Kitabı oku: «Kirchliche Loyalitätspflichten und die Europäische Menschenrechtskonvention», sayfa 3

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IV. Inhalt der Loyalitätsobliegenheiten

Der Bedarf der Kirchen, kündigungswesentliche Verhaltensrichtlinien auch für den privaten, außerdienstlichen Bereich bindend festzuschreiben, war hinlänglich bekannt. Bestätigt wurde die kircheneigene Kompetenz durch das BVerfG, das festschrieb, dass diese – mit gewissen Beschränkungen121 – unter das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht falle.122 Die Kirchen, am Beispiel der beiden großen Kirchen in Deutschland,123 reagierten auf diese Entwicklung unterschiedlich: mal schnell und detalliert,124 mal weniger schnell und weniger detailliert.125

1. Katholische Kirche

Eine erste Niederlegung von Loyalitätsobliegenheiten innerhalb der katholischen Kirche war die „Erklärung zum kirchlichen Dienst“, vom ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz im Jahr 1983 erlassen.126 Nachdem diese weder hinreichend detailliert noch mit rechtsverbindlichem Charakter ausgestaltet war, ist ihre rechtliche Bedeutung eher gering einzuschätzen.127 Somit genügte sie nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die den Kirchen das Recht zugestand, ihre Loyalitätsobliegenheiten verbindlich festzuschreiben,128 nicht, um das ansonsten auftretende rechtliche Vakuum – denn den Fachgerichten war es ja gerade untersagt, ihre Wertung an die Stelle der Kirchen zu setzen129 – hinreichend auszufüllen.130 Folgerichtig131 verabschiedeten die deutschen Bischöfe auf der Herbstkonferenz 1993 eine neue „Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst“, bei deren normativer Umsetzung132 es sich dann um die heute gültige Grundordnung der katholischen Kirche (GrO) handelt.133

a. Grundlagen

Die GrO liefert zunächst in Art. 1 eine Legaldefinition der Dienstgemeinschaft: Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann. Art. 2 GrO präzisiert den Begriff der Einrichtung, indem der Geltungsbereich der GrO weit gefasst wird. Umfasst sind demnach Arbeitnehmer bei den Diözesen, Kirchengemeinden, -stiftungen sowie öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts (Art. 2 I Buchst. a)-e) GrO). Aber auch sonstige Einrichtungen kirchlicher Träger sind unbeschadet ihrer Rechtsform gemäß Art. 2 II GrO dazu gehalten, die GrO zu übernehmen. Voraussetzung hierfür ist eine satzungsmäßig abgesicherte Zuordnung zur Kirche,134 die auch eine privatrechtliche Organisationsform in die verfassungsrechtlich geschützte Selbstverwaltungsgarantie einbezieht.135 Ausdrücklich ausgenommen sind schließlich durch Art. 2 III GrO Klerikerdienstverhältnisse und Ordenszugehörige.

Art. 3 GrO normiert Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, so unter anderem, dass die Einhaltung der Loyalitätsobliegenheiten (Art. 4 GrO) gemäß Art. 3 V GrO obligatorisch durch Befragung und Aufklärung sicherzustellen ist. Konkret wird festgelegt, dass für pastorale, katechetische sowie grundsätzlich erzieherische und leitende Aufgaben136 nur Angehörige der katholischen Kirche in Frage kommen (Art. 3 II GrO). Personen, die sich kirchenfeindlich betätigen oder aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, sind nicht geeignet für den Dienst in der Kirche (Art. 3 IV GrO).

b. Fragerecht und Offenbarungspflicht

Aus diesen Grundsätzen, insbesondere aber aus der kircheninternen Befragungs- und Aufklärungspflicht des Art. 3 V GrO, folgt ein über das Maß des weltlichen Arbeitsrechts hinausgehendes Fragerecht des Arbeitgebers. Ein grundsätzliches Fragerecht ist im weltlichen Arbeitsrecht für tätigkeitsrelevante Fragen anerkannt,137 findet aber regelmäßig dort seine Grenze, wo schützenswerte Interessen des Arbeitnehmers dem entgegenstehen.138 Dies sind regelmäßig die Grenzen seiner Individualsphäre, denn hier fehlt es an einem berechtigten, billigenswerten und schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers auf Beantwortung einer solchen Frage.139 Bei unzulässigen Fragen überwiegt demnach das Interesse des Bewerbers an einer Nicht-Beantwortung. Es folgt ein Recht zur Lüge.140 Nur zulässige Fragen sind wahrheitsgemäß zu beantworten, widrigenfalls für die Arbeitgeberseite eine Anfechtung gemäß §§ 119 II, 123 I, 142 I BGB in Frage kommt.141

Die Reichweite von Fragerecht und Recht zur Lüge ist nicht erst seit Erlassung des AGG im weltlichen wie im kirchlichen Arbeitsrecht gleichermaßen umstritten.142 Richtigerweise kann jedoch der Umfang des Fragerechts nur mit den „im späteren Arbeitsverhältnis legitimerweise zu stellenden Anforderungen“ korrespondieren.143 Dies ist auch die einzig überzeugende Lösung: Sinnlos wäre es doch, bestimmte Loyalitätsanforderungen als legitim zu bejahen, gleichzeitig aber die Frage nach ihrer Erfüllung im Vorstellungsgespräch abzulehnen. Eine Divergenz darf hier nicht sein. Die Antwort zu dieser Frage hängt also entscheidend von der ihr übergeordneten Frage der grundsätzlichen Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ab.

Nicht ganz so einfach zu beantworten ist demgegenüber die Frage nach möglichen Offenbarungspflichten eines Bewerbers. Auch hier nützt zunächst der Hinweis auf die Rechtslage im weltlichen Arbeitsrecht. Grundsätzlich besteht eine solche eigenständige Offenbarungspflicht nicht.144 Nur dort, wo ein Bewerber auf längere Dauer überhaupt nicht in der Lage sein wird, die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, ist eine solche Pflicht von der Rechtsprechung bejaht worden.145 Diese grundlegende Überlegung ließe sich auch für die Annahme einer Offenbarungspflicht im kirchlichen Bewerbungsgespräch fruchtbar machen: Ist der Bewerber für sich selbst erkennbar nicht fähig oder gewillt, sich an kirchliche Loyalitätserwartungen zu halten, so wird er die Glaubwürdigkeit der Kirche gefährden und daher auf Dauer ungeeignet sein, den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Auf dieser Grundlage differenziert Fink-Jamann nach der Systematik des Art. 3 II GrO und nimmt für die Arbeitsverhältnisse, bei welchen die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche zwingend vorausgesetzt ist, eine Offenbarungspflicht des Bewerbers bezüglich der Kirchenzugehörigkeit an.146 Für die weiteren dort genannten Arbeitsverhältnisse wird von einer Offenbarungspflicht im Grundsatz ausgegangen.147 Für den Kirchenaustritt bestehe dagegen bei Arbeitnehmern, die dem Art. 3 II GrO unterfallen, eine Offenbarungspflicht; bei den übrigen Arbeitnehmern richte sich diese nach dem Kennen oder Kennenmüssen des Ausschlussgrundes des Art. 3 IV GrO.148

Zweifelhaft ist dies einzig vor dem Hintergrund, dass – stellt man die GrO ins Zentrum der Untersuchung – diese selbst nicht unbedingt von einer Offenbarungspflicht auszugehen scheint. Im Gegenteil: Art. 3 V GrO normiert ja gerade eine Prüfungspflicht bezüglich der Erfüllung von Loyalitätsobliegenheiten und scheint so geradezu ausdrücklich festzulegen, dass eine Offenbarungspflicht nicht besteht, da ansonsten die Prüfungspflicht obsolet wäre. Dies überzeugt jedoch nur auf den ersten Blick: Art. 3 V GrO verweist ausdrücklich nur auf die Loyalitätsobliegenheiten nach Art. 4 GrO. Im Umkehrschluss steht die Systematik der GrO, die die Kirchenzugehörigkeit bzw. die Rechtsfolgen des Kirchenaustritts bereits in Art. 3 GrO regelt, der Annahme einer Offenbarungspflicht nicht entgegen; das Gegenteil ist der Fall.

Für die im Zentrum dieser Arbeit stehende Problematik der kündigungsrechtlichen Fragestellung könnten diese Fragen jedoch möglicherweise dahingestellt bleiben. Unterlässt der kirchliche Dienstgeber die nach Art. 3 V GrO vorgesehene Befragung, so stellt sich die Frage, ob er sich damit auch seiner Möglichkeit zur Kündigung begibt. Dütz sieht hier insbesondere den kirchlichen Arbeitgeber in der Pflicht und konstatiert: „Was hier versäumt wird, kann später nicht durch Abmahnung und Kündigung korrigierend nachgeholt werden.“149 Dagegen steht Thüsing: Loyalitätsverstöße nach Art. 4 GrO können auch ohne vorherige Befragung und Belehrung des Bewerbers mit einer späteren Kündigung geahndet werden.150

Die letztgenannte Ansicht überzeugt. So urteilte auch das BAG, dass eine unterbliebene Nachfrage nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könne.151 Dies ergibt sich aus mehreren Argumenten. Zunächst ist Art. 3 V GrO nicht als Schutznorm für den Arbeitnehmer konzipiert.152 Vielmehr bezweckt er gerade im Gegenteil den Schutz der Glaubwürdigkeit und den Sendungsauftrag der Kirche.153 Nach Systematik und Telos kann ihm demzufolge keinesfalls eine Funktion des Arbeitnehmerschutzes entnommen werden. Der Arbeitnehmer soll nicht vor einer Kündigung geschützt werden, er soll vielmehr gar nicht erst eingestellt werden. A maiore ad minus muss also zumindest die Kündigung möglich bleiben. Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstverwaltungsrecht kann nicht durch eine Nachlässigkeit des Einstellenden ausgehebelt werden. Treuwidrig ist dagegen eine Kündigung aufgrund eines Kirchenaustritts oder eines annähernd vergleichbaren Verstoßes, wenn dieser bereits zum Datum der Einstellung bekannt war.154 Der allgemeine Grundsatz des venire contra factum proprium trifft insoweit also auch die Kirchen.

Im Ergebnis kann die Reichweite von Fragerecht und Offenbarungspflichten für die rein kündigungsrechtliche Problematik also hier offen bleiben. Ein Fragerecht besteht, soweit der Kirche auch das Recht zusteht, kündigungswesentliche Obliegenheiten verbindlich festzulegen; dies ist Gegenstand dieser Untersuchung. Eine Offenbarungspflicht besteht im Grundsatz nicht; Ausnahmen bilden ggf. der Kirchenaustritt sowie die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche. Auf die Rechtmäßigkeit einer Kündigung hat dies aber regelmäßig keine Auswirkungen.

c. Loyalitätsanforderungen

Von weitaus größerer Bedeutung für die hier zu erörternde Fragestellung ist Art. 4 GrO, der die Loyalitätsobliegenheiten der kirchlichen Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses kodifiziert. Hierbei hat sich die katholische Kirche für eine gestufte Regelung entschieden.

Demnach unterliegen gemäß Art. 4 I 2, 3 GrO katholische Mitarbeiter im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst, leitende Mitarbeiter sowie Mitarbeiter, die aufgrund einer missio canonica tätig sind, den stärksten Loyalitätsbindungen. Bei ihnen ist das „persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich.“ Übrige katholische Mitarbeiter haben die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre nicht nur anzuerkennen, sondern auch zu beachten,155 Art. 4 I 1 GrO. Nichtkatholische Christen unterliegen geringeren Loyalitätsobliegenheiten: Sie haben gemäß Art. 4 II GrO die Wahrheiten und Werte des Evangeliums zu achten und dazu beizutragen, sie zur Geltung zu bringen. Sie müssen diese also nicht als richtig für sich selbst anerkennen, die Kirche kann dies auch nicht erwarten.156 Nichtchristliche Mitarbeiter157 schließlich unterliegen den geringsten Loyalitätserwartungen. Sie haben gemäß Art. 4 III GrO bereit zu sein, die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.158 Schließlich trifft alle Mitarbeiter gemeinsam die Pflicht, kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen und die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht zu beschädigen (Art. 4 IV GrO).

All diesen Erwartungen ist gemein, dass sie – insbesondere für ein rechtsverbindliches Dokument – recht unbestimmt erscheinen.159 Trotzdem erscheinen die offenen Formulierungen alternativlos, denn es „wird ein Rechtstext kaum jemals in einem Nebensatz die Wahrheit des Evangeliums definieren können.“160 Zudem bietet der Katalog aus Art. 5 GrO161 hinreichend Regelbeispiele, auf deren Vergleichbarkeit abgestellt werden kann. Man wird die Konkretisierung also ganz im Sinne der Selbstverwaltungsgarantie den Kirchen zu überlassen haben162 und eine Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalles treffen müssen.

Die Stufung mag zunächst überraschen, führt man sich die Definition der Dienstgemeinschaft noch einmal vor Augen: Alle in der Kirche Tätigen nehmen ohne Rücksicht auf ihre arbeitsrechtliche Stellung gleichermaßen am Sendungsauftrag teil.163 „Im Hinblick auf die sittlichen Normen, die das in sich Schlechte verbieten, gibt es für niemanden Privilegien oder Ausnahmen."164 Indes wird darauf hingewiesen, dass die Kirche gerade auch zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit keine überzogenen Anforderungen stellen dürfe, die ihre Bediensteten ohnehin entweder nicht gewillt oder nicht fähig wären, zu erfüllen, denn rein praktisch müsste man sie schon zahlenmäßig eventuell dennoch beschäftigen.165 Gleichwohl darf man nicht den Fehler begehen, eigene Wertungen an die Stelle derer der Kirche zu setzen.166 Entscheidet sich die katholische Kirche also für eine Abstufung nach Religion und Konzession, so bewegt sie sich innerhalb des ihr zustehenden Freiraumes, den sie freilich so nicht komplett ausfüllt.167 Nach erfolgter Konkretisierung muss sie sich aber auch an diesen Richtlinien festhalten lassen.

d. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Loyalitätsanforderungen

In Art. 5 GrO werden die Verstöße gegen die Loyalitätsobliegenheiten definiert. Art. 5 I GrO kodifiziert das dem allgemeinen Arbeitsrecht entlehnte ultima-ratio-Prinzip: Bei Verstößen ist zunächst ein beratendes Gespräch durch den Dienstgeber zu suchen und sodann auf andere Maßnahmen wie etwa eine Abmahnung, einen formellen Verweis, Versetzung oder Änderungskündigung abzustellen. Erst als ultima ratio kommt dann eine Kündigung in Betracht. Hierbei handelt es sich um eine zwingende Verfahrensvorschrift, die angesichts der Systematik des Art. 5 GrO für sämtliche dort geregelten Kündigungen gelten muss.168

Konkret regelt dann der zweite Absatz kündigungsrelevante Loyalitätsobliegenheiten in Form eines nicht abgeschlossenen („insbesondere“) Katalogs von Regelbeispielen. So kommen insbesondere der Kirchenaustritt,169 öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche, exemplarisch hinsichtlich der Abtreibung, schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen, Abschluss einer nach katholischem Recht ungültigen Ehe170 (konkretisiert durch Art. 5 V GrO), sowie Handlungen, die als eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche anzusehen sind, als schwerwiegende Verfehlungen in Frage. Für die Generalklausel der persönlichen sittlichen Verfehlung wird betont, dass sie eine vergleichbar schwerwiegende Verfehlung darstellen muss, und das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 1 ff. LPartG) als Beispiel genannt.171 Zwar wendet sich die katholische Kirche gegen die Benachteiligung homosexuell veranlagter Menschen; gleichwohl lehnt sie die praktizierte Homosexualität ab.172 Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 1 ff. LPartG) ist demnach ein schwerer Loyalitätsverstoß.173 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Feststellen eines solchen Verstoßes ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung.174

Ein solcher Verstoß zieht abhängig von der innerkirchlichen Position der Bediensteten unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich.175 Gemäß Art. 5 III GrO wird – Art. 5 nimmt insoweit die Stufung aus Art. 4 wieder auf – für pastorale, katechetische oder leitende Mitarbeiter sowie Mitarbeiter, die aufgrund einer missio canonica tätig sind, die Weiterbeschäftigung per se ausgeschlossen, wenn nicht gravierende Umstände des Einzelfalls hiergegen sprechen. Hierbei muss es sich um besonders gelagerte Fälle handeln; zudem steht keinesfalls die unveränderte Beschäftigung, sondern vielmehr eine Beschäftigung unter Veränderung des Vertragsinhaltes im Vordergrund.176 Für die übrigen Mitarbeiter ist eine Prüfung der Einzelfallumstände vorgesehen, wobei nicht etwa die Interessen des Arbeitnehmers gegenüberstehen. Vielmehr ist die Gefährdung der Glaubwürdigkeit der Kirche, die Belastung der Dienstgemeinschaft sowie das Gewicht der Obliegenheitsverletzung maßgeblich, Art. 5 IV GrO. Auch ist die grundsätzliche Einstellung des Mitarbeiters zur Kirche, der eventuell nur im konkreten Fall versagt, zu berücksichtigen.177 Schließlich normiert Art. 5 V GrO, dass bei einem Austritt aus der katholischen Kirche eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen ist, regelt so zumindest nach kirchlichem Verständnis einen absoluten Kündigungsgrund178 und stellt gleichzeitig klar, dass der Kirchenaustritt aus Art 5 II, 1. Spiegelstrich den Austritt aus allen Kirchen normiert179 – es sei denn, dieser erfolgt, um in die katholische Kirche einzutreten, denn hier ist die GrO ihrem Telos nach nicht anwendbar.180

2. Evangelische Kirche

Die evangelische Kirche hat lange auf eine einheitliche Regelung verzichtet und die Niederschreibung von Loyalitätsobliegenheiten den 23 Landeskirchen überlassen, welche in unterschiedlichem Umfang – wenn überhaupt – von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten.181 Aus der Problematik unterschiedlicher bzw. gar nicht vorhandener Regelungen, etwa für bundesweit tätige diakonische Träger, erwuchs aber die Notwendigkeit einer allgemeinen Regelung.182 Dass diese erst 2005 mit der „Richtlinie des Rates der EKD über die Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes in der EKD“ („RL.EKD“) gestillt wurde, erstaunt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die verfassungsrechtlich garantierte und zugleich ausfüllungsbedürftige Definitionshoheit und -kompetenz spätestens seit 1985 den Kirchen eindeutig zugewiesen war.183 Auch die Antidiskriminierungsrichtlinien des EU-Rechts (2000/78/EG sowie 2000/43/EG) haben ihren Teil dazu beigetragen, den status quo nun zu kodifizieren.184

a. Grundlagen

Die RL.EDK geht zurück auf die Ermächtigung des Art. 9 b der Grundordnung der evangelischen Kirchen in Deutschland („GO.EKD“). Es handelt sich also nicht um ein Kirchengesetz, vgl. Art. 10 a II GO.EKD, sondern um eine Richtlinie, die der Transformation in landeskirchliches Recht bedarf.185 Ausweislich des § 1 RL.EKD regelt diese die Anforderungen in privatrechtlichen Dienst- und Arbeitsverhältnissen mit Ausnahme der Mitarbeiter, die in öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen tätig sind. Die Richtlinie bildet also schon aufgrund ihrer Transformationsbedürftigkeit keine EKD-einheitliche Regelung.186 § 2 I RL.EKD betont den evangelischen Gedanken der Dienstgemeinschaft: Alle Arbeitnehmer tragen dazu bei, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen.187 § 3 RL.EKD regelt nicht unähnlich zur katholischen GrO die Anforderungen zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich188 ist die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder verbundenen Kirche Voraussetzung (Absatz 1). Hiervon kann für andere als verkündigungsrelevante, seelsorgerische, unterweisende oder leitende Aufgaben abgesehen werden, sofern geeignetere Mitarbeiter nicht zu gewinnen sind (Absatz 2). Ungeeignet ist in jedem Fall, wer aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, ohne in eine andere Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen189 oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen übergetreten zu sein.190 Ein Austritt aus den letztgenannten kann ebenfalls die mangelnde Eignung begründen (Absatz 3). Hier muss eine Einzelfallprüfung erfolgen, etwa dahingehend, ob der Austritt in kirchenfeindlicher Weise geschah oder ein Eintreten gegen allgemeine christliche Vorstellungen beinhaltete.191

b. Fragerecht und Offenbarungspflicht

Hier kann trotz der nicht normierten Fragepflicht auf das oben Gesagte verwiesen werden.192 Etwaige Verstöße zögen keine kündigungserheblichen Rechtsfolgen nach sich, so dass diese Frage offen bleiben kann.

c. Loyalitätsanforderungen

Betrachtet man die RL.EKD gerade auch im Vergleich zur katholischen GrO, so fallen zwei Aspekte besonders ins Auge. Zunächst einmal zeigt sich die RL.EKD deutlich weniger detailliert als die GrO, indem beispielsweise auf einen Katalog an Regelbeispielen verzichtet wird. Zum anderen ist sie im Ergebnis auch teilweise durchaus liberaler.

Grundsätzlich wählt § 4 RL.EKD aber einen der GrO sehr ähnlichen Weg an gestuften Loyalitätsobliegenheiten. Von allen Mitarbeitern wird zwar gemäß § 4 I RL.EKD Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche erwartet. Evangelische Mitarbeiter haben aber darüber hinaus Schrift und Bekenntnis anzuerkennen193, und, sofern ihre Tätigkeit in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung liegt, eine dieser Verantwortung entsprechende inner- und außerdienstliche Lebensführung aufzuweisen. Christliche Mitarbeiter haben demgegenüber gemäß § 4 II RL.EKD Schrift und Bekenntnis zu achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung einzutreten. Nichtchristliche Mitarbeiter schließlich haben nur den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.

In noch stärkerem Maß als bei der katholischen GrO lassen sich diesem Rechtstext nur schwer konkrete Anforderungen entnehmen.194 Ob sich durch die offenen Formulierungen überhaupt ein Mehr an Rechtssicherheit erreichen lässt, scheint daher fraglich.195 Hingewiesen sei allerdings bereits auf einige Unterschiede zu den katholischen Loyalitätsobliegenheiten.

Während die katholische Kirche die Ehe als unauflösliches Sakrament versteht,196 kennt die evangelische Kirche die Wiederverheiratung Geschiedener.197 Eine solche führt hier also nicht zur Kündigung. Ein weiterer Unterschied zeigt sich im Umgang mit der Homosexualität. Trotz des grundsätzlich gleichen Konflikts, dass gleichgeschlechtliche Liebe dem Plan Gottes widerspricht,198 favorisiert die EKD die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften unter bestimmten Voraussetzungen.199 Schon 1996 empfahl eine Orientierungshilfe des Rates der EKD den Homosexuellen, denen Enthaltsamkeit nicht gegeben ist, eine „vom Liebesgebot her gestaltete und damit ethisch verantwortete gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft.“200 Wiewohl also Ehe und Familie weiterhin den Normalfall des Zusammenlebens bilden sollen, müsse zur Stützung des verantwortlichen Umgangs miteinander eine Möglichkeit für diejenigen geboten werden, denen die Ehe als Lebensform nicht zur Verfügung steht, solange dies nicht auf Kosten und zu Lasten der Ehe geschieht.201 Die eingetragene Lebenspartnerschaft stellt sich daher nach Sicht der evangelischen Kirche als eine schützenswerte Institution dar.202 Damit stellen sich die Loyalitätserwartungen der evangelischen Kirche grundsätzlich als liberaler dar als die GrO der katholischen Kirche.

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