Kitabı oku: «Kässpätzlesexitus», sayfa 3
8. Der Wettbewerb
Der Witwer-Club Ostrach
Der Witwer-Club Ostrach bekam bei seiner Vorstellung den herzlichsten Applaus – Mitleid. Der Altersdurchschnitt der Herrengruppe, die alle in grauen Anzügen angereist waren, lag bei knapp über 80 Jahren. Bis auf ein Gürtelmodell wurden alle schlabbernden Hosen von eleganten Hosenträgern federnd im Schritt gehalten. Hingucker und spontaner Publikumsliebling war Rollator-Paule, der mit 94 Jahren leicht vibrierend, aber stolz auf der Bierbank Platz nahm, an Tisch 1. Seine Mitesser waren nicht unbedingt in besserem Zustand, aber sie genossen ebenso wie Rollator-Paule die Aufmerksamkeit des Publikums. Es ging das Gerücht, sie hätten sich lediglich zum Wettbewerb angemeldet, um mal wieder was Richtiges zu essen oder nicht zu verhungern. Ein bisschen sah man ihnen ihre ehrenhafte Motivation an.
Nachdem in der Küche von Frau Berta Löffler höchstpersönlich die dampfenden Kässpätzlesschüsseln abgewogen, jede musste exakt fünf Kilo enthalten, und von einem aus der Wettbewerbstischgemeinschaft auf die Tische verteilt waren, zelebrierte der Vorstand der WalderBräu AG den Startschuss auf originelle Art und Weise. Das mikroverstärkte Plopp des gekonnten Öffnens mittels eines Doppeldaumenpfitzers einer Magnum-Bügelverschlussflasche aus eigenem Hause signalisierte den Kämpfern: ran an die Kässpätzle.
Der Witwer-Club Ostrach legte einen vom Publikum mit jaulenden Aufforderungsrufen begleiteten Fehlstart hin, nicht dass es ein Jump-Start gewesen wäre, eher das Gegenteil. Die Herren hatten vermutlich altersbedingt den Startschuss nicht gehört. Vielleicht waren sie auch zu sehr mit dem Öffnen der ersten Schnapsflasche beschäftigt, sie hatten sich einen Obstler zum Wettessen ausgesucht. Rollator-Paule sprach nur vom Essen, er wusste vermutlich nicht, dass er einer der Hauptakteure in einem spannenden Wettbewerb war.
Nachdem die frauenlosen, freundlichen alten Herren einen Teil des Obstlers auf dem Tisch verleppert hatten, auch etwas in den kleinen Gläschen schwappte, prosteten sie sich unter Gejaule des Publikums erst einmal zu. Dann verzehrten sie in aller Ruhe die goldgelben Kässpätzle, die mit buttergeschmelzten Zwiebelchen und klein gewürfelten Speckstückchen verfeinert waren. Die Herren genossen Kässpätzle, Schnaps, aber vor allem die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wurde.
Etliche Schnäpse nach dem ungehörten Startschuss, die erste Kässpätzlesschüssel war noch zur Hälfte mit kränkelnden Teigwaren gefüllt, bemerkten die sympathischen Herren den Tumult an Tisch 6 nicht.
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Die Junge Union
Die Junge Union sah gar nicht so jung aus, wie das vor Union befindliche Adjektiv schließen ließ. Vier freundliche, gutgekleidete, sympathische Herren und eine attraktive Quoten-Dame warteten auf das Start-Plopp. Dann ging es bei Hahnenwasser diszipliniert, aber energisch zur Sache. Ihre Strategie war es, wie im politischen Leben ein strammes Tempo vorzugeben, Vorbildfunktion in allen Bereichen. Diszipliniert mit Hahnenwasser, wie sie Leitungswasser nannten, arbeiten und immer den Sieg vor Augen haben. Hahnenwasser, erstens wegen des sauberen Images, zweitens weniger Blähungen. Strategieansatz zwei, wie im politischen Leben, alles geben: Enthusiasmus gepaart mit Willensstärke und Freude. Sie würden gewinnen. Die Alten von Tisch eins, nette CDU-Wähler mit Sympathiebonus, aber keine Gegner. Die Harley-Rocker, beeindruckend, aber auch nur das Outfit. Vermutlich wie alle Motorradfahrer zu doof, um zu begreifen, wo man das Essen reinsteckt. Dieser Trinksportverein und Die Tiere, auch keine Gegner, Lachnummern, die ersten fünf Minuten reingesteckt, was ging. Einer hatte sich schon übergeben und das nach knappen fünf Minuten. Und diese Motorrad-Schlampen waren bestimmt nur angereist, um später von den Harley-Trotteln gevögelt zu werden – so wie die aussahen.
So die Annahmen der Jungen Union. Die wenigen Worte, die vielen Gedanken der Jungpolitiker wurden jäh von aufgeregten Rufen an Tisch sechs unterbrochen.
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Trinksportverein Schluck
Der Trinksportverein Schluck war mehr Interessengemeinschaft denn Verein. Hoffnungsvolle junge Erwachsene mit kleinen PS-starken, tiefergelegten Automobilen und kühnen Frisuren. Ihre rare Freizeit vergeudeten sie nicht sinnlos, nein, sie gingen saufen. An jedem Wochenende. Wochenende war Freitag, Samstag, Sonntag, Montagmorgen.
Klaus-Dieter, Anführer des Trinksportverein Schluck, weil er die interessanteste Frisur hatte. Etwas stand bei einem ansonsten blondierten Kopf schwarz auf Wiedehopfart in die Höhe. Die blondierte, fast kahlrasierte Seitenansicht war mit etwas geschmückt, das an ein Toilettentapetenmuster aus den 70er-Jahren erinnerte.
Ronnie, etwas intellektuell schwächer als Klaus-Dieter, schmückte eine hübsche Vokuhila-Frisur. Sein Hobby war Jägermeister. Er konnte das Veranstaltungsteam davon überzeugen, für ihren Tisch, Tisch Numero vier, keine Spezi hinzustellen, sondern den Jägi – nachdem sie alle ihre Ausweise gezeigt hatten.
Rocky, der eigentliche Loser der Truppe, da er vier Anläufe für den Führerschein brauchte, enttäuschte die übrigen hochmotivierten Trinksportler in ihrer Prä-Siegeseuphorie, da er sich schon nach fünf Minuten unter den Tisch erbrach. Das meiste war bräunliche Flüssigkeit.
Die beiden Damen Jessie und Jeannie, oberschwäbische Vulgär-Attraktionen, begleiteten die Herren, weil sie dachten, sie wären zum Essen eingeladen und würden danach einen Riedspaziergang machen.
Jessie und Jeannie sprangen zeitgleich auf und hauchten, die Hände vor den Mund haltend, frenchnailpräsentierend:
»Oh mein Gott!«
Kajalunterstrichene Augen stierten fünfeurogroß zu Tisch sechs.
»Oh mein Gott!«
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Die Tiere
Tisch fünf belegten Die Tiere. Fünf Männer in den besten Jahren, stadt- und dorfbekannte Charmeure und Bankrotteure aus dem Badestädtchen Saulgau. Wenn sie nicht an einem Wettessen teilnahmen, und das war meistens der Fall, lungerten sie tagsüber in Cafés herum, wo man sie sehen konnte, und tranken Espressi. Abends waren sie in der heimischen oder umliegenden Saunen anzutreffen, wo sie ihre Figuren in Badehosen, die ähnlich alt waren wie deren Träger, mit eingezogenem Bauch präsentierten.
Nun saßen sie aufrecht, keine Miene verziehend, vor der ersten Schüssel und beobachteten lüstern auf den Startschuss wartend die Gegnerinnen am Nachbartisch.
Sie wussten, obwohl sie in ihrem Leben schon x-mal alles verloren hatten, dass sie heute als Sieger aus dem Wettbewerb herausgehen würden. Man sah es ihnen nicht an, aber sie hatten das Geld am nötigsten.
Plopp!
Keine Strategie, da sie wegen ihrer Schulden selten aßen und die gebrauchten Luxusautos auch im Unterhalt teuer waren, brachten sie verständlicherweise einen guten Appetit mit. Und da sie alle fünf groß gebaut waren, gingen sie davon aus, dass sie auch die größten Mägen hatten.
Die 500 Euro würden ihnen gehören, dann könnten sie sich wieder etwas kaufen, das sie sich nicht leisten konnten.
Es lief alles verdammt gut, bis es am Nebentisch, dem Tisch mit den heißen Bräuten, zum Vorfall kam.
*
Die Busty Biker Brides
Schaki hatte Uniform für die Busty Biker Brides angeordnet. Bluejeans, weiße Bluse, Cowboyhut. Ihrer Schwester Schanti war es als Gastesserin erlaubt, in Zivil zu erscheinen, sie trug Bluejeans und ein schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf. Schaki hatte sie lediglich geschminkt und war erstaunt in zweierlei Hinsicht. Erstens, wie schnell sich Schanti dazu überreden ließ, am Wettessen teilzunehmen, und zweitens, wie ähnlich ihr Schanti sah, wenn sie gestylt war. Seit Langem umarmte sie mal wieder ihre Schwester.
Nun saßen alle fünf, vier davon mit weißen Blusen und Cowboyhüten, vor der großen, braunen Steingutschüssel und erwarteten das Plopp. Vor allem Schanti wirkte nervös, sie war beinahe zu spät zum Startschuss gekommen, da sie noch auf die Toilette musste. Nun stand sie am nächsten an der Schüssel mit der aufgemalten Zahl sechs, die Schaki als Chefin frisch aus der Küche geholt hatte, und hielt den Schöpflöffel lauernd in der rechten Hand. Schanti saß nicht, sie stand am Tisch, um schneller für die Mannschaft schöpfen zu können.
Plopp!
Schanti stach in die weiche, wohlriechende Masse und verteilte gleichmäßig auf die hingestreckten Teller. Für sich nahm sie die letzte Portion. Und dann gingen die attraktiven Bikerinnen mit ihrer Gastesserin ganz genau nach der Strategie vor, die Schaki am Baggersee vorgegeben hatte. Nur mit Disziplin konnten sie siegen. Auf dem Tisch standen fünf Flaschen mit Leitungswasser. Sie hatten einen Tag lang nichts gegessen, nur Wasser getrunken. Direkt vor dem Wettbewerb hatte jede von ihnen drei ›Rennie räumt den Magen auf‹ genommen. Der Sieg würde möglich sein.
Alle hielten sich an das von Schaki vorgegebene Esstempo. Reden war verboten. Nach drei Gabeln ein winziger Schluck Wasser.
Plötzlich würgte Schanti, hustete, wurde rot im Gesicht und fasste sich an den Hals.
Monscheri schlug ihr beherzt auf den Rücken:
»Ausspucken, los, spuck’s aus!«
Die Damengesichter wurden ernst, und Schaki sprang auf. Da krümmte sich Schanti aber schon auf dem Boden.
»Sani, schnell ein Sanitäter!«
Nur wenige Minuten später lag Schanti im Krankenwagen und wurde beatmet. Diagnose: Verschluckt.
»Das wird schon wieder, wir bringen sie nach Ravensburg«, beruhigte der Herr vom DRK.
*
Die MIKEBOSSler
Tisch 3, besser hätte es nicht laufen können, ein gutes Omen. Eine Glückszahl, es waren ja auch drei Heilige Könige, die Dreifaltigkeit. Deo, unser geistlicher Wettkampf-Joker, war aufgeregt und begeistert zugleich. Immer wieder brachte er Beispiele aus der Theologie und der Zahlenmystik für die heilige und geheimnisvolle Zahl drei. Als Gesicht ihm zustimmte und die Drei Musketiere ins Spiel brachte, war Deodonatus, der von Gott Geschenkte, außer sich:
»Ach, du dumma Keal, die sind doch nicht von da Bibal!«
»Wo waren die dann? Haben die nicht Gold, Weihrauch und Minze gebracht?«
Für mich kam der Wettkampf nicht in Frage. Ich musste nicht nur auf meine gute Figur achten, nein, als Präsident der Gruppe hatte ich als Motivator und Stratege die gleiche Aufgabe wie ein verantwortungsbewusster Fußballtrainer, der vom Spielfeldrand aus die Fäden zieht. Jogi Löw spielt ja auch nicht mit. Außerdem wollte ich für die MIKEBOSS-Chronik fotografieren. Das neue Smartphone machte verdammt gute Bilder, sogar die Video-Aufnahmen waren in HD-Qualität.
Meiner dokumentarischen Pflicht bewusst war ich noch vor dem eigentlichen Event um den riesigen Gebäudekomplex der WalderBräu AG gestreift. Vom Parkplatz aus, der zur Zeit der Altvorderen noch ein Kräutergärtlein war, ging ich zuerst einmal zum angrenzenden Friedhof, über dem im blauen Sommerhimmel ein prächtiger Rotmilan kreiste.
Über einen engen, rechtsseitig tannenbewachsenen Pfad zwängte ich mich an einer rückseitigen, weißen Backsteinmauer neueren Datums wieder Richtung Tenne zurück zum Kässpätzlesevent. Ich musste mich vermutlich hinter der Vollguthalle befinden. Eine halb geöffnete Tür auf dieser nicht einsehbaren Seite des nun wieder alten Gebäudeteils erregte meine Aufmerksamkeit. Ich stieß die Holztür auf, Dunkelheit, die Augen noch nicht adaptiert, stolperte ich und wäre beinahe in ein tiefes Loch gefallen. Jetzt erkannte ich es, ein rechteckig gemauertes Loch führte mit einer rostigen Metallleiter in die Tiefe. Die Taschenlampenfunktion meines Smartphones. Ich schätzte acht Meter Tiefe. Vielleicht der Zugang zu einem Brunnen. Interessant, da musste ich mit den Jungs mal her.
Der Hof wurde wieder weiter, die Geräusche lauter, die Tenne lag links vor mir.
Meine Dokumentationspflicht kam im Küchenzelt nicht sonderlich gut an. Berta Löffler neigte zu Jähzorn:
»Hier haben Sie gar nichts zu suchen, und tun Sie Ihr blödes Handy weg, sonst setzt’s was! Wenn hier jemand fotografiert, dann bin ich das!«
Sie hob drohend eine Billig-Digitalkamera. Berta hatte die Angewohnheit, all ihre Kochaktivitäten mit Bildern in ausladenden Alben zu archivieren. Überall, wo sie erschien, knipste und blitzte es. In ihrem Heimatort war sie daher auch die Blitzer-Berta. Ich senkte mein Smartphone auf Hüfthöhe, schoss trotzdem unentwegt Bilder und speicherte kurze Filmchen.
Jacqueline Heberle, die Chefin der Busty Biker Brides, war mit anderen Teilnehmern und Helfern ebenfalls im Küchenzelt, nickte mir kurz zu, als sie noch an der Schüssel mit der rot aufgemalten Nummer sechs herumfummelte, zog den Cowboyhut keck ins Gesicht, zupfte kurz am Ausschnitt ihres weißen Blüschens, als ich sie foto- und videografierte. Ja, die Schaki war schon eine, die Männerherzen zum Galoppieren brachte.
Ich bewegte mich gegen den Hauptstrom hinaus aus dem Tennengewölbe zum sonnenbeschienenen Vorplatz und stieß mit dem beträchtlich schwankenden Sepp Heberle im Torbogen zusammen. Kurzer oberschwäbischer Smalltalk:
»So, Herr Bönle, auch hier?«
»Ja, unterstützen Sie Ihre Tochter?«
»Beide!«
»Ist die Schanti auch hier?«
»Ja, die isst mit! Gute Zeit, Herr Bönle.«
»Übrigens, Herr Heberle, falsche Richtung, es geht gleich los.«
»Ich weiß!«
Der Landwirt hinterließ eine beträchtliche Schnapsfahne.
Gleich würde der Startschuss fallen. Ich musste meine Jungs als Coach betreuen und unseren Sieg dokumentieren. Vor allem Deo schien sehr nervös. Es war sein erstes Wettessen.
Am Tisch drei wartete schon Cäci mit Korbi. Korbi hatte eine blaue Schildmütze auf, die ihn vor der Sonne schützte, auch ein langärmeliges weißes T-Shirt und lange, weite Hosen sollten den Rest des Körpers vor schädlichen Strahlen bewahren. Cäcis Sonnenschutz bestand aus einem blütenweißen Top mit Spaghettiträgerchen, einem Fünf-Zoll-Minirock in Quietschgelb und beigen Cowboystiefeln. Tisch sechs scannte kumulativ versteinert die Silhouette meiner Frau. Als Korbi mich entdeckte, hüpfte er vor Freude kurz auf der Stelle und sauste dann frontal auf mich zu. Noch im Laufen fing ich ihn unter den Achseln und hob ihn, so hoch ich konnte. Dann schmiegte er sich an mich und flüsterte mit seiner immer leicht heiseren Stimme:
»Papa, krieg ich ein Eis?«
Natürlich bekam er ein Eis, das größte.
Cäci gab mir einen flüchtigen Kuss, um mich sofort zu rügen:
»Der hat heute schon genug Eis gehabt, von meiner Mama, von Oxana und jetzt noch eins von dir. Das ist zu viel Süßes! Wann geht’s denn hier los?«
»Jetzt. Gleich.«
Wir hatten uns so gestellt, dass es möglich war, gleichzeitig alle Tische im Blickfeld zu haben. Mit dem Argument, wir hätten ein kleines Kind, gelangte unsere Kleinfamilie in die vorderste Reihe. Ich nahm Korbi auf die Schultern. Kurz vor dem Startsignal war die Anspannung an den Tischen fast physisch greifbar.
»Guck mal, wie die Mädchen an Tisch sechs hergerichtet sind, ist das nicht ein bisschen obszön?«, fragte die Frau neben mir, die einen Minirock trug, den man in einem Standardbrief verschicken könnte und deren weißes Top eindeutig signalisierte, dass sie kein figurformendes Hilfsmaterial nötig hatte. Missbilligend nickte die Frau neben mir zu Tisch sechs.
»Die Ausschnitte, das geht doch gar nicht. Sind die nur zu viert?«
»Äh, nein, ich glaube nicht, wer die volle Teilnehmerzahl nicht ausnutzt, ist doch doof.«
In dem Augenblick, kurz vor dem Startschuss, zwängte sich Schanti durch die Menge und blieb am Tisch stehen. Mit dem Löffel in der Hand wartete sie auf das Zeichen.
Cäci, die strenge Frau neben mir, schaute mich fragend an:
»Was, die Schanti macht auch mit, gehört die etwa auch zu dem Mopedfrauenverein? Warum hat die nicht die gleichen Klamotten wie die anderen an?«
»Der Heberle-Sepp hat gesagt, dass sie auch mitmacht. Der war schon wieder voll bis zum Rand.«
»Kennst du die anderen Frauen auch?«
»Ja, und du auch … äh, eine halt …«
»Nein, das gibt’s ja nicht, ist das Flora? Mit dem Hut und den hochgesteckten Haaren hätte ich sie beinahe nicht erkannt. Nein, meine Flora, das hätte ich nicht gedacht.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass dein Schwarzarbeitmädchenfüralles eine wilde Bikerin ist. Aber du hast mir mal wieder nicht zugehört. Du hast ja nur noch deine Praxis im Kopf.«
»Aber dass die ausgerechnet bei den Biker Brides ist, das wusste ich nicht! Da hat mir Flora auch nichts gesagt, als ich sie eingestellt habe. Die haben ja nicht den besten Ruf, die Brides.«
»Aber die besten Figuren!«
Ein frostiger Blick von der Seite vereiste mir die linke Schläfe. Cäci schien heute für Späße nicht sonderlich zugänglich.
»Und die Schwarze, wer ist die? Die hat ja Beine! Viel zu lang, als dass es noch gut aussieht!«
»Die hat nicht nur Beine ohne Ende, auch der Rest ist unlimited! Schülerin, 1BKFH, Saulgau.«
»Woher weißt du das?«
»So was weiß man halt.«
»Und die Dunkelhaarige mit den Augen, viel zu viel Kajal!«
»Aische.«
»Woher weißt du das?«
»So was weiß man halt, außerdem waren die schon letztes Jahr unsere Gegnerinnen. Aber du wolltest ja aus ethischen Gründen nicht auf ein Wettessen. Im Angesicht des Welthungers konntest du das mit deinem Gewissen nicht vereinbaren. Sogar Deo, ein Pfarrer, isst mit.«
»Das wundert mich allerdings. Außerdem musste ich letztes Jahr vor allem bei Korbi bleiben, der hatte doch die Sommergrippe. Da musste natürlich ich zu Hause bleiben.«
Bevor ein Streit die herrliche Stimmung trübte, das erlösende Plopp!
»Ach, das ist ja originell!«
Cäci schien wieder versöhnt, der Magnumbierflaschenstartschuss verwandelte sie wieder in meine sonnige Cäci. Sie hüpfte in die Höhe, wirbelte ihre rechte Faust und grölte mit ihrer tiefsten Stimme:
»MIKE … BOSS, MIKE … BOSS!«
Meine ganze Strategie, alles, was wir bei Frieda mühsam erarbeitet hatten für diesen Samstag, schien vergessen, auf dem Friedhof der Erinnerungen zu ruhen. Wie die Scheunendrescher machten sich die Jungs über die Schüssel mit der rot aufgemalten Drei her und fraßen drauflos, Deo verschluckte sich schon bei der ersten Gabel. Der abgesprochene Augenkontakt mit dem Trainer, quasi mir, funktionierte nicht eine Millisekunde. Flaschen-Gordon hatte das Wasserglas, direkt nach dem Startschuss, nachdem ich laut Regelwerk nicht mehr eingreifen durfte, gegen ein Walder Hell eingetauscht. Bei Joe war auf wundersame Weise sein Flachmann, der immer mit einem Lochnagar befüllt war, aufgetaucht. Gesicht hatte sich mit Zustimmung des Vorstandes aus der Tenne einen antiken Einliterkrug, der garantiert nicht mit dem von mir verordneten Leitungswasser gefüllt war, besorgt.
»Warum hält Deo seine linke Hand so komisch?«
»Was weiß ich?«
»Der hat da drei Schnapsgläschen dahinter! Deine Jungs hast du ja voll unter Kontrolle, genauso wie die Kindeserziehung!«
Ich sah die Siegchancen der MIKEBOSSler sinken. Um das Missachten meiner im Vorfeld ausgesprochenen Anweisungen zum Sieg zu dokumentieren, nutzte ich die Zoom-Funktion meines Smartphones.
»Und für so eine Strategie hockt ihr stundenlang im ›Goldenen Ochsen‹! Und was war da noch vorgefallen? Oxana hat da so eine Andeutung gemacht. Aus Mama krieg ich ja nichts raus. Du hättest meine Mutter heiraten sollen. Und steck endlich mal dein blödes Handy weg, ich seh dich nur noch mit dem Dingsda vor dem Gesicht!«
»Ähh, nichts ist im ›Goldenen Ochsen‹ vorgefallen, wir haben eigentlich nur die Strategie für heute besprochen, eigentlich.«
»Und warum seid ihr heute bloß vier?«
»Äh, was? Waaas?«
»Vier, ihr seid nur vier, alle anderen sind füüünf!«
Ich sah die Hoffnung auf einen glorreichen Sieg beim Zweiten Traditionellen Kässpätzleswettessen in Königseggwald noch weiter sinken.
Das war mir irgendwie durchgegangen. Das ging tatsächlich auf mein Konto, von den anderen konnte ich nicht erwarten, dass sie bis fünf zählen konnten. Ich hatte immer noch Butzi irgendwie im Kopf, so einen wie Butzi kriegt man einfach nicht so leicht aus dem Kopf. Und Rechnen war noch nie meine Stärke. Ein Präsident sollte einfach nicht alles machen müssen.
»Was ist denn da los?«
Cäci zeigte zum Tisch sechs. Aufregung an Tisch sechs. Schanti hatte sich verschluckt und lag auf dem Boden, rang rot angelaufen um Luft. Ich nahm Korbi, der mit dem Eis meine Frisur ruiniert hatte, von den Schultern, übergab ihn Cäci und eilte zu Tisch sechs.