Kitabı oku: «Nirvana», sayfa 2

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Darüber hinaus hatte er keine Angst, den gewaltigen Mythos um die Band oder sich selbst zu zerstören. Ganz im Gegenteil. „Ich wollte nie, dass wir mystifiziert werden“, sagte er einmal zu mir. „Es gab nur am Anfang einfach nichts über uns zu sagen. Jetzt, nachdem einige Zeit vergangen ist, haben wir eine Geschichte. Trotzdem denke ich jedesmal nach unseren Gesprächen: ,Gott, mein Leben ist so verdammt öde im Vergleich zu so vielen Menschen, die ich kenne.‘“

Kurt wollte vieles richtigstellen. Es gab so viele Gerüchte über ihn, seine Frau und ihr Baby, dass er es für angebracht hielt, alles genauso zu erzählen, wie es war. Seine Erzählungen wirkten zwar manchmal selbstgerecht und gespickt mit krampfhaften Erklärungen und Widersprüchen, aber selbst diese verzerrte Darstellung enthüllte vieles über sein Leben, seine Kunst und die Zusammenhänge zwischen beidem.

Kapitel eins

Ein kleiner aufmüpfiger Junge mit fettigen Haaren

Aberdeen, Washington (16.660 Einwohner), liegt hundertacht lange Meilen südwestlich von Seattle weit draußen an der äußersten Küste des Staates Washington. In Seattle regnet es schon häufig, aber in Aberdeen noch mehr, bis zu 200 cm pro Jahr. Das sorgt für eine andauernde Dunstglocke über der Stadt. Der nächste Freeway ist weit, daher dringt nichts herein und kaum etwas hinaus.

Kunst und Kultur überläßt man hier lieber den hochnäsigen und großkotzigen Typen drüben in Seattle – zu den „faszinierenden Aktivitäten“, die in einer Broschüre der Grays Harbour County Chamber of Commerce aufgelistet sind, zählen Bowling, Motorsägen-Wettkämpfe und Spielhallen.

An der Route 12, die nach Aberdeen führt, reihen sich die Wohnwagenparks endlos aneinander, dahinter liegen Hunderte Hektar Waldland, die an vielen Stellen dort, wo die Holzfäller Kahlschlag betrieben haben, durch große stoppelige Narben verunstaltet sind. Von Osten kommend, fällt einem am Wishkah River zuallererst der langgestreckte hässliche Weyerhauser-Holzlagerplatz ins Auge, auf dem die entasteten Leichen einstmals stolzer Bäume wie Opfer eines Massenmordes übereinandergestapelt sind. Von der anderen Seite des Flusses aus überblickt eine lange Reihe von Imbiss-Buden die Szene.

Das Holzfällergewerbe bestimmt die Stadt; besser gesagt, es bestimmte sie einmal. Das Geschäft ist über die Jahre immer schlechter geworden, eine Kündigungswelle macht Aberdeen immer mehr zu einer Geisterstadt. In Zeiten wie diesen gibt es in den Straßen der Stadt immer mehr leere oder mit Brettern vernagelte Geschäftslokale. Lediglich Kneipen wie das Silver Dollar oder eine mit dem passenden Namen Pourhouse und der von Schusswaffen, Motorsägen und elektrischen Gitarren überquellende örtliche Pfandleiher florieren. Die Selbstmordrate im Grays Harbour County ist eine der höchsten in den ganzen Vereinigten Staaten; die Trunksucht greift um sich, und Crack gibt es hier auch schon seit Jahren.

Die Menschen konzentrieren ihren Hass auf die Schleiereule – Kochrezepte für diese bedrohte Art findet man hier auf vielen Autoaufklebern –, obwohl die Dezentralisierung der Holzindustrie, die steigenden Arbeitskosten und die Automation die wahren Ursachen der Arbeitslosigkeit sind. Eine der größten Sägemühlen der Stadt beschäftigte früher jede Menge Arbeiter, jetzt gibt es dort nur mehr fünf: vier Menschen und eine computerisierte Schneidemaschine mit Lasertechnik.

Eine der schnellstwachsenden Industrien in der Gegend ist der Anbau von Marihuana und psychedelischen Pilzen. Die Leute tun das, um ihre mageren oder gar nicht vorhandenen Einkommen aufzubessern.

Die Verhältnisse waren nicht immer so hart. Früher einmal war Aberdeen ein geschäftiger Hafen gewesen, in dem die Seeleute gerne Rast, Essen und gemietete weibliche Begleitung suchten. Tatsächlich war die Stadt ein riesiges Bordell, dessen Mittelpunkt auf der berüchtigten Hume Street lag (die Stadtväter benannten sie in den fünfziger Jahren in State Street um, um die Erinnerungen zu tilgen). Später wurde die Stadt ein Eisenbahn-Endbahnhof und Stützpunkt für Dutzende von Sägemühlen und Holzfällerfirmen. Aberdeen wimmelte nur so von alleinstehenden jungen Männern, die mit der Holzindustrie eine Menge Geld machten, und die Prostitution florierte. Es gab teilweise bis zu fünfzig Bordelle (sogenannte „Frauenpensionen“) gleichzeitig. Die Prostitution währte bis in die späten fünfziger Jahre, als ein hartes Durchgreifen der Polizei der Sache ein Ende machte. Manche sagen, dass die rühmlose Vergangenheit der Stadt ihren Bewohnern einen Minderwertigkeitskomplex beschert hat.

Genau dort wurde Kurt Donald Cobain am 20. Februar 1967 geboren, seine Eltern waren die Heimarbeiterin Wendy Cobain und ihr Mann Donald, Mechaniker beim Chevron-Stützpunkt der Stadt. Die junge Familie verbrachte die erste Zeit in einem Miethaus im nahegelegenen Hoquiam. Als Kurt sechs Monate alt war, zogen sie nach Aberdeen.

Kurt wusste während seiner gesamten Kindheit und Jugend nicht, woher sein Familienname kam. Seine Großmutter mütterlicherseits stammte aus Deutschland, aber das war auch schon alles. Erst kürzlich hatte er entdeckt, dass der väterliche Zweig seiner Familie von Vollblut-Iren abstammt und dass Cobain eine Verballhornung des Namens Coburn ist.

Obwohl die Cobains nur über bescheidene Mittel verfügten, ließ sich das Leben für ihren goldlockigen Sohn gut an. „Meine Mutter war mir körperlich immer sehr zugetan“, sagte Kurt. „Wir küssten uns zum Abschied und umarmten uns. Das war wirklich cool. Es überrascht mich immer wieder, dass es das in vielen Familien nicht gibt. Das waren damals glückliche Zeiten.“

Kurts Schwester Kim wurde drei Jahre nach ihm geboren, aber Kurt und seine Mutter hatten schon ein festes Band geknüpft. „Das Erstgeborene ist besonders“, sagte Wendy, die jetzt zum zweiten Mal verheiratet ist und mit ihrem Mann und der acht Jahre alten Tochter noch immer im selben Haus in Aberdeen lebt. „Kein Kind kann auch nur annähernd an das herankommen. Ich war total auf ihn fixiert. Jede wache Stunde meines Lebens gehörte ihm.“

Kurt war offensichtlich ein sehr aufgewecktes Kind. „Ich habe einmal sogar meine Mutter angerufen“, erinnerte sich Wendy, „und ihr erzählt, fast etwas beunruhigt zu sein, weil er Dinge wahrnahm, die sonst kein Kind in seinem Alter bemerkte.“

Kurt zeigte sein Interesse für Musik schon mit zwei Jahren, was an sich nicht überrascht, da der mütterliche Zweig der Familie sehr musikalisch ist – Wendys Bruder Chuck war in einer Rock’n’Roll-Band, ihre Schwester Mary spielte Gitarre, und auch alle anderen hatten die eine oder andere musikalische Begabung. Zu Weihnachten wurde immer gemeinsam gesungen oder parodiert.

Ein Onkel von Wendy war nach Kalifornien gezogen, hatte seinen Namen von Delbert Fradenburg in Dale Arden geändert, dort opernhafte Balladen gesungen und in den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern ein paar Platten aufgenommen. Er schloss Freundschaft mit dem Schauspieler Brian Keith (der später Star der Sechziger-Situationskomödie „Family Affair“ wurde) und mit Jay Silverheels, dem Tonto in der Femsehserie „Lone Ranger“. „Es gab also schon vorher Berühmtheiten in der Familie“, scherzte Wendy.

Tante Mary gab Kurt Platten von den Beatles und den Monkees, als er ungefähr sieben war. Sie lud ihn immer wieder in ihr Haus zu den Proben ihrer Band ein. Mary – eine Country-Musikerin, die immerhin auch schon eine Single aufgenommen hatte – spielte jahrelang in verschiedenen Bar-Bands in der Gegend, manchmal trat sie allein im Riviera Steak House auf, und einmal belegte sie bei einem lokalen Femsehwettbewerb namens „You Can Be a Star“ den zweiten Platz.

Mary versuchte, Kurt das Gitarrespiel beizubringen, aber er hatte nicht die Geduld dazu – Tatsache ist, dass er überhaupt kaum zum Stillsitzen zu bewegen war. Die Ärzte stellten sogar die Diagnose „Hyperaktivität“.

Wie viele Kinder aus seiner Generation wurde Kurt mit dem Medikament Ritalin behandelt, einer Art Speed, das gegen die Hyperaktivität wirkt. Das Ritalin hielt ihn bis vier Uhr morgens wach, und Beruhigungsmittel bewirkten nur, dass er in der Schule einschlief. Schließlich strich man Zucker und den berüchtigten „roten Farbstoff Nummer zwei“ aus seiner Ernährung, und es half. Für ein hyperaktives Kind war es allerdings sehr schwer, ohne Zucker auszukommen, berichtete Wendy: „Sie sind mehr oder weniger süchtig nach Zucker.“

Aber nicht einmal das Süßigkeitsverbot dämpfte Kurts aufgewecktes Wesen merklich. „Er erwachte jeden Morgen mit einer Riesenfreude auf den neuen Tag“, sagte Wendy. „Er war so enthusiastisch. Er stürmte aus dem Schlafzimmer und war total aufgeregt und begierig auf das, was ihm der neue Tag bringen würde.“

„Ich war ein extrem glückliches Kind“, sagte Kurt. „Ich brüllte und sang die ganze Zeit über. Ich wusste nie, wann es genug war. Manchmal machten sich die anderen Kids lustig über mich, weil ich gar so wild aufs Spielen war. Ich nahm das Spielen sehr ernst. Ich war einfach wirklich glücklich.“ Da Kurt das erste Kind seiner Generation war, stritten sich sieben Tanten und Onkeln, wer den Babysitter spielen durfte. Da er es gewohnt war, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, unterhielt er jedermann, der ihm nur zusehen wollte. „Er war sehr schauspielerisch veranlagt“, sagte Wendy. „Er warf sich sogar mitten in einem Geschäft auf den Boden, um einem alten Mann, der ihn so gerne singen hörte, einen Gefallen zu tun.“ Eine von Kurts Lieblingsplatten war Alice’s Restaurant von Arlo Guthrie. Er sang vor allem Guthries „Motorcycle Song“ sehr häufig. „Ich möchte keine Schwierigkeiten/ Ich möchte nur auf meinem Motorrad fahren/ Und ich will nicht sterben!“

Als er sieben war, schenkte ihm seine Tante Mary eine Basstrommel. Kurt hängte sie sich um und marschierte in der ganzen Gegend auf und ab. Dabei trug er eine Jagdkappe und die Tennisschuhe seines Vaters, schlug die Trommel und sang Beatles-Lieder wie „Hey Jude“ und „Revolution“.

Kurt mochte es gar nicht, wenn Männer ihre Blicke auf Wendy warfen – sie war eine sehr attraktive Frau mit blondem Haar und hübschen blauen Augen. Don schien das nie viel auszumachen, aber Kurt wurde immer zornig und eifersüchtig – „Mama, dieser Mann starrt dich an!“, rief er dann. Einmal sagte er sogar einem Polizisten deutlich seine Meinung.

Schon mit drei Jahren mochte Kurt Polizisten nicht besonders. Immer wenn er einen sah, sang er ein kleines Lied: „Nehmt euch die Cops vor! Die Cops kommen! Sie werden euch umbringen!“ – „Immer wenn ich Polizisten sah, begann ich das Lied zu singen, zeigte mit dem Finger auf sie und sagte ihnen, dass sie böse wären“, erzählte Kurt grinsend. „Das war ziemlich wichtig für mich. Ich mochte sie überhaupt nicht.“ Als er einige Jahre älter war, füllte er „Seven-Up“-Dosen mit Kieselsteinen und warf damit nach Polizeiautos – er traf aber nie wirklich eines.

Etwa um diese Zeit lernte Kurt auch irgendwie, wie man den Mittelfinger auf die vielgerühmte Art ausstreckt. Während seine Mutter in der Stadt herumfuhr, um Besorgungen zu machen, saß er auf der Rückbank und zeigte jedem, den sie überholten, den „Finger“.

In der zweiten Schulklasse fiel allen auf, wie gut Kurt zeichnen konnte. „Nach einer Weile hing es ihm zum Hals heraus“, sagte Wendy. „Er bekam immer nur Pinsel oder Staffeleien geschenkt. Wir ruinierten die Sache für ihn beinahe.“

Jedermann meinte, dass Kurts Zeichnungen und Gemälde großartig wären – außer ihm selbst. „Er war nie glücklich mit seinen Werken“, sagte Wendy. „Er war nie zufrieden damit, typisch für einen Künstler.“ Einmal – es war rund um Halloween – kam Kurt mit der Schulzeitung heim. Auf der Vorderseite war eine von seinen Zeichnungen abgedruckt, eine Ehre, die normalerweise erst Kindern ab der fünften Klasse zuteilwurde. Kurt aber war richtig erbost darüber, weil er sein Bild nicht für so gut hielt. „Seine Verhältnis zu den Erwachsenen änderte sich dadurch grundlegend“, sagte Wendy. „Alle beteuerten, wie sehr sie seine Werke liebten, aber er selbst war nie zufrieden.“

Bis zur dritten Klasse wollte Kurt Rockstar werden – er spielte Platten der Beatles und ahmte die Bewegungen dazu auf seiner kleinen Plastikgitarre nach. Dann wollte er ziemlich lange Stuntman werden. „Ich spielte gerne draußen, fing Schlangen, sprang mit meinem Fahrrad vom Dach“, erinnerte er sich. „Evel Knievel war mein großes Idol.“ Einmal holte er die gesamte Bettwäsche samt Polster und Matratzen aus dem Haus, legte sie auf und sprang vom Dach aus hinein; ein anderes Mal nahm er ein Stück Metall, befestigte es an seiner Brust, legte einige Knallkörper darauf und zündete sie an.

Manchmal besuchte Kurt Wendys Bruder Chuck, der in einer Band spielte. Chuck hatte Lautsprecher für sein Kellerstudio gebaut, die so groß waren, dass er sie nicht einmal aus dem Raum herausschaffen konnte. Er gab Kurt ein Mikrophon und ließ ein Band mitlaufen. Wendy besitzt noch eine Aufnahme, als Kurt etwa vier Jahre alt war. Zuerst singt er, und dann, als er glaubte, dass niemand zuhört, beginnt er schmutzige Worte zu sagen. „Poo-doo“, sagt er. „Poo-doo!“

Don und Wendy schenkten Kurt ein kleines Mickymaus-Schlagzeug. „Ich trieb ihn irgendwie zum Schlagzeug, weil ich selbst eigentlich Schlagzeugerin hatte werden wollen“, gestand Wendy ein. „Aber meine Mutter hielt es für außerordentlich unweiblich, also ließ sie mich nie spielen.“ Kurt musste man nicht treiben – sobald er aufrecht sitzen und Dinge halten konnte, schlug er auf Töpfe und Pfannen ein. Er drosch jeden Tag nach der Schule auf sein Mickymaus-Schlagzeug, bis es irgendwann kaputtging.

Obwohl es nicht gerade im besten Teil Aberdeens lag – in Wahrheit ist die Gegend ziemlich heruntergekommen –, war das Haus der Cobains immer das schönste des gesamten Blocks. Don hielt es in Top-Zustand, verlegte Spannteppiche, installierte einen Kamin mit Feuerimitation und montierte eine Decke mit Paneelen aus Holzimitation. Kurt über seine Erziehung: „Es war weiße Armut, die auf Mittelklasse machte.“

Wendy kam aus einer Familie, die man schwer als wohlhabend bezeichnen konnte, aber ihre Mutter hatte immer alles unternommen, um ihre Kinder so herzurichten, als besäßen sie mehr, als sie in Wahrheit hatten. Wendy war genauso. Jeden Tag kämmte sie Kurts Haar so sorgfältig, dass er aussah wie Shaun Cassidy, kümmerte sich darum, dass seine Zähne geputzt waren, und zog ihm die schönsten Sachen an, die sie sich nur leisten konnten. Dann machte sich Kurt mit seinen grobstolligen Wanderschuhen auf den Weg zur Schule. Sie zwang Kurt sogar dazu, einen Pullover anzuziehen, auf den er allergisch war – nur weil er ihm so gut stand. „Meine beiden Kinder waren wahrscheinlich die bestangezogenen in ganz Aberdeen“, sagte Wendy. „Dafür habe ich gesorgt.“

Wendy versuchte, ihre Kinder von dem fernzuhalten, was sie „gewisse Freunde mit gewissen Arten von Hintergrund, die in gewissen Situationen lebten“ nannte. Kurt meinte, dass sie ihm damit hauptsächlich vermitteln wollte, sich von armen Kindern fernzuhalten. „Meine Mutter war der Meinung, dass ich besser war als diese Kinder, also legte ich mich immer wieder mit ihnen an – diesen schäbigen, schmutzigen Kindern“, sagt Kurt. „Ich erinnere mich zum Beispiel, dass es einige gab, die andauernd nach Pisse stanken, und die tyrannisierte ich und schlug mich mit ihnen. Als ich in der vierten Klasse war, bemerkte ich, dass diese Kinder wohl cooler waren als die aus einer höheren Schicht, irgendwie ursprünglicher, mit beiden Füßen auf der Erde, näher beim Schmutz.“ Später wurden Kurts ungewaschene Haare, die ewigen Bartstoppeln und seine abgerissene Kleidung zu weltberühmten Markenzeichen.

Während der dritten Klasse begann Kurt, Schlagzeugstunden zu nehmen. „Solange ich denken kann, sogar schon als kleines Kind“, sagte Kurt, „wollte ich Ringo Starr sein. Aber eigentlich wollte ich John Lennon am Schlagzeug sein.“ Kurt spielte in der Schul-Band, obwohl er nie Notenlesen gelernt hatte – er wartete einfach, bis das Kind, das vor ihm saß, das Lied gelernt hatte, und machte ihm dann alles nach.

Um die Weihnachtszeit des Jahres 1974 – Kurt war sieben – schien es ihm, als würde ihn seine Mutter für ein Problemkind halten. „Das Einzige, was ich mir in diesem Jahr wirklich wünschte, war eine Starsky-and-Hutch-Pistole um fünf Dollar“, erzählte Kurt. „Statt dessen bekam ich nur einen Haufen Kohle.“

Kurt sagte, dass er von Natur aus beidhändig gewesen war, aber sein Vater hätte versucht, ihn zum Rechtshänder zu erziehen, aus Angst, dass Kurt in seinem späteren Leben als Linkshänder Probleme bekommen könnte. Wie auch immer, er wurde zum Linkshänder.

Während seines ganzen Lebens wurde Kurt andauernd von den verschiedensten gesundheitlichen Problemen verfolgt. Außer an seiner Hyperaktivität litt er an chronischer Bronchitis. In der achten Klasse wurde bei ihm eine leichte Skoliose – eine Verkrümmung der Wirbelsäule – diagnostiziert. Mit fortschreitender Zeit verschlimmerte sich diese Sache durch das Gewicht der Gitarre. Wäre er Rechtshänder gewesen, hätte sich das Problem von selbst behoben.

1975, als Kurt acht Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Wendy gibt als Grund von ihrer Seite an, dass Don einfach nicht genug da gewesen wäre – er war immer irgendwo, um Baseball oder Basketball zu spielen, Teams zu betreuen oder zu schiedsrichtern. Im Rückblick ist sie sich nicht sicher, ob sie ihn jemals wirklich geliebt hatte. Don kämpfte lange gegen die Scheidung. Sowohl Wendy als auch Don geben zu, dass die Kinder später in den Krieg zwischen ihren Eltern hineingezogen wurden. Für Kurt waren die Scheidung und ihre Nachwehen sehr schlimm. „Sein Leben wurde zerstört“, sagte Wendy. „Er änderte sich total. Ich glaube, er schämte sich. Und er wurde sehr introvertiert – er behielt alles für sich. Er wurde richtig scheu.“

„Ich glaube, er leidet noch immer“ fügte sie hinzu. Das früher sonnige, offenherzige Kind wurde „richtiggehend mürrisch, irgendwie verrückt, andauernd finster und sehr spöttisch.“ An die Wand seines Schlafzimmers schrieb Kurt: „Ich hasse Mom, ich hasse Dad, Dad hasst Mom, Mom hasst Dad – das muss einen einfach traurig machen.“ Ein Stück oberhalb zeichnete er Karikaturen von Wendy und Don und schrieb dazu die Worte „Dad sucks“ und „Mom sucks“. Damnter malte er ein Gehirn mit einem großen Fragezeichen. Die Zeichnungen sind noch immer auf der Wand, genauso wie einige raffinierte Led-Zeppelin- und Iron-Maiden-Logos, die auch von Kurt stammen (er bestritt, sie gemacht zu haben, aber Schwestern lügen nicht).

Kurt erging es wie vielen Kindern seiner Generation – Tatsache ist, dass jeder, der irgendwann einmal bei Nirvana spielte (mit einer Ausnahme) aus einer zerrütteten Familie kam. Die Scheidungsrate schoss Mitte der Siebziger Jahre in die Höhe, sie war mehr als doppelt so hoch wie zehn Jahre zuvor. Die Kinder aus diesen zerbrochenen Ehen hatten weder einen Weltkrieg noch eine Depression, in denen sie sich behaupten hätten müssen. Sie hatten keine Familie. Folgerichtig waren ihre Kriege privater Natur.

Kurt beschrieb die Situation, als wäre in ihm ein Licht ausgegangen, ein Licht, das er noch immer wiederzufinden versuchte. „Ganz plötzlich war ich nicht mehr derselbe Mensch, als wäre mir meine Ehre genommen worden“, sagte er. „Ich glaube, ich hatte das Gefühl, die Gesellschaft der anderen Kinder nicht mehr zu verdienen, denn sie hatten Eltern, und ich hatte keine mehr.“

„Ich war einfach ungeheuer satt auf meine Eltern, weil sie nicht in der Lage waren, mit ihren Problemen fertigzuwerden“, setzte er fort. „Während des größten Teils meiner Kindheit, nach der Scheidung, schämte ich mich für meine Eltern.“

Allerdings hatte Kurt schon vor der Scheidung begonnen, sich als Außenseiter zu fühlen. „Vor allem mit meinem Vater hatte ich keinerlei Gemeinsamkeiten. Er wollte, dass ich Sport betreibe, aber ich mochte keinen Sport. Ich war künstlerisch, und er hielt einfach nichts davon, also schämte ich mich immer. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie ich ein Produkt meiner Eltern sein sollte, weil sie überhaupt nicht künstlerisch waren, ich aber schon. Ich mochte Musik, sie mochten sie nicht. Im Unterbewusstsein glaubte ich vielleicht, dass ich adoptiert war – seit dieser Folge der Partridge Family; in der Danny glaubte, er wäre nur adoptiert. Das ging mir nicht aus dem Kopf.“

Kurts Kreativität und Intelligenz – und die frühe Einsicht, dass er zum Künstler geboren war – verschlimmerten das Problem. „Bis ins Alter von zehn oder elf hatte ich nicht mitbekommen, dass ich anders war als meine Schulkameraden“, sagte er. „Dann merkte ich langsam, dass mich Zeichnen und Musikhören viel mehr interessierte als die anderen Kinder. Das entwickelte sich langsam, aber stetig, und ich spürte es immer mehr. Als ich zwölf war, war ich komplett abgehoben.“ Als er überzeugt war, dass er niemanden, der ihm ähnlich war, finden würde, bemühte er sich gar nicht mehr um Freundschaften.

„Es war diese Stadt – wäre er irgendwo anders aufgewachsen, wäre alles kein Problem gewesen“, sagte Wendy. „Aber diese Stadt ist ziemlich genau wie Peyton Place. Alle beobachten einander, richten einander aus und haben ein System mit kleinen Schubladen, in die jeder passen und in denen jeder bleiben sollte – und da passte er nicht hinein.“

Kurt lebte noch ein Jahr nach der Scheidung bei seiner Mutter. Aber er mochte ihren neuen Freund nicht, für ihn war er ein „gemeiner Riese, der Frauen schlägt.“ Zunächst führte Wendy die Abneigung von Kurt gegen ihren Freund auf pure Eifersucht zurück. Fünf Jahre später merkte sie selbst, dass ihr Freund „ein wenig verrückt“ war – in Wahrheit litt er an paranoider Schizophrenie. Kurt war sehr unglücklich und richtete seinen Zorn gegen jedermann – von Wendy bis zu seinen Babysittern, die er am liebsten aus dem Haus sperrte. Wendy konnte ihn nicht mehr unter Kontrolle halten, also schickte sie ihn zu Don in dessen Wohnwagen in Montesano, einer winzigen Holzfällersiedlung etwa 20 Meilen östlich von Aberdeen.

Dons Wohnwagen war kein richtiger Trailer, sondern ein Fertigteilhaus, das in zerlegtem Zustand transportiert und auf einem Wohnwagenparkplatz zusammengesetzt wird. „Es war keines von den luxuriösen – die waren doppelt so groß und für den reichen weißen Abschaum“, sagte Kurt.

Am Anfang war es großartig. Don kaufte Kurt einen kleinen Motorroller, und sie unternahmen viel gemeinsam, zum Beispiel Wochenenden am Meer oder Camping. „Er hatte alles“, sagte Don. „Er hatte völlig freie Hand im ganzen Haus, er hatte ein Motorrad, er konnte tun, was immer er wollte, immer war etwas los. Aber dann, als zwei andere Kinder und eine neue Mutter auf den Plan traten ...“

Don hatte Kurt einmal unvorsichtigerweise versprochen, dass er nie wieder heiraten würde. Dieser Schwur hielt nur kurz, bis zum Februar 1978. Seine neue Frau brachte ihre zwei Kinder mit in die Ehe, und alle zogen in ein hübsches Haus in Montesano. Kurt kam mit seiner neuen Familie überhaupt nicht aus, am wenigsten mit seiner neuen Stiefmutter. „Bis heute kenne ich keine verlogenere Person“, sagte er. „Man kann sich kaum einen netteren Menschen vorstellen“, protestierte Don. „Sie war einfach perfekt zu ihm, machte alles mit, besorgte ihm kleine Jobs und versuchte, sich um alles zu kümmern, aber seine Art und Weise, und was er tat und nicht tat, zerstörten einfach die ganze Familie.“

Kurt schwänzte die Schule und weigerte sich, im Haushalt mitzuhelfen. Don sagte, dass er zu dem Job als Aushilfskellner, den er ihm besorgt hatte, nicht einmal aufgekreuzt war. Er begann, auf seinem jüngeren Stiefbrüder herumzuhacken, und auch seine Stiefschwester mochte er nicht besonders – obwohl sie vier Jahre jünger war als Kurt, sollte sie immer seine Babysitterin spielen, wenn die Eltern ausgingen.

Dann merkte er, dass sein Vater für seine Stiefgeschwister Unmengen von Spielzeug zu kaufen begann. Während er in seinem Kellerzimmer herumhing, fuhren sie ins Einkaufszentrum und kamen mit Starhorse- oder Tonka-Lastautos zurück.

„Ich versuchte alles, um ihm das Gefühl zu vermitteln, dass wir ihn mochten und dass er Teil der Familie war“, sagte Don und behauptete, dass er sich um die Vormundschaft für Kurt bemüht hatte, um ihn besser in die Familie zu integrieren. „Aber er wollte einfach nicht hier bleiben, sondern zurück zu seiner Mutter, und die wollte ihn nicht. Und jetzt ist sie die Gute und ich bin der große Bösewicht.“

Aber vielleicht steckte mehr dahinter. „Manchmal bin ich sehr emotionell, manchmal weiß ich aber auch einfach nicht, wie ich meine Gefühle ausdrücken soll“, gestand Don. „Manchmal verletze ich mit meiner Art die Gefühle der anderen. Ich möchte niemanden verletzen, aber ich merke es wahrscheinlich einfach nicht.“ Vielleicht passierte so etwas mit Kurt. „Vielleicht“, sagte Don. „Bestimmt.“

Seltsamerweise scheint Don unter totalem Gedächtnisschwund zu leiden, was seine Jahre mit Kurt betrifft. Obwohl er heute ein netter und einfacher Mann zu sein scheint, könnte die Belastung der Scheidung die dunklere Seite seiner Persönlichkeit ans Licht gebracht haben. „Ob ich mit starker Hand regiert habe?“, sagte er. „Gut, meine Frau sagt ja. Ich gehe wahrscheinlich schneller in die Luft, als ich wahrhaben will. Und ich verletze die Gefühle meiner Mitmenschen. Ich komme darüber hinweg, ich vergesse es einfach, aber die anderen vergessen nicht. Mein Vater, er schlug mich mit einem Gürtel und so, er verpasste mir sogar blaue Augen, aber ich weiß nicht, ja, ich schlug ihn auch mit einem Gürtel, ja.“

„Alles, was Kurt tat, war eine Reaktion auf Dons Verhalten“, sagte Wendy. „Wenn Don bei einem Baseballspiel schlecht gewesen war, war er so aufgebracht, dass er seinen Zorn an Kurt ausließ. Er erlaubte ihm nie, einfach ein Kind zu sein. Er wollte aus ihm einen kleinen Erwachsenen machen, der sich perfekt benahm und nie einen Fehler beging. Er schlug Kurt auf die Knöchel und nannte ihn einen Dummkopf. Er war einfach sehr leicht aus der Fassung zu bringen und dann – zack, eins auf den Kopf. Meine Mutter sagt, sie weiß noch, dass er Kurt einmal quer durchs ganze Zimmer geschleudert hat – damals war er ungefähr sechs.“ Don sagte, dass er sich an nichts Derartiges erinnern könne.

„Das nennt man Leugnen“, gab Wendy zurück.

Nach der Scheidung hatte Don begonnen, bei Mayer Brothers, einer Holzfällerfirma, als Kontrolleur zu arbeiten. „In der Hauptsache“, sagte Kurt, „ging er den ganzen Tag herum und zählte Baumstämme.“

„Seine Vorstellung eines Vater-und-Sohn-Tages war, mich am Samstag oder Sonntag zur Arbeit mitzunehmen. Ich saß dann in seinem Büro, während er herumspazierte und Baumstämme zählte. Wirklich ein sehr aufregendes Wochenende.“ Während er im Büro seines Vaters war, zeichnete Kurt meistens oder machte Scherzanrufe am Telefon. Manchmal ging er ins Lager und spielte auf den Holzstapeln. Nach all dieser „Aufregung“ setzte er sich in den Kombi seines Vaters und hörte sich News of the World von Queen andauernd hintereinander auf dem Kassettengerät an. Manchmal so lange, bis die Autobatterie leer wurde und sie jemanden suchen mussten, der ihnen beim Anstarten half.

Don war während seiner Highschool-Zeit immer bei den Sportlern gewesen, aber er hatte es im Sport nie wirklich zu etwas gebracht, wahrscheinlich weil er zu klein für sein Alter war. Dons Vater hatte große Erwartungen in ihn gesetzt, aber er konnte einfach nicht mithalten. Einige sehen darin den Grund, warum Don Kurt zum Sport zwang.

Don sorgte dafür, dass Kurt in der Junior-Highschool der Ringermannschaft beitrat. Kurt hasste die aufreibenden Trainings, und noch mehr hasste er es, sich mit den Sportlern herumtreiben zu müssen. „Ich hasste es – jede einzelne Sekunde davon“, sagte Kurt. „Ich hasste es einfach unheimlich.“ Und am Abend, wenn er vom Training heimkam, „wartete immer dieses abstoßende, verschrumpelte, trockene Essen, das meine Stiefmutter mit einer Menge Liebe und Vorbereitung gekocht hatte, und es stand seit der Essenszeit auf kleiner Flamme am Ofen und war einfach komplett vertrocknet und furchtbar. Sie war die schlechteste Köchin, die man sich vorstellen kann.“

Nichtsdestotrotz war er im Ringen ganz gut gewesen, hauptsächlich, weil er seinem Zorn auf der Matte freien Lauf lassen konnte. Aber eines Tages, bei einem großen Meisterschaftskampf, fasste Kurt den Entschluss, es seinem Vater heimzuzahlen. Er und sein Gegner betraten die Matte und gingen in Position, während Don auf der Tribüne saß, um seinen Sohn anzufeuern. „Ich war auf meinen Händen und Knien und schaute zu meinem Vater hinüber, lächelte und wartete auf den Anpfiff“, sagte Kurt. „Ich starrte ihm ins Gesicht und tat dann gar nichts mehr. Ich verschränkte meine Arme und ließ mich einfach auf die Schultern legen. Du hättest seinen Gesichtsausdruck sehen sollen. Er ging nach der Hälfte sogar raus, weil ich das ganze vier Mal hintereinander machte.“ Don erinnerte sich auch daran nicht, aber Kurt meinte, dass das einer der Anlässe gewesen wäre, nach denen er für ein paar Tage zu einer Tante und einem Onkel hatte ziehen müssen.

Don nahm Kurt auch einmal mit auf die Jagd, aber sobald sie im Wald waren, weigerte sich Kurt, mit der Jagdpartie mitzuziehen. Er verbrachte den ganzen Tag im Jeep, von der Morgen- bis zur Abenddämmerung. „Wenn ich daran zurückdenke“, sagte Kurt, „wird mir klar, dass ich damals schon instinktiv wusste, dass es falsch ist, Tiere zu töten, überhaupt, wenn es nur zum Spaß geschieht. Damals habe ich das noch nicht genau verstanden. Ich wusste nur, dass ich nicht dabei sein wollte.“

Inzwischen begann Kurt, neben den Beatles und den Monkees auch andere Formen der Rockmusik zu entdecken. Don war dem Columbia House Record and Tape Club beigetreten und hatte mit der Zeit eine ziemlich ernsthafte Plattensammlung aufgebaut. Monat für Monat kamen Platten von Bands wie Aerosmith, Led Zeppelin, Black Sabbath oder Kiss mit der Post. Don kam nie dazu, all die Pakete zu öffnen, und nach einigen Monaten kümmerte sich Kurt darum.

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