Kitabı oku: «Kässpätzlesexitus», sayfa 2

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»Wetten, dass ich mit einem Eberfell durch den Wald laufe!«

Eigentlich ist das zuerst mal nichts Aufregendes oder Außergewöhnliches, vor allem nicht für Butzi. Interessanter wird das schon, wenn man weiß, dass es nachts sein sollte und zu einem Zeitpunkt, wo Wildsauen mal wieder ganze Landstriche nächtens umgepflügt hatten und die ortsansässige Jägerschaft beschlossen hatte, die Sau zu jagen. Man muss zu unserer Ehrenrettung aber auch sagen, dass wir zum Zeitpunkt der Wette nicht mehr ganz nüchtern waren und somit der Spaß größer schien als das Risiko.

Die Wildschweindecke holten wir aus Friedas Asservatenkammer – und dann ging’s los:

In den Wald!

Zu den Jägern!

Butzi klasse!

Auf allen vieren!

Geschmeidig!

Grunzend!

Der Schuss!!

Kein Grunzen!

Fassungslosigkeit!

Vor allem bei seinem Vater. Ein guter Schütze. Ein Blattschuss.

In der »Schwäbischen« tags darauf: »Tragischer Jagdunfall. Vater erschießt als Wildschwein verkleideten Sohn.« Der »Südkurier« ganz ähnlich: »Wildschwein entpuppt sich als Sohn. Jäger war der Vater.« Die »BILD«-Zeitung: »Blattschuss – Sau ist Sohn.«

Wenn ich meinen Blick vom ›Goldenen Ochsen‹ weg ein bisschen, aber nur ein kleines bisschen nach rechts und dann Richtung Ortsmitte und dann nach oben bewegte, konnte ich den schönen Zwiebelturm der Riedhagener Kirche erkennen. Dort ist auch der Friedhof, wo wir unseren Butzi zu Grabe getragen haben.

4. Viererbande

Die vier schauten von der Bank aus auf den glitzernden See. Immer wieder kommentierten sie kunstvolle Figuren oder Stürze der Wakeboarder, die neben dem Restaurant starteten und dann über einen Parcours gezogen wurden. Vor allem an der Rampe wurde es spannend.

Schaki stand langsam auf, drehte sich, sodass sie den dreien ins Gesicht blicken konnte, den See nun im Rücken, steckte die Hände in die viel zu enge Hose, wippte breitbeinig, das Haar rotsonnenblond.

»Wir müssen eine Strategie gegen die Jungs entwickeln. Gefährlich werden können uns nur die Junge Union und die Harley-Deppen! Die Freaks haben letztes Jahr den Pokal und das Preisgeld mitgenommen. Von denen braucht bestimmt keiner die Kohle. Habt ihr gesehen, was der Bönle, der arrogante Sack, sich für eine Hütte ins Ried gestellt hat?«

Flora blickte unterwürfig zur Präsidentin der Busty Biker Brides hoch und nickte eifrig:

»Die haben Kohle ohne Ende, er hat doch von seinen Eltern wahnsinnig viel geerbt, und Cäcilias Mutter gehört doch halb Riedhagen. Ich weiß von Cäcilia, dass sie das Grundstück von ihrer Mutter geschenkt bekommen haben. Stell dir mal vor, so ein Riesengrundstück in der Lage, einfach geschenkt.«

Um ihrer Fassungslosigkeit und ihrer Unterwürfigkeit gegenüber Schaki noch mehr Ausdruck zu verleihen, zog Flora das Genick ein, schob ihre Schulterblätter zusammen, sodass sie noch schmaler erschien, und hob die Hände, drehte die Handfläche gen Himmel, als ob sie Segen empfangen wollte.

»Du arbeitest doch stundenweise bei der Bönle, kannst du aus der Psychotante herausbekommen, ob die Harley-Deppen eine Strategie für den Samstag haben?«

Flora nickte eifrig:

»Kann ich nächstes Mal versuchen, aber was meinst du mit Strategie?«

»Na zuerst mal, wer alles mitisst, wer die neue fünfte Person ist. Dieser Butzi kann ja wohl nicht mehr mitessen, der liegt einsachtzig tief. Der Ersatz für den wäre interessant. Der Butzi hat für die ja eigentlich den Sieg erfressen. Wenn da ein schwacher Ersatz kommt, haben wir die besten Siegchancen!«

»Brutal, die Sache mit Butzi: der eigene Vater!«

»Wer sich zur Jagdzeit als Wildsau verkleidet und vor den Jägern herumhüpft, muss damit rechnen, abgeknallt zu werden!«

Die sitzenden drei schwiegen. Flora nickte unsicher.

Aische meldete sich zu Wort, mit beiden Händen fuhr sie durch ihr dunkles Haar, ihre Kajal umrandeten, dunklen Augen schauten an Schaki vorbei auf den See, wo eine glitzernde Fontaine vom Sturz eines Wakeboarders berichtete:

»Das ist gut, wenn Flora Bönles Frau ein bisschen befragt, aber wichtiger ist doch, wer bei uns als fünfte Frau antritt!«

Schaki drehte ihrer Gang langsam den Rücken zu und studierte ausgiebig den Versuch des gestürzten Jungen, das Ufer zu erreichen und redete leise mit dem See:

»Ich habe da eine Idee, meine Schwester, die hat …«

»Waas, deine Schwester?«

Drei ratlose Augenpaare blickten in Schakis Rückseite.

»Lasst mich doch zuerst mal ausreden, meine Schwester kann …«

»Die hat doch eine Essstörung, die kann doch uns nicht bei einem Wettessen unterstützen, jemand mit einer Essstörung, Schwachsinn!«

Monscheri schüttelte ihre Lockenpracht und tippte sich mit ihrem langen, schwarzen Zeigefinger gegen die dunkle Stirn.

»Verdammt noch mal, ich habe gesagt, ihr sollt mich ausreden lassen!«

Ärgerlich drehte sich Schaki zur Dreiergruppe.

»Genau das ist ja unsere Chance, ich kenne die Essgewohnheiten von meiner Schwester. Schanti kann Unmengen in kürzester Zeit in sich hineinstopfen und genau so schnell kann sie alles wieder hinauskotzen. Genau das ist unsere Chance! Die bekomme ich schon rum, die wird uns zum Sieg fressen. Die 500 Euro gehören uns!«

Die Chefin hob die Faust zum Brides-Gruß. Die drei staunten.

5. Vierer- bis Fünferbande

Im ›Goldenen Ochsen‹ unter der Sau. Hämisch grinsend, wohlwissend, dass sie an allem schuld war, stierte sie auf uns herunter. Frieda, seit Butzis Ableben sehr besorgt um ihre Buben, stürmte mit einem weiteren Tablett zapf­frischschäumenden Gerstensaftes in das Jägerstüblein. Hier waren wir unter uns. Eine Butzenglasscheibe trennte uns vom niederen Volke, das Schnitzel mit Pommes und Soße essend, bierschorlesauertrinkend, hefealkoholfreischlürfend nebenan vor sich hin schwieg. Die Zeit des rauen Gelächters würde erst später sein.

Vier WalderBräu Hell, eins davon in der Flasche, lachten trotz unserer verständlicherweise nicht allerbesten Laune versöhnlich schäumend und bernsteinfarben aus schlanken Gläsern und einer grünen Flasche.

»Vier Helle. Buben, Kopf hoch! Das Leben geht weiter! Was schaut ihr denn so?«

»Sorry, Frieda, wir haben Naturtrüb Hell bestellt, kein Helles!«

Joe, Hausmann mit überkandidelter Lehrergattin und drei unerzogenen Kindern, zeigte auf das tabletttrohnende Arrangement.

Frieda, meine kugelrunde und in der Brustregion überdimensional ausgestattete Schwiegermutter, lachte so herzhaft auf, dass der oberste Knopf ihrer antiken, blaugemusterten Kittelschürze frech aufsprang und schamlos den oberen, doppeltvernähten Rand einer nicht minder attraktiven, fleischfarbenen Büstenstützapparatur freigab.

»Das heißt jetzt neu!«

»Aah, nicht mehr WalderBräu naturtrüb hell?«

»Nein, nur noch Walder Hell.«

Flaschen-Gordon, der sein Bier nur aus der Flasche trank, war begeistert:

»Wow, nur noch Hell, wie ›Bat out of hell‹!«

»Oder ›Highway to hell‹!«

»Oder ›Hells bells‹.«

Wir kriegten uns kaum mehr ein vor Lachen, als es vom Eingang her dunkel dröhnte:

»Oda auch ›Hell-o again‹!«

Das Lachen brach jäh ab. Deo, unser dunkelhäutiger Geistlicher, mächtig die Tür des Nebenraumes ausfüllend, kommentierte seinen Scherz gestenreich:

»Von da Auwat Carpendale, da berühmta Schlagastar. Hello again, du, ich möchta dich heuta noch sehn. Ich will dir gegenübasteha, viel zu lang war dea Zeit. Ich saga nua hello again.«

Deodonatus Ngumbu, unser Pfarrer aus dem Busch, unser mächtiger Massai, ein Howard-Carpendale-Fan. Das war mir neu.

»Oda da heallicha neua Song: Teila …«

»Kenn ich nicht Teila, ich kenne nur Leila, wer ist Teila?«

Aufgeregt fuchtelte Deo mit seinen schwarzen Pranken:

»Nicht Teila, sondan Teila: Keina weiß wie es kommt, Keina weiß wie es geht, doch wenn wir teilea, könna wia versteha. Und was ist richtig, und was ist es nicht, nua wenn wia teila, kommt eina andera Sicht.«

Für die nächste Strophe übte der schwarze Barde sogar ein paar tänzelnde Schritte:

»Willst du mit mia lacha, willst du mit mia weina, sag wasa du brauchst, um glücklich zu sein. Es wiad füa alla mea geba, schwea wiad zu leicht, wenn wir teila!

Das ist auch von da christlicha Punktaschtand eina seah wichtiga Lied. Da Grundprinzip ist de Teila!«

Endlich setzte sich Deo.

»Eina WaldaBräu natuatrüb hell, bitte!«

»Hell!«

Als Präsident der MIKEBOSSler, die geschwächt schon morgen zum traditionellen Kässpätzleswettessen in Königseggwald antreten mussten, hatte ich Freund und Pfarrer Deo zur heutigen Krisensitzung eingeladen. Ich machte meinen Vorschlag, fiel mit der Tür ins Haus, warum lange um den heißen Brei herumreden?

»Deo, würdest du das für Butzi tun? Ich weiß, er hätte es so gewollt. Es gibt nur einen, der ihn würdevoll ersetzen kann. Machst du für ihn mit beim Kässpätzleswettessen?«

Deo war gerührt, feucht schimmerte es in seinen Augen, als er nickte:

»Klaa, füa da Butzi tu ich das gean, ea hätta das Gleicha füa mich getan.«

Die Gläser schäumten aneinander, Flaschen-Gordons Flasche lief über. Geschah ihm recht. Gesicht, der ewige Single, machte seinem Spitznamen mal wieder alle Ehre, unentwegt glotzte er entgeistert zum Wildschweinkopfpräparat hoch und schüttelte langsam den Kopf.

Bis in den nächsten Tag hinein erzählten wir uns dann Wisstihrnochwiederbutzigeschichten:

Wisst ihr noch, wie der Butzi im Ried als Gespenst herumgetanzt ist?

Flaschen-Gordon, schon voll des Bieres, stand schwankend auf und fing plötzlich an zu singen: »Es tanzt ein Bierbauch-Butzi-Mann in unserm Ried herum, fidelbumm, es tanzt ein Bierbauch-Butzi-Mann im dunklen Ried herum. Er rüttelt sich, er beeeesäuft sich, er wirft sein Säcklein hinter sich. Es tanzt ein Bierbauch-Butzi-Depp in unserm Riiiied herum!«

Tränen netzten seine schmerzlich entgleisten Gesichtszüge, und dann holte er aus und schüttete das Bier aus seiner Flasche Richtung Eberschädel:

»Die Sau ist an allem schuld!«

Deo drückte den Enthemmten wieder auf seinen Stuhl zurück. Dann lächelte Flaschen-Gordon entrückt. Vermutlich sah er sich weißgewandet mit Butzi durchs Ried tanzen.

Oxana machte sauber.

Wisst ihr noch, wie der Butzi für den Muttertag beim Gärtner eine Pflanze kaufen wollte, als die Floristin mit dem weiten Ausschnitt kam und er nur noch stotterte: Haben Sie eine Fleisch pflanzende Fresse? Wisst ihr das noch, eine Fleisch pflanzende Fresse statt Fleisch fressender Pflanze, wisst ihr das noch? Wir wussten das natürlich noch, wir wussten auch noch, dass er die Pflanze vorn an der Gabel seiner Fat Bob festmachte, damit sie auf der Fahrt nach Hause etwas zu essen bekam. Die gewimperten Klappmäuler der Venusfliegenfalle waren tatsächlich alle geschlossen, als wir bei Butzi ankamen, und die fleischfressende Pflanze machte tatsächlich einen zufriedenen und satten Eindruck.

Gesicht, der die meiste Zeit zur Sau stierte, riss mit einer ruckartigen Bewegung sein Glas hoch und schmetterte den Inhalt dem seelenlosen Eber in die Schnauze.

»Drecksau, du, du … du dreckige Drecksau, du!«

Deodonatus nahm Gesicht schützend, leicht mahnend in die Arme:

»Da tota Sau kann nix dafüa!«

Oxana kam mit einem Putzeimer.

Wisst ihr noch, wie der Butzi mit dir mit dem Krankenwagen mit Blaulicht den Fleischkäswecken geholt hat?

Wir erinnerten uns alle an die Geschichte, die Butzi beinahe den Job gekostet hätte. Butzis Schwester, Ärztin in Saulgau, konnte Schlimmeres verhindern.

Nach dieser Episode schnellte ohne Vorwarnung Joe, der Hausmann, aus seinem Stuhl hoch und schmetterte sein volles Bierglas dem schuldigen Eber in die grinsende Fresse. Splitter barsten und bedeckten Tisch, Stühle und Boden. Deo besänftigte den Rasenden, umarmte ihn sanft und drückte den Bebenden auf seinen Platz zurück.

Oxana brachte alles wieder in Ordnung.

Frieda hatte Verständnis.

Wisst ihr noch, wie der Butzi als Einziger im Indianerkostüm in der Kirche stand? Wir erinnerten uns natürlich, vor allem Joe, als aktives Mitglied der Guggen­gruppe aus Bad Saulgau. Natürlich hatte man für das Brautpaar gespielt, abgemacht war in Schwarz-Weiß. Butzi schien das nicht mitbekommen zu haben und stand prächtig geschminkt mit einem herrlichen Federschmuck inmitten der schicken Festgemeinde. Weihbischof Karl Maria Brenz baute ihn geschickt in seine Predigt für die Brautleute mit ein: als Metapher für Gegendenstromschwimmen.

Deo, der bis jetzt äußerst konziliant, vermittelnd, zwischen Eber und Rächern, deeskalierend gewirkt hatte, stand plötzlich nach dieser Geschichte, die auch klerikale Momente enthielt, schwankend auf der Bank. Goss den Klaren aus der Obstlerflasche und zündete ihn an. Schon stand der mächtige Eberteufelskopf in Flammen.

Oxana löschte mit einer Decke, ich ging in Friedas Keller.

Als ich aus dem Keller zurückkam, war ich fast ein Kilo schwerer.

»Wisstanoch, wie da Butzi da Verbrecha mit da Haaley veafolgt hat und dea in da Ried gelandet ist und wie da Butzi da Dani, als dea mit da Poasche Diesal in da Wassa gelandat ist, da Leba gerettet hat. Weißt du noch Dani, wie ea dia da Leba gerette hat, sonst wäast du veasoffa …«

Ja, ohne Butzi säße ich wahrscheinlich nicht hier, ich wäre genau so tot wie Butzi.

Tot, tot, tot, hämmerte es in meinem Kopf. Langsam stand ich auf, zog die Waffe, die ich hinten in meine Hose gesteckt hatte.

Für eine Sekunde war es mucksmäuschenstill im Nebenzimmer, dann bellten drei Schüsse und Butzi war gerächt. So wie Butzi gestorben war, war auch der Schuldige hingerichtet worden.

Oxana nahm den ramponierten Saukopf ab.

Nie wieder würde er da hängen. In der Gaststube erzählte Frieda den Stammtischlern und den Sommerfrischlern, dass die spinnigen Motorradfahrer mit Böllern einen Geburtstag gefeiert hätten.

Weiter kann man von Geburtstag nicht entfernt sein.

6. Schräge Vögel

Der Rotmilan nutzte die aufsteigenden Winde über dem dunklen Wäldchen. Von der Kapelle, deren tiefere spirituelle Bedeutung er nie erfassen würde, glitt er sanft, nur wenig an Höhe verlierend, über die Straße Richtung Friedhof. Auf seine Flügelspannweite von nahezu 175 Zentimetern war der Greifvogel ganz besonders stolz. Mit einer leichten Korrektur seiner fingergefächerten Flügelspitzen und seines auffallend langen Schwanzes drehte der rötlich braune Greifvogel, dessen Kopf-, Nacken- und Kehlgefieder weiß in der Sonne schimmerte, nach links ab, um neugierig auf das samstäglich ungewohnte Treiben zu schauen. Hier musste er heute als Suchflugjäger auf Beute verzichten, keine Mäuse, keine Tauben, zu viel Betrieb unter ihm.

Er liebte Oberschwaben und seine mit kleinen und größeren Gehölzen durchsetzte hügelige Landschaft. Er war auch ein großer Freund von Agrarlandschaften mit Feldgehölzen. Zum Jagen nutzte er gerne offenes Kulturland, Grasland, Viehweiden und gelegentlich die nahen Feuchtgebiete des Pfrunger-Burgweiler Riedes, die er dann mit den Störchen teilte. Hier zwischen Königseggwald und Riedhausen war er vor allem auf Mäuse und Tauben, die um die Brauerei siedelten, scharf. Auch der interessante Geruch der Brauerei zog ihn immer wieder an.

Der heutige Tag war jedoch anders, das konnte er aus seiner Perspektive sehr gut beobachten. Nach einer Schleife vom Ortsrand über den Friedhof segelte er geräuschlos zum angrenzenden Brauereikomplex, der direkt neben der Straße lag. Überall parkten bunte Fahrzeuge: auf dem eigentlichen Kundenparkplatz, vor dem Haupteingang, auf dem Beladehof, vor dem neuesten Gebäude, der Vollguthalle, bis hin zur Tenne. Fahrzeuge und Menschen. Die Menschen strömten zur Tenne.

Der Rotmilan drehte den Kopf mit den scharfen Augen und dem gelblichen Schnabel, nutzte kurz verärgert die schiere Kraft seiner Brustmuskeln. Mit wenigen Flügelschlägen drehte er ab Richtung Ried. Lieber mit Störchen als mit Menschen teilen.

Unten um die Tenne herum ging es weitaus lustiger zu. Vor dem weit geöffneten hölzernen Flügeltüren-Eingang drängten sich die Gäste und die Protagonisten. Links und rechts über dem weiten Eingangstor waren in unverputztem Mauerwerk trapezförmige Lampen verankert, die auf beigem Glas mit roter, geschwungener Schrift von den Ursprüngen der Brauerei erzählten: Härle Bier. In der Tenne war die Anmeldestube, jede Mannschaft musste einen bürokratischen Prozess über sich ergehen lassen, damit es nicht zu Schummeleien kam. Jede Mannschaft, jeder Teilnehmer wurde registriert. Dann wurden einem die Teilnahmebedingungen und die Wettkampfspielregeln ausgeteilt. Jeder Teilnehmer musste eine Erklärung unterschreiben. Ein Hinweis auf das DRK-Zelt war verpflichtend.

Die Tenne beherbergte aber vor allem die Küche. Unter der pfeilergestützten Gewölbedeckenkonstruktion war ein Zelt aufgebaut, in dem freiwillige Helferinnen und Helfer eifrig agierten.

Chefin der Küche war die allseits unbeliebte Berta Löffler. Berta Löffler führte ein straffes Regiment, Fehler, und waren sie noch so gering, wurden mit einem verbalen Gewitter quittiert. Auch der Kochlöffel wurde zur körperlichen Züchtigung junger Mithelfer immer wieder gerne eingesetzt. Umgekehrt proportional zu ihren moralischen Ansätzen stand ihre Kochkunst. Sie war eine perfekte Künstlerin der schwäbischen Küche. Und so war Berta Löffler die Einzige, die pekuniär für ihre Tätigkeit belohnt wurde.

Ganz ohne Bezahlung, nur für ihre Brauerei und vor allem um die Stimmung vor dem Event hochzupeitschen, war der fast 30 Mann und Frau starke Musikverein Königseggwald e.V. in prächtig rot-weiß-schwarzer Uniform angetreten. Vor allem die zehn Damen in ihrer Trachtenuniform, deren weite, rötliche Röcke noch zart grünliniert durchwirkt schimmerten, waren echte Eyecatcher. Die Musikanten starteten schmissig mit einem musikalischen Blumenstrauß.

7. Esssport

Letztendlich waren es dann doch nur sechs Mannschaften, die zum Zweiten Traditionellen Königseggwalder Kässpätzleswettessen antraten. Die angekündigten und mit Spannung erwarteten Bodensee-Swingers, wer immer sie sein mochten, waren, so ergaben spontane Recherchen auf dem Höchsten, in der Gaststätte hängengeblieben. Sie würden aber dem Ausklang beiwohnen.

Der angekündigte und nicht minder sehnlichst erwartete Damen-Kegelverein GutHolzVorderHütten aus Veringenstadt hatte sich, so ergaben begleitende Smartphone-Hilferufe, was erstaunlich ist, in der Gegend um den Bussen, dem Heiligen Berg Oberschwabens, herum verfahren. Sie seien in einer Gaststätte in Hailtingen gelandet, und es wäre lustig. Sie kämen mit Sicherheit nach dem Wettbewerb.

Auch die mit Freuden erwarteten Kässpätzles-Freunde-Friedberg blieben dem Wettbewerb fern. Eine SMS mit dramatischem Unterton erreichte den Veranstalter:

›Sorry, können nicht pünktlich sein. Wagen brennt hinter Hosskirch. Müssen warten, bis Feuerwehr eintrifft. Kann uns später jemand abholen? Feurige Grüße, Schnauzi‹

Wenige Meter vor dem Ziel war ihr Fahrzeug havariert.

Für uns umso besser. Die Zahl der gegnerischen Mannschaften war überschaubar, durch eine WalderBräu-Lottofee, in einem grünen Minikleid mit zwei aufgedruckten Bierflaschen im ansehnlichen Brustbereich, wurden die Gruppennummern, die Berta Löffler schon am Vortag bestimmt hatte, verkündet. Das war ein Novum, im letzten Jahr wurden die Nummern direkt vor dem Startschuss ausgelost.

Gruppe 1: Witwer-Club Ostrach, Gruppe 2: Junge Union, Gruppe 3: MIKEBOSS, Gruppe 4: Trinksportverein Schluck, Gruppe 5: Die Tiere, Gruppe 6: Busty Biker Brides Pfullendorf.

Eine freundliche, mikrofonquietschende Begrüßung seitens der Geschäftsleitung der WalderBräu AG stellte die Mannschaften und die Spielregeln vor.

Man musste kein abgeschlossenes Hochschulstudium der Kommunikationswissenschaften in sechs Jahren hinter sich gebracht haben, um die Spielregeln zu begreifen. Zu interpretieren gab es da auch nicht viel: Die Fünf-Mann-Mannschaft, die in 45 Minuten die meisten Kässpätzle verzehrt, ist Sieger und somit um 500 Euro reicher. Die Kässpätzle werden immer frisch in Fünf-Kilo-Portionen angeliefert. Nachschub muss rechtzeitig der Küche angekündigt werden. Trinken – freie Wahl: Schnaps, Bier, Spezi, Mineralwasser, Leitungswasser.

Eine eigens für die diesjährige Kässpätzleswettessen komponierte Kässpätzlespolka, hervorragend instrumental dargeboten von den Königseggwalder Musikanten, meisterlich gesungen von einer der charmanten Klarinettistinnen, brachte schon früh die Stimmung vor der Tenne zum Kochen. Rhythmisches Klatschen begleitete die Uraufführung des Liedes, das Potenzial genug enthielt, um als Ohrwurm noch viele Kässspätzleswettessen einzuläuten:

»Ja, was der Schwabe gar nicht kennt,

er nicht gern sein Essen nennt.

Kommt der Vater an den Tisch,

rümpft er den Zenken, oh Gott, Fisch!

Auch vom Feinsten der Haute Cuisine

sieht man ihn vom Tische fliehn.

Da kommt die Oma, dieses Schätzle,

und bringt dem Vater seine Spätzle.«

Dann folgte der eingängige Refrain der schmissigen sechsstrophigen Polka, bei dem schon in der zweiten Strophe das Publikum begeistert mitgrölte:

»Ja, ja, ja, Kässpätzle mag nicht nur der Vater,

nein auch jeder, ob Nonne oder Pater,

ob mit Zwiebel, mit Speck oder G’müs,

mit Kässpätzle bin ich im Paradüs.«

Mit einem starken Ritardando wurden die aussagestarken letzten Zeilen unter jubilierend trällernden Klarinettenklängen, mit kräftiger Unterstützung kreszendierender Tenorhörner von der Gesangssolistin geschmettert, wobei jedes Ja von einem infernalischen Paukenschlag begleitet wurde:

»Ja, ja, ja, Kässpätzle soll’s regnen vom Himmel,

ja, ja, ja, Kässpätzle am Abend und am Morgen,

dann hat der Schwab keine Sorgen.

Ja, ja, ja, Kässpätzle die ganze Zeit, mein Spatz,

so bleibst du für immer mein Schatz!«

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Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
Hacim:
243 s. 6 illüstrasyon
ISBN:
9783839246009
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