Kitabı oku: «Nirvana», sayfa 3
Kurt hatte begonnen, sich mit einigen Typen herumzutreiben, die erstklassig gekleidet waren, die Haare in langen Federn hatten und Kiss-T-Shirts trugen. „Sie waren um einiges älter als ich – wahrscheinlich schon Junior-Highschool“, sagte Kurt. „Sie rauchten Pot, und ich hielt sie einfach für cooler als meine idiotischen Freunde aus dem vierten Jahrgang, die sich Happy Days anschauten. Ich lud sie zu mir nach Hause ein und ließ sie mein Essen futtern, einfach um Freunde zu haben.“ Die Kiffer nahmen sehr bald Notiz von Dons ansehnlicher Plattensammlung und bestürmten Kurt, die Platten aufzulegen. „Nachdem sie mich auf diese Musik verrückt gemacht hatten“, sagt Kurt, „wurde ich langsam selbst so ein kleiner Kiffer.“
„Er kam nie von selbst und erzählte, was ihn wirklich berührte oder was er wirklich wollte, nicht einmal, als er sehr jung war“, sagte Don. „Er war so wie ich – bleib einfach ruhig, und es wird schon verschwinden oder so. Und versuch keine Erklärungen. Du staust alles auf, und irgendwann einmal bricht es aus dir heraus.“
„Er heiratete, und danach war ich eines der unwichtigsten Dinge auf seiner Liste“, erzählte Kurt. „Er warf einfach alles hin, weil er überzeugt war, dass meine Mutter mich einer Gehirnwäsche unterzogen hatte. Das ist eine ziemlich schwache Basis, um das Leben seines Sohnes darauf zu errichten.“
„Ich halte meinen Vater nicht wirklich für ein Macho-Schwein“, sagte Kurt weiter. „Er ist nicht einmal halb so extrem wie eine Menge anderer Väter, die ich kennengelernt habe.“ Was genau also war das Hauptproblem zwischen Kurt und seinem Vater? „Ich weiß es nicht einmal“, gab er zu. „Ich wünschte, ich könnte mich an mehr erinnern. Ich hatte nie das Gefühl, wirklich einen Vater zu haben. Ich hatte nie eine Vaterfigur, mit der ich Dinge teilen konnte.“
Letztlich wusste auch Don mit seinem Sohn nichts anzufangen, also wurde Kurt innerhalb der Familie wahllos hin- und hergeschickt, er wohnte bei mindestens drei verschiedenen Paaren von Tanten und Onkeln, einmal auch bei seinen Großeltern väterlicherseits. Mindestens zwei Mal pro Jahr zog er zwischen Montesano und Aberdeen hin und her und wechselte dabei natürlich auch die Schule.
Wendy wusste, dass sie Kurt zu sich nehmen sollte, aber sie war selbst eben erst aus einem Albtraum erwacht – sie war endlich den paranoiden Schizophrenen losgeworden, der sie geistig und körperlich so sehr misshandelt hatte, dass sie einmal sogar in der Notaufnahme gelandet war. Sie hatte ihren Job verloren und bat ihren Bruder Chuck, den Musiker, sich um Kurt zu kümmern.
Zu seinem vierzehnten Geburtstag stellte Chuck Kurt vor die Wahl zwischen einem Fahrrad und einer Gitarre. Kurt nahm die Gitarre, eine übertragene E-Gitarre, die selten funktionierte, und einen ebenso kaputten kleinen Zehn-Watt-Verstärker. „Ich glaube, es war nicht einmal eine Harmony“, sagte Kurt über die Gitarre. „Ich glaube, sie war von Sears.“ Er gab das Schlagzeug auf und nahm etwa eine Woche lang Gitarrestunden, gerade so lange, bis er AC/DCs „Back in Black“ spielen konnte. „Das sind ziemlich genau dieselben Akkorde wie in ,Louie, Louie“‘, sagte Kurt, „und mehr braucht man nicht zu kennen.“ Danach begann er, seine eigenen Lieder zu schreiben. Sein Gitarrelehrer Warren Mason (der mit Chuck in einer Band war), erinnert sich an Kurt als einen „stillen, kleinen und netten Jungen.“ Kurt stritt es vehement ab, aber Mason sagte, dass er unbedingt lernen wollte, wie man „Stairway to Heaven“ spielt.
Kurt fand Aberdeen einschüchternd. Verglichen mit Montesano war Aberdeen eine Großstadt. „Ich glaubte, dass die Kinder von dort einer höheren Kaste angehörten und ich es gar nicht wert war, mit ihnen zusammen zu sein“, sagte er.
In der Schule las er Bücher von S.E. Hinton wie Rumblefish und The Outsiders und vermied jede Unterhaltung. Er sagte, dass er in diesem Jahr keine einzige Freundschaft geschlossen hatte. Stattdessen spielte er jeden Tag nach dem Heimkommen so lange Gitarre, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Er wusste schon, wie „Back in Black“ ging, und setzte sich selbst noch ein paar Coverversionen zusammen – „My Best Friend’s Girl“ von den Cars, „Louie, Louie“, und „Another One Bites the Dust“ von Queen.
Anfang 1980 – im Alter von zwölf Jahren – sahen er und sein Freund Brendan die B-52s in der „Saturday Night Live“-Show. Der New-Wave-Stachel erwischte sie voll, und Brendan brachte seine Eltern dazu, ihm karierte Schuhe zu kaufen. Kurts Vater konnte sich das nicht leisten, also zeichnete sich Kurt eben ein Schachbrettmuster auf seine normalen Schuhe.
Irgendwann um die Sommerzeit vor dem zehnten Jahrgang begann Kurt, in der Zeitschrift Creem die Großtaten der Sex Pistols zu verfolgen. Die Idee des Punkrock faszinierte ihn. Unglücklicherweise führte das Plattengeschäft in Aberdeen keinen Punkrock, er wusste also nicht, wie das überhaupt klang. Alleine in seinem Zimmer spielte er dann so, wie er dachte, dass es klingen müsste – „drei Akkorde und viel Geschrei“, sagte Kurt. Gar nicht so weit daneben, wie sich herausstellte.
Einige Jahre später erstand er endlich eine „Punk“-Platte, das ausladende und eklektische Drei-LP-Set Sandinista von den Clash, und er war sehr enttäuscht, als das gar nicht so klang, wie er sich Punk vorgestellt hatte.
Kurt beschrieb seine frühe Musik als „wirklich ungehobelten Gitarren-Rock.“ „Sie war so ähnlich wie Led Zeppelin, aber wirklich rau und ungehobelt, ich wollte sie so aggressiv und gemein machen, wie ich nur konnte“, sagte er. „Ich dachte: Wie ist Punkrock wirklich? Was ist er? Wie widerlich ist er? – Und ich versuchte, so widerlich zu spielen, wie ich nur konnte. Ich drehte den Verstärker voll auf. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung, was ich machte.“
„Auf jeden Fall war es ein guter Anstoß“, sagte Kurt. „Ich fasste es als Berufung auf. Es war meine Mission. Ich wusste, dass ich üben musste. Sobald ich meine Gitarre hatte, war ich besessen davon. Ich hatte dieses Gefühl die ganze Zeit über – ich wusste immer, dass ich etwas Besonderes machte. Ich wusste, es war besser, obwohl ich das damals nicht beweisen konnte. Ich wusste, dass ich etwas anzubieten hatte und schließlich und endlich die Möglichkeit haben würde, den Leuten zu zeigen, dass ich gute Songs schreiben konnte – dass ich etwas zum Rock’n’Roll beitragen würde können.“
Kurt war wild darauf, den nächsten logischen Schritt zu unternehmen und eine Band zu gründen. „Ich wollte das Gefühl erleben, einen Song zu schreiben und ihn von allen Instrumenten gemeinsam gespielt zu hören. Ich wollte das. Zumindest zur Probe. Das war mein einziges Ziel.“ Bis dahin sollte es noch vier Jahre dauern, aber man kann ihm nicht vorwerfen, dass er sich nicht bemüht hätte.
In der Schule lernte er zwei Jungs namens Scott und Andy kennen, sie spielten Bass und Gitarre und machten in einem verlassenen Fleischlager tief im Wald Jam-Sessions. Kurt spielte einmal mit, und die drei beschlossen, eine Band zu gründen. Kurt ließ sich breitschlagen, seine Gitarre draußenzulassen – er würde sowieso am nächsten Tag wieder zur Probe kommen. Aber Scott und Andy schoben das Üben immer wieder hinaus, und Tage wurden zu Wochen, Wochen zu Monaten. Kurt konnte sein Instrument nicht zurückholen, denn er hatte kein Auto, und seine Mutter weigerte sich, ihn hinauszufahren. Er behalf sich mit der rechtshändigen Gitarre eines Jungen, dessen Mutter gestorben war und der nun bei ihnen im Haus wohnte. „Er war andauernd bedröhnt, ein echter Kiffer“, sagte Kurt. „Ich mochte ihn, weil er ein richtig depressiver Mensch war.“ Endlich bekam Kurt dann einen Freund so weit, mit ihm in den Wald zu fahren, um seine Gitarre zu holen, doch sie fanden nur mehr Bruchstücke – den Hals und ein paar elektronische Innereien. Kurt bastelte sorgfältig an einem neuen Korpus, aber er fand einfach nicht die richtigen Proportionen, damit sich die Gitarre stimmen ließ.
„Als ich viel jünger war, so etwa mit sieben, war ich besessen davon, ein Rockstar zu werden“, erzählte Kurt. „Es gab überhaupt kein Problem, denn ich war hyperaktiv und die Welt lag mir zu Füßen – ich konnte alles tun. Ich wusste, ich könnte Präsident werden, wenn ich nur wollte, aber das wäre dumm gewesen – ich wollte Rockstar werden. Es gab keinen Zweifel. Ich stand auf die Beatles, aber ich begriff weder meine Umwelt, noch was vor mir lag und welche Entfremdungen ich als Teenager erleben würde.“ „Aberdeen war für mich eine amerikanische Stadt wie alle anderen“, setzte Kurt fort. „Ich dachte, dass sie alle gleich wären – jeder lebte so vor sich hin, und es gäbe bei weitem nicht so viel Gewalt wie man sagte und alles wäre in Wahrheit ganz einfach. Ich dachte, die Vereinigten Staaten wären ungefähr so groß wie unser Hinterhof, also wäre es kein Problem, überall herumzufahren, in einer Rockband zu spielen und auf die Titelseiten der Magazine zu kommen.“
„Aber mit neun, als ich manisch depressiv wurde, sah plötzlich alles ganz anders aus. Alles wurde unwirklich.“
Im zehnten Jahrgang hatte Kurt alle Vorstellungen von Ruhm aufgegeben. „Ich war damals sehr eigenbrötlerisch und unsicher“, sagte er. „Ich hatte so wenig Selbstvertrauen, dass ich mir nichts mehr vorstellen konnte, was mit dem Leben eines Rockstars zusammenhing. Ich konnte mir keine Femsehshows, Interviews oder so vorstellen. Das kam mir nicht einmal in den Sinn.“
Kurts Vater hatte ihn in das Babe-Ruth-Baseballteam gesteckt. Kurt wärmte hauptsächlich die Bank, und immer, wenn er drankam, schied er mit Absicht aus, damit er mit dem Spiel nur ja nichts zu tun bekam. Auf der Bank unterhielt er sich mit einem Kerl namens Matt Lukin, vornehmlich über Kiss und Cheap Trick. Die beiden waren einander schon in Elektronik-Stunden in der Montesano Highschool begegnet. Lukin erinnert sich an Kurt als „den kleinen aufmüpfigen Jungen mit fettigen Haaren.“
Lukin spielte Bass bei einer lokalen Band namens Melvins, die Kurt schon einmal im Sommer vor dem neunten Jahrgang proben gesehen hatte. Kurts Freund Brendan kannte damals jemanden, der wiederum den Schlagzeuger der Melvins kannte, und so besorgten sie sich eine Einladung zu einer Probe der Melvins, die damals auf einem Dachboden stattfand. Die Melvins waren zu diesem Zeitpunkt noch keine Punkband, sondern spielten Coverversionen von Jimi Hendrix und den Who.
Kurt sah zum ersten Mal eine wirkliche Rockband aus der Nähe und war unheimlich begeistert. „Ich trank den ganzen Abend lang Wein und war stockbesoffen und abstoßend, und ich erinnere mich noch, dass ich den Melvins ungefähr eine Million Mal gratuliert hatte“, sagte Kurt. „Ich war so begeistert, dass Leute meines Alters in einer Band spielten. Es war großartig. Ich dachte: ,Wow, diese Jungs haben so ein Glück.’“ Die Melvins fanden den schmierigen kleinen Scheißer abstoßend und warfen ihn raus. Weil er so betrunken war, fiel er auch noch von der Dachbodenleiter.
Im Kunstunterricht der Montesano Highschool traf Kurt den Leader der Melvins, Buzz Osborne, wieder, er war stämmig und sah ziemlich wild und alt aus. Zu dieser Zeit war Osborne ein großer Fan der Who, aber er kratzte bald die Kurve zum Punkrock. Er besaß ein bebildertes Buch über die Sex Pistols, das er Kurt sogar lieh – und Kurt war fasziniert davon. Zum ersten Mal sah er mehr vom Punk als nur die kleinen Blitzer in Creem. „Da waren die Sex Pistols in ihrer ganzen Wildheit“, sagte Kurt, „und ich konnte alles über sie lesen. Das war wirklich cool.“ Sehr schnell begann er, das Logo der Pistols auf alle Schreibtische und seine Tasche zu zeichnen. Dann begann er jedem, der es hören wollte, zu erzählen, dass er eine Punkband gründen wollte und dass sie sehr bekannt werden würde – dabei hatte er immer noch keine Vorstellung davon, wie Punkrock wirklich klang.
„Mich beeindruckte, dass er so ein Freak war“, meinte Kurt über Osborne. „Ich wollte ihn unbedingt näher kennenlernen.“ Kurt bewunderte Osborne, weil er eine Punkband hatte, die manchmal sogar in Seattle und Olympia auftrat. „Und ich wollte zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur genau das erreichen“, sagte Kurt. „Ich verband keine großen Erwartungen mit meiner Musik. Ich wollte einfach in Seattle vor einigen Leuten spielen. Der Gedanke an eine Band, die so erfolgreich war, dass sie auf Tour ging, war noch ziemlich weit weg.“
Bei den Melvins spielte noch ihr ursprünglicher Schlagzeuger Mike Dillard, der später durch Dale Crover ersetzt wurde. In ihrer ersten Punk-Phase spielten sie Hardcore mit Überlichtgeschwindigkeit. Später, als das jeder machte, spielten sie, so langsam es nur ging. Und um sich endgültig unmöglich zu machen, gaben sie noch einen Schuss Heavy Metal in die Mischung. Mit ihrem richtungweisenden Album Gluey Porch Treatments von 1987 legten die Melvins den Grundstein für das, was dann unter dem Namen „Grunge“ bekannt werden sollte – eine neue Mutation von Punkrock, in der sowohl Heavy Metal als auch der Proletarier-Hardrock der Siebziger von Bands wie Kiss und Aerosmith steckte. Dieser Sound revolutionierte die Musikszene von Seattle, die bis dahin von Art-Rock-Bands dominiert worden war.
Die Melvins hatten ihr erstes Konzert in Seattle schon hinter sich, als Kurt sie das erste Mal sah, und sie waren zusammen mit den U-Men, Soundgarden, Green River, Malfunkshun und Skin Yard auf der wild gemischten Deep Six Collection vertreten. Mit Ausnahme der Art-Rock-Band U-Men vermengten sie alle unterschiedliche Anteile von Punk, Siebziger-Hardrock und Heavy Metal zu einem ziemlich rohen, aber sehr wirkungsvollen Sound.
Manchmal half Kurt den Melvins, ihre Anlage zu einem Gig nach Seattle zu befördern. Aberdeen selbst hatte keine große musikalische Geschichte, obwohl die halbe Besetzung von Metal Church, der platingekrönten Speed-Metal-Band, aus der Stadt stammte. Eine Band, die in Seattle auftrat, war schon eine Menge wert.
Kurt war sehr unglücklich, weil er im Verwandtenkreis herumgeschubst wurde. Im Mai 1984 heiratete Wendy den Hafenarbeiter Pat O’Connor. Pat trank Unmengen, und Wendy hatte damit alle Hände voll zu tun – sie fühlte sich nicht in der Lage, es auch noch mit Kurt aufzunehmen, aber am Ende brachte er sie doch dazu, ihn zu sich zurückzunehmen. „Ich rief sie monatelang jeden Abend an und versuchte sie zu überreden, mich bei ihr wohnen zu lassen.“
Eines Abends ging Pat allein aus und kam erst um sieben Uhr morgens zurück, besoffen und, wie Wendy sagte: „Er stank nach einem Mädchen.“ Sie war vor Zorn außer sich, ging aber trotzdem zur Arbeit ins Kaufhaus. Dort machten sich einige Leute aus der Stadt lustig: „Hey, wo war Pat letzte Nacht?“, kicherten sie. Wendy wurde daraufhin so zornig, dass sie sich mit einer Freundin betrank, heimging und Pat eine Riesenszene machte. Beide Kinder sahen zu, als sie eine der Pistolen aus dem Schrank nahm und damit drohte, ihn zu erschießen – aber sie wusste nicht, wie man die Pistole lud. Dann nahm sie alle vorhandenen Schußwaffen und schleppte sie zusammen mit Kurts Schwester Kirn, die eine Tasche voller Munition zerrte, zum Wishkah River, wo sie alles versenkte.
Kurt beobachtete die Szene von seinem Schlafzimmerfenster aus. Noch am selben Tag heuerte ein paar Kinder an, damit sie so viel Waffen wie möglich aus dem Fluß holten, und verkaufte sie dann. Von dem Geld kaufte Kurt seinen ersten Verstärker. Dann fuhr er den Kerl, der ihm den Verstärker verkauft hatte, zu einem Pot-Dealer, wo dieser wiederum das ganze Geld für Pot ausgab.
Kurt drehte die Gitarre voll auf. Die Nachbarn beschwerten sich, und Wendy hinterließ auf der Decke einige Spuren mit dem Besenstiel. Das Schönste für Kurt war, wenn die Familie zum Einkaufen ging, denn das hieß, dass er loslegen konnte. „Wenn wir heimkamen, hofften wir immer, dass noch ein paar Fenster ganz waren“, sagte Wendy. Kurt versuchte seine Freunde dazu zu bringen, mit ihm zu spielen, aber keiner hatte auch nur im entferntesten musikalische Begabung. Er kehrte den Chef heraus und war sehr direkt in seiner Kritik. Er wusste genau, was er wollte.
Niemand bekam mit, dass er oben in seinem Zimmer auch sang. „Eines Tages“, sagt Wendy,„hörten wir ihn. Er sang sehr leise. Er wollte nicht, dass wir ihn hörten. Pat und ich hielten unsere Ohren an die Tür, schauten uns an, rümpften die Nase und sagten: „Es ist besser, wenn er bei der Gitarre bleibt.“
Kurt kurz vor seinem zweiten Geburtstag
Don Cobain.
Nirvana im Crocodile (© Charles Peterson)
Kapitel zwei
Uns interessierte nur das Herumgammeln.
Um diese Zeit herum nahm Kurt in der Schule erstmals Notiz von Chris Novoselic. „Ich wollte ihn unbedingt näher kennenlernen“, erzählte Kurt. „Aber wir kamen nie zusammen.“ Sie hatten keine gemeinsamen Schulstunden – Kurt sah Chris nur manchmal bei Versammlungen, wo Chris bei kleinen Satiren mitspielte – meist nur zu dem Zweck, sie zu sabotieren, etwa wenn er plötzlich „Star-Spangled Banner“ zu singen begann.
„Er war ein lustiger Typ mit einem ganz eigenen Humor“, sagte Kurt. Jedermann lachte über ihn, aber ich lachte mit ihm, weil er einfach alle zum Narren hielt. Er war ein wirklich cleveres und lustiges Großmaul. Er war größer als alle anderen in der Schule. Er war riesig. Leider war ich nie mit ihm unterwegs, ich hätte in der Highschool-Zeit wirklich einen Freund gebraucht.“
Kurt kam sich vor wie ein Ausgestoßener, aber auch Ausgestoßene können andere Ausgestoßene finden und sich mit ihnen anfreunden. Außer natürlich in Aberdeen. „Ich wollte irgendwo dazugehören, aber nicht zum Durchschnitt, nicht zu den üblichen Schulkindern. Ich wollte zu den Ausgeflippten gehören, aber die Ausgeflippten in Aberdeen waren bloß Narren. Sie waren nicht wirklich auf meinem Trip – sie hörten zum Beispiel keine Musik von Devo. Sie waren einfach ganz normal geschädigt.“
Kurt erzählte, dass es ganze zwei Typen in der Schule gegeben hatte, mit denen er sich eine Freundschaft auch nur vorstellen hätte können. Die beiden waren zumindest so cool, dass sie sich für Oingo Boingo, die verrückte New Wave Band aus Los Angeles, interessierten. „Aber sonst waren sie totale Idioten“, sagte Kurt. „Typen, die sich beim Footballspielen das Gesicht anschmierten,“
Die Highschool war für Kurt eine einzige Einöde, die aus drei Klassen bestand: den Angepassten, den Mathematiktrotteln und den Kiffern. Kurt war den Mädchen in der Aberdeen High wegen seiner neckischen Grübchen und blauen Augen aufgefallen, sie hielten ihn für süß. „Irgendwie mochten sie mich“, sagte Kurt, „aber ich mochte keine Einzige – sie waren einfach dumm.“ Und weil die Mädels Kurt mochten, versuchten sich auch noch deren sportliche Freunde bei ihm beliebt zu machen, aber Kurt ließ auch sie abblitzen.
Blieben nur mehr die Kiffer. „Ich hasste sie zwar, aber zumindest interessierten sie sich für Rock’n’Roll.“ Also zog sich Kurt ihre typische Uniform an – die Jeansjacke mit Vliesfutter, die sich unter den jungen Drogenfreaks auch heute noch großer Beliebtheit erfreut – und begann sich beim örtlichen Raucher-Treffpunkt in einem Schuppen herumzutreiben. Er sprach kaum mit jemandem; er war so verschlossen, dass man ihn manchmal sogar für einen Drogenfahnder hielt.
Nachdem er wieder nach Aberdeen gezogen war, hatte Kurt den Kontakt zu den Melvins verloren. Aber im Raucherschuppen lernte er einen Musikfan namens Dale Crover kennen. Auch Chris kannte Crover, von dessen Jam Sessions mit Robert, seinem jüngeren Bruder. Als die Melvins einen Schlagzeuger benötigten, schlug Chris Crover vor, und er wurde es auch. Und weil Kurt Crover kannte, kam er wieder in den Kreis rund um die Melvins.
Die Melvins hatten ihr Probenquartier in einem Extrazimmer im Haus von Crovers Eltern. Wie jeder Standort zuvor wurde auch dieser Anziehungspunkt für eine Runde von Kiffern aus Aberdeen, die „Cling-Ons“ (Wortspiel: to cling on – anhaften, aber auch die Klingonen aus der TV-Serie StarTreck) genannt wurden. Sie trugen Glockenhosen und gesteppte Jacken mit Zipptaschen, damit ihnen niemand ihren Stoff stehlen konnte. „Sie waren die klassischen Comic-Kiffer-Metalheads“, erinnerte sich Kurt. „Einfach witzig – sie hatten Pickel, keine Zähne und stanken nach Dope.“
Für die Cling-Ons waren die Proben der Melvins die einzige Unterhaltung, die es gab. „In Aberdeen konnte man nichts tun außer Bier trinken, Gras rauchen und den Teufel anbeten“, kicherte Crover. „Es gibt dort einfach nichts. Außer viel Fernsehen.“
Der Probenraum selbst war vollgepflastert mit Postern von Kiss, Mötley Crue und Ted Nugent, herausgerissenen Seiten aus der Zeitschrift Circus und Bildern von nackten Frauen, denen sie andere Köpfe aufgeklebt hatten (ein Motiv, das später auch auf einem Nirvana-T-Shirt auftauchen sollte). Besucher mussten das Haus durch den Hintereingang betreten, dann ging es durch ein winziges Zimmer in den Probenraum. Bei den Proben selbst wollte Buzz nicht viel Publikum, die Cling-Ons begnügten sich daher damit, im Hinterhaus herumzuhängen. Die Melvins probten drei oder mehr Stunden am Tag, aber sie machten ungefähr alle 20 Minuten eine Pause, weil ein Bandmitglied mit einem der Cling-Ons Geschäfte machen musste.
Kurt spielte einmal bei den Melvins vor, aber das war ein Reinfall. „Ich habe es total verpatzt“, sagte Kurt. „Ich war so nervös, dass ich alle Songs vergaß. Ich konnte buchstäblich keine einzige Note spielen. Ich stand nur da mit meiner Gitarre und hatte einen hochroten Kopf.“
Das war jedoch nicht weiter schlimm, denn Kurt schrieb schon seine eigenen Songs und nahm sie auch auf. Matt Lukin erinnerte sich an ein Tonband mit Kurts Eigenkompositionen – nur Gitarre und Gesang. „Sie waren wirklich recht gut, erzählte Lukin. „vor allem für einen in Aberdeen in seinem Alter – die meisten anderen wollten nur Judas Priest spielen. Wir fanden es auf jeden Fall ungewöhnlich, dass da einer seine eigenen Songs schrieb und diese lieber spielte als Mötley Crue.“
Buzz Osborne brachte dann Kurt Cobain endgültig zum Punkrock. Er stellte ein paar Bänder zusammen, hauptsächlich mit Bands aus Südkalifornien wie Black Flag, Flipper und MDC. Das erste Lied auf dem ersten Band war „Damaged 11“ von Black Flag, eine einzige Attacke von schreienden Gitarren und schepperndem, mörderischem Schlagzeug. Die Nummer quoll über vor Hass. „Damaged by you, damaged by me/ I’m confused, I’m confused/ Don’t want to be confused“, brüllte der Sänger Henry Rollins.
Kurt war elektrisiert. „Es war, als hätte ich Musik von einem anderen Planeten gehört. Ich brauchte ein paar Tage, um damit fertigzuwerden.“ Am Ende dieser Woche war er ein überzeugter und selbsternannter Punkrocker. „Ich spürte, dass diese Sachen klarer und wirklichkeitsnaher waren als die durchschnittlichen Rock’n’Roll-Texte.“
Kurze Zeit später, im August 1984, fuhren Kurt, Lukin, Osborne und noch ein paar andere nach Seattle, um sich im Mountaineer Club ein Black-Flag-Konzert im Rahmen der Slip It/w-Tour anzuschauen. Um genug Geld für ein Ticket aufzutreiben, verscherbelte Kurt seine Plattensammlung – sie bestand damals aus Platten von Joumey, Foreigner oder Pat Benatar – um zwölf Dollar. „Es war wirklich toll“, sagte Kurt über die Show. „Ich war auf der Stelle bekehrt.“
„Es war gut für mein schwach ausgebildetes Selbstbewusstsein, dass ich ein Punkrocker wurde, denn es half mir, von der Zielvorstellung des Rockstars wegzukommen. Ich wollte gar kein Rockstar mehr werden“, erzählte Kurt. „Es war ein ewiger Balanceakt zwischen Wollen und Nicht-Können auf der einen und gleichzeitiger Gleichgültigkeit auf der anderen Seite. Dennoch wollte ich mich beweisen. Ziemlich verwirrend. Ich bin sehr froh, dass ich mich damals dem Punkrock verpflichtet habe, das gab mir einfach die paar Jahre, die ich benötigte, um mein Weltbild in Ordnung zu bringen. Dass ich Punk entdeckt habe, das war wirklich ein Gottesgeschenk.“
Osborne zeigte ihm auch einen Weg, wie er mit seiner Umwelt fertigwerden konnte. „Er hatte eine Art, mit den Rednecks umzugehen, die mir unheimlich imponierte“, sagte Kurt. „Seine Einstellung inspirierte mich sehr, sie lautete ungefähr: Geh ihnen auf die Nerven, so viel du nur kannst. Wir gingen auf die Parties der Sportstypen, hängten uns dort an die Fersen der großen Muskelmänner und spuckten ihnen auf den Rücken. Wir schrieben dreckige Sprüche auf die Wände, nahmen die Eier aus dem Kühlschrank und legten sie ins Bett des Gastgebers. Wir versuchten, so viel Schaden wie möglich anzurichten.“
Dann lernte Kurt Jesse Reed kennen. Er bezeichnete ihn als „den einzigen netten Freund, den ich in Aberdeen finden konnte“, außer einem weiteren sympathischen Jungen namens Myer Loftin.
Kurt begegnete Loftin im Kunstunterricht. Sie taten sich zusammen, nachdem sie entdeckt hatten, dass sie sich für dieselbe Art Musik interessierten – alles von AC/DC über Aerosmith und Led Zeppelin bis zu Punkrock. Auf Loftin wirkte Kurt „wie ein gewöhnlicher netter Junge mit Blue Jeans und ordentlichem Haarschnitt.“ Es überraschte ihn sehr, dass Kurt Musik machte. „Er war so sanftmütig und still“, sagte Loftin. „Sehr angenehm, sehr ernsthaft.“ Sie wurden gute Freunde.
Kurt fiel zunächst nicht auf, dass Loftin homosexuell war. Loftin eröffnete es ihm sehr bald. „Er sagte: Ist schon gut, du bist noch immer mein Freund, ich liebe dich noch immer, kein Problem“, erinnerte sich Loftin. „Und wir umarmten uns.“
Loft in übernachtete manchmal bei Kurt, und Wendy, ganz die „coole Mutter“, ließ ihnen im Haus freien Lauf, solange sie bis zum nächsten Morgen nicht wegfuhren. Einmal kam Wendy heim und erwischte sie beim Haschischrauchen. In einem sinnlosen Anfall, Kurt davon abzubringen, stopfte sie sich seinen ganzen Vorrat in den Mund, schluckte ihn und wurde davon völlig stoned. Außerdem wurde ihr sterbensübel. An ruhigeren Abenden blieben sie einfach in Kurts Zimmer, und Kurt brachte Loftin Led-Zeppelin-Riffs auf der Gitarre bei.
Aber es war schwieriger, sich mit jemandem sehen zu lassen, der seine Homosexualität offen zugab, als Kurt geglaubt hatte. „Die Leute starrten mich noch seltsamer an als gewöhnlich.“ Man begann, ihn zu schikanieren. Fast immer passierte es in der Turnstunde. Wenn alle umgezogen waren, war es unausweichlich, dass irgendwer Kurt einen Schwulen nannte und ihn gegen einen Garderobekasten stieß. „Sie fühlten sich wohl bedroht, weil sie nackt waren und mich für homosexuell hielten“, sagte Kurt. „Sie hatten also zwei Möglichkeiten: ihre Schwänze zu verstecken oder mich zu prügeln. Oder beides.“
Das Leben in der Highschool wurde immer härter für Kurt. Die Sportsknaben verfolgten ihn oft am Heimweg und rannten hinter ihm her. Manchmal erwischten sie ihn. Jeden Tag nach der Schule“, sagte Kurt, „drückte mich ein bestimmter Kerl in den Schnee und setzte sich auf meinen Kopf.“ „Als Folge davon wurde ich langsam stolz darauf, homosexuell zu sein, obwohl ich es gar nicht war. Der Konflikt machte mir wirklich Spaß. Es war sehr aufregend, weil ich ganz nah an mein wirkliches Selbst herankam. Ich war ein besonderer Ausgeflippter. Ich war nicht ganz der Punkrocker, der ich sein wollte, aber ich war immerhin besser als der Durchschnitts-Freak.“
Letztlich wurde der Druck aber doch zu groß, und eines Tages kam Kurt sichtlich niedergeschlagen zu Loftin und teilte ihm mit, dass er die Freundschaft beenden müsste. Es hatte einfach zu viele Erniedrigungen verursacht, der „Freund eines Schwulen“ zu sein. Loftin verstand, und ihre Wege trennten sich.
Kurt hatte im neunten Jahrgang begonnen, Haschisch zu rauchen, und rauchte bis zum Abschlussjahr täglich. Im letzten Jahr wartete er damit immer bis zur Dunkelheit. „Ich wollte meine ohnehin vorhandene Paranoia nicht noch durch Pot verstärken“, sagte er darüber.
Er wurde in der Schule immer schlechter und begann mit dem Schwänzen einzelner Fächer. Der dauernde Schulwechsel war nur ein Teil des Problems. „Der Hauptgrund war, dass ich die Lehrer so sehr hasste. Es gab diesen religiösen Fanatiker, ein apokalyptischer Rassist. Er unterrichtete Sozialkunde und tat nichts, außer unsere Zeit damit zu verschwenden, seine Offenbarungen in die Geschichte hineinzuschmuggeln. Er war ein Verfechter des kalten Kriegs der Achtziger – die Russen kommen, so ein Verbreiter der Reagan-Mentalität. Ein Hurensohn. Ich wollte ihn andauernd nur umbringen. Ich stellte mir vor, wie ich ihn vor der versammelten Schulklasse umbringen würde. Der Rest der Klasse kaufte seine ganzen Redensarten, sie schluckten den ganzen Mist. Es war unglaublich, dass so viele das einfach hinnahmen.“
Kurt probte auch daheim den Aufstand. „Er wollte zwar im Haus wohnen, aber nicht Teil der Familie sein“, sagte Wendy. „Er nörgelte über alles, was ich von ihm wollte, dabei war das gar nicht viel.“ Gleichzeitig räumte Wendy ein, dass ihre Geduld mit Kurt nicht sehr lang anhielt, weil sie auch mit Pats Trunksucht zu kämpfen hatte. Sie übertrug einen Teil ihrer Wut auf ihre Kinder.
Einige Monate lang ging Kurt mit „einer Kifferin“, einer sehr hübschen jungen Frau namens Jackie. Nach Kurts Worten „hat sie mich nur gebraucht, bis ihr Freund wieder aus dem Gefängnis kam.“
Eines Abends nahm Kurt Jackie mit hinauf in sein Zimmer. Er war knapp davor, seine Jungfräulichkeit zu verlieren. Sie hatten sich gerade ausgezogen, als plötzlich Wendy hereinplatzte, das Licht andrehte und zischte: „Raus mit der Schlampe!“ Kurt flüchtete zu einem Freund und blieb dort so lange, bis dessen Mutter anrief und sagte: „Wendy, ich habe das Gefühl, dein Sohn wohnt bei mir.“
Kurt hörte mit dem Kiffen auf, „als Versuch, meinem Leben eine Wende zu geben“. Dann meldete sich Kurts Stiefmutter und wollte Kurt wieder zu sich holen. Don stellte die Bedingung, dass Kurt mit der Musik aufhören und aus seinem Leben etwas Sinnvolles machen musste, wenn er bei ihnen wohnen wollte. Irgendwie überredete er ihn, seine Gitarre zu versetzen und die Aufnahmsprüfung bei der Navy zu machen. Kurt erzielte beim Test eine hohe Punktezahl, und ein begeisterter örtlicher Rekrutierungsbeamter besuchte sie an zwei Abenden hintereinander. Am zweiten Abend, als sie kurz vor der Unterschrift standen, ging Kurt in sein Kellerzimmer, fand etwas Gras, rauchte es, ging wieder nach oben und sagte: „Nein danke.“ Dann packte er seine Sachen und verschwand. Er war insgesamt nur eine Woche dort gewesen. Die nächsten acht Jahre sollte er seinen Vater nicht sehen.