Die Bäume werden dichter, sie gelangt in einen Wald. Auf einer Lichtung steht eine weiße Bank, darauf sitzt ein junges, wunderschönes Mädchen mit langen blonden Haaren und einem glitzernden Kleid in Pink. Es erinnert Lisa an die Prinzessin in ihren Lieblingsbüchern. „Setz dich zu mir, Lisa“, sagt das Mädchen. „Was machst du so allein im Wald?“
„Ich wollte den Osterhasen suchen, aber ich habe nur eine ganz normale Hasenfamilie gesehen. Die hatten nicht einmal Farben bei sich.
„Möchtest du wissen, warum wir Ostern feiern?“, fragt die Schöne. „So genau weiß ich das auch nicht, aber ich glaube, wir feiern den Beginn des Frühlings. Das Gras wird grün, die Blumen beginnen zu blühen, die kleinen Hasen und Lämmer werden geboren. Die Menschen freuen sich darüber und schenken sich etwas, Schokoladeneier, Osterhasen und gefärbte Eier.“
„Ich mag am liebsten Marzipan-Eier“, sagt Lisa und geht weiter.
Nach einer Weile kommt sie zu einer Buche, unter der ein alter Mann auf einem Baumstamm sitzt, er hat ein freundliches Gesicht. „Setz dich zu mir“, sagt der Mann und rückt ein bisschen. „Du möchtest eine Antwort auf die Frage haben, warum wir Ostern feiern, stimmt’s?“
„Ja, aber woher weißt du das?“
„Ich weiß, was die Menschen denken. Ich bin viel in der Welt herumgekommen und die Menschen haben mir Geschichten erzählt. Also mit Ostern ist das so: Die Christen feiern Ostern, weil Jesus am Ostermorgen auferstanden ist. Zwei Tage vorher, am Karfreitag, ist er gestorben. Als Zeichen der Trauer schweigen an diesem Tag an vielen Orten die Kirchenglocken und am Ostersonntag klingen sie dann besonders schön und feierlich“, erklärt der alte Mann.
„Die Geschichte mit Jesus hat uns die Manuela im Kindergarten auch schon erzählt“, meint Lisa nachdenklich. „Dann wird sie wohl stimmen.“
„Aber jetzt geh schnell nach Hause, Lisa, und feiere mit Mama, Papa, Lena und Lars ein schönes Osterfest.“
„Auf Wiedersehen!“, ruft Lisa ganz laut und winkt, als sie über den Waldweg hüpft.
„Lisa, du hast geträumt.“
Mama steht neben ihrem Bett und streicht ihr über die Haare. Draußen ist es schon hell und die Sonne scheint in ihr Zimmer.
„Zieh dich schnell an, Lena und Lars wollen Ostereier suchen.”
„Au ja“, ruft Lisa, „hoffentlich sind Marzipan-Eier dabei!“
Hanna Rein wurde 1948 in Kassel geboren und wohnt jetzt in Bornheim. Sie hat Germanistik und Geografie studiert und 30 Jahre als Lehrerin gearbeitet. Seit Kurzem schreibt sie Geschichten und Gedichte, von denen einige in Anthologien erschienen sind.
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Karla und der Osterhase
Karla ist neun Jahre alt und hat lange, schwarze Haare, die sie meist zu Zöpfen geflochten rechts und links über den Ohren baumeln hat. Ihre Nase ist übersät mit Sommersprossen. Wenn sie lacht, kann man erkennen, wie die kleinen Punkte auf ihrer Nase tanzen, und das tun sie viele Male am Tag. Überhaupt ist Karla ein sehr fröhliches Kind.
Die Leute sagen, sie sei behindert. Einige nennen es „Down-Syndrom“, andere „Trisomie 21“ und wieder andere sagen Wörter, die überhaupt nicht schön klingen. Wenn Karla mit ihrer Mutter über die Straße geht, werden sie oft mitleidig angesehen, aber das stört die beiden längst nicht mehr. Auch Karlas Papa und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Martin bemerken es nicht mehr, denn die ganze Familie weiß, Karla ist ein ganz besonderer Mensch. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, dass ausgerechnet ihr die Geschichte mit dem Osterhasen passiert ist.
Karla wohnte mit ihrer Familie in einem hübschen, kleinen Haus direkt am Wald. Um das Haus herum war ein großer Garten, in dem sich viele Tiere tummelten. Da gab es fünfzehn Hühner und einen Hahn, mehrere Katzen, zwei kleine Pferde und Samson, den Hofhund.
Karla spielte gerne im Garten, weil man dort so richtig toben kann. Meist hatte sie ein paar Freundinnen dabei, aber an diesem besonderen Tag im letzten Jahr, war sie ganz allein. Etwas langweilig war ihr, denn auch ihre Mutter hatte an diesem Tag keine Zeit mit ihr zu spielen. So lief sie etwas unschlüssig im Garten herum, kickte einen Stein vom Weg und schaukelte ein wenig in der großen Hollywoodschaukel am Waldrand. Plötzlich hörte sie eine leise Stimme. „Hey, du! Bist du allein?“
Karla erschrak, denn normalerweise kam hier kein Mensch entlang. Sie sprang auf und spähte in den Wald. Hinter einem Baum hervor ertönte wiederum die Stimme: „Hier bin ich, hinter der großen Eiche! Siehst du mich denn nicht?“
Karla lief auf den dicken Baum zu und sah dahinter. Und da saß er! Er sah sie freundlich an und Karla wusste sofort: „Das ist der Osterhase!“
Er hatte viele bunte Flecken, die wohl noch vom Eierfärben zurückgeblieben waren. Sie freute sich riesig, denn gerade in diesem Jahr hatte ihr Bruder Martin erzählt, dass es den Osterhasen gar nicht gäbe. Sie war erst sehr enttäuscht, hatte dann aber beschlossen ihm nicht zu glauben, denn wer sonst könnte die Eier so schön anmalen und wer sonst konnte wissen, dass sie sich diese wunderschöne Puppe gewünscht hatte.
Karla hüpfte fröhlich auf den Hasen zu und rief: „Es gibt ihn doch, es gibt ihn doch!“
„Pssst!“, machte der Osterhase und sah sich erschrocken um. „Sei doch bitte nicht so laut! Ich möchte nicht, dass mich jemand hier findet. Könntest du mir helfen, mich zu verstecken?“
Karla schaute erstaunt drein. „Warum willst du dich denn bei mir verstecken?“, fragte sie verwundert.
„Na, weil doch jetzt die Jäger wieder unterwegs sind! Was meinst du, wie enttäuscht die Kinder wären, wenn die Jäger mich erwischten und es zu Ostern keine Eier mehr gäbe!“
Das leuchtete Karla ein. Sie überlegte. Dann fiel ihr plötzlich der alte Kaninchenstall ein, der noch im Schuppen stand. „Willst du da wohnen, bis die Jäger wieder weg sind?“, fragte sie den Osterhasen.
„Oh ja, das ist eine sehr gute Idee.“ Der Osterhase war mehr als begeistert. „Ich hole nur eben meine Sachen!“ Schon war er wieder im Wald verschwunden.
Es dauerte sehr lange und Karla hatte schon Sorge, er würde nun doch nicht in den alten Kaninchenstall einziehen, aber da raschelte es im Unterholz und der Osterhase war wieder da. Er hatte einen kleinen Jutesack bei sich, in dem seine paar Habseligkeiten verstaut waren. So ein Osterhase braucht ja nicht viel. Ein paar Pinsel und Farbtuben, einen Lappen und drei Eierbecher waren im Sack.
Karla zeigte ihm den Stall und holte gleich ein bisschen Heu, um es dem Gast schön gemütlich zu machen. Der Osterhase rekelte sich bequem zurecht und schlief dann gleich ein.
Karla lief schnell zu ihrer Mutter, um ihr von dieser tollen Neuigkeit zu berichten. „Mama, Mama, hör mal, ich habe den Osterhasen gesehen!“, rief sie. Upps, da war es passiert! Sie durfte doch nicht erzählen, wer da jetzt im Kaninchenstall wohnte!
Zum Glück glaubte ihre Mutter ihr kein Wort: „Ach, Schatz, das gibt es doch gar nicht. Der Osterhase läuft doch jetzt nicht mehr herum. Der kommt erst zu Ostern wieder.“
Puuh, Glück gehabt! Karla polterte ein schwerer Stein vom Herzen. „Aber Mama, einen Hasen habe ich doch gesehen!“, erzählte sie dann begeistert. „Komm mal mit in den Stall!“
Widerwillig folgte ihre Mutter ihr, denn sie hatte noch eine Menge zu tun. Dann aber staunte sie nicht schlecht, als sie den bunten Hasen da in dem kleinen Stall friedlich schlafen sah. „Karla!“ rief sie: „Du verblüffst mich immer wieder aufs Neue. Wie hast du das denn fertiggebracht? Hasen sind doch so scheu!“
Karla strahlte und erzählte, wie der Hase sie gebeten hatte ihr ein Versteck vor den Jägern zu zeigen, und wie sie ihm geholfen hatte.
„Na, da hast du aber eine gute Tat getan diesen kleinen Hasen vor den Jägern zu retten. Hat dir Papa von den Jägern erzählt? Ich hoffe, du hast keine Angst bekommen!“ Trotz der Sorge musste Mama schmunzeln. Sie nahm Karla in die Arme und drückte sie ganz fest.
In den nächsten Wochen halfen Papa und Martin, den Osterhasen zu versorgen. Auch die beiden glaubten nicht an die Geschichte vom Osterhasen.
Na, Gott sei Dank!
Die Zeit verging, die Osterzeit rückte näher und der Osterhase wurde unruhig.
„Liebe Karla!“, sprach der Hase eines Morgens zu ihr. „Du musst mich jetzt raus lassen! Ich habe noch sehr viel zu tun, damit alle Kinder zu Ostern ihre Eier bekommen. Es besteht jetzt auch keine Gefahr mehr für mich, denn die Zeit der Jagd ist vorbei. Ich bin dir sehr, sehr dankbar für deine Hilfe und würde gerne bald wiederkommen!“
Karla nickte. Sie war zwar etwas traurig, aber sie sah auch ein, dass die Arbeit zu Ostern getan werden musste. Also nahm sie den Hasen aus dem Stall und trug ihn mitsamt seinem Jutesack zum Waldrand, wo sie ihn im letzten Jahr erst kennengelernt hatte. „Tschüss!“, rief sie ihm unter Tränen nach und der Osterhase verschwand schnell im Unterholz.
Als sie zu ihrer Mutter in die Küche kam, hatte sie rot verweinte Augen. Mama nahm sie sofort auf ihren Schoß und fragte: „Karla mein Schatz, was ist denn los?“
Karla schniefte und antwortete dann: „Ach Mama, der Osterhase ist weggegangen, weil er doch soviel Arbeit hat. Deshalb bin ich so traurig!“
„Hat denn jemand den Stall offen gelassen?“, rief Mama entsetzt und sprang auf. Beinahe wäre Karla hingefallen. Dann liefen sie schnell zusammen in den Garten, weil Mama glaubte, der Hase sei vielleicht noch in der Nähe und man könne ihn wieder einfangen.
In diesem Jahr hat Karla ein paar besonders schöne Ostereier und das dicke Buch über Hasen bekommen, dass sie sich gewünscht hat. Martin hat ihr wieder erzählt, dass nicht der Osterhase, sondern ihre Eltern die Sachen besorgt hätten. Aber Karla weiß es jetzt genau: Das sind die Geschenke vom Osterhasen! Sie freut sich schon jetzt darauf, dass ihr neuer Freund bald wieder in sein Winterquartier einziehen wird.
Hildegard Weigel-Stodt wurde 1964 im Ruhrgebiet geboren. Heute lebt sie mit ihren beiden Kindern und ihrem Ehemann in einem kleinen Dorf in Wittgenstein. Nach einer Ausbildung zur Schauwerbegestalterin und einem Germanistik Studium, ist sie heute Hausfrau und arbeitet nebenberuflich unter anderem als Texterin für eine Agentur. Seit 2005 schreibt sie Kurz- und Kindergeschichten, von denen einige bereits in Anthologien und in der Zeitung erschienen sind.
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Die Osterbäumchen
„Das kann doch nicht wahr sein.“ Entsetzt blickte Clemens Langohr auf seine besten Läufer, die mit verbundenen Füßen und hängenden Ohren vor ihm saßen. „Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr zum Beginn der Osterzeit ganz besonders aufpassen und auf eure Gesundheit achten müsst. Wer soll denn jetzt die fertig bemalten Eier den vielen Kindern ins Nest legen, wenn ihr nicht laufen könnt?“
Clemens Langohr war Bürgermeister in Osterhausen. Auf ihm lastete eine große Verantwortung. Er musste sich um die gesamte Organisation des Beschaffens, Färbens und der Auslieferung aller Ostereier kümmern. Ständig reiste er durchs ganze Land, um mit den Osterhausener Hennen zu verhandeln. Monatelang hatten dann seine Mitarbeiter fleißig gearbeitet und alle angelieferten Eier in den prächtigsten Farben bemalt. Sogar aus dem benachbarten Ausland, von den niederländischen Osterinseln, hatten sie in diesem Jahr welche bekommen. Und jetzt standen die großen Kiepen mitten auf dem Rathausplatz und waren voll bepackt mit schön gefärbten Kunstwerken. Da gab es rote, grüne, blaue, gelbe – ja selbst gestreifte, gesprenkelte und marmorierte Eier schillerten im strahlenden Sonnenlicht. Damit diese auch rechtzeitig zum Fest an ihrem Bestimmungsort ankamen, wurden die schnellsten Läufer der Hasengemeinde auserwählt, um die Ostereier sogar in weit entfernte Gebiete zu tragen.
„Das wird manchenorts ein trauriges Osterfest werden, wenn dort die Nester leer bleiben“, überlegte der Hasenbürgermeister. Er dachte an die vielen enttäuschten Gesichter der Menschenkinder, die heuer keine bunten Eier, unter Büschen und im Gras versteckt, finden würden. Betrübt wandte er sich ab und ging ins Rathaus zurück.
Die gescholtenen Osterhasen sahen schuldbewusst in die erbosten Gesichter der anderen Langohren, die neugierig herbeigeeilt waren, um zu erfahren, was denn auf dem Rathausplatz für ein Aufruhr war. Das hatten sie nun davon. Warum mussten sie auch ausgerechnet kurz vor Ostern durch den Wald laufen und übermütig Haken schlagen, wo sie doch ganz genau wussten, dass zwischen den Bäumen allerlei Unrat herumlag. Dieser war von den Menschen dort weggeworfen oder nach einem Picknick einfach vergessen worden. Wen verwundert es deshalb, dass die Rammler aus Versehen in die Scherben kaputter Flaschen getreten waren und sich dabei die Läufe verletzt hatten. Sie schämten sich sehr, denn nun konnten sie beim Verteilen der bunten Ostereier nicht mithelfen.
„Ihr seid eine Schande für ganz Osterhausen“, ereiferte sich ein betagter Hase, der arg von Gicht geplagt war und sich auf seinem Stock abstützen musste.
Ein anderer schlug sich stolz auf die Brust und zeigte auf eine glänzende Medaille, die ihn als besten Läufer seines Jahrgangs auszeichnete. „So etwas wäre uns früher nie passiert!“, rief er aufgebracht und erntete beifälliges Gemurmel. Alle wetterten gegen die Schuldigen und ließen kein einziges gutes Fellhaar an ihnen.
Der kleine Hase Springinsfeld hatte Mitleid mit den Unglückseligen und suchte fieberhaft nach einer Lösung des Problems. Plötzlich bemerkte er eine Schar Graugänse, die gackernd über den Rathausplatz hinwegflogen.
Ungestüm zupfte er am Rocksaum seiner Mama, einer etwas molligen Hasendame, die gespannt dem Unmut der übrigen Hasengemeinde zuhörte. Endlich beugte sie sich zu ihm herab. Erstaunt lauschte sie, was Springinsfeld ihr in die Hasenlöffel flüsterte. Sie nahm den Kleinen auf den Arm und rannte, so schnell es ihre Hasenkörperfülle zuließ, ins Rathaus.
Völlig außer Atem stürmte sie in die Amtsstube von Clemens Langohr. „Herr Bürgermeister, Herr Bürgermeister! Das ist die Lösung!“
Das Gemeindeoberhaupt war bass erstaunt, als es die schnaufende und schwitzende Hasenmama mit dem kleinen Springinsfeld vor sich stehen sah.
„Na los, Springinsfeld, erzähl dem Herrn Bürgermeister von deiner Idee“, ermunterte die Häsin ihren Sohn.
„Ich … äh, ich dachte …“, stotterte Springinsfeld vor Aufregung. „Ich dachte, wir könnten doch die Vogelschar bitten, uns bei der Eierauslieferung behilflich zu sein.“
„Die Vögel? Aber wieso denn die Vögel?“, fragend schaute das Oberhaupt der Hasengemeinde den Kleinen an und kratzte sich nachdenklich zwischen den langen Ohren.
„Weil Vögel doch fliegen und deshalb auch weite Strecken in kurzer Zeit zurücklegen können“, erwiderte Springinsfeld zaghaft.
Der Bürgermeister sprang hinter seinem Schreibtisch hervor und verschränkte die Vorderpfoten auf dem Rücken. Er lief von einer Seite des Raums zur anderen und von dort wieder zurück. Zwischendurch hielt er kurz an, runzelte die Stirn, um gleich darauf seine Runde fortzusetzen. Währenddessen war in der Amtsstube kein Laut zu hören. Plötzlich blieb Clemens Langohr abrupt stehen.
„Ja, natürlich! Du hast recht! Versuchen können wir es!“, stimmte er schließlich zu.
Sogleich machte er sich auf den Weg, um Springinsfelds Idee den Vögeln vorzutragen.
Und so kam es, dass am Ostersonntag die Spaziergänger nicht schlecht staunten, als sie in vielen Vorgärten Bäumchen entdeckten, die mit kunstvoll bemalten Eiern behängt waren. Kein Wunder, denn den Vögeln war es unmöglich gewesen, die Eier unter den Büschen und im Gras zu verstecken, so wie es gewöhnlich die Hasen an Ostern taten.
Marika Krücken, geboren 1953 in Uelzen bei Hannover, lebt mit ihrer Familie in Köln. Seit 1985 schreibt die Hobbyautorin Kindergeschichten. Inspiriert durch ihre Patenkinder und ihre Tochter, entstand eine Sammlung kleiner Geschichten, die sie in ihrem Buch Traumzeit-Geschichten mit dem Titel „Winterträume“ vorstellt. Ihr erstes Buch „Geschichten von Siebenpünktchen“ wurde im Jahr 2005 veröffentlicht. Seit dieser Zeit hat die Autorin an verschiedenen Anthologien teilgenommen. „Eine Reise nach Moskau“, ein Lehrbuch für den Deutschunterricht in Russland, erschien 2008.
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Oster-Anna
Ich heiße Anna. Obwohl ich kein Fisch bin, kam ich in einem Aquarium zur Welt. Und das war so:
Eine Hand holte mich eines Tages aus dem Nest meiner Mutter und sagte: „Frieda, meine Enkelin möchte gerne ein Küken aus dem Ei schlüpfen sehen. Da, du noch keine Lust, zum Brüten hast, werde ich ein Experiment wagen.“
Mutter Frieda nickte mit dem Kopf: „Go,go,go.“
„Experiment. Was mag das sein?“, dachte ich.
Das Experiment bedeutete, dass ich statt in einen Brutkasten in ein Aquarium gelegt worden bin. Darin lag ich auf einem mit Federn ausgepolsterten, weichen Bett. Jeden Tag drehte meine Ziehmutter mich morgens, mittags, nachmittags und abends einmal um. Dies tat sie, damit ich nicht an meinem Haus kleben blieb. Sie sorgte auch dafür, dass sich genug frische Luft und Feuchtigkeit in meinem Glaszimmer befanden. Sie prüfte die Temperatur, da mein Glaszimmer immer warm sein musste.
Meine Ziehmutter konnte ich nicht sehen, da mein angeborenes Haus hart und nicht durchsichtig war. Aber ich hörte ihre Stimme. Eines Tages nahm sie mich aus dem Glashaus heraus und legte mich auf eine harte Unterlage. Es wurde hell in meinem Haus. Ich lag auf einem kleinen Leuchttisch.
„Schau. Da ist das kleine Kükenherz. Siehst du die kleinen Adern?“, fragte meine Ziehmutter.
„Warum bewegt sich das Herz?“, fragte ein Kind.
„Es pumpt das Blut durch die Adern, damit es leben und wachsen kann“, erklärte meine Ziehmutter.
„Oma darf ich es auch mal halten?“ Das Kind nahm mich in seine Hände, streichelte meine harte Schale und legte mich vorsichtig in das Glashaus zurück. Es wurde wieder dunkel.
Einmal erlebte ich ein tolles Abenteuer. Ich wurde in ein warmes Wasserbad gelegt und mein Haus schaukelte hin und her. Ich fand das lustig.
Das Kind lachte: „Das Ei schwimmt wie ein Boot auf dem See.“
„Das bedeutet, dass das Küken lebt und gesund zur Welt kommt“, sagte meine Ziehmutter.
Danach kam ich wieder in das Glashaus zurück. Irgendwann bemerkte ich, dass mein Haus kleiner geworden war. Ich konnte mich nicht mehr so gut darin bewegen und ich beschloss endlich mein enges Haus, zu verlassen.
Doch es war nicht so einfach. In meinem Haus gab es keine Türen und keine Fenster. Ich pickte mit meinem Eizahn erstmal ein Guckloch. Das war eine schwere Arbeit. Es hat einen ganzen Tag gedauert und danach war ich sehr müde. Am nächsten Tag machte ich mit lautem Piepsen meine Ziehmutter auf mich aufmerksam.
Sie stand an meinem Glashaus und sagte: „Streng dich an. Bald hast du es geschafft.“
„Die hat gut reden“ dachte ich. „Sie weiß ja nicht, wie hart mein Haus ist.“
Ich hackte weiter mit meinem Eizahn gegen die harte Mauer und plötzlich bekam mein Haus Risse.
„Oma die Eierschale ist kaputt gegangen“, rief das Kind.
„Das ist gut so“, sagte meine Ziehmutter.
Ich wollte so schnell wie möglich raus. Aber es dauerte noch eine ganze Nacht und fast einen ganzen Tag. Schließlich drückte ich ganz fest mit meinen Füßen an die Innenwand und die Schale krachte entzwei.
„Oma, Oma!“ Das Kind hüpfte in die Luft. „Es ist da!“
„Ich bin frei“, rief ich und sah endlich meine Ziehmutter und das Kind. „Herzlich willkommen auf dieser Welt“, sagte sie.
Das Kind sagte: „Oma, guck mal. Da ist unser Osterküken.“
„Ja“, sagte meine Ziehmutter.
„Guck mal Oma. Das Küken hat aber große Füße. Und schwarze Augen. Und das Kleid ist so gelb, wie die Sonne. Es soll Oster-Anna heißen“, sagte das Kind.
Gleichzeitig hörte ich meinen Bruder Tom piepsen. Er wollte auch aus seinem engen Haus heraus.
Im Aquarium wurde die Luft plötzlich sehr feucht, und so nahm mich meine Ziehmutter heraus. Legte mich in einen Karton unter eine Rotlichtlampe. Das tat gut. Mein nasses Kleid trocknete schell. Das Kind nahm mich aus der Kiste heraus und streichelte mein Kleid und sagte. „Das Kleid ist so kuschelig.“
Nun schlief ich die ganze Nacht. Am nächsten Tag lag Tom auch in meinem Karton, aber das gefiel mir gar nicht. Wie kam er dazu, in meine Villa einzudringen? Und ich pickte auf ihn los. Das gefiel unserer Ziehmutter nicht. Wir bekamen getrennte Häuser. So standen zwei Kisten unter der warmen Lampe.
Am nächsten Morgen flogen wir aus den Kisten heraus und liefen durch die Wohnung herum.
„Oma, warum können sie schon so schnell laufen? Bei Babys dauert es ganz lange, bis sie laufen können.“
„Hühner sind Nestflüchter. Das bedeutet, dass sie nach dem Schlüpfen aus dem Ei sofort alleine trinken, essen und laufen können. Wir Menschen sind auf unsere Mamas angewiesen“, sagte unsere Ziehmutter.
Flugs bekamen wir einen großen Käfig. Und wurden nach draußen gebracht. Das Kind stellte einen kleinen Teller mit gutem Kükenfutter und eine kleine Schüssel mit frischem Wasser in den Käfig dazu. Dann machte es sich auf die Suche nach Regenwürmern.
Ab und zu durften wir frei in dem großen Garten herumlaufen. Hier fanden wir feines Gras und auch kleine Würmer. Der Besuch wurde von uns beiden genau untersucht. Wir flogen den Menschen auf die Schuhe und auf ihre Köpfe. Der Tisch und der Osterkuchen waren auch nicht sicher vor uns. Da war es unserer Ziehmutter zu viel und sie setzte uns in den Käfig zurück.
Die Kükenzeit war schnell vorbei und mein Kleid färbte sich weiß und das von Tom schwarzbraun. Wir zogen in den großen Hühnerstall zu unseren großen Schwestern und Brüdern. Sie haben uns natürlich zuerst nicht gemocht. Sie pickten auf unsere Köpfe. Zum Glück beschützte uns ein bunter Hahn. Er tanzte sehr elegant um mich herum und das gefiel mir sogar. Bald gehörten wir zu der Hühner Familie.
Brigitte Meertens wurde 1940 in Eberwalde geboren. Dreißig Jahre hat sie im Kindergarten gearbeitet. In ihrer Freizeit schrieb sie für Fachzeitschriften für Erzieherinnen Kindergeschichten, Gedichte, Rhythmikspiele und Erfahrungsberichte. Im Jahre 2000 ging sie in den (Un)Ruhestand und erarbeitet seitdem Projekte für die praktische Arbeit mit Kindern. Sie ist verheiratet, hat zwei Töchter und zwei Enkelinnen und wohnt jetzt mit ihrem Mann in Herzogenrath. I