Kitabı oku: «Das Buch der Vergeltung», sayfa 3
„Wisst Ihr denn nicht, was Ihr da tut? Treibt Hurerei und Sodomie und noch Schlimmeres in diesem Heiligen Palaste? Vergießt Euren Samen an einem Manne? Und Ihr wollt heilige Männer des Glaubens und die obersten Hirten der Kirche sein? Welch finsterer Teufel hat Euch dazu geritten?“
Zwei der Männer warfen sich hinter den Diwan, auf dem sich die Weiber tummelten. Einer stolperte arg über das am Boden liegende Mädchen und ließ sie mit schmerzverzerrtem Gesichte zurück, um sein eigenes erbärmliches Leben hinter einem anderen Weibe zu verstecken. Der Papst Johannes hatte sich halbnackt auf die Knie geworfen, weil ich schon zu nahe war, um noch erfolgreich fliehen zu können. Er stammelte wirres Zeug und vermutlich bettelte er um sein kärgliches Leben, welches ich mit der Lanze bedrohte. Ich gebe natürlich zu, dass ich nicht vorhatte, die Lanze als Waffe gegen ihn zu benutzen oder jemanden ernsthaft zu beschädigen. Aber schon einige Male später dachte ich mir, dass, wenn ich ein anderer gewesen wäre als der, zu dem der Herr mich gemacht hatte, ich den heiligen Herren den Teufel mit der Lanze hätte austreiben können. Franco stand mit offenem Munde und weit aufgerissenen Augen da, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen. Ich rief ihm zu, er solle sich ohne Verweil sein Gewand anziehen, damit wir diesen unheiligen Ort auf das Schnellste verlassen könnten.
Doch zuvor wandte ich mich noch dem Herrn Papste zu. Er rutschte rücklings immer weiter nach hinten, bis er nicht mehr weiterkam, weil ihm der Wagen mit den Speisen im Wege stand. Mit grimmigstem Gesichte (ich zeigte meine Zähne, wie es die Hunde machen) sprang ich in einem Satz auf ihn zu und setzte ihm die Spitze der Lanze gegen die Brust, worauf er jämmerlich weinte und zeterte. Die Weiber kreischten aufs Neue und so laut, dass es mir in den Ohren klingelte.
„Schweigt, Ihr Elenden!“, rief ich in meinem Zorn hinüber.
„Meister Liutprand“, stammelte Franco irritiert. „Was tut Ihr da? Und warum seid Ihr hier?“
„Schweig, Junge!“, befahl ich erneut. „Schweigt alle!“
Doch Franco beachtete es nicht.
„Meister, ich erkenne Euch nicht wieder! Ihr trachtet dem obersten Bischof der Christenheit nach seinem Leben?!“
Ich sah zu ihm herüber. Immer noch unbekleidet starrte er mich ungläubig an.
Der Papst hatte die Luft angehalten und wand sich wie ein Kaninchen, was die Spitze jedoch nur tiefer in seine Haut ritzen ließ.
„Er hätte es wohl verdient“, antwortete ich und ließ den Speer ein Stück sinken. „Genau wie die anderen Herren, die sich mutig hinter den Diwan werfen und den Rücken der Weiber als Schilde benützen. Aber ich will ihnen nicht nach dem Leben trachten. Denn eine Sünde wiegt die andere nicht auf. Ich wäre nur ein schlechter …“
In diesem Moment traf mich ein Keulenschlag auf den Hinterkopf. Ich sah einen dumpfen Nebel um mich herum und fühlte, wie meine Beine mir den Dienst versagten. In letzter Verzweiflung stützte ich mich auf die Lanze, die ich wie ein Ertrinkender einen Uferhalm umklammerte. Dann verblassten alle Lichter.
Mein Erwachen erfolgte in völliger Dunkelheit. Um mich herum war es kalt und hart. Das Rascheln von Stroh und das Schaben von Leder auf nacktem Stein weckten mich vollends auf. Ich war nicht vor dem himmlischen Tore angekommen, so viel meinte ich aus meiner jetzigen Situation sicher schlussfolgern zu können. Denn wie auch immer es dort aussehen mochte, ich wollte doch mehr Licht erhoffen dürfen. Meine Augen vermochten hier nicht das Geringste zu sehen, keinen fernen Schimmer, kein wärmeverheißendes Glimmen eines Feuers oder irgendetwas sonst. Ich richtete mich auf und befühlte mein Haupt, an dem sich eine Stelle mit besonderem Eifer schmerzhaft bemerkbar machte. Jedoch außer einer kleinen Beule, die sich feucht und rissig anfühlte, konnte ich dort nichts ausmachen.
Soweit möglich, versuchte ich mich zu erinnern, aber an dem bewussten Punkte riss aller Gedanken Faden ab und verschwand im mich umgebenden Dunkel. Hatte sich der Salek doch irgendwo im Saale versteckt gehalten, wie ich es schon befürchtet hatte, oder hatten die Wachen mein heimliches Eindringen in den Palast zuletzt noch bemerkt? Eines wusste ich genau: Jemand hatte mich aus dem Hinterhalt niedergestreckt. Und meine Verlorenheit musste so lange angedauert haben, dass sie genug Zeit und Muße fanden, mich in dieses Dunkel zu verladen. Doch darum wollte ich mich später kümmern. Was mochte wohl aus Franco geworden sein, fragte ich mich besorgt. Ich hatte keine Vorstellung davon, wo der Junge jetzt steckte. Aber dennoch war ich sicher, dass sie ihm nichts antun würden, was sie nicht sowieso schon vorgehabt hätten. Und außerdem: Heimlich durfte ich wohl hoffen, dass ich den werten Herren durch mein Einschreiten die Lust an ihren frevelhaften und gottlosen Schweinereien doch ernsthaft verdorben hatte. Vielleicht hatten sie von ihm abgelassen und sich vertagt? Vielleicht war der Herrgott an diesem Tage gnädig mit meinem Schüler gewesen. Und so schloss ich ihn in meine Gebete ein.
Angestrengt überlegte ich, was nun zu tun sei, und versuchte, mich zu orientieren. Wenn es Nacht war, würde dies die Dunkelheit zumindest erklären. Die Kälte konnte die eines Kellergewölbes sein, auch die Ausstattung aus Stein und Stroh ließ dies vermuten. War ich also nächtens in einem päpstlichen Gefängnis erwacht? Mir fielen nicht viele Orte ein, die dafür in Frage kämen, zuallererst das Castello San Angelo. Dafür sprach einiges, zumal das Castello, wie allgemein bekannt war, über eine verborgene und direkte Verbindung zum Lateranensischen Palast, in dem wir uns ja zuletzt aufhielten, verfügte. Ich schabte erneut mit dem Leder meiner Sandalen auf dem Boden und versuchte, aus dem Widerhall von den Wänden auf die Größe des Raumes zu schließen. Nun ja, sehr genau mag diese Methode dem geneigten Leser nicht erscheinen, und ich möchte auch nicht als dummköpfiger Esel daherkommen, aber mir konnte sie einstweilen helfen, zumindest so lange, bis ich in der Lage war, den Raum mit eigenen Schritten zu vermessen oder ein Feuerschein ihn erhellen mochte. Bei diesem Gedanken fiel mir auf, dass ich an keiner Stelle meines Körpers angebunden war, kein Eisen, kein Strick, kein Knebel. Nacheinander rührte ich alle Gliedmaßen und freute mich umso mehr, meine Vermutung hierdurch bestätigt zu bekommen. Wenn dies jedoch ein Gefängnis war, so vermochte mich diese Erkenntnis durchaus zu verwundern.
Ganz in der Nähe vernahm ich ein leises Schluchzen. Ich spitzte die Ohren und hielt den Atem an. War das ein menschliches Geräusch oder machte sich eine Ratte an ein paar heruntergefallenen Brotkrumen zu schaffen? Das Schluchzen kam noch einmal. Ich beschloss, mich bemerkbar zu machen, um dem auf den Grund zu gehen.
„Wer da?“, fragte ich laut genug, um den Raum, wie ich ihn mir vorstellte, bis in die letzte Ecke hinein zu durchdringen.
„Ich bin es, Bischof“, antwortete eine sorgenvolle Stimme, die nicht weiter als vier Schritte entfernt sein mochte.
„Franco? Oh, welch Freude, Dich hier zu haben!“, rief ich aus, bemerkte aber sofort, dass die Freude diesmal nur auf meiner Seite war. Franco antwortete nicht.
„Wie ist es dir ergangen, mein Junge? Sag, haben Dich diese Hornochsen unversehrt ziehen lassen?“
Erneut antwortete er nicht. Aber ich wollte mich davon jetzt nicht entmutigen lassen. Ich wusste, dass ich das Richtige für ihn und für mich getan hatte.
„Sag, mein guter Junge“, begann ich erneut, „wo sind wir hier? Vermute ich richtig, dass sie Dich und mich ins Castello gebracht haben?“
Jetzt bewegte er sich.
Ich hörte das Rascheln von Stroh und das Schaben von Leder auf bloßem Stein.
„Ich weiß nicht. Sie haben mir die Augen und die Hände gebunden.“
„Die Augen und die Hände, sagst Du? Bist Du jetzt immer noch gefesselt?“
„Nein, hier ist es doch dunkel genug. Wozu noch eine Augenbinde?“, antwortete er trotzig.
Ich überhörte den ungewöhnlichen Unterton in seiner Stimme. „Ja, da hast Du natürlich recht, mein lieber Junge. So meinte ich die Frage auch nicht. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob Du Dich frei bewegen kannst.“
Die Antwort kam prompt und klang noch ein wenig patziger als zuvor.
„Dort oben konnte ich mich jedenfalls dreimal freier bewegen!“
„Dort oben?“
„Beim Herrn Papste!“
Ich schluckte. Meinte Franco das wirklich im tiefen Ernst?
„Der Herr Papst ist ein Scheusal, ein Waldteufel“, sagte ich betont leise und mit so wenig Emotion, wie es mir möglich schien. „Er huldigt der Hurerei und Sodomie! Er versündigt sich gegen Gott und gegen das Fleisch. Du hast doch mit eigenen Augen gesehen, was die verhurten Weiber vor seinen und aller Augen getrieben haben. Und solltest nicht gerade Du Deinen Arsch herhalten, als ich, Gott sei Dank gerade noch rechtzeitig, hinzukam und beherzt einschritt?“
„Der Herr Papst ist ein guter Mann! Und seine Freunde waren sehr nett zu mir“, sagte er höchst vorwurfsvoll.
„Ja, das will ich gern glauben, mein Junge“, stieß ich so laut heraus, dass es in meinem Kopfe schmerzte. „Die Herren sind immer so lange nett und freundlich, bis sie bekommen haben, was sie wollten. Aber danach bist Du für sie nichts weiter als ein Knochen, von dem sie alles Fleisch abgenagt haben. Sie werfen Dich mit den anderen Knochen, den gemeinen Dirnen, in die Ecke, wo sich dann die Hunde über Dich hermachen dürfen. Du solltest mir wirklich in höchstem Maße dankbar sein, dass ich Dich aus diesem Sündenpfuhl errettet habe! Stattdessen machst Du mir Vorwürfe.“
„Sie haben mir nichts getan!“
„Sei nur froh dazu!“
„Wie sollte ich froh sein, einen solchen Freund verloren zu haben und stattdessen mit einem verbrecherischen assassine in einem Kerker zu sitzen?“
Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. Hatte er mich einen assassine, einen Mörder genannt? Ich weiß auch heute nicht einmal zu sagen, welche der beiden Aussagen dieses dummen und unbelehrbaren Jungen mich mehr aus der Fassung warf? Er sagte, dass er einen Freund verloren habe. Hieße das, der Papst sei sein Freund gewesen und nun tot und ich hätte ihn auf dem Gewissen? Ich mochte das nicht glauben, aber andererseits erinnerte ich mich, die Spitze der Lanze in ebensolcher Absicht auf seine Brust gesetzt zu haben. Aber dann kam ich nicht weiter. Der Faden war gänzlich abgerissen.
Mich einen Meuchelmörder zu nennen war eine empfindliche Ungezogenheit! Mich, den Cremoneser Bischof von des Kaisers Gnaden, seinen sorgenvollen Beschützer und liebevollen Lehrmeister?
Doch die erste Frage interessierte mich weitaus brennender und ich musste es jetzt wissen.
„Ist der Papst tot? Habe ich ihn getötet?“, fragte ich, ohne weiter auf seine Beleidigung einzugehen.
„Tot? Nein! Der Papst hat Euer Attentat gottlob unverletzt überstanden. Was für ein Assassin seid Ihr, wenn Ihr das nicht wisst?“
Ich bekreuzigte mich und rief: „Der Herr ist mein Zeuge! Ich bin kein Mörder, Franco! Nicht einmal anrühren wollte ich den Papst! Kein Haar wollte ich ihm krümmen! Bei Gott, er sollte nur Dich in Frieden ziehen lassen!“
Franco antwortete nicht mehr.
Vermutlich glaubte er mir keines meiner Worte und war bitterböse über die Wendung, die ich herbeigeführt hatte. Es gelang mir auch in den darauffolgenden Stunden nicht, ihn von meinen guten Absichten zu überzeugen, und schließlich gab ich es dann auf.
„Mein armer Junge! Was haben diese Teufel nur aus Dir gemacht?“, flüsterte ich entmutigt und bekreuzigte mich inniglich. Fortan schwiegen wir in unserem Kerkerloch, was den ungemütlichen Aufenthalt für mich noch um einiges unerträglicher werden ließ. Da sich das tiefe Dunkel des Raumes auch nach vielen langen Stunden (ich habe sie nicht zählen können) nicht lichtete, konnte ich nun für gewiss nehmen, dass man uns in einen Keller ohne Fenster gesperrt hatte.
Ich nutzte also die Zeit, um den Raum mit Schritten zu vermessen, wie ich es längst geplant hatte. Bei dieser Prozedur fand ich auch eine halbhohe Öffnung, die von einer beschlagenen Tür verschlossen war. Es schien der einzige Zugang zu sein. Auch hatten die Wände keine Nägel, wie sie für Fackeln oder Öllampen gebraucht würden. Ich war außerordentlich beunruhigt, je mehr ich über unseren Aufenthaltsort herausfand.
Nach einigen weiteren Stunden öffnete sich plötzlich und ohne Ankündigung die kleine Türe und eine Stimme befahl uns, herauszukommen. Im blendenden Schein einer Pechfackel stand der Diener Salek. Grimmig und wortkarg wie immer trat er auf mich zu.
„Ihr seid frei. Beide. Geht!“, sagte er, drehte auf dem Absatz um und stapfte davon. Da wir den Weg nach draußen nicht kannten, folgten wir ihm, so gut es ging.
Später erfuhr ich, dass unsere Kerkerhaft beinahe zwei Tage gedauert hatte und wir unsere schnelle Befreiung dem festen und ausdrücklichen Einspruche unseres geliebten und gelobten Kaisers selbst zu verdanken hatten. Wir waren durstig und ausgehungert wie kaum je zuvor, aber am Leben.
Dem Herrgott sei Dank!
3. Kapitel
Der große Kaiser Otto und seine Gemahlin Kaiserin Adelheid waren mit einer gewaltigen Streitmacht nach Italien gekommen, sodass es ihnen möglich war, sie ohne Besorgnis hälftig aufzuspalten und damit an zwei Orten gleichzeitig aufzutreten. Einen Teil seiner Truppen ließ der Kaiser in Rom zurück, wobei er sorgsam darauf bedacht war, die Belastungen für die Stadt durch Unterhalt und Plünderungen so gering wie möglich zu halten. Das meiste Volk Roms pries ihn dafür in hohen Worten, ein anderer, viel kleinerer Teil hatte auch daran wieder etwas zu meckern, beschimpfte und bespuckte die Soldaten auf das Übelste und trat sie mit den Füßen, bis sie sich auf ihre Art wehrten und zurückschlugen.
Es war sehr unruhig in diesen Zeiten. Schnell konnte man in einen Tumult geraten, ganz ohne eigenes Verschulden.
Währenddessen gelang es dem Kaiser mit der anderen Hälfte der Armee, die Bergfeste San Leo einzunehmen und den Berengar samt seiner gierigen Frau Willa gefangen zu nehmen. Dies sollte ein Glückstag für alle Bewohner des Reiches sein, bedeutete die lebendige Festsetzung der Rebellen doch nicht nur das Ende des unseligen Krieges, sondern auch einen guten Ausgangspunkt, um den mächtigen Freunden des Königs mit Vernunft und Augenmaß Verhandlungen über die Zukunft Italiens anzubieten.
Kaiser Otto und Kaiserin Adelheid waren sich nach Gottes Willen durchaus im Klaren darüber, dass der Frieden nur so lange hielt, wie sie selbst hier vor Ort waren, wenn es ihnen nicht gleichzeitig gelang, die wichtigsten Machtpositionen südlich der Alpenberge mit loyal gestimmten Anhängern zu besetzen. Dass diese nur aus den Reihen der lothringischen oder italischen Herrscherfamilie kommen konnten, wagte niemand in Zweifel zu ziehen. Kaiserin Adelheid sollte hierbei als Witwe des verstorbenen Königs Lothar II. und damit Erbin des italischen Thrones eine besondere Rolle spielen.
Allein Berengars und Willas aufrührerischer Sohn Adalbert von Ivrea ließ sich nicht einfangen. Er versteckte sich allerorten, tauchte hier und da auf (man sah ihn auf Korsika und Sardinien ebenso wie in der Ebene des Eridanus9) und in Rom) und scharte beständig neue Truppen um sich, mit denen er Unruhen anstiftete und das römische Volk gegen den Besetzer, wie er den großen und gerechten Kaiser nannte, aufhetzte.
Auf Bitten der römischen Bischöfe und des Volkes von Rom, welche den unwürdigen Papst Johannes XII. nicht länger ungestraft sehen wollten, versammelte sich in den Nonen des Novembers in der Kirche des Heiligen Petrus eine große Anzahl heiliger Männer und hoher Herren der Stadt in Gegenwart des Erhabenen Kaisers. Meine geringe Niedrigkeit selbst zählte zu den Versammelten, woraufhin ich mit gutem Wissen sagen kann, dass sich an die vierzig Bischöfe und Erzbischöfe, viele Dutzende ehrwürdiger und heiliger Brüder aus allen Teilen Italiens und des Reiches, auch die vornehmste Spitze des römischen Adels mit Demetrius Meliosi, Crescentius Caballi marmorei und weiteren ehrenwerten Herren, hier eingefunden hatten.
Der Patriarch Ingelfred von Aquileja, den eine in Rom plötzlich ausgebrochene Krankheit ergriffen hatte, sandte als seinen Statthalter den Diakon Rudolf, und ich musste mich nach einem kurzen Gespräch mit dem Diakon ernsthaft um den ehrwürdigen Ingelfred sorgen.
Ich sah viele der mir bestens vertrauten Brüder, so die Erzbischöfe Waldpert von Mailand, Petrus von Ravenna und aus Sachsen den Adeltac, überdies die Bischöfe von Parma, Reggio, Pisa, Siena, Florenz, Pistoia, Camerino, Spoleto, alle Bischöfe aus dem römischen Sprengel, dann die von Gallese, Civita Castellana, Alatri und Orte, von Trevi und Terracina, Forum Clodii und Ferentino, den Landward von Minda und den Otger von Spira. Viele weitere Namen und Orte könnte ich aufzählen, Kardinäle und Anwälte, Werkmeister, Vorsteher und Schatzmeister. Sie alle stehen für heilige und ehrwürdige Männer, die in dieser schwierigen Stunde nach Rom gekommen waren, um miteinander und mit dem Heiligen Kaiser zu beratschlagen. Der Gemeine Petrus Imperiola, Anführer der römischen Miliz, war mit einer gehörigen Abteilung seiner besten Männer ebenfalls zugegen. Besonders bemerken möchte ich aber die Anwesenheit des ehrwürdigen Herrn Leo von der päpstlichen Kanzlei, der mir stets ein besonders guter und loyaler Freund war.
Mein braver Schüler Franco war von der Heiligkeit und dem Glanze der vielen hohen Herren so bewegt und gerührt, dass er ihnen staunend und mit offenem Munde folgte, bis ich ihn zurückrief und ihm einen Platz, am Rande schräg hinter mir, zuwies. Dort setzte er sich artig und konnte seinen Blick nicht vom Kaiser wenden.
Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, die Worte des Kaisers, die er in seiner sächsischen Sprache sagte, an die Versammlung zu übersetzen und ebenso zurück, was die Versammlung dem Kaiser zu sagen hatte.
Als all diese werten Herren nun ihre Plätze genommen hatten und auf ein Zeichen des Heiligen Kaisers in größte Stille fielen, begann er, indem er sich feierlich erhob.
„Wäre es nicht diesem großen Moment angemessen, wenn der Herr Papst bei dieser herrlichen und Heiligen Versammlung zugegen wäre?“, fragte er in die Versammlung.
Ein Raunen und Murmeln erfüllte den Raum, bis auf sein erneutes Zeichen wieder alles Laute erstarb.
„Ich bitte Euch, hochverehrte heilige Männer, die Ihr mit ihm gelebt und gearbeitet habt, sagt mir, warum er aber einer so ansehnlichen Synode ausgewichen ist?“
Die hohen Herren entgegneten ihm darauf erstaunt, dass das wohl kein Geheimnis mehr sei. Der Papst sei keiner, der in Schafskleidern komme, inwändig aber ein reißender Wolf ist. Längst treibe er so offen des Teufels Werk, dass er auf alle Umschweife verzichte.
Nun wurden die Anschuldigungen gegen den Papst einzeln vorgebracht, wobei ich mit den Übersetzungen aller Wörter in die eine wie in die andere Richtung kaum mehr hinterherkam.
Der Kardinalpriester Petrus erhob sich aus den Reihen und bezeugte, dass er gesehen habe, wie der Papst die Messe gefeiert habe, ohne zu kommunizieren. Bischof Johannes von Narni erklärte, er wäre Zeuge gewesen, wie der Beschuldigte einen Diakon in einem Pferdestall und nicht zu der festgesetzten Zeit geweiht habe. Der Kardinaldiakon Benedictus und die übrigen Priester und Diakone sagten, nach dem Kirchenraube brauche man wohl nicht zu fragen, denn darüber belehre uns der allgemeine Augenschein besser als alle Worte. Über seine ehebrecherischen Handlungen sagten sie aus, sie hätten dergleichen zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, wüssten aber ganz gewiss, dass er mit der Beischläferin seines Vaters, der Witwe Anna und ihrer Nichte und außerdem mit der Frau Stephana Unzucht getrieben habe. Den Heiligen Palast habe er zu einem Hurenhaus gemacht. Überdies habe er des Teufels Minne getrunken (was alle, Geistliche wie Laien, bezeugten) und beim Würfelspiel die Venus, den Jupiter und andere Dämonen um Hilfe angerufen.
Nachdem der Kaiser all dies vernommen hatte, beriet er sich mit seinen Getreuen und sagte dann: „Nun, wenn es so ist, will ich es gern glauben. Bedenkt aber, edle und heilige Herren, was wir an uns selbst schon oft erfahren haben: Männer in hohen Würden werden von Neidern und Feinden verleumdet und verrufen. Der Gute missfällt den Bösen ebenso sehr wie der Böse den Guten.“
Er machte eine Pause, um mir Gelegenheit zu geben, alles wortgetreu zu übertragen, und auch den heiligen Herren, das Gesagte gut zu verstehen.
„Und das ist der Grund“, fuhr er sodann fort, „warum uns die Anklagen, welche hier vorgebracht wurden, bedenklich erscheinen. Zweifelhaft ist uns, ob dieselben vom Eifer für das Recht oder von gottloser Missgunst eingegeben sind. Deshalb beschwöre ich, kraft der mir anvertrauten Würde, Euch alle bei Gott, den auch Ihr nicht täuschen könnt, und beim kostbaren Leichnam des Apostelfürsten Petrus, in dessen Kirche dies hier vorgetragen wird, dass niemand den Herrn Papst einer Sünde bezichtige, die nicht wirklich von ihm begangen wurde und die zudem von glaubwürdigen Männern bezeugt wurde.“
Hierauf entgegneten alle Anwesenden gleichzeitig wie ein Mann, dass sie verflucht sein wollen und am Jüngsten Tage auf eine Seite gestellt werden wollten mit jenen, denen Gott das Tor zum Himmelreiche verwehrt, wenn nicht all dies und noch viel Schlimmeres von unserem Herrn Papste Johannes tatsächlich verübt und begangen worden ist. Zum letzten Beweis führten sie noch an, was sich tatsächlich fünf Tage zuvor am Ufer des Tevere ereignet hatte. Der Papst, mit dem Schwert umgürtet und mit Schild, Helm und Panzer bekleidet, trat dem ganzen Heere des Kaisers Otto entgegen und entblößte ihnen sein Hinterteil, nur getrennt durch den Tevere-Strom, der verhinderte, dass er in diesem Aufzuge gefangen wurde. Nun schien auch der Kaiser, da er von dieser schändlichen Tat schon durch seine Heerführer erfahren hatte, überzeugt von der Schuld des Papst Johannes.
Die versammelten Herren setzten ein Schreiben an den Obersten Bischof und Allgemeinen Papst auf, in welchem sie ihm eine Vorladung schickten. Auf Wunsch des Kaisers sollte es einige der aufgeführten Anschuldigungen enthalten, aber gerade nur so viele, dass der Herr Papst sich gezwungen sähe, Argumente zu seiner Verteidigung persönlich vorzubringen und der Einladung somit folgte und nicht schon vorab verprellt würde. Die adligen und heiligen Herren stimmten dem geschlossen zu und priesen den Kaiser in seiner Weisheit und Gerechtigkeit.
Als der Papst Johannes diesen Brief erhalten und gelesen hatte, schrieb er der Heiligen Synode folgende Antwort:
Bischof Johannes, der Knecht der Knechte Gottes, an sämtliche Bischöfe. Wir haben gehört, dass ihr einen anderen zum Papste erwählen wollt. Wenn ihr das tut, so banne ich euch vor Gott dem Allmächtigen, dass ihr nicht die Macht habt, keinen zu weihen und die Messe zu feiern.
Noch bevor dieser Brief verlesen wurde, kamen weitere hohe und ehrenwerte Männer hinzu: aus Lotharingien Heinrich, der Erzbischof von Treveris, aus Emilien und Ligurien Wido von Modena, Gezo von Tortona und Sigulf von Piacenza. Mit ihrem Ratschlusse verfasste die Synode nunmehr eine Antwort an den Papst. Zunächst wurde nur festgestellt, dass der Herr Papst keinerlei begründete Entschuldigung für sein Fernbleiben von der Synode vorgebracht habe. Es ging weiter mit den folgenden Worten:
Auch enthielt Euer Brief noch etwas Anderes, das kein Bischof schreiben durfte, sondern nur ein einfältiges Kind. Denn Ihr habt alle in den Bann getan, dass sie Macht haben sollten, Messen zu singen und die kirchlichen Handlungen vorzunehmen, falls wir einen anderen Bischof auf den Römischen Stuhl setzen. Denn so steht es geschrieben: ‚dass ihr nicht die Macht habt, keinen zu weihen’. Bisher haben wir geglaubt oder sind vielmehr überzeugt gewesen, dass zwei Verneinungen eine Bejahung ausmachen. Sollte es denn so sein, dass Eure ungeheure Machtfülle auch die Lehrsätze der Grammatik aufhebe?
Wir wollen aber auf das, was Ihr habt sagen wollen, und nicht auf Eure Worte antworten. Wenn Ihr denn nun zur Synode erscheint und Euch von allen Anwürfen reinigt, wollen wir Euch wohl den gebührenden Gehorsam erweisen.
Gegeben in den neunten Kalenden des Dezembers und überbracht durch den Kardinalpriester Adrianus und den Kardinaldiakon Benedictus.
Als die beiden Abgesandten der Synode den päpstlichen Palast erreichten, trafen sie den Hausherrn nicht mehr an. Niemand konnte ihnen sagen, wo er sei, und hinter vorgehaltener Hand meinte man, er sei auf die Felder gegangen mit Pfeil und Bogen, um zu jagen. Da sie ihn also nicht finden konnten, kehrten sie unverrichteter Dinge mit dem Schreiben zur Synode zurück, die sich alsbald ein drittes Mal in dieser Angelegenheit versammelte.
Der Kaiser nahm erneut das Wort und beklagte die Unvernunft und Würdelosigkeit des Johannes: „Nun, da wir Gewissheit haben, dass er nicht kommen wird“, sagte er, „bitte ich Euch edle und heilige Herren, mit sorgsamer Aufmerksamkeit anzuhören, welche Treulosigkeit und Falschheit derjenige zeigt, über den wir zu beratschlagen haben. Wir tun Euch also kund, dass dieser Papst Johannes, als er von unseren rebellischen Vasallen Berengar und Adalbert bedrängt wurde, an uns nach Sachsen Boten gesandt hat mit der Bitte, aus Liebe zu Gott ihn selbst und die Kirche des Heiligen Petrus aus ihrem Rachen zu erretten. Nachdem aber der Papst durch meine Bemühungen aus ihren Händen befreit und wiedereingesetzt worden war, hat er, entgegen des Eides und der Treue, die er mir auf den Leib des Heiligen Petrus geschworen hat, denselben Adalbert nach Rom berufen und gegen mich in Schutz genommen. Er hat überdies allerlei Unruhe und Empörung vor den Augen unserer Krieger angestiftet, indem er am anderen Ufer des Stromes mit voller Rüstung und nacktem Hinterteil aufgetreten ist.“
Hierauf antworteten die Bischöfe und die ganze übrige Geistlichkeit, dass ein noch nie dagewesenes Geschwür mit einem entsprechenden Brenneisen ausgebrannt werden müsse. Der Kardinaldiakon Benedictus fügte hinzu: „Wenn seine Verdorbenheit nur ihm allein und nicht der Gesamtheit schadete, so müsste man ihn, so gut es ginge, erdulden. Aber wie viele, die vorher keusch waren, sind durch sein Beispiel zur Unkeuschheit gekommen? Und wie viele würdige Männer sind durch das Vorbild seines Wandels zur Nichtswürdigkeit verleitet worden? Wir alle bitten den Erhabenen Kaiser, jenes Ungeheuer, dessen Laster durch keine Tugend aufgewogen wird, aus der Heiligen Römischen Kirche auszustoßen und an seine Stelle einen anderen zu setzen, der uns durch das Beispiel seines untadeligen Wesens zugleich zu leiten und zu fördern vermag.“
Der Kaiser sah zu mir herüber, und ich wusste, während ich noch mit der Übertragung ins Sächsische angestrengt war, dass er bereits gut verstanden hatte, was der ehrwürdige Benedictus im Auftrage seiner Brüder wünschte. Auf seinem Gesichte zeichnete sich ein stolzes und freundliches Lächeln ab, während er auf das Ende meiner Rede wartete.
„Es gefällt uns, was Ihr sagt“, antwortete er feierlich, „und ich sage Euch, dass uns nichts angenehmer erscheint, als einen Besseren zu finden, der auf den Heiligen Stuhl des Apostelfürsten gesetzt wird.“
Die Synode beriet sich daraufhin mit großer Zufriedenheit und legte eine Pause ein, in welcher spanischer Wein, Bier und bestes florentinisches Backwerk für alle gereicht wurden.
Die Miliz unter Petrus Imperiola verließ nach dem gemeinsamen Mahl die Petruskirche und stellte sich draußen vor dem großen Haupttor zu einer geschlossenen Abteilung auf, sodass nun die edlen und heiligen Männer ganz unter sich waren. Sodann konnte die von allen ersehnte Papstwahl abgehalten werden. Die Suche nach einem würdigen und untadeligen Nachfolger erwies sich als viel einfacher, als ich befürchtet hatte. Schon nach kurzer Zeit einigten sich die hohen und heiligen Herren darauf, den Leo, den ehrwürdigen Kanzler der Heiligen Römischen Kirche, den bewährten und der höchsten Stufe des priesterlichen Amtes würdigen Manne zum Obersten Bischof und Allgemeinen Papste zu wählen, nachdem sie den abtrünnigen Johannes wegen seines gottlosen Wandels abgesetzt hatten. Sie alle riefen mit einer Stimme nach ihm und wiederholten ihren Ruf an die drei Mal, was sich in meinen Ohren wie ein Festgesang anhörte.
Franco hatte nicht einen Moment dieser gesamten Prozeduren ohne Aufmerksamkeit verfolgt. Er war wie gebannt von der Schicksalhaftigkeit und Würde des Augenblicks und überschüttete mich, wenn ich gerade nicht in meine ehrenvollen Pflichten dem Kaiser gegenüber eingebunden war, mit Fragen zu diesem und jenem. Besonders interessierte ihn jedoch, wie der Herrgott selbst wohl über den Johannes denken und urteilen mochte, und er fragte mich, warum der Herr nicht einschreite, wenn ihm ein solches Übermaß an Gottlosigkeit und teuflischem Frevel bei seinem höchsten Knecht begegnete. Ich antwortete ihm, dass es nicht Gottes Aufgabe sei, zu verurteilen und zu strafen, da er ein Gott der Güte und des Friedens sei. Er verzeihe den reuigen Sündern, wenn sie sich ihm offenbarten, und nehme jegliches Schaf wieder in seine Herde auf, auch wenn es sich um ein schwarzes Schaf handele.
Im Stillen hoffte ich jedoch, dass ihn bei aller Anteilnahme an den wunderbaren Ereignissen dieser römischen Versammlung nicht das Bedürfnis überkommen möge, selbst das Wort zu ergreifen und vor der Heiligen Synode sein eigenes Erleben im Lateranensischen Palast zu schildern. Ich vermochte mir nicht vorzustellen, welchen Eklat dies unter den Anwesenden auszulösen imstande gewesen wäre, wenngleich ich eingestehen muss, dass mein lieber Franco doch alles Recht hatte, seiner geschundenen Seele Ausgleich zu verschaffen und seinen Teil zur besseren Beurteilung des teuflischen Unholds auf dem Apostolischen Stuhle beizutragen. Zum Glück kam ihm dieser Gedanke aber nicht, er schwieg voller Ergriffenheit und ich war’s zufrieden.