Kitabı oku: «Das Buch der Vergeltung», sayfa 5

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Der Kaiser drehte den Kopf ein wenig zur Seite, so dass er seine Gemahlin sehen konnte. Wieder wollte ich einschreiten, um meinen Schüler vor größerer Peinlichkeit und Bestrafung zu schützen, aber die Kaiserin hieß mich sitzen bleiben und lächelte voller Offenheit und Geduld. Scheinbar hatten die beiden Majestäten an diesem Spiel ihr Vergnügen.

Ich war zu nichts weiter verdammt als zum Zuschauen und Übersetzen, wo es nötig war.

Erstaunlicherweise hatte Franco mit der sächsischen Sprache weit weniger Schwierigkeiten, als ich erwartete. Schon nach kurzer Zeit brachte er einzelne Wörter in des Kaisers Sprache heraus, was in mir eine nicht geringe Menge Stolz und Würde wachsen ließ.

„Du meinst also, für einen Solidus bekämest Du genauso viele Eier oder Korn oder Tuche wie für einen Klumpen aus Gold, bei sonst gleichem Gewichte?“

Franco bestätigte, dass er die Frage genau so gemeint hätte.

„Nun, Du hast recht, mein guter Junge. Mir gefällt Deine Frage und ich will sie Dir gern beantworten“, sagte der Kaiser voller Milde und fuhr fort: „Sag mir Junge, Du hast bereits gelernt, was Regalien sind?“

„Nein, gnädigster Herr.“

„Auch gut, denn Dein Meister wird es Dich schon bald lehren. Zunächst ist zu sagen, dass wir das von Gott gegebene kaiserliche Recht innehaben, einen bestimmten Platz oder eine civitas zum Markte zu erheben und ebenso zu bestimmen, in welcher Münze auf ebendiesem Markte gehandelt werden solle. Den braven Kaufleuten aber ist ein getreues Geld von Nutzen, welches immer ein gleiches Gewicht, eine gleiche Größe und einen gleichen Wert besitzt. Dies alles aber hängt vom Metall ab. Ein solcher Solidus, wie Du ihn hältst, ist aus Gold und besitzt den gleichen Wert wie zwölf Denares aus Silber. Verstehst Du das?“

Franco nickte aufmerksam.

„Nun, in jedem dritten Jahre lassen wir die werten Kaufleute zu uns kommen und all ihre Denares aus Silber gegen neue eintauschen. Wir geben neun für zwölf und ebenso verfahren wir mit den Solidi.“

Franco senkte den Blick und dachte einen Moment lang nach. „Dann wäret Ihr mit jedem Tausch ein reicher Mann! Ihr bekämet ein Viertel von allem und ein weiteres Viertel von den Wohlhabenden“, antwortete er.

Der Kaiser und die Kaiserin lachten herzhaft und da konnte auch ich mir ein Schmunzeln nicht verwehren. „Du wärest mir ein gar trefflicher Berater, Junge! Die Kaufleute sind schon von ihrer Natur aus eine zänkische Fraktion, musst Du wissen. Sie würden uns Halunken und Betrüger schimpfen, wenn es so wäre“, entgegnete der Herrscher gutgelaunt.

„Sie tauschen immer nur Denares gegen Denares und Solidi gegen Solidi, ebenso nur Silber gegen Silber und Gold gegen Gold. Daher bekommen wir von allem immer nur ein Viertel, ganz gleich, wie viel von jedem ein jeder hat. Man nennt dies Tax oder Steuer. Und man mag es glauben oder nicht, bevor es bei Hofe ankommt, geht es durch so viele gierige Hände, dass uns kaum mehr bleibt, als uns der ganze Hofstaat und das Heer kostet. Aber“, der Kaiser machte eine kurze Pause, in der er den Blick prüfend über seine ebenfalls anwesenden engsten Berater und Vertrauten gleiten ließ, „wir werden über Deinen Vorschlag dennoch nachdenken. Er klingt uns gar nicht so übel. Denn bei wem mehr zu holen ist, da sollte man bei Gott auch mehr holen.“

Daraufhin reichte er dem Franco die Münze und sagte: „Nun nimm selbst diesen Solidus als Geschenk von uns, zum Zeichen unserer Gunst für Dich und Deinen lieben, hoch verehrten Meister Liuzo. Er möge Dir mit Gottes Hilfe Glück bringen und Dich beschützen, wenn es einmal arg um Dich steht.“

Franco verbeugte sich artig und betrachtete mit großer Freude das kaiserliche Geschenk, welches in seiner Hand mit dem goldenen Ring um die Wette glänzte. Als der Kaiser dies sah, beugte er sich leicht nach vorn und sprach mit gedämpfter Stimme zu Franco:

„Einen schönen Ring trägst Du da. Zeig ihn mir her!“

Franco stockte einen Moment und sah erwartungsvoll zu mir hinüber. Ich nickte ihm aufmunternd zu.

Mit sichtbarem Widerstreben schob Franco seine rechte Hand nach vorn, aber nicht weit genug, damit der Kaiser selbst sie erreichen konnte.

„Du musst den Ring abnehmen, um ihn dem hohen Kaiser zu zeigen“, raunte ich.

Franco schüttelte den Kopf.

„Das kann ich nicht“, antwortete er leise und zog die Hand zurück. Ich ahnte natürlich, welche Sorge ihn quälte und beeilte mich, ihm mit gutem Rat zur Seite zu stehen.

„Nimm etwas Seife dazu! Die wird den Ring lösen“, sagte ich mit gütigem Lächeln.

Aber Franco regte sich nicht. Fast schien es, als hätte er mich nicht verstanden.

„Was ist, mein Junge? Du musst tun, was der Kaiser von Dir wünscht!“

Wieder schüttelte er den Kopf, heftiger als zuvor.

„Ich kann den Ring nicht abnehmen. Er ist ein Geschenk meines Vaters.“

„Ja, und?“, erwiderte ich.

„Ich habe einen heiligen Eid an seinem Sterbebett geleistet, ihn niemals abzunehmen.“

Damit zog er seine Hand ganz zurück und wandte sich vom Kaiser ab.

Bumm! Ich war wie vor den Kopf geschlagen!

Hatte mein lieber Schüler Franco das wirklich gesagt oder träumte ich dies alles nur? Eine solche Beleidigung dem hohen Kaiserpaare gegenüber hatte ich zuvor noch nicht erlebt! Und ich hätte dies auch nie erwartet, nicht hier und nicht heute, es sei denn, von einem Feind, einem Todgeweihten oder in einem Irrenhaus.

„Franco!“, stöhnte ich in ohnmächtigem Entsetzen. „Bist Du nicht bei Verstand? Was tust Du nur? Du beleidigst …“

„Nein, nein, mein lieber Liuzo“, hob der Kaiser an, ohne auf meine Entschuldigung zu warten. „Müht Euch nicht, den Jungen zu erklären. Ich denke, ich habe schon verstanden, was er mir sagen will. Es scheint, sein Vater bedeutet ihm eine ganze Menge, so wie mir meiner und Euch Euer Vater sicher sehr viel bedeutet. Daran ist nichts Verwerfliches! Im Gegenteil! Eines jeden Mannes Vater sollte dies zu höchster Ehre gereichen. Und deshalb sage ich: Es ist schon in guter Ordnung so. Lasst es nur weiter so sein, lieber Bischof!“

Dennoch, nach dieser größten aller möglichen Beleidigungen meines geliebten Kaisers war ich lange Zeit nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Alles in mir schien durcheinander zu geraten. Mein Herz raste. Mein Magen krampfte zusammen, als hätte ich saures Obst gegessen. Und auch mein Zahnweh machte sich an einer Stelle bemerkbar, wo ich es doch schon längst vergessen glaubte.

Dann wandte sich der gütige Kaiser wieder an den Jungen und sagte:

„Du musst keine Angst haben, braver Junge. Ich weiß sehr gut, wie es um Dich bestellt ist.“

Und während er sich langsam aus seinem Stuhl erhob, deutete er auf die Hand mit dem Ring. „Pass’ nur gut auf, dass man ihn Dir nicht eines Tages stiehlt! Es wäre doch zu schade um ein Stück von solch hohem Wert. Und nun, meine lieben Leute, lasst uns aufbrechen!“

Die kaiserlichen Berater, es waren vier an der Zahl, allesamt sehr würdevoll und in kostbare, aufwändig bestickte purpurne Gewänder gekleidet, nickten ehrerbietig. Unter ihnen war übrigens, dies soll hier nicht unerwähnt bleiben, der preiswürdige und hochgelehrte Widukind von Corvey, der mir ein guter Freund war und mit dem ich viele wunderbare Stunden gemeinsamen Disputs über die sächsischen und fränkischen Häuser verbracht hatte, wenn wir uns auch über die universale Rolle des Römischen Papststuhles niemals einigen konnten. Er, ein Sachse von adeligem Stande, begleitete den Kaiser und seine Gemahlin während ihrer Italienreise und war, wie auch meine geringe Person in aller Bescheidenheit sagen darf, ein Meister der Autographie und Geschichtsschreiber.

Am Tage der Abreise des herrschaftlichen Zuges bekamen Franco und ich zum ersten Mal die drei Wagen mit den Gefangenen zu sehen, die bisher abseits und unter dem strengen Schutze eines Hauptmannes standen. Die beiden vorderen waren von drei Seiten mit weißem Linnen verhangen, der dritte Wagen hingegen ließ keine Seite offen. Der Kaiser selbst führte mich über den Hof, um mir ein Bild über das Ausmaß seines glorreichen Erfolgs und ebenso seiner Gnade und seines Großmuts zu geben.

Die Gefangenen waren nicht etwa gekettet an Händen und Füßen, bei Wasser und Hirsebrei darbend, und dem Tode näher als dem Leben. Nein, ganz das Gegenteil war der Fall. Ich sah den Berengar und seine unheimliche Gattin Willa, frei beweglich und in einem durchaus bequemen Wagen reisend, neben einer Schale mit frischen Trauben auf einem Stapel Tuche und Teppiche sitzend.

Der Unhold musterte mich mit gar bösem Blicke, kannten wir uns doch aus guten wie aus schlechten Tagen bei Hofe in Pavia. Bis heute kann ich ihm nicht gut verzeihen, was er meinen Nächsten und mir nach meiner glücklichen Rückkehr von einer gefährlichen Gesandtschaft nach Konstantinopel angetan hatte. Nur mit Gottes Hilfe und Eingebung hatte ich mein nacktes Leben auf ein griechisches Schiff retten können, welches dann als einziges im Sturme nicht versank, sondern mich am Ende wohlbehalten nach Ancona brachte, wo ich todkrank zusammenbrach und von wo mich gute Freunde nach Hause geleiteten.

Als ich von den erlittenen Strapazen einigermaßen genesen war, begab ich mich sogleich an den Hof nach Pavia. Dabei führte ich gegen meinen Herrn Berengar nichts weiter im Schilde, als die rechtmäßige Erstattung meiner nicht unbeträchtlichen Kosten, die ich ihm verauslagt hatte, einzufordern. Auch die während der Reise erlittenen Verluste an all meinen persönlichen Sachen durfte ich ihm gegenüber nicht unerwähnt lassen.

Der unheilige Bösewicht jedoch, getrieben von seinem geizigen und missgünstigen Eheweib, ließ mich an Händen und Füßen anbinden, hinauswerfen und demütigen. Im Hofe meines bescheidenen Hauses ließ er hundert Fuhren Esel- und Schweinemist abladen und dreizehn Tage lang das Tor so absperren, dass wir es nicht hinausschaffen konnten. Der üble Gestank begleitete uns so entsetzlich lange, dass wir uns eines Nachts aus unserem eigenen Hause wie Diebe davonstehlen mussten, um woanders ein besseres Quartier zu finden. Ich nehme ihm das bis zum heutigen Tage sehr übel.

Nun also sahen wir uns wieder und standen uns Auge in Auge gegenüber. Ich konnte meine Schadenfreude wohl nur schlecht verstecken und Frau Willa tat, was sie am besten konnte, nämlich mich keines einzigen Blickes zu würdigen. Im zweiten Wagen, nicht ganz so streng bewacht, aber ebenfalls mit einem Stapel kunstvoller Teppiche ausgelegt, reisten die beiden jungen Töchter des Berengar, mit Namen Oda und Rosvith. Gleichwohl sie dem Wuchse und ihrer Natur nach noch Kinder waren, sollten auch sie im Auftrage der kaiserlichen Versammlung zur Verbannung nach Babenberch geschickt werden. Kaiserin Adelheid selbst hatte sich in allerhöchster Gnade erboten, für die Mädchen zu sorgen und es ihnen auch nicht an der notwendigen Erziehung fehlen zu lassen, was der Kaiser wohlwollend, aber dennoch verwundert zur Kenntnis nahm und hernach bestätigte.

Während es mich weiter zum dritten und letzten Wagen mit dem reumütigen Sünder und falschen Papst Benedictus zog, verweilte mein junger Schüler auffallend lange vor dem zweiten Wagen. Aus der Entfernung konnte ich sehen, wie eines der Mädchen die Hand nach ihm ausstreckte, um etwas von ihm entgegenzunehmen. Der Hauptmann schickte sofort einen seiner bewaffneten Mannen, um dies zu unterbinden, aber es konnte nichts gefunden werden, was es hätte sein können, was das Mädchen wohl unter ihren Kleidern verbarg und nicht hergeben wollte.

Als ich den ehemaligen Bischof und jetzigen Diakon Benedictus sah, mit nichts weiter als etwas dünnem Stroh ausgestattet und gar betrübt an das eiserne Gitter seines Wagens gelehnt, konnte er mir fast leidtun. Er war müde, sah hungrig und geplagt aus. An ihm war keine Spur mehr von dem Manne, den ich während der Heiligen Römischen Synode in hellem Glanz und reicher Glorie erlebt hatte. Das gerechte Urteil, welches ihn für sein schändliches und gotteslästerliches Tun getroffen hatte, mochte ihm wohl sein Leben gerettet haben, sein Geist jedoch war gebrochen. Mir war nun nicht nach einer Unterhaltung zumute, aber ich sah dem Benedictus an, wie sehr er sich nach einem wohlgefälligen Gespräch bei einem Becher Wein und gutem Essen sehnte. Auch die Aussicht auf das, wie man hört, recht kalte Klima im Norden (er verließ das sonnige Italien und ging mit Erzbischof Adaldag nach Hammaburg) vermochte seiner armen Seele keinen Trost zu spenden.

Als der Zeitpunkt der Abreise nahte, war ich einerseits betrübt und andererseits froh. Die Gunst des Kaiserpaares stellte einen unschätzbaren Wert dar, dessen wahres Ausmaß ich zu jenem Tage noch gar nicht abzuschätzen gewusst habe. Auch war es mir mit Gottes Hilfe gelungen, die Soldaten des kaiserlichen Heeres drei Tage lang von Beutezügen und Plünderungen in der Stadt abzuhalten. Die Cremoneser Bürger, deren Häuser und Läden dem großen Heerlager am nächsten zugewandt waren, klagten nur gering oder priesen öffentlich sogar die Weisheit und Freigiebigkeit meiner bescheidenen Person, was ich mit nicht geringer Genugtuung und Freude aufnahm.

Franco stand wieder bei den Mädchen und tuschelte heimlich mit ihnen. Ich hatte wohl allen Grund, mir ernste Sorgen um den Jungen zu machen. Noch mehr Sorge allerdings bereitete mir, dass das italische Königreich mit jedem Tage und mit jeder Meile, die der Kaiser sich von Rom entfernte, unsicherer und anfälliger für neuen Zwist und Streit wurde. Der unselige aufrührerische Adalbert war noch nicht gefangen und der ehrwürdige Leo auf dem Stuhle Petri wohl nicht stark genug, um sich allein, ohne des Kaisers Schutzmacht, gegen die Römer und ihre Vasallen aus dem Norden wie aus dem Süden zu verteidigen.

Zum Abschiede lud mich der Heilige Kaiser ein, im nächsten Jahr sein willkommener Gast am sächsischen Hofe zu sein. Ich solle zu ihm reisen, wann immer es meine Gesundheit erlaube, und so lange bleiben, wie es mir Freude und meiner Seele Labsal war. Bei dieser Gelegenheit wolle er mir dann eine erneute Gesandtschaft übertragen, die, wie er es ausdrückte, in besonderem Maße Vertrauen, Erfahrenheit und diplomatisches Geschick erforderte. Ich verneigte mich so tief und so demütig, wie es meine angeschlagene Gesundheit damals zuließ, dankte ihm für die Gnade seiner Gunst und versprach, alles in meinen bescheidenen Kräften Stehende zu tun, um ihn, den allerhöchsten Heiligen Kaiser und seine höchst geliebte und Heilige Gemahlin Kaiserin Adelheid in jeglicher Hinsicht zufriedenzustellen.

Außerdem entbot er sich, mir ab sofort eine monatliche Apanage in nicht unbeträchtlicher Höhe zu gewähren, was ich mit höchster Freude annahm. Als einzige Gegenleistung sollte ich lediglich für ihn fortsetzen, was ich sowieso schon mit größtem Vergnügen und manchmal wohl auch zum Zeitvertreibe tat: Schreiben! Nichts war mir lieber als dies und dazu, wenn es auch noch aufs Beste bezahlt wurde.

Mein Herz jubelte!

4. Kapitel

Den ganzen Winter über plagten mich erneut böse Schmerzen in den Gelenken, die sich auch durch Bäder und Wickel nicht recht lindern ließen. Auf vielfaches Anraten von Francos Lehrmeister, den mein braver Schüler regelmäßig ohne mein Wissen in meine körperlichen Beschwerlichkeiten und Nöte einweihte, begaben wir uns daraufhin auf den mühevollen Weg an den Königshof nach Pavia. Dort weilte zu jener Zeit einer der bekanntesten Heiler und Kräuterkundigen, der edle und ehrwürdige Benedictinerpater Matthias von Gernrode. Schon in den ersten Wochen seines Aufenthaltes am Hofe verbreitete sich die Kunde über seine wundersamen Heilkünste bis nach Rom und gar viele Kranke und Schmerzgeplagte strebten zu ihm. So drang sein Ruf auch nach Cremona und eine rege Reisetätigkeit in den Norden setzte ein. Wir selbst kamen im Frühjahr 965 Anno Domini dort an und bezogen Quartier im Hause meines Vaters, welches lange Zeit leer stand und mehr als genug Platz bot für meine Gäste, die Dienerschaft, zwei junge Diakone und einige Gehilfen, die ich für die allfälligen Schreibarbeiten und Beurkundungen mit mir führte.

Schon am zweiten Tage nach unserer Ankunft besuchte mich Bruder Matthias in meinem dortigen Palaste und prüfte, kaum, dass er eingetreten war, den Geruch in allen Räumen. Sofort, noch bevor er mich einer ersten Diagnose unterziehen wollte, gab er meinen Dienern Anweisungen, welche Pflanzen im Hause erlaubt seien und welches Öl sie zum Brennen benutzen sollten. Bruder Matthias war zu meinem größten Erstaunen ein noch junger Mann, er mochte kaum zwei Dutzend Winter erlebt haben. Ich gebe zu, trotz seiner Jugend war ich ungemein angetan von seiner Kenntnis der Dinge und ihren inneren Zusammenhängen. Auch Franco, der ihn unablässig beobachtete und darauf bedacht war, Matthias auf das Beste zufriedenzustellen, erging es so.

Sogleich unterstellte ich mich seiner weithin bekannten und oft gepriesenen Methode der Diätetik und gab meiner Dienerschaft Anweisungen, alles genauestens einzuhalten, was immer der ehrwürdige Bruder Matthias ihnen auftrug. Er lehrte mich und meinen Schüler in den folgenden Tagen und Wochen, während wir im Garten oft und gar trefflich disputierten, den richtigen Umgang mit der Luft, dem Wasser, der Wärme und dem Licht, er hieß mich, lange Spaziergänge an der frischen Luft zu unternehmen, er unterwies mich, auf die gute Ernährung zu achten und den richtigen Wechsel von Schlafen und Wachen einzuhalten, und neben vielen anderen nützlichen Dingen lehrte er mich auch, meine nicht geringen Affekte und Emotionen besser zu beherrschen. Er war ein großartiger, bescheidener und doch in seinem Wesen unnachgiebiger Lehrmeister und ich bereitete ihm zum Danke jede erdenkliche Freude, die ihm anzunehmen gestattet war. Noch heute danke ich dem geliebten Pater für jedweden Ratschlag, den er mir gab, und preise den Herrn im Himmel für seine Güte und Weisheit, mich in meiner Not zu ihm geleitet zu haben. Seit jenen Tagen am italischen Hofe in Pavia bin ich von den meisten meiner schlimmen Leiden wie durch ein göttliches Wunder geheilt und niemals wieder befallen worden. Leider aber nicht von allen, wie ich später noch zu berichten haben werde.

Der Herbst setzte in jenem Jahr schon recht früh ein und brachte eisigen Regen und Sturm. Für eine lange Reise über die Berge der Alpen, die den Süden vom Norden des Reiches trennten, bedurfte es aber nicht nur des warmen Wetters, sondern auch einer gewissen Vorbereitung. In Schnee und Kälte über die Berge zu gelangen war auch mit guter und warmer Kleidung, wie die Normannen, von denen man jetzt allerorten hörte, sie trugen, nicht gut möglich. So beschlossen wir, den Winter in Italien abzuwarten und unsere dem Heiligen Kaiser versprochene Reise nach Sachsen erst im Frühjahr zu beginnen, wenn der Schnee in den Bergen taute und die Wege nach Norden wieder freigab.

Um vor den gestrengen Augen unseres Allergnädigsten Kaiserpaares in geziemender Bescheidenheit und mit ehrbarem Fleiß bestehen zu können, nutzte ich die verbliebene Zeit bis zum ersten Vogelzug gen Norden mit der umfassenden Niederschrift der wichtigen und berichtenswerten Ereignisse aus Italien, Griechenland, Franken und Sachsen sowie aus dem Rest des Reiches. Hierzu bediente ich mich jeder Kunde, jedes berittenen Boten und jedes durchziehenden Spielmannes, derer ich am Hofe ansichtig werden konnte, und sandte meinen ehrbaren Amtsbrüdern in allen Teilen des Reiches zwei Dutzend Briefe, auf dass sie mir mit ihrem Wissen und ihrem Ratschlage bei meiner Aufgabe zur Hilfe kommen wollten.

Das Christusfest und den Silvestertag begingen wir mit großen Festen am Hofe zu Pavia.

In den Kalenden des März hatte ich die Arbeit an meiner schönen Chronik, zunächst bis zur Rückgabe Veronas an König Hugo13), abgeschlossen. Über den Namen, den ich meinem Buche gab, mag die Nachwelt nicht gering überrascht sein. Wozu, fragt man sich vielleicht in späterer Zeit, nennt man es Liber Antapodosis14), wo es doch die Taten großer Männer beschreiben soll. Die Antwort darauf ist, dass ich die Taten des Tyrannen Berengar und seines unersättlichen und raubgierigen Weibes Willa aufzeigen und in alle Welt hinausschreien möchte. Diese beiden nämlich haben mich, mein Haus, meine Sippe und Familie ohne alle Ursache mit so vielen Pfeilen der Lüge, mit räuberischen Erpressungen und gottlosen Ränken verfolgt, dass weder die Zunge es aussprechen noch die Feder es aufschreiben kann. Schon mein Rücken sträubt sich wie der eines räudigen Hundes, wenn ich nur daran denken muss. Darum soll ihnen dieses Buch eine Vergeltung sein! Zur Vergeltung für die mir zugefügten Leiden will ich ihre Gottlosigkeit den gegenwärtigen und zukünftigen Menschen aufdecken.

Und ebenso wird dieses Buch auch den heiligen und glücklichen Männern, denen ich wärmsten Dank schulde, eine Vergeltung sein für die Wohltaten, die sie mir erwiesen haben. So schließt sich der Kreis, den ich am Beginn aufgeschlagen habe, mit einem wohlfeinen Schlusse, der jedem genau das vergilt, was ihm gebührt.

Kurz vor unserer Abreise erreichte mich in Pavia ein Brief meines Freundes Widukind von Corvey, in welchem er mir mit reichen Worten die glückhafte Ankunft des erleuchteten Kaiserpaares nach mehr als dreijähriger Abwesenheit in Franken schilderte und wie sie feierlich nach Wormatia geleitet wurden. Bei glanzvollen Festen in Ingilenheim und in Colonia stieß auch die westfränkische Königin Gerberga mit ihren Söhnen König Ludwig und König Karl sowie ihren Töchtern hinzu. Weiter kamen der Bruder des Erhabenen Kaisers Otto, Erzbischof Brun, seine Söhne König Otto und Erzbischof Wilhelm, die hohen Herzöge aus dem ganzen Reiche mit ihren Familien und die frommen Erzbischöfe aus Hammaburg, Treveris und Remorum nebst vielen Bischöfen, Grafen und anderen vornehmen Herren von geistlichem oder weltlichem Stande. Er schrieb mit so großartiger Begeisterung, dass nie zuvor ein Ort auf der Welt jemals durch solchen Glanz und Ruhm der an ihm versammelten Menschen jeglichen Standes, Alters und Ranges erstrahlte. Der Glanz ginge vor allem vom vollständig versammelten Königshaus aus, welches sich hier im Lichte des kaiserlichen Ranges präsentierte.

Aber auch die Kriegsbeute, so schrieb Widukind weiter, sorgte für nicht geringen kaiserlichen Glanz, als sie dem versammelten Hofe und allen Gästen in einer angemessenen Prozession, die einen ganzen Tag andauerte, vorgeführt wurde. Der abgesetzte Papst Benedictus, der nach Hammaburg gehen sollte, und das nach Babenberch verbannte italische Königspaar Berengar und Willa waren gar prächtige Ausdrücke der kaiserlichen Machtfülle und gleichzeitig seiner über alle Maßen ruhmreichen Weisheit und Barmherzigkeit.

Mit großer Vorfreude und Erwartung, so will ich gerne zugeben, machten wir uns nach den Ostertagen des Jahres 966 auf den Weg nach Norden. Unsere Reisegesellschaft bestand neben Bischof Liutprand von Cremona (meiner eigenen bescheidenen Person), meinem lieben Franco, aus dem ein stattlicher Bursche geworden war, und den beiden Diakonen, die für mich Schreibarbeiten erledigten, aus zwei Dienern und aus nicht weniger als sechs Reittieren. Dazu gab man uns eine kleine bewaffnete Abteilung, die uns bis zur italischen Grenze begleiten und vor Angriffen durch versprengte Reste von Berengars und Adalberts Anhängern, die sich immer noch in den Bergen um den Lago Maggiore herumtrieben, beschützen sollten. Danach, so sicherte man uns zu, seien wir auf sicherem Boden und hätten von diesen Halunken und ihren Hundsgesellen nichts mehr zu befürchten.

Gottlob entgingen wir auf geschickte Weise jeglicher Auseinandersetzung und gelangten wohlbehalten bis zur Grenze. Jedoch verlor ich durch ein tragisches Unglück Eco, einen der beiden jungen Diakone, der von einem der Maultiere getreten wurde und wenig später verstarb, noch bevor wir an Hilfe gelangen konnten. Wir beteten in einem nahegelegenen Kloster um seine Seele und übergaben den Brüdern dort seine sterbliche Hülle, damit sie sich um alles Weitere kümmern konnten.

Alsbald verlor ich auch den anderen Diakon, Tomas genannt. Ich schickte ihn mit den Bewaffneten zurück nach Pavia, weil er voll von Furcht und nicht mehr bereit war, weiter zu gehen oder gar zu reiten. Es schien, als könnte er mit seinem angstvollen Gerede alle anstecken und die ganze Gesellschaft zum Einsturze bringen. Der junge Tomas fürchtete, selbst durch einen geheimen Bergzauber verflucht zu sein und dass die Maultiere es auch auf ihn abgesehen hätten und er somit bald zu Tode käme. Im Traume hatte er sich auf grausamste Weise leiden und bluten sehen und war ganz sicher, sein letzter Seufzer stünde nun unmittelbar bevor. Auch mein gutes Zureden und die Austreibung der Dämonen, die ich ihm vor unserer Trennung als Zuspruch und auch als Zeichen meines guten Willens gewährte, halfen nichts.

Danach aber verlief unsere Reise ganz ohne Schwierigkeiten und wir kamen jeden Tag ein gutes Stück voran, teils geritten, aber wo es die Wege nicht erlaubten, auf den Füßen. Ganz am Ende der Berge, als wir alle schon nicht mehr damit rechneten, zeigte sich Gott in seiner gerechten Größe noch einmal deutlich für uns, indem er das Maultier, welches meinem lieben Diakon Eco den Todesstoß versetzt hatte, mit einem ebensolchen Stoß in einen tiefen Abgrund beförderte, wo es am Boden aufschlug und nur noch ein leises Quäken von sich gab, bevor es sein Leben für immer aushauchte. Ich dankte dem Herrn in einem Gebet dafür, dass er es so entschieden hatte.

Etwas nördlich der schönen Stadt Basilea, es mochte auf halbem Wege nach Argentoratum gewesen sein, bestieg unsere Gesellschaft am großen Fluss Rhenus ein Segelschiff mit ungewöhnlich flachem Boden, welches an beiden Seiten über große hölzerne Tafeln verfügte, welche uns, wie der Schiffsmeister mir sagte, für eine festere Reise nützlich sein sollten. Ich gestehe, dass ich mir anfangs ein wenig Sorgen um unsere Sicherheit machte, insbesondere natürlich, weil ich es bisher versäumt hatte, meinen Schüler Franco in der Kunst des Schwimmens im Wasser zu unterrichten.

Wir reisten jedoch nicht allein auf dem Schiff. Mit uns unterwegs waren zwei Kaufleute aus dem Burgundischen, die auf dem weiten Wege nach Brema im Norden waren. Sie trugen trotz des angenehmen und warmen Wetters, welches der Herrgott uns dieser Tage bescherte, lange schwarze Mäntel und ebensolche Hauben aus einem glänzenden Stoff, den ich zuvor schon einmal am Hofe Kaiser Konstantins VII. Porphyrogennetos gesehen zu haben glaubte. Sie nannten ihn damals Syde oder Seide und er war allerorten sehr teuer und nur schwer zu beschaffen gewesen. Ich bekundete natürlich großes Interesse an dem glänzenden Tuche und man riet mir, mich an eine der aus dem Osten zurückkehrenden Handelskarawanen zu halten, die, beladen mit Stoffballen aller Art, meist in den Tagen nach dem Vollmond in Colonia einzutreffen pflegten. Man sagte mir auch, dass es sich bei dem feinen Tuche wohl um ein Gespinst von niederem Gewürm, Raupen und Käfern, handeln solle, was ich allerdings für einfältig erachte und eher dem menschlichen Hang zur Flunkerei geschuldet sehe. Wie hätten derart einfache Kreaturen jemals etwas so Großes, voll von göttlicher Schönheit und Erhabenheit, herstellen können?

Wegen der dann folgenden aufregenden Ereignisse und wegen meiner überstürzten Abreise aus Konstantinopel verfolgte ich meine Absichten jedoch nicht weiter. Nun, da ich im Angesicht dieser beiden edlen Herren die ganze Prächtigkeit und Eleganz des Seidentuches bewundern konnte, nahm ich mir vor, die nächste Gelegenheit besser zu nutzen. Zu meinem größeren Erstaunen praktizierten sie noch eine andere, sehr ungewöhnliche Manier. Sie rieben ihre Hände viermal täglich mit einer Lotion ein, die gar lieblich nach Lavendel und Honig duftete. Auch den Hals und die Schläfen betupften sie immer wieder mit dieser Lotion, was wohl die Luft um sie herum, wie es mir schien, frei von Fliegen und Schnaken hielt. Die Kaufleute unterhielten sich die ganze Zeit über sehr gewandt über allerlei geschäftliche Angelegenheiten, von denen ich, wie mir auffiel, erstaunlich wenig verstand.

Unterwegs mussten wir zweimal auf ein anderes Schiff umsteigen, um Stromschnellen und andere im Flusse lauernde Gefahren zu umgehen. Ein heftiges Gewitter hielt uns zudem länger als nötig in einem Lotsenhause fest, denn die burgundischen Kaufleute bestanden streng und unnachgiebig darauf, der Weiterreise erst zuzustimmen, nachdem all ihre Kleidung bis auf den letzten Faden und Knopf getrocknet war. Dem Schiffsmeister war es ganz recht so, mich jedoch begann schon damals ein leichter Zahnschmerz zu peinigen. Dennoch fügten wir uns dem Willen der übrigen Reisegesellschaft und fuhren erst am nächsten Morgen weiter. Als wir dann um die Mittagstunde ganz in der Nähe des Klosters Wicenburg ein neues Schiff bestiegen, welches ebenso flach und breit gebaut war wie das erste, bemerkte ich am Westufer des Stromes eine Gruppe Männer in ärmlichen Kleidern. Von gemeinen Bauern unterschieden sie sich ganz erheblich, nicht nur durch ihre Reittiere (es mochten kleine Pferde gewesen sein), sondern auch durch ihr Verhalten. Sie deuteten mit den Armen zu uns hinüber und schimpften, als hätten wir sie einstweilen in ihrem Frieden gestört. Ich schwöre bei der Heiligen Jungfrau Maria, wir haben uns aber nichts dergleichen zuschulden kommen lassen, sondern immer die gehörigen Abstände eingehalten, wie uns auch der Schiffsmeister mit seinem Eide versicherte. Der Trupp verschwand plötzlich vom Ufer und ward für wenigstens zwei Stunden nicht mehr gesehen.

Ich wusste damals nicht, ob ich mir Sorgen machen müsste, dass unser Leben oder unser Wohlergehen bedroht sei. Zunächst waren wir in der Mitte des Flusses auf sicherem Abstand und der Schiffsmeister schien gänzlich unbesorgt zu sein, nachdem sie aus unserem Blick verschwanden. So war ich es denn auch.

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